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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-27
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
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r Leite 2. -ir. 4V. W. Jahrg. Llert werden, um die Äundgeber zu zerstreuen. DaS »Petit Journal" meldet auf Petersburg: Die Ausständigen etzten die Fabrik Vablse in Brand. Auch eine grobe Z o l l s p i n n c r e i steht in flammen. In M»»ka«. Neber Petersburg wird eine Rektisikation geineldet, die der Moskauer Polizeibehörde zu teil geworden ist: Da in Moskau in den Straften in der Druckerei der Stadt hauptmannschaft gedruckte Bekannt in achungen angeschlagen waren, welche besagten, die Japaner und Eng länder seien die Anstifter der Unruhen und der AusstandS- bewcgung in Rußland und die anglojapanische Liga leite die Bewegung, auch leien von England große Summen unter die Ausständigen verteilt worden, hat der englische Bot schafter sofort bei der ruWchen Regierung Beschwerden er hoben und eine Untersuchung veranlaßt. Die russische Ne gierung hat die Versicherung abgegeben, sic werde dasür torgen, daß derartige Ungehörigkeiten nicht w i ed e r v o r k o m m e n — In den Werstätten der Moskau- Äasan-Eisenbahn wurde aus der Station Dercwv gestern die Arbeit eingestellt. Wie verlautet, stehl der Aus stand in den Moskauer T r a m w a y - W e r k st ä t t c u be vor. Die Gasanstalt arbeitet wieder. Dort, wo Mcif'- nahmen zum Schutze der Arbeiter getroffen sind, wird weiter gearbeitet. Infolgedessen halten viele große Fabriken den Betrieb aufrecht, doch vergrößert sich der Um fang des Ausstandes. — Das „Petit Journal" meldet zum Moskauer Streik über Petersburg, es seien 1200 Arbeiter in der Ortschaft Jwenowo WosnjenSk in Ausstand getreten: sie durchziehen die Straßen unter Vorantragung einer roten Fahne und AbsingMig revolutionärer Lieder. Die Zahl der vorhandenen Truppen ist unzulänglich. Au» den Ostfeeprovinzen. In Riga herrscht nach der telegraphischen Berichterstat tung jetzt Generalausstand. Es finden Kundgebungen statt: die Blätter erscheinen nicht. Nach der „Petersburger Dclegraphen-Agentur" dauern die Unruhen fort: der Gou verneur hat erklärt, daß er zur U n t e r d r ü ck u n g der Unruhen die bewaffnete Macht verwenden werde. Zwischen einer Anzahl Demonstranten und Truppen sand gestern in der Nähe des Bahnhofs ein Zusammenstoß statt, bei dem 30 Personen getötet, 2 Soldaten und 2 Manifestanten verletzt wurden. Die Aufständischen durch ziehen die Straßen. Nach einer privaten Depcichc wurden 7 Loldaten verwundet, davon einer tödlich. — In Dor - p a t veranstaltete eine aus 2000 Köpfen bestehende Volks menge eine gegen die Regierung gerichtete Kundgebung. Die Manifestanten warfenbieJensterdesPolizei- amtes ein, doch wurden sie von der Polizei zerstreut. Auch Frauen nahmen an der Kundgebung teil. — Aus Libau meldet die „Petersburger Telegraphenagentur", daß Truppen durch die Stadt patrouillieren. Zusammenstöße sind nicht er- «rfolgt. Ein Gendarm wurde erschossen, der einem Führer eine Fahne entriß. Arbeiter nahmen an den Umzügen nicht teil. Im Hafen wurde das Laden der Schiffe eingestellt. Zur Beruhigung der Bevölkerung und der Fabrikanten wurden nachts an vielen Stellen Wache u aus gestellt. Tie Telegraphenleitungen sind wieder bergcslellt, die Herstellung der Telephonleitungcn ist fast beendet. Von anderen Städten. Aus tzelsingfors meldet eine Tevesche, daß Trup pe n die Stadt durchstreifen. Um 7 Uhr abends zogen mehrere tausend Ausständige aus. Eine