Volltext Seite (XML)
Wöchmttich erscheinen drei Nummern. PrünumrralionS-Preis 2!H Sildergr. (j Tülr.) vierteliädrlich, 3 Tblr. für du.» au»>e Habe, ohne Erhöhung, i» aUcu Lheiien der Preuiis'den Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerkraße Nr. 28) , so wie von allen König!. Post-Aemtrrn, angenommen. ^itcratur des Auslandes. . 152 Berlin, Sonnabend den 20. Dezember 1845. Algerien. Die ehemaligen und die gegenwärtigen Zustände der Juden in Algerien. Auf keinen Theil der algerischen Bevölkerung hat die französische Erobe rung einen so raschen und günstigen Einfluß auSgcübt, als auf den jüdischen. Unter der türkischen Herrschaft waren die Juden zugleich der Verachtung und den Erpressungen ihrer Herren prcisgegeben; despotische Willkür schaltete mit ihnen nach Gutdünken, und selbst die Macht und die Befugnisse ihrer Vor gesetzten erweiterten oder beschränkten sich, je nachdem die höchste Autorität der Muselmänner ihnen ihre Gunst oder Ungunst zu Theil werden ließ. Die Festsetzung der Franzosen im Lande mußte also als ein Anfang der Emancipa- tion und Befreiung für die Israeliten gelten. Auch haben Einige diese Wohl- that nach ihrem wahren Werthe gewürdigt. Andere dagegen haben, wie dies nur zu oft und überall geschieht, die Freiheit mit der Ungebunbcnhcit ver wechselt, während die größere Zahl über der Summe der von jeder neuen Herrschaft unzertrennlichen Uebel die der Vortheile, die sic ihnen verschaffte, vergaß. Dies ist leicht zu erklären. Bor der Eroberung hatten die Juden das Monopol des inneren Handels vermöge ihrer Gewandtheit in den Ge- schäften, ihrer unermüdlichen Thätigkeit und der unglaublichen Intelligenz, die sic in der Aufsuchung und Ausbeutung der Erzeugnisse des Bodens ent wickelten. Um diesen Preis ertrugen sie mit Resignation eine Tyrannei, die meistens nur einige hervorragende Häupter traf. Die Ansiedelung der Fran- zosen hat zum Theil wenigstens große Quellen des NeichthumS für die Juden verstopft. Die Emancipation, während sie die edel» und höheren Bedürfnisse der Seele befriedigte, beeinträchtigte zugleich auf eine fühlbare Weise niehr oder weniger wichtige materielle Interessen. Daher eine nicht zn verkennende Zer rüttung und Unbehaglichkeit, daher auch cine Art Abneigung und Antipathie gegen die fremde Herrschaft. Gleichwohl ist cine große Menge eingeborener Juden, welche französisch sprechen und schreiben, seit längerer Zeit in der Verwaltung oder in der Armee angestellt. Unter ihnen haben sich drei Dolmetscher durch ihre Treue und Tapferkeit besonders hcrvorgcthan: einer derselben, der Dolmetscher der Unter-Direction des Innern in Oran, hat kürzlich den General de La Rue auf seiner Mission nach Marokko begleitet; der andere, Herr Isaak Levi, ist bei dem Ueberfall von Dschcmma-Gasauat zum Gefangenen gemacht worden, aber erst nach schwerer Verwundung; der dritte, Herr Leon ApaS, wird in einem Bericht des Ober-Kommandanten von Mostaganem erwähnt als einer, der mit eigener Hand fünf Araber im Gefecht vom 18. Oktober tödtctc. Jndeß thul die französische Regierung Alles, was in ihren Kräften steht, um die algerischen Juden zu heben und für die Wohlthaten der Civilisation empfänglich zu machen. Ein wichtiger Schritt hierzu ist eine königliche Ver ordnung vom 's. November, welche ihrem Kultus und ihren Schulen eine regelmäßige Organisation gicbt. Die jüdische Bevölkerung aus ihrer Jsoli« rung herauSreißen und sie enger an den französischen Einflnß ketten, ihre reli giösen Institutionen der Ordnung und Regel unterwerfen durch die Grün dung eines Landes-Konsistoriums, das in Algier, und zweier Provinzial- Konflstorien, von denen das eine in Oran, das andere in Konstantine seinen Sitz hat, endlich durch die Sorgfalt, die ihr in den Kinderbewahr-Anstalten und in den Schulen gewidmet wird, die junge israelitische Generation dazu vorbcrcitcn, der nothwcndige Vermittler zwischen den Franzosen und den Ein- geborncn zu werden: das ist das dreifache Ziel, welches sich die Verordnung vom l). Novcniber gesetzt zu haben scheint. Diese Reform oder vielmehr diese neue Organisation war schon lange ein Bcdürfniß. Seit 1839 hatte die Negierung die Lokal-Behörden zu gründ. licher Berichterstattung über diese Gegenstände aufgcfordert. Im Jahre 1842 hatten zwei französische Israeliten, Herr I. I. AltaraS, Präsident des Kon- sistoriumS von Marseille, und Herr I. Cohen, damals Advokat im Gerichts- sprenge! von Air nnd jetzt Staatsanwalt in Algier, vom Marschall Soult die Mission erhalten, die drei Provinzen Algeriens zu bereisen, überall die In teressen und Bedürfnisse ihrer Glaubensgenossen zu erforschen und zu unter suchen, welcher Verbesserungen der moralische und politische Zustand derselben in diesem Augenblicke fähig sep. Diese schwierige Aufgabe ist von den ge nannten beiden Herren mit eben so viel Uneigennützigkeit und Eifer als Erfolg gelöst worden, und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen