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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration».Prei« 22^ Lüdrrgr. t« Tdtr.) tnerleliaörlich, 3 Lblr. für öas ganit Iaör, ohne Erhöhung, in allen ^heilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägen)raße Nr. 2d), so wie von allen König!. Post- Aemtern, angenommen. Liternt ur des Auslandes. 1/ t42. 1843 Berlin, Donnerstag den 27. November England. Sir Robert Peel und der Stand der Parteien in England. Der französische Deputirte Duvergicr de Hauranne bespricht in der Kevue 'los üeui 51omle-i in einem sehr ausführlichen Aufsatz den Stan- der Parteien in England, so wie die Parlaments-Verhandlungen in den Sessionen von 1844 und 4b, und verweilt besonders bei der Stellung Sir Robert Peel s, dessen liberale Maßregeln von einem Theile sciner s-er Torp.) Partei vcr- warfen und von seiner natürlichen Opposition, den Whigs, vertheivigt worden. Natürlich entsteht besonders unter den jetzt obwaltenden Verhältnissen, wo es sich darum handelt, ein Fundamental-Prinzip der Tories, de» den Grund- besitzen! zugestandenen Schutz durch die hohen Getraidezölle, im bevorstehenven Parlament erschüttert, wo nicht gar beseitigt zu sehen, die Frage, ob Sir Robert Peel die Majorirät im Oder- und Unterhaus« auch ferner behalten wird, und wie weit der Vorwurf der Treulosigkeit gegründet ist, den ihm die Ultra-Tories machen. Wir theilen unseren Lesern das Urtheil des französischen Deputaten über diese Punkte mit. .... Allerdings muß man zugeben, daß Sir Rodert Peel einerseits mit Hülfe der Grundcigcnthümcr, welche die freie Korneinfuhr nicht gestatten wollen, andererseits mit Hülfe der anti-irländischen und auli-katholischen Partei zur Macht gelangt ist und daß trotzdem alle diese Parteien unter dem jetzigen Ministerium mehr Terram verloren haben, als unter irgend einem früheren. Zudem braucht man nicht gerade ein eingefleischter Vertheibiger aller Konsequenzen der Repräsentativ-Verfassung zu sepn, um zu behaupten, diese Verfassung sey eine bloße Komödie, wenn die einzelnen Parteien nicht gewisse Meinungen vertreten, die sie, so viel an ihnen ist, geltend machen müssen, falls sie zur Macht gelangen. ES ist darum nicht erlaubt, wie Peel vor seiner Erwählung zum Minister gelhan hat, eine Politik anzugreifen, die man billigt, nur um ein Ministerium zu stürzen, das man nicht im Besitze der Gewalt lassen möchte, und eben so wenig ist eS erlaubt, wie Peel noch jetzt thut, sich zu einer Farbe zu bekennen, die mau nicht billigt, nur um einer Opposition Schweigen aufzulegen, die man fürchtet. ES scheint hiernach, daß die Vorwürfe, die Sir Robert Peel von den verschiedenen Parteien erfahren hat, sich in Nichts mildern lassen, wenigstens scheint eS, daß seine einzige Entschuldigung in den großartigen Folgen seiner Handlungsweise liege. Sehen wir indeß, ob sich dieselbe nicht auch vom Standpunkte der Moralität aus in gewisser Hinsicht verlheidigen lasse- Nicht erst von heute sind die alten englischen Parteien aus dem Wege, sich zu zersetzen, und eS ist bekannt, daß der berühmte Canning vor seinem Tode einem Torp.Ministerium präsidirte, das von vielen Tories bekämpft und von einem bedeutenden Theil der Liberalen, Lord Brougham an der Spitze, unter, stützt wurde. In jener Zeit zwar blieb Rodert Peel, der damals noch sehr jung war, den Hochtories treu, als