Proklamation, durch welche mehrere Zugeständnisse in wirtschaftlicher und politischer Bezichuim gefordert werden, wurde durch Flug blätter verbreitet. Tie Menge zog vor das Gouverneur palais, es kam zu einem Zusammenstoß, wobei viele Personen verletzt wurden. Wie ein anderes Tele gramm behauptet, wurden 5000 Arbeiter von der Pvlizei mit Säbelhieben anaeg rissen. Viele an der Kund gebung unbeteiligte Personen wurden verwundet. Zehn Per sonen erlitten Verletzungen am Kopfe, eine wurde von einem Schuß an der Brust getroffen. Ein Polizist wurde durch eine Revoloerkugcl an der Hand, ein anderer im Rücken verwundet : alle diese Schüsse sollen von der Polizei selbst abgegeben sein. Die berittene Polizei teilte Knuten hiebe aus. Tie or ganisierten Arbeiter legen in der Presse Verwahrung gegen Ruhestörungen ein, denen sie fernständcn. — In W i l m a ist die Lage sehr ernst. Mehrere Zusammenstöße zwischen Polizei und A n s st ä n d i l ch e n haben stallgefundcn, bei denen über 30 Personen gerötet und ver wundet wurden. Unter den Opfern sind auch mehrere Sol daten und Polizisten. — In Kowno dauert der Ausstand kort. Einige Fabriken nahmen die Arbeiten gestern früh auf, stellten sie dann aber wieder ein, auch die Tram bahn hat den Dienst mittags eingestellt. Auf den Straßen ziehen ArbeilertruppS umher, verhalten sich aber ruhig. In der Stadt herrscht Ordnung. — Aus Kiew wird gemeldet: Die Stimmung in der Stadt ist er regt. Es verlautet, daß am 29. Januar der allgemeine Arbciteraussiand proklamiert werde. Die Be wohner der Stadt versorgen sich mit Vorräten an Mehl, Brot und Petroleum. Infolgedessen ist der Handel in der Stadl lebhaft. Seit gestern wird der Wasserturm von einer Kvm- oagnie Infanterie bewacht. Die Fabriken haben die Arbeit eingestellt. — Der Stadthauptmann von Odessa veröffentlicht eine Bekanntmachung, in der er die Arbeiter anregt, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ter Aus stand nutze nur Japan und seinen heimlichen Verbündeten, sowie den ausländischen Fabrikanten; er verhindere die infolge des Krieges ohnehin gesunkene Pro duktionstätigkeit. Ter Krieg vermindere den Odeßaer Handel, weil die Ausfuhr nach dem fernen Olten oufgehört habe; das beweise, welche Märkte Japan Rußland fortnehmen wolle. Alle wünschten in Rußland das Ende des Krieges, aber dies könne nicht rühmlos geschehen unter dem Verlust der Absatz märkte. Rußland habe den Krieg nicht gewollt; cs sei daher auch nicht vorbereitet gewe'en. Mer der Tag der Entgeltung werde kommen. Die Arbeiter sollten deshalb friedlich und mit der Hoffnung ausbessere Zeiten die Arbeit wieder ausnehmen. Leipziger Tageblatt. ver nirrircd-japanische Flieg. Line internationale Aonferenz. Der Staatssekretär Hay hat nun seinen längst deutlichen Plan veröffentlicht. Nach einer Reuterdepesche aus Washington hat er den russischen Botschafter ausgefor dert, seiner Regierung zu unterbreiten, daß sie die Fragen der Verletzung der Neutralität Chinas einer inter nationalen Konferenz der Mächte vorletzt. Bisher ist eine Antwort der russischen Regierung nicht eingegangen. Au» Aarski» Hauptquartier. Der Korrespondent des Reuterschen Bureaus im Haupt quartier Kurokis telegraphiert über Fusan vom 26.: Hef tiges Artillerieseuer wurde heute während des ganzen Tages ununterbrochen von Westen her gehört. — Eine große Schlacht scheint im Gange zu sein. Nach hier eingegangenen Nachrichten haben die Russen auf dem linken japanischen Flügel den Hunho überschritten. Die lapanische Streitmacht ist zum Angriff vor gegangen. Verschiedene». Nach einem