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wobei 24 Personen getötet und 35 verletzt wurden. — In Ssitomiersch, der Hauptstadt von Wolhynien, kam es am Montag zu heftigen Krawallen und Straßenmetzeleien. Bewaffnete Juden verteidigten sich gegen Angriffe, wobei es viele Tote und Verletzte gab. — In der Gouvernementsstadt Lomscha wurden sozi alistische Manifestationen durch Dragoner ver hindert; 82 Personen wurden verhaftet. — In Lodz wurde der Geheimpolizist Matfiaschek in der Kreuzkirche entdeckt. Er entfloh auf die benachbarten Hausdächer, wurde jedoch durch die Menge verfolgt und mit Messerstichen erdolcht. — Bei den Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung in Ssitomiersch (Wol hynien) wurden 15 Personen getötet, 50 ver wundet. — Die italienische Regierung wird die Schlachtschiffe „Sardegna" und „Bausan" nach Kandia entsenden. Beide Schiffe ver fügen über ein 500 Mann starkes Landungs korps. — Der türkische Grotzherr, der schon oft seine Umgebung durch scharfes, sach gemäßes Urteil in Erstaunen gesetzt hat und speziell für Deutschland große Sympathien hegt, hat sich wie der B. L. A. berichtet von neuem über Schulung und Ausbildung seiner Untertanen in bemerkenswerter Weise ausge sprochen. Gelegentlich eines Vorschlags, Offi ziere und Beamte, insbesondere auch Mediziner zur Ausbildung nach Frankreich zu senden äußerte der Sultan: Wenn Offiziere und Aerzte nach Deutschland gegangen sind, haben sie den Ernst zur Arbeit mitgebracht. Sie kehrten mit vermehrter Bildung zurück und waren imstande, ihrem Lande zu nutzen, in dem sie die erworbenen Kenntnisse vermittelten. Die nach Frankreich gesandten Beamten und Aerzte haben sich nebenbei mit vielen anderen Dingen beschäftigt, wurden ihrem Heimatlande entfremdet und sind ihm so gut wie verloren gegangen. — St. Petersburg. Nach hier vor liegenden Meldungen wurden in den Ostsee provinzen sowie in Moskau Schillerfeiern ver anstaltet. In den deutschen Schulen von St. Petersburg fanden Festaufführungen statt. Auch die russischen Bühnen ehrten den deutschen Dichter durch Aufführungen seiner Dramen. Die illustrierten Zeitschriften und Zeitungs beilagen bringen auf den Schillergedenktag bezügliche Zeichnungen und Aufsätze. — Der russische Stabskapitän Koslow ist in geheimer Mission nach Urga abgereist, wo sich der aus Lhassa geflüchtete Daili-Lama befindet. Der Zar sendet diesem kostbare Geschenke. — Das dritte russische Geschwader unter Nebogatow hat die Höhe von Saigon passiert, um sich mit Rojestwenkijs Flotte zu vereinigen. — Zur Charakteristik! russischer Zu- siünde schreibt ein Petersburger Freund den „Grenzboten": Einer der Direktoren eines großen hiesigen Fabrikunternehmens (ein deutscher Staatsangehöriger) wurde in den letzten Tagen zum Generalgouverneur zitiert. Dieser empfing den Herrn sehr ungnädig und begann, ohne ihn zum Sitzen aufzufordern: „Ihre Fabriken arbeiten nicht?" Der Direktor: „So ist es, Exzellenz." Gouverneur: „Ich wünsche, daß man die Arbeit wieder aufnimmt." Direktor: „Leider ist es unter den zurzeit herrschenden Umständenausgeschlossen,Exjellenz."Gouverneur: „Sie hören, daß ich es wünsche!" Direktor: „Der Verein Petersburger Fabrikdirektoren hat den Beschluß gefaßt, die Fabriken bis auf weiteres zu schließen, Exzellenz." Gou verneur (schärfer): „Kennen Sie ein Gouverne ment Archangelsk?" (Es ist das nördliche Rußland.) Direktor: „Ich habe nicht das Vergnügen, Exzellenz, aber vielleicht wird der deutsche Botschafter Graf Alvensleben es kennen!" Gouverneur (in verändertem Tone, sehr höflich): „Bitte, wollen Sie nicht Platz nehmen? Ich bin weit entfernt davon, Ihnen Vorschriften zu machen" usw. Der Einsender schließt: „Was aber wäre geschehen, wenn der Mann russischer Uutertan gewesen wäre?" Man kann es sich leicht denken. — Die Handelskammer in Tokio tritt für den Abbruch der Haudelsbeziehungen zwischen Rußland und Frankreich ein. Arts Stadt und Land. Naunhof, den 11. Mai 1905. Naunhof. Sonnabend den 20. Mai findet in Naunhof eine Vormusterung der hier gehaltenen Pferde auf dem Marktplatze statt' Naunhof. Untersuchungen der Blitz ableiter müssen von Zeit zu Zeit immer wiederholt werden. Nach den Stürmen in den Wintermonaten und bei der starken Neigung zu Gewittern in den Frühlings monaten sind sie unerläßlich. Dis oberirdischen Leitungen lassen sich durch genaue Besichtigung auf ihre LeitungSsähigkeit leicht kontrollieren, allein bei der Hauptsache, bei den unterirdischen Leitungen, muß die Prüfung mit elektrischem Meßapparat erfolgen, um so den Grad der noch vorhandenen Widerstandsfähigkeit festzu stellen. Man versäume dies ja nicht, denn ein mangelhaft leitender oder schlecht geerdeter Blitzableiter ist gefährlicher, als wenn das Haus gar keinen Blitzableiter hat, weil jede fehlerhafte Stelle der Leitung den Blitzstrahl auf das Gebäude oder die Nachbarschaft über springen läßt und eine ungenügende Erdung den elektrischen Strom nicht im Erdboden ge hörig verteilen kann. ff Eine größere Anzahl sächsischer Automobilisten plant eine Dauerfahrt von Dresden nach Wien und zurück. Die Fahrt soll im Juli stattfinden. ff In Verbindung mit den diese Woche in Dresden stattfindenden Vereinstagen für innere Mission wird die der Förderung der Arbeit für die äußere Mission innerhalb der gesamten sächsischen Landeskirche dienende Sächsische Missionskonferenz Freitag den 12. Mai vormittags 9 Uhr eine Helferversammlung abhalten, in welcher die allgemeines Interesse in Anspruch nehmende Frage: „Was spricht für Beibehaltung des Epiphaniasfestes?" zur Verhandlung kommen wird. ff Die Mitteilung über deutsche Schulen im Auslande, welche das Monatsblatt des Allgemeinen Deutschen Schul- vereins zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande in seiner Mai-Nummer bringt, ist zu entnehmen, wie die deutsche Schule in Brüssel sich fortdauernden Gedeihens erfreut. In der zweiten Hälfte des März erhielt die Schule den Besuch der damals in Brüssel weilenden Königin-Witwe Carola von Sachsen. Die hohe Frau ließ sich vom Schulplatze aus die Lage und Bedeutung der neuen Schulgebäude erklären und sah sich das Turnen der oberen Knabenklassen aus dem Turnplätze an. Dann wohnte sie in verschiedenen Klassen dem Unterricht im Deutschen, Französischen und Rechnen bei und ließ sich zum Schluß zum hohen Festsaal hinaufgeleiten, wo der Chor der Mädchen und Knaben sie mit der sächsischen Volkshymne und dem Vorträge alter deutscher Volkslieder erstellte. ff Die Elbfischer klagen in diesem Jahre allgemein über außerordentlich un günstige Fangergebnisse. WitterungS« und Wasserverhältntsse seien dem Fischfang bisher wenig günstig gewesen. Namentlich sei der Lachsfang Heuer ein so geringer, daß stellen weise die ganze Woche nicht ein einziger Lachs gefangen worden ist. ff Die Höhe der Jahres bringt uns der Monat Mai mit Eintritt der immerwährenden Dämmerung vom 18. d. MtS. an. Die Zunahme ist jetzt ganz bedeutend und beträgt zu Anfang des Monats reichlich drei, zu Ende des Monats reichlich zwei Minuten. Die astronomische Dämmerung, darunter ver steht man das Hellwerden des östlichen Himmels, beginnt jetzt schon früh 2 Uhr und endigt abends nach 10 Uhr. Im letzten Drittel des Monats Mai tritt die Zeit der immerwährenden Dämmerung ein. Wir stehen dann auf der Höhe des Jahres. Diese Periode, während der es bei klarem Himmel selbst über Mitternacht nie ganz