er aber I82V ins Ministerium trat, brach er ebenfalls mit ihnen. Man weiß, daß er durch sein Votum für die Eman- cipation der Katholiken den Parlamentssitz für Orford und «inen bedeutenden Theil seiner Freunde verlor. Kurze Zeit darauf kam die Juli-Revolution; die Whigs übernahmen die Regierung, die Resormbill beschäftigt« das Land, und die inneren Zwistigkeiten der Tories schwiegen. Damals entstand auch der Name der konservativen Partei, zu der Alles flüchtete, was vor etwaigen Uebereilungen der reformirenden Whigs zurückschrcckte. Daß sich in diesem großen Kampfe der Konservativen und Liberalen die alten Parteien der Mono- polisten und Fanatiker unter das Banner Sir Robert Peel'S schaarten, ist wahr; aber ist eS eben so wahr, daß Sir Robert Peel sich durch Bctheiligung an ihren Meinungen und Leidenschaften ihren Beistand erkaufte? Oder er weckte er auch nur die Hoffnung, ;e vollkommen Einer der Ihrigen zu werden? DaS Gegentheil wird klar, wenn man sich erinnert, wie oft er von 1837 bis 4l im Parlamente nicht mit ihnen stimmte und wie oft er dafür der Feigheit und Verrätherei angeklagt wurde. Dies ging so weit, daß im Jahre I84U eine Schrift von einflußreicher Hand erschien, in welcher den ToricS geradezu vorgcschlagen wurde, anstatt Peel'S Lord Stanley als Partcihaupt anzuer kennen. Ais aber darauf die Nothwendigkeit diejenigen, die sich von Peel lossagten, wieder zu ihm zurückführte, so wußte dennoch alle Welt, daß er in kirchlichen und Handelsfragen weder von Sir Robert Inglis, noch vom Herzog von Buckingham einen Rath annehmen werde. Ist es übrigens gerecht, zu behaupten, daß die Grundbesitzer und die Orthodoxen unter Peel'S Regierung nichts gewonnen haben? Sie gewannen Alles, darf man sagen, was sie nicht verloren. Was die Ersteren betrifft, so erhellt dies deutlich aus der Vergleichung des Budgets der Whigs mit dem Budget Peel'S. Weniger leicht läßt sich zeigen, daß den Orthodoren durch ihn ein Vorthcil erwachsen ist. Aber diese Partei muß bedenken, daß Robert Peel während zweier Jahre sehr wenig sür Irland gethan hat. Erst die Agitation von 1843 öffnete ihm die Augen und zwang ihn, zu handeln, oder vielmehr sie bestärkte ihn darin, sich von dem Joche seiner Partei loszumachen. Kurz, durch jene Agitation wurde ihm die Wahl gestellt, ob er eine blutige Entscheidung herbeiführcn oder sich zu billigen Zugeständnissen verstehen wollte. Sollte er nun Vorurtheilen zu Gefallen, dir nicht die seinigen waren, das Reich einem Bürgerkriege cntgegenführen, oder das Ministerium verlassen, um erklärteren Freunden der Irländer die Regierung zu übergeben? DaS Letztere wäre vielleicht sehr edel gewesen, aber wenige Minister hätten die Kraft zu solcher Entsagung, unv die Hochkrrchenmäuner konnten nicht sagen, daß sie dabei gewonnen hätten. Man muß es zugeben, und die letzte Session hat es hinlänglich bewiesen, daß sich die Majorität Robert Peel'S wirklich in zwei Parteien spaltet, von denen die eine mit dem Jahrhundert fortschreitet und allmälig die Grundsätze deS alten TorpiSmuö aufgiebt, die andere diese Grundsätze noch immer für heilig hält. Die letztere verlangt in ihrem zähen Eigennütze von jener, daß sie ihr zu Liebe der Unvernunft das Wort rede, daß sie Versprechungen erfülle, die der Strom der Ereignisse mit sich fortreißt, ehe sie zur Reife kommen. Daher schreibt sich jene Wuth der