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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcratwnS-Preis 22j Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Deit u. Camp., Iägerilraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 138 Berlin, Dienstag den 18. November 1845. Palästina. Jerusalem, nach Schuly und Kiepert. Herr I)r. E. G. Schultz, seit vier Jahren als preußischer Konsul in Jeru- salem angestellt, befand sich im Herbste des vorigen Jahres auf einer Urlaubs reife in seiner Heimat und hat bei dieser Gelegenheit in der Berliner „Gesell schaft für Erdkunde" einen Vortrag über die heilige Stadt gehalten, der jetzt, erweitert und vervollständigt, im Druck erschienen ist. ») Der eben so wohl meinende als bescheidene Verfasser bezeichnet diese Schrift selbst als eine bloße Vorarbeit zu einem größeren Werke, in welchem er seine Forschungen über Palästina zu veröffentlichen gedenkt, doch auch schon in seiner jetzigen Gestalt bietet dieser Versuch, gleichwie der ihn begleitende, von Heinrich Kiepert sehr sauber und übersichtlich gezeichnete Plan von Jerusalem und seiner Umgebung, interessante Momente genug für jeden Gebildeten dar, der, welchem GlaubenS- bekenntniß er auch angehören möge, von Theilnahme für die Stadt erfüllt seyn muß, an die sich die heiligsten Erinnerungen knüpfen. In seiner Vorlesung giebt Herr Dr. Schultz zuerst eine kurze Beschreibung seiner Reise über Nom, Neapel, Konstantinopel, RhoduS und Beirut nach Jerusalem, welches letztere, so viel eS auch von Fremden aller Erdihcile aus gesucht wird, doch noch sehr wenig darauf eingerichtet ist, Gäste zu empfangen. Von den Annehmlichkeiten des häuslichen Lebens daselbst erhält man einen Begriff, indem der Vers, folgende Beschreibung von der Art und Weise giebt, wie man dort Brod ins Haus bekömmt: ....„In Jerusalem kaufen Sie den Weizen für Ihre Haushaltung. Sie setzen arabische Weiber um den Weizenhaufen und lassen die Körner lesen, die voll kleiner Steinchen und anderen ungenießbaren Zubehörs sind; dann wandert er in die Mühle, und wenn Sic wissen, daß Sie wieder erhalten haben, was Ihnen zukömmt, so lassen Sie den Teig in Ihrem Hause kneten und formen und schicken ihn schließ lich nach dem Ofen, wenn Sie zu neuer Unbequemlichkeit keinen im Hause haben, und wenn das Brod dann wohl gebacken auf Ihren Tisch kömmt, so seyen Sie zufrieden, daß Sie so leicht und glimpflich davongekommen sind. Dieses kleine Pröbchen sichert mich wahrscheinlich vor weiteren Fragen nach den übrigen Beschwerden der Häuslichkeit." Wir zweifeln indeß nicht, daß sich diese und ähnliche Zustände sehr bald in Jerusalem geändert habe» werden, und daß man in einem Jahrzehend die komfortabelsten Wirthshäuser dort antrcffen werde, denn immer mehr wird eS unter den Engländern Mode, ihre Ausflüge bis nach dem Orient auSzu- dehnen, wobei denn nicht unterlassen wird, daS heilige Land aufzusuchen. Und die Knltur der Dampfschiffe, „die alle Welt beleckt", wird gewiß sehr bald die Küsten SprienS eben so regelmäßig mit Europa in Verbindung setzen, als eS Smprna und Konstantinopel sind. Herr I)r. Schnitz wird dann wahrscheinlich auch in seinen Konsular-Functionen mehr zu thun bekommen, als jetzt, wo er — allerdings zmn Vortheile seiner Studien und der Wissenschaft — wohl nur selten Gelegenheit hat, im Interesse seiner Landsleute wirksam zu sepn. In. zwischen klagt er darüber, daß in Jerusalem, „wo außerdem der Müßiggang zuhause ist", für den Beamten nur vier sichere Geschäftslage in jeder Woche da sind, „wenn, wie gemeinhin, Parteien von verschiedenen Religionen ver nommen werden sollen, da der Freitag der Ruhetag der Muhammedaner, der Sonnabend der Ruhetag der Juden und der Sonntag der Ruhetag der Christen ist und namentlich die Muhammedaner geneigt sind, alle drei zu feiern." Der Verfasser, der nach dieser Einleitung einige nicht ganz zur Sache ge hörende Abschweifungen in das Gebiet allgemeiner Reflexionen macht, giebt sodann nach dem beigelegten Plane eine Beschreibung Jerusalems, dessen Stadtviertel und Straßen ihre alten biblischen Namen zum größten Theile verloren und meistens arabische Benennungen nach Moscheen oder Klöstern erhalten haben. Das größte Quartier ist das der Muhammedaner (Hareth el MuSlimiu), das in zwei Theile zerfällt: Hareth Bub el Hitta, der von asia- tischen, und Hareth el Mugharibeh, der von afrikanischen Muhammedanern (Moghrebinern) bewohnt wird. An der Stelle, wo einst der Salomonische Tempel gestanden, befinden sich zwei große Moscheen. Im Hareth el Nuffärah (dem christlichen Quartier) wohnen sowohl die griechischen als die römischen Katholiken, die monophysitischen Kopten, welche zwei Klöster, und die Abpssinier, ») Jerusalem. Eine Vorlesung von vr. Ernst Gustav Schuch, König!