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fanterie aus Leipzig berührten gestern bei einer Felddienstübung unsere Stadt. Naunhof. Unsere Parthe »lag zur Zeit der Gründung Naunhofs (um 1195) ziemlich strategischen Wert gehabt haben, da sich die deutschen festen Stützpunkte, welche zur Nieder haltung der Sorben angelegt wurden, längs des Parthenlaufes nachweisen lassen. Jedenfalls ist damals die Parthe ein ganz ansehnliches Gewässer gewesen, keinesfalls hat sie aber Eigenschaften gehabt, die jetzt an ihr beobachtet werden. Während vor dem Eintreten der Parthe in das Bereich der Leipziger Wasser geminnung das Flußbett z. Zt. reichlich gefüllt ist, verschwindet das Wasser auf dem Naun hofer Gebiet fast gänzlich, und erst hinter der, von den Wasserwerken beeinflnßten Gegend führt das Flußbett wieder reichlicher Wasser. Dabei mag aber bemerkt sein, daß wenn das wasserlose im günstigsten Falle wasserarme Flußbett auch keinen befriedigenden Anblick ge währt, die Vorteile doch bedeutend größer als die etwaigen Nachteile anzusehen sind, welche die bedeutende Wasserfördernng der Leipziger Werke im Gefolge hat. 1' In der vorigen Nummer der ,Naunh. Nachr/ war von einer Stiftung des Gußstahl werkes Döbeln berichtet; es ist hielbci ein Fehler unterlaufen, indem es statt Döbeln heißen muß: Gußstahlfabrik Döhlen (bei Dresden. ß Prinz Johann Georg von Sachsen machte am Montag in Begleitung seines Adjutanten Hauptmann Freiherrn von Berlepsch einen Ausflug zu Wage» von Neapel nach Eumae, um die Akropolishöhe zu be suchen. Am Fuße des Berges angelangt, begannen sie, gefolgt von zwei Geheimpolizisten, den Aufstieg auf einem Pnvatweg, als sich dem Prinzen plötzlich mit hock-geschwungener Sichel ein Bauer entgegenstcllte und den Fremden das Weitergchen verbot, da sie dadurch seine Saat schädigten. Die Geheimpolizisten gaben sich dem Bauern zu crkeuuen und sagten ihm, der Herr sei ein Prinz, der nur die Aussicht vom Berggipfel genießen wolle und ihnen sicher jeden Schaden, den man etwa der Saat zu- sügen könnte, ersetzen würde. Aber der Bauer nahm keine Vernunft an und wollte auf den Prinzen eindringen. Sofort warfen sich die Agenten auf ihn und suchten ihn zu entwaffnen. Inzwischen sammelte sich eine Schar anderer Bauern in drohender Haltung um den Prinzen und dessen Begleiter, die es nun für geraten hielten, schleunigst zum Wagen zurückzukehren und abzufahren. Der Quästor ließ unter dem ungastlichem Volke eine Anzahl Ver haftungen wegen Bedrohung und Widerstands gegen die Staatsgewalt vornehmen. ch Der Landesverein für innere Mission beabsichtigt die Krankenpflege auf dem Lande, für die Diakonissen oder Albertiner- innen nicht in genügender Anzahl vorhanden, auch nicht immer nötig sind, in der Weise zu fördern, daß er geeignete Persönlichkeiten aus den Gemeinden für die Gemeinden in den beiden Diakoniffenhäusern des Landes als Pflegerinnen ausbilden lassen will. Näheres ist durch die Geschäftsstelle des Landesvereins, Dresden, Zinzendorf-Straße 17,1 zu erfahren. ch Gemeindebrüder, die dem männlichen Geschlechte ähnliche Dienste leisten, wie die in zahlreichen Gemeinden angestellten Gemeinde