Kopenhagener Telegramm der „Köln. Zig." wird die Zarin mit ihren Kindern demnächst aus Schloß Fredensborg Aufenthalt nehmen. — Kapitän Gregory Aleswitsch Dawidow von der Gardeartillerie, der jetzt an- scheinend zum Sündenbock für das Attentat beim Fest der Wasserweiyc gemacht werden soll, ist ein Urgroßsohn des Dekabristen Dawidow und ein Neffe deS berühmten Kompo nisten Tschaikowski. Sein Urgroßvater war wegen seiner Be teiligung am Dekabristenaufstande aus Lebenszeit nach Sibi rien deportiert und sein Vermögen konfisziert worden. Später wurden die Dawidows wieder »n Gnaden ausgenommen, und speziell Kapitän Dawidow und sein Bruder, der Rittmeister bei den gelben Kürassieren war, erfreuten sich des besonderen Vertrauens des jetzigen Zaren. Ihr kürzlich verstorbener Vater war Richter des höchsten Gerichtshofes. — Graf Cassini, der russische Botschafter in Washington, der wieder offenes Haus rür alle Interviewer hält, betont aufs eifrigste, es haben in Petersburg bloß skandalöse Streikdemon st ratioucn stattgefundcn, die jede an- ständige Regierung unterdrücken mußte. Er erinnert die Amerikaner an die Streikkomlikte inChieago und Penn- sylvania, wo statt des Zaren die geheiligten Rechte der Trusts angegriffen und die Streikenden zusammengefchossen wurden. Heer und Flotte der Japaner. Der „Daily Telegraph" meldet auS Tokio vom 26.: Die japanische Regierung beabsichtigt, ein großes Flotten programm durchzuführen. Es wird die sofortige Kiel legung eines Linienschiffes von 19 000 Tonnen und 18'/« Kno ten Geschwindigkeit erfolgen. Ferner werden zwei gepanzerte Kreuzer gebaut werden; der Kiel des einen ist bereits gelegt worden. Erwägt wird auch der Bau weiterer Kreuzer von 12 000 Tonnen. Die Torpcdobootszerstörer und die Torpedo- bootsflottille sollen erheblich verstärkt werden. Für das Jahr 1905 sind 15 Torpedoboote vorgesehen, von denen bereits einige einaetrosfen sind; diese liegen in Vokohama. Es finden Verhandlungen wegen Ankaufs eines chilenischen Kreuzers statt. Japanische Mannschaft hat Japan zur Uebernahmc bereits verlassen. — Am 25. Dezember 1904 war die Ausbesserung der ganzen Flotte beendet. — Bei Borneo liegen drei Kreuzer und verschiedene Zerstörer. Eine andere Kreuzerslotte geht nach Süden. Die Admirale Togo und Kamimura folgen mit drei Schlachtschiffen. Die Kreuzer 1. Klasse kreuzen in der Tongaru-Straße, drei ungepan zerte Kreuzer und das alte chinesische Linienschiff Tlchinjon bewachen die Tsuschima-Straße. — Es wird dieErklärung der Blockade von Wladiwostok? erwartet. Auf Formosa ist eine Division gelandet. Ein Kreuzer 2 Klaffe von der Takasago-Klasse ist offenbar verloren ge gangen, da die Namen der ganzen Besatzung in der Verlust liste erschienen sind. — ES wird ein fünftes japani sches ÄrmeekoroS aufgestellt. Ende des Monats wird die javanische Armee Nogis mit der Oyamas vereinigt sein. Die Truppen sind in vorzüglicher Verfassung. Alle Leute unter 40 Jahren werden emererziert. — In Tokio liegen 30 000 Verwundete. Der General st abs- chef Noais gibt die Verluste bei Erstürmung des 203 Meterhüaels auf 25 000 Tote und Verwundete an. Die Begeisterung des Volkes ist nach wie vor groß. rechten Schlüsse zöge." ES ist die» deshalb sehr beachtens wert, da eS unseres Wissens die erste Auslassung parteiamt lichen Charakters zur Einigungsfrage ist. . Die nie Zufriedenen. Obwohl der Wortlaut des deutsch-österreichiichen Handels vertrags noch nicht bekannt ist, sind die Agrarier doch schon mit ihm unzufrieden. Ihr führendes Organ, die „Deutsche Tagesztg.", schreibt