dunkel wird und vom Sonnenuntergang bis Sonnenauf gang das Licht der Sonne in dämmernden Strahlen um den nördlichen Horizont spielt, dauert bis in den Monat Juli, etwa bis zum Beginn der großen Ferien. ff Die gefürchtete Maikäferplage scheint in diesem Jahre nicht eintreten zu sollen. Sehr zur Freude der Landwirte und zum Bedauern der Schuljugend ist der Maikäser in diesem Monat nach nicht erschienen und auf der „Börse" werden die wenigen vor handenen Exemplare dieser Insekten zu hohen Preisen gehandelt. Es hat fast den Anschein, daß das früher periodisch wiederkehrende Massenauftreten der gefräßigen Körper nicht mehr stattfindet. Diese Erscheinung dürfte darauf zurückzuführen sein, daß in den letzten acht Jahren die Witterung im Mai der Jn- sektenentwicklung wenig günstig war und die Fortpflanzung der braunen Käfer dadurch sehr gestört wurde. Es ist daher zu hoffen, daß die sogenannten „Flugjahre" der Maikäfer überhaupt nicht wiederkehren dürsten. Leipzig. Die Zwangsversteigerungen von Grundstücken zeigen sowohl der Anzahl als auch dem Werte nach eine Zunahme. Zur Zwangsversteigerung sind nicht weniger wie 44 Grundstücke ausgeschrieben, die einen Taxwert von 2 600 000 Mark haben. Leipzig. Im Schutze der Nacht hat ein russischer 44jähriger Student, namens Morrosoff, einem jungen Mädchen gewaltsam die Geldtasche abgerissen. Auf die Hilferufe der Beraubten machten sich Schutzleute auf seine Verfolgung und nahmen ihn fest, nach dem er vorher die Geldtasche fortgeworfen hatte. Seine ganze Barschaft betrug — 45 Pfg. Nach seiner Angabe hat er sich Geld verschaffen wollen, um seine Rückreise nach Rußland zu ermöglichen. Der Pegauer Rabatt-Sparverein hatte im vorigen Jahre einen Umsatz von 308 800 Mark. Nerchau. Aus Anlaß der Schillerfeier hat der hiesige Stadtgemeinderat einstimmig den Beschluß gefaßt, einem paffenden Platze oder einer geeigneten Straße die Benennung Schillerplatz bezw. Schillerstraße beizulegen. Rochlitz. Nicht geringer Aufregung be mächtigte sich am Sonntag der Besucher der Wirtschaft auf dem Rochlitzer Berg. Als sich die Gastzimmer infolge eines ausbrechenden Gewitters, welches sich mit elementarer Ge walt und wolkenbruchartigem Regen entlud, mit Güsten dicht gefüllt hatten, — unter den Gästen befand sich auch eine größere Gesell schaft aus Chemnitz — brach an mehreren Stellen des Gastzimmers die Decke durch. Die gewaltigen Wassermassen hatten den Balkon überflutet, hatten dann ihren Weg in die oberen Zimmer genommen und dort die Diele bezw. Decke durchweicht. Zum Glück kam niemand zu Schaden. Auf dem Güterbahnhofe in Rotzwein waren drei erwachsene Arbeiter des Baumeister- Koch beschäftigt, eine Lowry Bauhölzer abzu laden, zu welchem Zwecke sie noch zwei Lehr linge herbeiriefen. Beim Lösen der Seitenteile der Lowry kippten die Stämme seitlich ab und trafen die baiden Lehrlinge. Der eine erlitt drei Beinbrüche, während der andere mit leichteren Hautabschürfungen im Gesicht und einigen Quetschungen davonkam. In der Sitzung des Oschatzer Bezirks ausschusses wurde die von der Stadt Dahlen beantragte Aufnahme eines Darlehens von 90 000 Mark zum Bau einer Gasanstalt in Dahlen unter der Bedingung genehmigt, wenn deren Erträgnis die Verzinsung und Amor tisation sicher stellen. Am Sonnabend Vormittag wurde der 14jährige Dienstjunge Geith aus Zunschwitz, der in der Gaumnitzer Sandgrube bei Roch zahn beim Sandfahren beschäftigt mar und dabei trotz Warnung Kaninchenbaue unter suchte, durch eine niedergehende Wand ver schüttet und erdrückt, sodaß er auf der Stelle tot war. Beim Bergen der Leiche verun glückte der Dienstjunge Keller aus Oschatz, da nochmals eine Sandwand niederging und brach den rechten