schwestern, die sich von Jahr zu Jahr steigende Anerkennung erringen, sodaß nicht genügend Kräfte vorhanden sind, um den hervortretendcn Bedarf zu decken, sind neuerdings in mehreren Städten angestellt worden; so in Crimmitschau, Großenhain, Freiberg und Dresden-Löbtau. Die mehrjährige sorgfältige Ausbildung, die solche Gemeindehelfer im Bruderhaus zu Moritzburg für ihren mannigfachen Dienst empfangen, befähigt sie zur Pflege kranker Männer im Hause, zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene, denen Arbeit und Unterkommen zu vermitteln ist, zur Jugendpflege in Knaben horten, zur Leitung von Jünglingsvereinen, in denen das Posaunenblasen mit Vorliebe geübt wird, zu Beratung ehemaliger Trinker, die in Vereinen zum „Blauen Kreuz" ge sammelt werden, zum Aufsuchen von Kranken und Siechen, von Tauf- und Trausäumigeu und zum Abhalten von Bibelstunden im Auf trage des Pastors, zur Verbreitung christlicher Schriften und ähnlicher Aufgaben, die das christliche Gemeindeleben fördern. Es steht zu hoffen, daß auch in anderen Orten der Wert solcher Dienste ebenso anerkannt nnd begehrt wird, wie der Dienst von Gemeinde schwestern, deren Zahl zur Deckung des vor handenen Bedarfs bei weitem nicht genügt. Auch in Grimma wird die Gründung eines evangelischen Arbeitervereins geplant, wie deren schon zahlreiche bestehen. Eine eiu- zuberufende Versammlung soll demnächst weiterer beschließen. In der Borsdorfer Gasanstalt wird außer der Badeeinrichtung für die Gasanstalts angestellten auch Badegelegenheit für das Publikum vorgesehen. Leipziger 3^-proz. Stadtanleihe. Ein Konsortium, bestehend aus der sächsischen Bank zu Dresden, der Dresdner Bank in Dresden und dem A. Schaffhausenschen Bankverein in Berlin übernahm 10 Millionen 3Vr-proz. Leipziger Stadtanleihe vom Jahre 1904, welche demnächst zur öffentlichen Subskription auf gelegt werden sollen. Leipzig. Allgemeine Heiterkeit erregte im hiesigen Neuen Theater ein älteres Ehepaar das während der ganzen Vorstellung sanft schlief. Am Schluffe des letzten Aktes erwachte zuerst „Er" und weckte „Sie". Erstaunt fragte die bessere, die stärkere Hälfte: „Nu wirds woll nich mehr lange dauern, bis an fängt ?" Als sie die Antwort erhielt, daß die Vorstellung eben zu Ende sei, meinte sie: „Aber das ist ja der reenste Betrug." (Schade, daß man nicht erfährt, welches Stück gegeben wurde!) Ein tödlicher Unfall ereignete sich Sonntag nachmittag auf einer Wiese am Bahnhofe Oetzsch bei Leipzig. Daselbst vergnügten sich eine Anzahl Knaben mit Fußballspielen. Hierbei widerfuhr einem 14jährigen Knaben namens Weber von dort das Mißgeschick, von einem anderen Knaben so heftig an den Unter leib gestoßen zu werden, daß kurz darauf der Tod des Knaben eintrat. Den bedauerns werten Eltern bringt man allgemeine Teil nahme entgegen. Ein Muster-Obstgarten wird von dem Pir naer Bezirksobstbauverein in Dorf Wehlen angelegt. Es sollen darin gegen 80 Stück Obstbäume der verschiedensten Arten und Formen nebst allerlei Beereuobst Platz finden. Eine kleinere Anlage dieser Art wird in Pirna geschaffen. Mutzschen. Der diesjährige städtische Haushaltplan weist einen Fehlbedarf