voller Wut: ES braucht kein Wort darüber verloren zu werden, daß beispielsweise dieBirhzölle vollkommen unge nügend sein würden . . . Die unzureichenden Zölle werden - um fo bedenklicher, als der neue Vertrag bis 1918 in Kraft bleiben soll, lieber die Vlehjeuchenkonvention sind bisher nur Andeutungen veröffentlicht worden, aus denen man sich kein rechtes Bild machen kann. Wir möchten aber nochmals daran erinnern, daß sämtliche, offizielle und andere, Vertretungen der Landwirtschaft einmütig und entschieden sich dahin ausgesprochen haben, daß der noch malige Abschluß eines befonderen Viehjeuchen-Ueberein- kommens den Interessen der Landwirtschaft direkt zu- widerlause. . . . Der Landwirtschaftsminlstcr würde sich selbst aufs schärfste widersprechen und desavouieren, wenn er einen Handelsvertrag vertreten wollte, der das Deutsche Reich verhindern könnte, die heimischen Viehbestände gegen die Einschleppung von Viehseuchen aus dem Auslande mit allen möglichen Mitteln zu sichern. Das weiß die deutsche Regierung ebenso aut wie wir; das haben die Vertrags unterhändler gewußt, und.deswegen müssen wir uns vis zum letzten Augenblicke gegen die Annahme sträuben, daß man auf diesem Gebiete irgend welche Zugeständnisse ge macht haben sollte. Die nächsten Tage werden ja lehren, ob wir recht hatten. Sollten wir uns getäuscht haben, fo würde sich eine grenzenlose und gefährliche Verbitterung der landwirtschaftlichen Kreise bemäch tigen. Darin durften wir uns keinesfalls täuschen. Das fortwährende Drohen mit dem Ueberlaufen zur So zialdemokratie wirkt allmählich komisch. Mögen doch die Herrschaften ihre Drohungen endlich einmal wahr machen, aber dann bitte in voller Offenheit und nicht nur in heim licher Unterstützung sozialdemokratischer Kandidaten. Der Ausfall der Ascherslebener Neichstagsstichwahl. Während die „Dtsch. Tgsztg." die Schuld am Ausfall der Reichstagsstichwahl in Kalve-Ascherslcben den National liberalen in die Schuhe schieben möchte, gibt die „Kreuzztg." ganz offen zu, daß die Konservativen die Wahl des Sozial demokraten verschuldet haben. Sie schreibt: Unzweifelhaft haben zahlreiche Wähler, die bei der Hauptwahl für Obermeister Rahardt gestimmt haben, bei der engeren Wahl ihre nationale Pflicht nicht erfüllt. Wir bedauern das aufrichtig. Aber es ist nicht schwer, für dieses Ergebnis eine Erklärung zu finden. Sie ergibt sich aus der Haltung der Nationalliberalen im Kreise Jerichow, wo diese durch Aufstellung einer Sonderkandidatur den konservativen Kandidaten aus der Stichwahl gedrängt und dem Freisinnigen zum Siege ver- holfen haben. Viele Wähler lassen sich ja mehr durch Em pfindungen, als durch die kühle Erwägung leiten, daß man bei Wahlen, sofern der eigene Kandidat nicht mehr in Frage kommt, unter allen Umständen dem kleineren Nebel den Vorzug zu geben bat. Sie sind gar zu leicht geneigt, diese Erwägung nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit gelten zu lassen. „Warum sollen wir, so mag sich vor der letzten Wahl mancher von ihnen gesagt haben, „den National liberalen, die soeben erst den früher vom Fürsten Bismarck vertretenen Kreis einem Freisinnigen in die Hände ge spielt haben, in Kalbe-Aschersleben die Kastanien aus dem Feuer holen? Dank werden wir nicht haben, denn wenn die Nationalliberalen mit unserer Hülfe den Sieg er ringen würden, so würden sie daraus nur folgern, daß sie allein imstande leien, die Sozialdemokratie wirksam zu be kämpfen. Daß der gemeinsame Kandidat der bürgerlichen Parteien gegen den Umsturz grundsätzlich ihren Reihen zu entnehmen