Oberschenkel, weshalb man ihn sogleich in das Oschatzer Krankenhaus brachte. Nm Sonnabend ereignete sich in Niederau abermals ein tiefbedauerlicher Unglücksfall. Der etwa 7jährige Sohn des Zimmermann Vetterschen Ehepaares nahm, als sich seine Mutter aus der Stube entfernt hatte, aus dem Kleiderschranke ein Teschin und spielte damit. Plötzlich entlud sich die Schußwaffe und die Kugel traf das einjährige Brüderchen des Knaben in di« Stirn und kam am Hinterkopfe wieder heraus. An der erlittenen schweren Verletzung ist das Kind in der Nacht zum Sonntag gestorben. Es ist dies wieder eines jener unglücklichen Vorkommnisse, über die fast täglich in den Zeitungen berichtet wird. Leider aber werden die von der Presse daran geknüpften Ermahnungen nicht genügend be achtet. In Oberwiesenthal soll die geplante Gasanstalt für Licht- und Kraftzmecke noch dieses Jahr fertig werden. In Bannewitz brannte ein Karussell ab, nachdem zu diesem Zwecke heimlich Petroleum in die Drehorgel gegossen und entzündet worden war. Man vermutet einen Racheakt, der dem Besitzer der Karussells etwa 3000 Mark kostet. In Eibenstock stellen die städtischen Kollegien unentgeltlich dem Verein sächsischer Irauenlist. Roman von Vera v. BaratowSki. SS Elinor wandte sich ab; er sollte ihr in diesem Moment nich* MS Antlitz schallen. „Welchem Glück," dachte sie bei sich. „MrS Lawdon hat in der Geheimschrift telegraphier!. Nun versteh* Fedor nicht, was diese anscheinend anspruchslosen Worte bedeu ten." „Elinor, was ist Dir? Weshalb dieser Schreck? Mr». Law don fragt ja nur an, wann Du wieder nach Hause kommst Sie meldet Dir, daß Dein Salon mit den Rokokvmöbeln fertiggestellt ist und sich darauf freut, Dir alle diese Herrlichkeiten zu zeigen. Weshalb daher solche Aufregung?" „Doch bedenke, wir müssen uns ja jetzt trennen," sagte sie dann „Trennen!" wiederholte Fedor. „Trennen!" sagte er noch einmal schmerzbewegt Elinor war froh, einen Vorwand für ihren Schreck gefunden zu haben, denn der wahre Inhalt dieser Depesche, der mußte für alle Zeit für Fedor ein Geheimnis bleiben. „Ja, wir müssen uns in das Unvermeidliche fügen. Glaube mir, es wird mir ja so schwer und doch, eS muß sein." „Weshalb?" fragte erin eigentümlicheintönigerWeise. „Du darfst nicht nach Petersburg zurück, bedenke dies. Du hast daö Attentat auf den Kaiser geleitet, Du bist aus Deinem Gefängnis entsprungen." Fedor erbleichte, das hatte er ja in Elinor» Nähe ganz ver gessen. „Und wohin soll ich gehen?" Elinor dachte einen Moment nach, dann eilte sie nach ihrem Schreibtisch, entnahm demselben eine in schwarzen Samt gebun dene Brieftasche, auf welcher goldene, verschlungene Buchstaben zu sehen waren. Sie zog die Tasche an ihre Lippen und erwi derte auf einen fragenden Blick FedorS: „Sie stammt von mei- nem verstorbenen Vater, sie ist mir ein teure» Gut." Fedor schaute hin, er entzifferte die Buchstaben, es waren ein G und ein R, dicht verschlungen und darüber funkelte in Brillanten die Grafenkrone. Eifrig suchte Elinor zwischen den Papieren und ein freudi- ger Schrei entrang sich ihrer Brust, als sie ausrief: „Hier ist, wa» wir nötig haben, ein Paß ins Ausland!" „Ins Ausland? Soweit soll ich fliehen?" „ES muß sein, Fedor, mache mir das Herz nicht noch schwe rer, e» muß sein." Der junge Mann schwieg, doch seine Augen wurden feucht. Elinor erkannte den tiefen Seelenschmerz, der ihn durchzuckte; sie preßte sein Haupt mit Gewalt an sich und flüsterte: „Ach, Du ahnst ja nicht, wie schwer e» mir wird, Dich zu lassen, doch das Schicksal knickt mit rauher Hand meine Glücksblüten, ich kann nur hoffen, daß un» bald wieder eine bessere Zukunft lä chelt." „Wohin schickst Du mich?" fragte er leise. „Gehe