von 11232 Mark 13 Pfg. auf. Zur Deckung sollen 105 Prozent vom Einkommen und 9'/, Pf. pro Grundsteuereinheit erhoben werden, gegen 110 Prozent vom Einkommen und 15 Pf. pro Grundsteuereinheit im Vorjahr. Herr Bürgermeister Greß in Txebsen, dessen Amtszeit am 1. November abgelaufen sein würde, wurde von neuem auf 6 Jahre gewählt. Ein gräßliches Brandunglück hat sich in Riesa ereignet. Im Hause Albertstraße Nr.1 ist vorgestern Morgen in der 7. Stunde der Technikumsschüler Alexander Theodor Karl Ernst Müller, 22 Jahre alt, aus Zelle in Hannover gebürtig, in seinem Zimmer durch Rauchvergiftung ums Leben gekommen, während der im Nebenzimmer wohnende Technikums schüler Otto Paul Siegel, 21 Jahre alt, aus Gleina (Kreis Querfurt) gebürtig, mit so schweren Brandwunden bewustlos aufgefunden wurde, daß sein Tod noch im Laufe des vorgestrigen Tages erfolgte. Die jungen Leute sind früh 'V Uhr schwer bezecht heimgekehrt nnd haben wahrscheinlich die brennende Lampe umgeworfen und dadurch beide Zimmer, die durch eine Tür verbunden waren, in Brand gesetzt. Die Inhaberin der Wohnung war nicht anwesend, sondern bei ihrer in einem anderen Hause wohnenden Tochter aufhältlich. Der nationalliberale Verein zu Meißen beschloß, bei der diesmaligen Landtagswahl im 7. städtischen Wahlkreise von einer Wiederwahl des seitherigen Vertreters, Herrn Bürgermeisters Rüder-Roßwein, abzusehen und einen Meißner Industriellen aufzustellen. Dresden. Zu den Kosten der Gedächtnis feiern aus Anlaß des 100jährigen Todestages Schillers bewilligte der Rat 5300 Mk., und zwar 3500 Mark zur Verteilung von Schillers Werken beziehentlich eines Schiller-Buches in den Schulen und 1800 Mk. Beitrag für die Kosten der Feiern selbst und der Schmückung des Körner-Hauses. Die Verstadtlichung der Dresdner Straßenbahn hat greifbare Gestalt genommen. Sie wird voraussichtlich bereits am 1. Januar 1906 erfolgen. Für das Jahr 1904 ist bei der Dresdner Straßenbahn die Verteilung einer Dividende von 8^ Prozent in Vorschlag gebracht. Das Aktienkapital der Gesellschaft beträgt 12 Millionen Mark. Dresden. Die Brauerei zum Felsenkeller bei Dresden hat zur bleibenden Erinnerung an den Besuch des Königs am 9. März 10 000 Mk. zu gemeinnützigen Zwecken ge stiftet. Die Stiftung trägt den Namen des Königs. Dresden. Der frühere Direktor Lech leitner derAllgemeinen Dresdener Versicherungs anstalt wurde auf Veranlassung der Staats anwaltschaft wegen Bilanzfälschung verhaftet. Dem Militärverein Cölln und Umgegend hat der verstorbene Branddirektor Oeser ein Vermächtnis in Höhe von 4000 Mk. mit der Bestimmung überlasten, die Zinsen all jährlich am Fahnenweihgedenktage zu einem ! Balle oder einer sonstigen Ergötzlichkeit zu verwenden. Auch der Meißener Gesangverein „Immergrün" ist mit 4000 Mark bedacht f morden. Der Zinsenertrag soll zu Vereins zwecken Verwendung finden. Eine Gewerbe- und Industrie-Ausstellung will der Gewerbeverein in Zwickau im nächsten Jahre veranstalten. In den beteiligten Kreisen ist das Projekt beifällig ausgenommen worden. Die Stadtbehörde steht der Sache wohlwollend gegenüber. von Marokko gerichteten Expeditionen von franzosenfeiüdltchen