sind in einem um fassenden und interessanten Bericht an den Marschall Soult niedergclegt. Eine Spezial-Kommission, die der Minister beauftragte, die in diesem Bericht ent haltenen Vorschläge zu prüfen, entwarf dann eine Verordnung, deren Haupt bestimmungen, nachdem sie den Berathungen des StaatsratHS unterworfen worden, jetzt die königliche Sanction erhalten haben. Bis auf diesen Tag haben die Israeliten in Algier cine eigene Körper schaft gebildet, die ihre besonderen Gewalten und ihre eigenthümlichen Jnsti- tutionen halte: in der Verwaltung den üleküam oder das Oberhaupt der Nation; in der Gerichtsbarkeit das rabbinische Rerk-din (GerichtShauS); im Finanzwesen die Erhebung besonderer Auflagen, die Besoldung ihrer Beamten, die Unterstützung ihrer Armen ; im bürgerlichen Leben die verschiedenen Insti tute, die sich auf die Familie und den öffentlichen Unterricht beziehen. Unter der Regierung der Deys diente der IVIekdam, welchem man den Titel: „König der Juden" gab, seinen Glaubensgenossen als Vermittler bei der Negierung. Ihm stand allein die Verwaltung der Einkünfte der Gesammt- heit und die Ernennung oder Absetzung der Beamten zu; er autorisirte die Vollstreckung der rabbinischen Urtheile und konnte sogar Verurtheilungen zu Einsperrung, zur Bastonnade und zu einer willkürlichen Geldstrafe aus eigener Machtvollkommenheit verhängen. DaS LeG-üin oder rabbinische Tribunal hatte seinerseits eine große Autorität. ES urtheiltc ganz nach talmudischen Gesetzen und ließ alle seine Entscheidungen mit der größten Strenge auSsührcn. Die vollziehende Gewalt, mit der der lUeKäsm bekleidet war, setzte zwar dem Tribunal gewisse Schran. ken; aber es hatte immer das Recht, das Urtheil von 39 Stockschlägen sofort vollziehen zu lassen. Seit der Eroberung sind die Befugnisse des lAckdsm beschränkt und durch cine Verordnung des Obergenerals vom Juni >83l näher bestimmt, und ein Gesetz vom September >842 hat den Nabbincn nur die Bcsugniß gelassen, über Verletzungen des religiösen Gesetzes zu erkennen, ohne daß sie jedoch in irgend einem Falle Geld - oder körperliche Strafen verhängen dürfen. Die algerischen Israeliten stehen also jetzt nur unter der Gerichtsbarkeit der fran- zösische» Tribunale. In gjlen Städten der ehemaligen Regentschaft gab eS wenigstens eine Synagoge, die der Gesammtheit, und eine oder mehrere, die Privatleuten gehörten. Der portugiesische Ritus wird in allen ohne Unterschied beobachtet. Die Vcrwaltungsweise der Synagogen ist überall dieselbe; jede hat ihren Ge schäftsführer, der die Einnahmen und Ausgaben unter sich hat und der in Algier den Titel (isben führt, andcrSwo aber 6snbar heißt. Die Einkünfte der Synagogen bestehen aus der von dem Schlachtfleisch erhobenen Abgabe, aus dem Ertrage der Ebrenfunctionen im Tempel und auS den freiwilligen Gaben. Die Ehrenfunctionen bestehen, wie anderswo, in dem Herantretcn an die heilige Rolle, aus welcher die wöchentlichen Abschnitte des Pentateuch Nörgeleien werden, und in dem Ocffnen nnd Schließe» der heiligen Lade, in welcher man die Rollen der Schrift aufbewahrt. Diese Functionen wurden und werdcn-noch jetzt allc Jahre einmal, cine Woche vor dem Laubhüttenfest, auf dem Wege der Versteigerung überlassen, außer dem Recht, am Morgen des Sabbath aus der Thora vorzulcsen, welches in Algier allwöchentlich ver kauft wird. Dic Stadt Algier hatte früher 17 Synagogen, von denen drei der Ge- meiude, vier der Gemeinde und Privatleuten zusammen, und zehn bloS Privat- lcuten gehörten. Von diesen 17 sind nur drei noch übrig, indem die anderen zerstört worden sind. Nier Privat-Synagogen wurden neu gebaut, und die Vorsteher der anderen haben Privat-Lokale gcmiethet, um darin den Gottes dienst zu verrichten. DaS Budget von 1846 verwilligt cine Summe von 80,000 Fr. zur Herstellung einer neuen Synagoge. Oran hat cilf Synagogen, von denen nur eine der Gemeinde gehört, Bona eine, Konstantine acht. In Blidah waren früher vier Synagogen, von denen drei durch das Erdbeben von 1828 zerstört worden find. Die Menge dcr Privat-Synagogeu, die von Privat-Jntcreffen ausgebeutet wurden, der Mangel an Verbindung zwischen den Synagogen von Algier, Oran und Konstantine und der Mangel aller Garantieen für die Befähigung bei den Ernennungen der Rabbiner mußten natürlich große Unordnung er zeugen. ES war nöthig, sowohl für die Verwaltung als für den Kultus eine Einheit, einen Mittelpunkt zu schaffen, welcher der ersteren ihre Wirksamkeit und diesem die Würde und die Regel geben soll, die ihnen jetzt noch fehlen. Beides ist durch die königliche Verordnung vom 9. November geschehen. WaS die einheimischen israelitischen Schulen betrifft, so wird der Zustand derselben folgendermaßen geschildert. Man denke fich cnge Zimmer, in welchen cine Menge schmutziger Kinder zusammengehäuft find, deren ungesunde Aus dünstungen ansteckende Krankheiten unter ihnen erzeugen. Der Unterricht be«