- Preuß. Konsul in Jerusalem. Mit einem Plane, gezeichnet von H. Kiepert. Berlin, Simon Schropp u. Eo. die eines haben. Alle haben sich so viel als möglich in der Nähe des heiligen Grabes angebaut. Nur die Armenier haben, etwas fern von diesem, ihr be- sondereS Quartier, daS Hareth el Arman, an dessen östlicher Seite, in einen Winkel hinein gedrängt, sich das Juden-Quartier (Hareth el Jahüd) befindet. Beide Quartiere, daS jüdische und das armenische, werden auf dem Plane mit dem Namen Zion bezeichnet, an dessen nördlichster Gränze sich die Stelle be findet, an der jetzt der anglikanische Bischof von Jerusalem die protestantische Kirche erbauen läßt. Die Zahl der Einwohner von Jerusalem wird von Herrn 0r. Schultz folgendermaßen angegeben: I. Muhammedaner II. Christen: -») Griechen 2,000 b) Röm. Katholiken 400 o) Armenier Z80 ü) Kopten 100 e) Syrer 20 k) Abyssinier 20 III. Juden: «) Türkische Unterthanen (8epfisrüim) .... 6,000 l>) Polen, Russen, Deutsche rc. (^vckkeriLiiün) 1,100 e) Karaiten 20 - 7,120») Zusammen. . . 18,310 Seelen. Hierzu kommen noch etwa 60—70 Protestanten, sämmtlich Europäer, die mit den Konsulaten oder kirchlichen Stiftungen in Verbindung stehen; ferner etwa 18 — 20 Personen, die zu den Konsulaten der katholischen Mächte ge hören, und die türkische Besatzung von 800—1000 Mann, so daß im Ganzen die permanente Bevölkerung Jerusalems auf etwa 17,000 Seelen sich belaufen mag. Die Zahl der Pilger, die um Ostern am größten, ist schwer zu er- mitteln; daS Martmum wird auf 10,000 angegeben. Unter den in Jerusalem betriebenen Gewerben werden Seifenfabriken, einige kleine Webestühle, die Fabrication kirchlicher Gegenstände, wie Rosen kränze, Kreuze rc., und mit Auszeichnung die Druckereien der Juden und des armenischen Klosters genannt. Eine Wanderung, die der Verfasser darauf mit uns in die Umgegend der Stadt antritt, giebt ihm Gelegenheit, an die durch die Religion geheiligten Punkte des alten und des neuen Testamentes zu erinnern, woran er eine Ucbersicht der älteren und neueren Schriftsteller knüpft, die über die Geogra phie von Palästina und die Topographie der heiligen Stadt insbesondere ge- schrieben haben. DaS heutige Jerusalem hat, wie unser Verf. und auch der bekannte amerikanische Schriftsteller Robinson meint, noch denselben Umfang, den eS zur Zeit gehabt, als ihm die Römer den Namen Oolonia ^«lin kspi- tolina beilegten, während eS seine hauptsächlichsten Veränderungen in den früheren Perioden und besonders während der beiden Zerstörungen des Tem pels erlitten. Um jedoch das heutige Jerusalem besser zu verstehen, hält cs der Verf. für nöthig, bis zur Geschichte der Stadt während der Zeit des zweiten Tempels zurückzugehcn und namentlich den Geschichtschreiber Flavius Josephus zum Führer zu nehmen, wobei denn die Spuren der Belagerung des TituS auf dem Plane des jetzigen Jerusalems nachgewiescn werden. Hier- mit in Verbindung, wirft der Verfasser auch einen Blick auf die Topographie der Stadt und ihrer Umgebung, wie sie in der Bibel, von der Zeit Abraham'S und Melchisedek'S bis zu der der Entstehung des heiligen Grabes auf Gol- gatha, erwähnt ist, was ihm zu einer ausführlichen Kritik und zu zahlreichen Hypothesen Anlaß giebt, die jedoch einer näheren Erörterung und Feststellung, nach dem eigenen Bekenntniß des Herrn vr. Schultz, noch bedürfen. Jeden- falls aber ist sein Buch und der damit verbundene Plan als eine sehr schätzens« werthe Bereicherung unserer Kenntniß von Jerusalem zu betrachten. °) ') Im gesummten Palästina wird die Zahl der Juden auf ktts berechnet, wovon loo auf Hebron, äm auf Saphed, »M auf Tiberias und iso auf Nabülü« kommen. "j Fast gleichzeitig mit dieser deutschen ist auch eine englische fauösührlicherel Schrift über denselben Gegenstand erschienen, unter dem Titel: „Wb- bol?-lt?, «r bi»torlc»l »u<I tvpoxfLpIllc»! uotioe» »k ^erusslem; >vi0> «ome »eeouut vk it« antiquibie« an6 ok it» present oou6iUon. 8^ tii« R«v. 6eorxo 5Villiam«, 51. , Vellorv ok Kinx« 0ollexe, »uü eiisplnin to L»«!iop Alexander at ^ernsnleiu. — London, 184S. 3,000 3,390