sei." Diese Vermutung mag richtig sein, sie darf aber nicht den Ausschlag geben. Für einen national- gesinnten Bürger gibt es, wenn er vor die Entscheidung zwischen einem Sozialdemokraten und einem Kandidaten der bürgerlichen Partei gestellt wird, nur eine Pflicht, nämlich die, durch die Wahl des letzteren den Sieg des Umsturz mannes zu verhindern. Stimmt! aber in diesem Falle haben gerade die Konser vativen den Sieg des Sozialisten herbeigesührt. politische Tagesschau. Leipzig, 27. Januar. Vom Einigungogedanken im Liberalismus. Aus der „Monatsschrift der Nationalliberalen Jugend" zitieren wir: „Noch auf eines sei vorläufig in Kürze hinge wiesen: auf den rüstigen Fortschritt, den der so viel geschmähte Gedanke liberaler Einigung urplötzlich macht. Unsere Freunde in Bayern haben ihn mit einem ganz hörbaren Ruck in die Tat nmgesetzt und mil allen liberalen Schattierungen sich für die kommenden Landtagswahlen auf ein Programm geeinigt, das seine Schneide gegen das schwarz-rote Bündnis richtet. In Baden und Württemberg scheint sich Verwandtes vorzu- bereiten und selbst im eigensinnigen Norden mehren sich die Verbindlichkeiten, die zwischen den verschiedenen liberalen Schattierungen gewechselt werden. Freilich, über eine ge meinsame Uniform hat man noch nicht Beratungen gepflogen; aber allein schon die Beobachtung, daß der Ton zwischen den verschiedenen liberalen Parteien verbindlicher wird, allein diese Tatsache raubt der konservativen Presse Rast und Ruh, so daß sie unermüdlich bald die Bedeutungslosigkeit des Libe ralismus dartut, bald über liberale Irrlehren zetert, oder sich in guten Lehren an den Liberalismus überschlägt. Wenn der Liberalismus, besonders der gemäßigte, daraus nur die Deutsch-Englische». Im Februarheft der „Deutschen Monatsschrift" schildert Professor Dr. Theodor Schiemann die Genesis der Verstimmung zwifchen Deutschland und England: Die Einigung der deutschen Staaten, Deutschlands Eintritt in die Weltpolitik, die Handelsrivalität der beiden Völker, die Burenfrage, die englilchc Journalistenvcrschwörung gegen Deutschland mit ihren Verleumdungen der deutschen Politik. Professor Schiemann lenkt außerdem die Aufmerksamkeit auf die Bestrebungen der „National Service League", die unter dem Präsidium des Herzogs von Wellington für den Grundsatz der allgemeinen Ausbildung zum See- oder zum Kriegsdienste eintritt. Dieser englische Wchrdienst-National- verein hat in einem Aufrufe an alle Engländer ohne Unter schied der Partei solgende höchst beachtenswerten Ausführungen gemacht: „Es gibt keine bessere Bürgschaft des Friedens, als bewaffnet zu sein, um ihn zu verteidigen, und kein Mittel gegen den Jingoismus, als jedem Bürger das Gefühl zu geben, daß er für einen Krieg mit zu ver antworten hat . . . Man darf mit Bestimmtheit sagen, daß eine unendlich stärkere Friedenspartei in jedem Lande mit obligatorischer Wehrpflicht besteht, als in unserem Vaterlande mit seinem Freiwilllgen-System. Wie richtig die vorstehende Auffassung gerade für Eng Areituft, 27 Immer 1SOS. land ist, zeigt Schiemann durch einen Vergleich de» englischen Ministeriums mit der Allmacht de» russischen Kaisers: wie die in Rußland geltende allgemeine Wehrpflicht in ihren wohl- tätigen Erscheinungen durch den -arischen Absolutismus paralysiert wird, so behauptet, trotz des Parlaments, daS eng lische Kabinett seine Aktionsfreiheit, weil die Masse der eng- tischen Bevölkerung nur indirekt an den Folgen einer nach außen hin gewalttätigen'Politik zu tragen hat. Welchen Ein fluß kann nun die „National