Gruppen in Kairo aus gerüW Eden. — In den Verhandlungen, betreffend die Forderungen deusicher Ansiedler in Samoa gegen England und Amerika wegen Beschä digung ihres Grundeigentmus durch Truppen anläßlich der Unruhen, ist bisher kein Fort schritt zu verzeichnen, trotzdem es sich bei den Forderungen Nur um kleine Beträge handelt. Vielleicht wird es notwendig sein, wieder eine „KommWou" einzusetzeir, welche die Höhe des Betrages festzustellen hat. Die Engländer und Amerikaner halten die von den Deutschen er hobenen Forderungen von 65 000 Dollars für zu hoch und meinen, daß der Schaden mit 25 000 Dol!ar vollkommen gedeckt sei. — Konstantinopel. Nach Meldungen der Pforte flohen mehrere bulgarische Banden, unter denen sich viele Flüchtlinge befanden, gegen Küstendil zu. Es verlautet, daß sich die Anführer in Philippopel versammeln, um über einen Einfall in die Türkei für das Frühjahr zu beraten, ferner, daß die Befestigung des Klosters Kutschoda bei Philippopel armiert und einige Bataillone nach Küstendil dirigiert worden sind. In einer bei einem Komitatschi konfiszierten Broschüre heißt es, daß die Bul garen ihre Umsturz-Umtriebe in Konstantinopel selbst fortsetzen^ wollen, um eine Militär-Kon vention der Moßmächte zu veranlassen — Konstantinopel. Der Sultan, welcher über die Flucht der drei Würdenträger, des Kammerherrn Arif-Bei, des Adjutaten Riza- Pascha und des Chefs der Geheimen Polizei Ahmed-Pascha, sehr aufgeregt ist, hat Delegierte ausgesandt, um die Flüchtlinge gegen Zusicherung der Straflosigkeit und Bestrafung ihrer Feinde zur Rückkehr zu bewegen. — In Konstantinopel sind ein Kammer herr, zwei kaiserliche Adjutanten, ein DivifionS- und ein Brigade-General entflohen. Im Jildis herrscht große Erregung. — Großes Aussehen erregt in Wien die römische Meldung, daß das italienische Kriegsministerium einen Nachtragskredit von 200 Millionen Lire für die Befestigung der Alpengrenze gegen Oesterreich verlangt. — In Moskau ereignete sich Dienstag Nacht auf dem Theaterplatz eine starke Ex plosion. Mehrere Personen, von denen eine verwundet ist, wurden verhaftet. — Der Zar soll den Großfürsten Sergius Michajlowitsch und Konstantin Konstantinowitsch gestattet haben, sich zur Abreise nach Ostasien bereit zu machen. — Wie der Berichterstatter des Reuterschen Bureau- aus dem Hauptquartier des Generals Kuroki meldet, soll der größere Teil der Ruffen Tieling erreicht haben. Ihre Nachhut hatte mit den vorrückenden Japanern zahlreiche Zu sammenstöße. Wenn die Nüssen die Absicht haben, sich nach Chardin zurückzuziehen, so müssen sie ihre Vorräte von Tieling weiter geschafft haben, denn zwischen Tieling und Chardin verfügen sie über keine Vorräte. A«S Stadt uttd Land. Raimhsf, de» 16. März 1905. Naunhof. Vorigen Dienstag fand in Naunhof Rekrutenmusterung statt. Von 120 Gestellungspflichtigen wurden 68 als dienst tauglich befunden. Beteiligt waren junge Leute aus Naunhof und 11 umliegenden Dörfern. Naunhof. Mehrere Abteilungen In Ja fsches Zeugnis. Roman von Ewald August König. SO „Ich bin gestern nicht in Ihrem Hause gewesen, kann also auch nichts mitgenommen haben. Oder haben Sie mich