zuerst in die Schweiz, dort wird sich Dein Herz er- quicken an den Schönheiten der Natur Dort findest Du auch gleichgestimmte Seelen." „O, mir ist jeder Ort gleichgültig, ich lebe ja dann nur halb, mein Herz ist bei Dir, Du einzig Geliebte!" „Hier ist ein Paß, er lautet auf: Georg Rony, er paßt in allem auf Dich. Sieh her: dunkle» Haar, dunkle Augen, hohe, schlanke Statur, sieh, alles ist wie für Dich gemacht. Hier nun! Hier ist Reisegeld, einstweilen fünftausend Rubel, Du sollst ele gant auftreten, in den besten Kreisen verkehren, Gesellschaften besuchen, nur so kannst Du auch dem Bunde im Geheimen wei- ter nützen. Da ist auch ein Schlüssel zur Ehiffrefchrift. So schreibst Du mir, hörst Du, in dieser Geheimschrift; niemand, als Du und ich, dürfen wissen, daß wir uns lieben." Sie er rötete und senkte da» schöne Köpfchen. Fedor küßte sie auf die verschleierten Augen. „So, diese Angelegenheit wäre geordnet. Morgen früh mit dem ersten Schnellzuge verläßt Du Moskau und fährst ohne Aufenthalt bis über die Grenze; dann erst bist Du in Sicher heit und kannst reisen, wie es Dir paßt." Elinor hatte eindring lich gesprochen, man sah e» ihr an, e» war ihr fürchterlich ernst mit ihren Anordnungen. „Sobald schon?" fragte Fedor. „Bedenke, noch droht Dir die Entdeckung, Du bist geflohen; bis morgen kann Tonette, die so schlau wie berechnend ist, eine Entdeckung Hinhalten." Fedor entfärbte sich, denn plötzlich stand da» Bild des blei chen, jungen Mädchens vor seinen Augen, welches sich für ihn opfern mußte Damit er die Freiheit gewann, mußte da» zarte Geschöpf im Kerker bleiben. Elinor gewahrte die düsteren Wolken, die sich nm Fedors Stirn sammelten, sie ahnte auch die Ursache derselben und des- halb sprach sie rasch von etwas anderem. „Deine Reise wird nicht allzu lange dauern, entweder komme ich zu Dir oder Du kehrst zu mir zurück." Fedor sank ihr zu Füßen und sie neigte sich ihm entgegen und nun, in ihrem Liebesgeflüster, vergaßen sie alles, waS ihrer Liebe drohte, Trennung, Gefahr, Kerker und Tod. Ja, die Liebe, sie entführt die Menschen auf blühende Ge filde, sie macht uns alles vergessen, was uns drückt, sie erfüllt mit rosigem Schimmer da» arme Herz und zeigt uns im Traum ein Eden, die unerreichbare Insel der Glückseligkeit. * * * In süßem Schlummer lag Elsbeth in ihrem Gartenhäus- chen auf dem Ruhebett, sie träumte von ihrem durch sie gerette ten Geliebten, al» ein noch junges Weib, welche» aus der Hefe des Volkes zu stammen schien, sich zur Tür des Häuschen» heran- schlich. Leise klinkte sie die Tür auf und ein triumphierende» Lachen huschte über ihr Antlitz, als sie die Schläferin erblickte. „ES geht alles nach Wunsch," flüsterte st«. In der Hand hielt sie ein kleines Päckchen, e» schien ein Pul ver zu enthalten. So kam sie näher. Dort standen Gläser und eine Flasche mit Wasser. Ohne zu zittern, warf sie da» farblose Pulver in das bereitstehendeGlas- Dann wollte sie sich entfernen. Doch weshalb zögerte sie noch auf der Schwelle? „Wenn sie nun erwacht und nicht durstig ist," sagte sie zu sich selbst. „Ich bleibe hier, ich will ihr selbst das Gift geben, sie muß untergehen; ich kann es nicht mit ansehen, wie sie in Glück und Seligkeit schwelgt, wie sie ganz nur ihrem Bergnü- gen leben kann, während ich hart arbeiten muß." Sie schwieg, nur Blicke unheimlich schleichenden Hasse» warf sie auf da» nichtsahnende Mädchen. Elsbeth regte sich jetzt, sie griff mit der Hand nach dem Her zen und ein Wort entrang sich ihren festgeschlossenen Lippen. Blitzschnell neigte sich das verruchte Weib herab, sie wollte hö ren, was Elsbeth im Schlafe sprach, doch umsonst, kein Laut ent rang sich mehr den Lippen de» Mädchen». 122,20