Service League" auf die deutsch englischen Beziehungen haben? Schiemann erblickt in der Liga eine der Voraussetzungen, die eine Verständigung in gutem Glauben möglich macht. „Zwischen unS und Eng land", führt Schiemann hierzu aus, „liegt keinerlei wesent licher Gegensatz. In uns beiden hat die Gedankenwelt des Protestantismus den lautersten Ausdruck gefunden und die edelsten Früchte gezeitigt, in Wissenschaft^ Kunst, Literatur und Technik. Beides sind tapfere und piännliche Nationen, die Welt ist nicht zu klein, um ihnen einen Wettbewerb in Ehren zu verbieten. Vereinigt stellen sie die stärkste Kom bination dar, .die heute möglich ist. Weshalb sollten sie nicht die Hände zusammenfchließen?" Wir geben diese Dar legungen als interessanten Beitrag wieder, ohne uns ganz auf sie zu verpflichten. Deutsches Deich. Leipzig, 27. Januar. * Der Generalstreik i« Ruhrrevier dürste vor einer entscheidenden Wendung stehen. Da» angekündigte gesetz geberische Eingreifen der Regierung wird unbedingt eine beruhigende Wirkung auSüben, zumal au» der Kundgebung deutlich zu ersehen ist, daß die Regierung, die in diesem Falle gewiß sachverständig beraten ist, einen großen Teil der For derungen der Bergleute für berechtigt und durchführbar hält. Neber die übrigen Forderungen wird und muß unter Führung der Regierung eine Verständigung erzielt werden, denn die Berg leutewerden nicht durch Ueberspannen de» Bogen» sich die Sympa thien, die ihnen jetzt entgegengebracht werden, verscherzen wollen. Wenn der Bergbauliche Verein in Esten erklärt, er sei immer noch entschlossen, nur der Gewalt zu weichen und auf seinem prinzipiellen Standpunkt zu verharren, so wird da» wohl nicht gar fo ernst zu nehmen sein, und der Verein wird sich auf die Dauer doch nicht dem Druck der öffentlichen Mei nung entziehen können, zumal der Streik sich anscheinend auch auf die Steiger auSdehnt. Wie wenigsten» telegraphisch gemeldet wird, kam e» auf der Zeche bei Barop zwischen der Verwaltung und den Steigern zu einem Konflikt, da die Steiger nicht einfabren wollten. Heute findet in Esten wieder eine Revierkonferenz der Vertrauensleute aller Organisationen statt, die in der Streikangelegenheit beraten und neue Kundgebungen beschließen werden. Besonder» da» Siegerland ist stark vom Streik betroffen, wo fast alle Eisenwerke st ill liegen. In der gestrigen Konferenz der Siebcnerkommlssion wurde eingebend da» Beschwerde material geprüft und Sachse und Effertz zu Ueberbringern an da» Oberbergamt gewählt. * Der Reichskanzler und Pie Ahndung Per Rnheittdelikte. Man schreibt uns: Wie kürzlich von un» mitgeteilt wurde, hat von berufener Seite die Ansicht autoritativen Ausdruck gefunden, daß die Staatsanwaltschaften bei allen Roheit»- delikten nach Möglichkeit auf scharfe Ahndung hin arbeiten sollen. Mit dieser berufenen Seite ist, bestem Ver nehmen nach, Graf Bülow gemeint, der die Sache beider Justizverwaltung angeregt und auch willigen Boden dafür gesunden hat. Graf Bülow hielt damals mit der Meinung nicht zurück, daß bei allen Roheitsdelikten (Mißhandlung von Kindern, Messerstechereien, Tierquälereien) da» Hinarbeiten aus da« höchste Strafmaß richtiger sei, al» bei manchen anderen Delikten. * Dr. Hammacher und Pie nationalltberale Jugend. In der Januarnurnmrr der Monatsschrift des ReichSver- bandcS der nationalliberalen Jugend wird da« Verhältnis Dr. Hammacherö zu den Jugenddestrebungen der Partei wie folg! geschildert: Weit näher aber rückte er unS durch die warmherzige Ge sinnung, die er unserer Bewegung entgegen brachte. In