gese hen?" „Leider nicht, aber .. „Na also!" fuhr Heinrich fort, dessen Lippen ein triumphie- rende» Lächeln umspielte. „Sie haben mich nicht gesehen und wollen behaupten, ich habe Ihnen wieder Obst gestohlen?" „Nicht Obst, sondern Geld!" sagte der RechtSkonsnlent, ihn mit seinem lauernden Blick scharf beobachtend „Geld?" rief Heinrich entrüstet „Wie dürfen Sie da« be haupten? Wollen S»e mich zum Dieb stempeln? Wenn Sie an meinem Vater Rache nehmen wollen, so tun Sie'« in anderer Weise, meine Ehre sollen Sie nicht antasten!" Frau Diefenbach zitterte vor Wut, sie war fest überzeugt, daß Heinrich den Diebstahl begangen hatte, dennoch konnte sie der Frechheit, mit der er leugnete, nicht entgegentreten, weil sie keine Beweise besaß. „Wer da« eine stiehlt, nimmt auch da» ander« mit," sagte sie heiser, „ich habe Sie schon einmal er wischt, al» Sie über die Mauer in meinen Garten gestiegen Waren, um Bepfel zu stehlen " „Na, na, Aepfel sind kein Geld," erwiderte der Rechtskon sulent begütigend, „kein Kind kann der Versuchung widerstehen, wenn eß nur die Hand auSznstrccken braucht, um sich Obst zu verschaffen. Da» Gesetz bestraft die Entwendung von Nahrungs mitteln zum sofortigen Genuß nur mit einer seyrgeringen Geld strafe, Sie aber haben damal» diesen jungen Mann grausam mißhandelt! Und beschuldigen Sie ihn nun eine» Diebstahl-, den Sie ihm nicht beweisen können, so ist er berechtigt. Sie we gen wissentlich falscher Beschuldigung zu verklagen." „Und diesen Prozeß würden Sie natürlich auch übernehmen?" fiel sie aufbrausend ihm ins Wort. „Wenn er mich damit beauftragte, weshalb nicht? Da» Recht ist auf seiner Seite, er könnte Sie zwingen, ihm eine namhafte Entschädigung zu zahlen." Der Naturarzt kehrte in diesem Augenblick zurück „Nicht»!" sagte er in seiner salbungsvollen Weise. „Ich habe da« Bett, jeden Kasten, jede Ecke durchsucht und nichts gefunden. Sie ha ben die Anklage gehört, geben Sie der Wahrheit die Ehre, wa- ren Sie gestern nachmittag im Hanse der Frau Diefenbach?" „Ist mir gar nicht eingefallen, Herr Doktor!" erwiderte der Flachskopf, dem der lauernde Blick Emanuels allmählich un angenehm zu werden schien „Ich bin kein Dieb und Einbre cher, aber die Frau haßt meinen Vater, sie will Rache an uns nehmen." „Erbärmlicher Bursche!" knurrte Frau Diefenbach. „Ich lasse mich aufhängen, wenn er eS nicht gewesen ist!" „Und ich werde Sie verklagen!" rief Heinrich „DieHerren sind Zeugen, daß Sie mich beschimpft haben. Entweder Sie be- weisen mir, daß ich Sie bestohlen habe, oder Sie zahlen mir eine Entschädigung, der Herr Rechtskonsulent Lammschuh wird da» schon mit Ihnen auSfechten " Die korpulente Frau hatte sich erhoben, die zuckenden Lippen bekundeten den Sturm, der noch immer in ihrem Innern tobte. „Wer weiß, wie da oben w Ihrem Zimmer gesucht worden ist," sagte sie unwirsch, „die Wahrheit wird doch noch an den Tag kommen, dann werden wohl auch andere dunkle Ehren- männer die MaSke abwerfen müssen!" „WaS wollen Sie damit sagen, Madame?" rief der Natur arzt entrüstet. „Wenn ich Ihnen erkläre, daß ich gewissenhaft alle» durchsucht und nicht» gefunden habe . . " „So kann ich immer