Vollblut-TorieS gegen Peel, die in ge- Wisser Hinsicht begründet, aber in jeder nutzlos ist. Denn man darf sich darüber nicht täuschen; seit den schönen Zeiten Lord Eldon's ist das politische Niveau in beiden Kammern gar sehr gestiegen, und die Tories von 1845 sind in manchen Stücken weiter, als die Whigs von 1823. Unter den Karika turen, die von der letzten Krisis hcrvorgerufcn wurden, sind mehrere, die bevcut«n sollkii, daß die Tories die Nachahmer der Whigs sind. Auf einer derselben sind Lord John Russell und Sir Rob. Peel als Gelenkpuppen darge stellt. Der Whig-Minister steht vor einem Spiegel und macht, wie cs in der Unterschrift heißt, das SpiegelpaS; der Tory-Minister befindet sich hinter dem Spiegel und äfft alle Stellungen des Ersteren nach. Was man bei allen diesen Scherzen vergißt, ist, daß die Whigs ebenfalls nicht mehr auf dem Platze stehen, den sie vor sechs Jahren inne hatten. Peel steht da, wo einst Russell stand, Ruffel aber ist selbst weiter, als er früher war, und die Ent- fernung bleibt fast dieselbe. DaS sehen diejenigen nicht, die sich, wie Sir Robert Inglis und der Herzog von Buckingham, damit brüsten, keinen Fuß breit gewichen zu sepn. Ich wiederhole eS, wenn auch die Verfahrungswcis« Peel'S weder ganz moralisch genannt werden kann, noch vollkommen dem Wesen einer Repräsen tativ-Verfassung entspricht, so findet sie doch sowohl in der Geschichte der Torppartei, als in der Dringlichkeit der Umstände, die sie hervorriefcn, be- achtungswcrthc unv hinlängliche Gründe der Entschuldigung. Dies ist zudem die Ansicht eines Mannes, der natürlicher Weise dem jetzigen Premier nicht besonders hold ist, des Lord Melbourne. Als dieser Chef des vorigen Kabi- netS nach langer Krankheit am 1. August dieses Jahres wieder im Oberhause erschien, sprach er sich in folgenden Worten aus: „Da mich die Verhältnisse zu einem Gegner und Nebenbuhler deS sehr chrenwerthcn BaronctS gemacht haben, so ist eS natürlich, daß ich sein Verhalten prüfe, zwar nicht mit dem Gefühl« feindseliger Eifersucht, aber mit Sorgfalt und Strenge. ES ist natür lich, daß ich mich frage, welches waren seine Maßregeln, welches die Grund, sätze, aus denen sie hervorgingen, und wie hat er dieselben verlheibigt? Ich bade gewissenhaft hierüber nachgcvacht und halte mich verpflichtet, zu er. klären, daß nach meiner Meinung keine der früheren Handlungen des sehr «hrenwerthen BaronctS ihn, was die Konscquenz betrifft, von seinen jetzigen Schritten oder von irgend ähnlichen abhallcn durfte, dic er seinem Vater- laude nützlich glaubte." Ein solches Urtheil von Seiten eines solchen Mannes hat große Bedeutung, und Sir Robert Peel kann sich dessen mit vollem Rechte rühmen. Wer aber nun Peel'S Politik aus einem höheren Gesichtspunkte auffaßt und sie weniger nach der gewissenhaften Erfüllung sciner persönlichen Verbind, lichkeiten, als nach der Sorge sür das allgemeine Wohl abmißt, der wird nicht leugnen können, daß sie einen Minister ehrt. Es herrscht zwar hier und da die Meinung, daS Wesen deS Konservatismus bestehe darin, Vorurtheile und Mißbräuche zu begünstigen und Verbesserungen zurückzuweiscn. In den Augen Peel'S aber ist ein Konservativer derjenige, der, um die Größe und Macht seines Volkes aufrecht zu erhalten, die Vorurtheile und den Privatcigennutz nicht schont, der nicht glaubt, die Unbeweglichkeit sey Weisheit und Alles gehe