Düsseldorf, wo er zum letzten Male an unseren Beratungen teilnahm, bekannt er unS: „Die Bildung Ihrer Vereine habe ich stets als den Ausgangs punkt für eine Belebung des liberalen Geistes innerhalb der Partei aufgefaßt und freudig begrüßt;" und nie sind wir bis in die Drzrmbertage an der Gewißheit irre geworden, in ihm unseren treuesten Freund zu verehren. Die organische Einfügung unserer Bewegung in die nationalliberale Partei ist seinen Bemühungen zumeist zu danken, und unermüdlich hat er sich dafür eingesetzt, daß diese Einfügung sich auch zu organischer Einheit vertiefe. Das ist bisher in schlanker Entwickelung vor sich gegangen, — wer darin Arges erspäht, der Lenkt zu leichtherzig von der harten Spannkraft politischer Gesinnungen und Charaktere — aber wenn der gute Wille, sich gegenseitig besser und bester zu verstehen, fruchtbar geworden ist, so ist auch das mit zumeist Hammacher» Verdienst. Wenig könnte bester dafür sprechen, wie wert er unS schätzte, als seine Bemühungen um die Bewertung unserer Organi sation im Entwurf eines Organisationsstatuts für die Partei. Nicht an ihm hat es gelegen, daß der Entwurf durchaus nicht anmaßliche Wünsche unseres Verbandes offen läßt. Unver geßlich ist er uns aber geworden durch die treue Sorge, mit der er im vorigen Jahre zu uns gestanden, als der Schulantrag unsere Beziehungen zur Partei einer Belastungsprobe von un- Ter Abend dämmerte bereits. Vor der Hütte lagerten die japanischen Soldaten; Posten hielten die neugierigen koreanischen Einwohner des Torfes in angemessener Entfernung. Im Innern der Hütte sahen im Kreis auf dem Boden der Oberst, der Leutnant und Napier. Zwischen ihnen lag eine kleine, auf feinstem japanischen Seiden- vapier ausgeführtc Skizze. Napier trug nicht mehr die Infanterie-, sondern japanische Kavallerieuniform. Neben ihm lag ein fein zusammengeschnürtes, umfang reiches Paket. Ter Oberst beendete eben eine Erklärung. „Also, Sie verstehen jetzt, um was es sich handelt, Napier. Gelingt Ihnen die Tat, fo können Sie fest auf ein höheres Offizierspatent rechnen. .Haben Sie letzte Wünsche?" „Nein — Herr Oberst. — Oder dochl" besann er sich plötzlich. „Nun?!" „Ich möchte — wenn irgend möglich — in Italien begraben sein. In Apricale." — Der Oberst drückte ihm die Hand. „Wenn Gewalt, List oder Diplomatie cs möglich machen werden " Und Mich der Lentnant reichte ihm feine Rechte. „Es wird nicht gleich fo schlimm werden, Jack!" flüsterte er. „Aber jedenfalls, — rechne darauf — dein Wunsch soll erfüllt werden!" Eine ganze Weile herrschte Schweigen. Tann breitete der Oberst, ohne ein Wort zu sagen, ein ganz kleines Stückchen Seidenpavicr auf einer Trommel aus, malte einige japanische Zeichen darauf und reickte sie Napier. „Dieses Papier ist so fabriziert, daß es verdaut wird, wenn Sie es verschlucken", sagte er dabei. Napier nickte und schob das zusammengefaltete Papier zwischen Finger und Ring an der Innenfläche der rechten Hand. Tas gleiche tat er mit der Skizze, die er zwischen Finger und Ning an der linken Hand schob. Ter Oberst nickte Beifall. „Da sind sie leicht erreichbar und doch gut versteckt", meinte er. Als es dunkel geworden, schwang sich Napier auf eines der KavalleriHferde, nahm das Paket unter den Arm und jagte, nachdem er seinen beiden Vorgesetzten nochmals die Hand gedrückt hatte, zum Dorfe hinaus. Doch nicht allzuweit. Er war kaum außer Sehweite, als er das Pferd anhielt und abjaß. Schleunigst öffnete er das Paket. Es enthielt eine vollständige russische Reiterausrüstung, Säbel und Patronentasche, Gewehr, ja