noch glauben, wa» ich will!" unterbrach sie ihn in demselben Tone. „Mit den LammschuHS und Schlum berger» bin ich für alle Zeiten fertig! Sie brauchen sich auch nicht damit zu rühmen, daß Sie mich kuriert hätten, denn es ist nicht wahr, ich habe mein alteSLeiden immer noch." „Und Sie werden e» auch behalten, so lange Sie Ihr Geschäft nicht aufgeben!" sagte eine barsche Stimme hinter ihr. Der Doktor Hoffmann war ungestüm eingetreten, sein Blick schweifte neugierig durch da« Zimmer, dann blieb er voll Zorn auf dem alten Manne haften, der die Hornbrille dichter vor die glotzenden Augen rückte und ebenso neugierig seinen „Kol legen" anschaute. „Sie haben da» fünfjährige Söhnchen de» Bäcker» Hüfeland hinter meinem Rücken behandelt," sagte der Doktor zornig, „Sie wußten, daß ich in der Familie Hausarzt bin!" „War, Herr Kollege!" erwiderte Lammschuh mit gemessener Ruhe. „Sie sind e» nicht mehr, weil Sie dem Kinde nicht hel fen konnten. Wenn eine Mutter mich bittet, ihr krankes Kind -u retten, so betrachte ich e« als meine Pflicht, diese Bitte zu erfüllen, und in dem Falle, der uns hier vorliegt, war die Not groß, Sie werden das nicht bestreiten können Ich nehlne sonst gerne Rücksichten." „Von Ihnen verlange ich keine!" polterte der Doktor, mit dem Stock heftig aufstoßend „Und gegen den Kollegen prote- stiere ich mit aller Entschiedenheit, ich habe noch nicht auf dem Schusterschemel gesessen, so wenig, wie Sie jemals im Hürsaale einer Universität! Wissen Sie schon, daß das Kind tot ist?" „Tot?" fragte der Naturarzt, dessen Wangen plötzlich blei cher wurden. „Vor einer Stunde gestorben, alle Symptome deuten auf eine Vergiftung, was haben Sie ihm gegeben?" Der alte Mann rückte verlegen an seiner Brille und holt« aus seiner Brusttasche ein stark gebrauchtes, ziemlich unsau- bereS Notizbuch, in dem er lange blätterte. „Vergiftung," mur melte er, „das ist Unsinn, aber man sucht ja nach einer Gele- genheit, um mir etwa« anzuhängen. Ein unschuldiger Kräuter- saft war'», er konnte dem Kinde nicht schaden " „WaS verstehen Sie davon!" fuhr der Doktor auf. „Sie wollen jede Krankheit über denselben Leisten kurieren, Sie wä ren besser bei Ihrem Leisten geblieben!" „DaS kann jeder Nachtwächter sagen, der selbst nichts ver steht," erwiderte Lammschuh, dem nun auch die Galle überlief. „Ich hab's der Mutter de» Kindes gleich gesagt, wenn die Krank- heit sich auf» Herz wirft, ist der Patient verloren " „Sie sind selbst ein Nachtwächter!" rief der Doktor, ohne die Anwesenden zu beachten, die mit keiner Silbe sich in die sen Streit hineinzumischen wagten. „Sie haben nicht einmal gewußt, was dem Kinde fehlte, Sie durften die Behandluirg gar nicht übernehmen. Sie wollen nur Geld verdienen, Sie PluS- macher; wenn Sie wirklich einmal einen Kranken kurieren, so hat die Natur sich selbst geholfen, und dann lassen Sie durch Annoncen, Broschüren und alte Weiber Ihren Ruhm auSpo- saunen!" „Hören Sie'», Frau Diefenbach?" sagte der Naturarzt zu der korpulenten Frau, die sich bei den letzten Worten hoch auf gerichtet hatte, ihr einen spöttischen Blick zuwerfend. „Der Herr Doktor war ja auch früher Ihr Hausarzt!" tS3,20