sogar Zaum und Zügel. Es dauerte nicht lange, und aus dem japanischen Soldaten war ein russischer geworden. Und als Russe sah Napier noch glaubwürdiger aus, wie als Japaner. Wenigstens paßte die Uniform doch zu seinen euro- päischen Gesichtszügen. Die japanische Uniform packte er auf einen Haufen und zündete sie an. Dann schtv«g er sich wieder auf fein Pferd, bitz die Zähne zusammen und gab seinem Rosse die Sporen, daß es hoch aufbäumte. Und wer das unheimliche Feuer hätte sehen können, das in seinen Augen leuchtete, der wäre entsetzt zurückgewichen. Hauptmann Suworow. Kommandant des Jstwan- Forts von Port Arthur, saß in seinem Arbeitszimmer innerhalb des Forts. Es war eine ganz kleine, elende Holzbaracke mitten auf einem großen Hof. Die einzigen Möbel waren ein Feldbett, ein Tisch, zwei Stühle und ein Koffer. Auf dem Tisch stand eine Photographie. Davor saß der Hauptmann. Er hatte das Kinn in beide Hände gestützt und starrte auf das lachende, schöne Antlitz einer Frau, das ihm aus dem Rahmen vor ihm entgegenblickte. „Es nützt nichts", stöhnte er, „es nützt nichts! Noch nach ihrem Tode lastet ihr Fluch auf mich; — der Fluch ihrer Schönheit und ihres Geistes", fügte er leise flüsternd hinzu. Eine ganze lange Weile regte er sich nicht, dann ent rang sich ein Seufzer gepreßt seiner Brust: „Wo nur die Kugel bleibt!!" Draußen dämmerte langsam der Abend. — „Herr Hauptmann — eine Meldung!" Schnell wie der Blitz fuhr Suworow aus seinem Brüten auf und herum. Diese Stimme! Vor ihm stand ein gemeiner Soldat der Kavallerie. Er kam ihm bekannt vor -- die Gestalt, die Stimme. „WaS willst du?" Doch da hatte der Soldat schon dos Bild auf dem Tische bemerkt. Wie ein Tiger auf seine Beute stürzte er darauf los. Er ergriff es und küßte es auf den Mund, immer und immer wieder, während die Tränen ihm über die Wangen rannen. „Tamille — o Gott — Camille!" Suwarow stand eine Weile wie versteinert. Jetzt kannte er den Mann; er ahnte auch, was ihn hierher führte, aber er war nicht imstande, eine Silbe hervorzu bringen. Erst als Napier, plötzlich ganz ruhig werdend, das Bild unter die linke Seite seines RockeS schob, wo es an seinem Herzen ruhen konnte, und dann ohne die geringste Uebereilung mit der einen Hand einen Dolch, mit der anderen Hand einen Revolver hervorholte, fand er seine Sprache wieder. Auch er blieb vollkommen ruhig. Nur sehr blaß war er geworden. „Oh", — sagte er, „mein .Lebensretter^ gekommen, um mir zum zweiten Mal mein Leben zu retten? Doch das soll nicht leicht sein! Ein Ruf —" „Ich weiß", unterbrach Napier. „Ein Ruf! Ruf doch — Mörder!" Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hob er die Waffe und feuerte direkt auf Suwarow, der, wahrschein lich überrascht, keine Anstalten zu seiner Verteidigung gemacht hatte und nun tödlich getroffen zu Boden sank. „Da ist sie — die Kugel!" hauchte Suwarow. „Aber s o hatte ich sie nicht erwartet " Kalt blickte Napier auf den zu seinen Füßen mit dem Tode ringenden Mann. „Du bist gerächt, Camille. Wir konnten doch nicht leben ohne einander. So ist's gut!" murmelte er. - Als die Soldaten, die der Schuß gelockt, herbei stürzten, war ihr Kommandant bereits eine Leiche. Zehn Minuten später ertönte im Hofe der Baracke des Kommandanten eine Salve, — und Napier war seinem Feinde dorthin gefolgt, wo es weder Freud noch Leid, Freund noch Feind, Krieg noch Streit gibt, — in die Ewigkeit. Eine der Kugeln war durch daS Bild in seiner Brusttasche hindurch in sein Herz gedrungen. — — — E n d c.
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