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WöLenUich krsckcm«n ör« Nummern. PrSnumrration» - Prei« 22 j SUdcrgr. (Z Tblr.) vierteljährlich, Z Lhir. für das ganze Hadr, ohne Erhöhung, i» alten heilen ter Preußischen Monarchle. M agaziK für dic Pr^ilumtrationell werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jäger,Iraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aenttern. angenommen. Literatur des Auslande s. . s/ 132. Berlin, Dienstag den 4. November 1843. Ostindien. L. v. Orlich's Reise in Ostindien.") Die Beschreibung der Reise, die Herr von Orlich, wie sich die meisten unserer Leser erinnern werden, vor etwa drei Jahren unternahm, um sich als Freiwilliger dem englischen Heere auf seinem Feldzüge in Afghanistan an zuschließen, ist nun in einer zweiten, wohlfeileren Ausgabe erschienen, da die erste, ein Prachtwerk in Quarto mit vielen Kupfern, Holzschnitten u. dergl., nicht für Jeden zugänglich war. Unterdessen ist auch eine englische Neber- setzung von dem als Sprachkenner bewährten H. E. Llopd -erauSgekommen, die sich in England einer glänzenden Aufnahme zu erfreuen hatte. Blatter aller Farben und aller Parteien, das dofmäunische knurr .lourual und die radikale Uizpatcb, der realistische 8pectator und das ästhetische ^rbenaenm, vereinigen sich in dem Lobe des deutschen Reisenden — seiner bescheidenen Tüchtigkeit, seines scharfen Blicks, der leicht,,, Anmuih seiner Darstellung, vor Allem aber seiner großen Wahrheitsliebe. In der liriraimia nimmt der Bericht über „Haveln in India, bv kaprain von Orlick", fünf enggedruckte Foliospalten ein, und dennoch bedauert der kevieever, sich so kurz fasse» zu müssen. „Die Bemerkungen eines geistreichen und freisinnigen Ausländers", sagt das Dnüed Service lUagarme, eine für dic Armee und die Seemacht bestimmte Zeitschrift, „müssen stets voll Interesse für uns scpn, und freudig geben wir dem Hauptmann v. Orlich das Zeugniß, daß er unser Wissen über die indischen Zustände wesentlich bereichert hat." Eine solche Anerkennung hat unser Verfasser nun auch in vollem Maße verdient; er hat ein Werk geliefert, das ihm und seinem Vaierlände Ehre macht. Obgleich im einfachsten, anspruchslosesten Stpl geschrieben und der Effekthascherei fremd, die besonders französischen Reisenden eigen ist, bietet cs eine eben so anziehende als reichhaltige Lektüre dar; die Wirklichkeit, dic hier geschildert wird, übertrifft an romantischem Interesse die Gebilde der Dichtkunst. Dic verfallene Größe von Delhi und Benares, die barbarische Pracht des Hofes von Lahore und die Schaltenmajestät der Könige von Aud werden uns nach einander vorgeführt, und von den blutigen Revolutionen des Orients, die uns sonst nur verworren und undeutlich „aus dem Zeitungs- blatt gemeldet" werden, erhalten wir einen so klaren Begriff, als ob wir sie „schaudernd selbst erlebt" hätten. Die Unruhen, die nach dem Tode des staatSklugeu und ehrgeizigen Rundschit-Sing im Reiche Lahore auSbrachen, werden z. B. folgendermaßen erzählt: „Rundschit-Sing's einziger Sohn folgte im 37. Lebensjahre, als Maha radschah Kark-Sing, dem Vater auf dem Throne. Von der Natur vernach- läsfigt, aufgewachsen ohne Erziehung, unmäßig und weichlich, liebte er nur Ver- gnügungen und den Harem. Er überließ die Regierung dem grausamen Ceth. Sing. Als dieser aber mit dem Plan umging, Dihan-Sing bei einem Derbar umS Leben zu bringen, wurde er von diesem und dem von Peschawer hcrbei- geeilten Kronprinzen, Nou Nehal-Sing, an der Seite des Maharadschah in Stücke zcrhaucn. Bald nach der Thronbesteigung verfiel Kark-Sing in eine heftige Krankheit, und die Sage geht, daß sein einziger Sohn, der Liebling des Großvaters, nicht ohne Schuld an seinem schleunigen Ende scp; denn er starb, nach fiebcnmonatlichem Siechthum, an einem vernachlässigten und fallch behandelten Wechselfiebcr den 6. November 1840 und wurde noch denselben Tag mit einer Frau und zwei Sklavinnen verbrannt. „Nou Nehal-Sing, ein IS jähriger Jüngling, herrschsüchiig, geschickt in allen kriegerischen Uebungen, geistreich, lebhaft und voll großartiger Pläne, wollte seine Thatkraft der Welt verkünden. Ein geschworner Feind der Briten, ging er mit dem kühnen Entwurf um, gegen diese bei der ersten günstigen Gelegenheit aufzutreten. Kaum konnte er seine Freude, sich aus dem Throne zu wissen, bci der Verbrennung der Leiche seines Vaters unterdrücken. Ge führt vom Radschah Mia Udum-Sing, seinem Freunde und Rathgeber, wollte er, nach Vollziehung dieses Traucr-AkteS, seine Sünden im Nawi abwaschen; aber als cr daS äußerste Thor von Hasury-Bagh durchschritt, fiel aus einer Höhe von^30' ein großes Stück der Mauer des Bogens auf Beide herab, tödtete den Freund auf der Stelle und verwundete den jungen Fürsten am Kopfe, daß er schon nach drei Stunden den Geist aufgab. Nur Wenige der ihnen folgenden Großen waren verletzt, keiner tödtlich. Man verheimlichte seinen Tod ^drei Tage in der Festung, um seiner abwesenden Mutter, der ') Rlise in Ostindien, in Briefen an Alex. v. Humboldt und Carl Ritter, von Leopold v. Orlich. Zweit« durchgesehene und vermehrt« Auflage. 2 Bde. 8. Leipzig, 184». Rany Eenvkaur, und dem auf seinem Landsitz lebenden Prinzen Schir-Sing Zeit zur Thronbcwerbung zu gcbcn. Am dritten Tage in früher Morgen, stunde verbrannte man den Leichnam auf derselben Stelle, nebst seinen beiden in Blüthe und Schönheit prangenden Frauen. „Die Ranp Cendkaur war eine Stunde früher als Schir-Sing in der Festung cingetroffen und hatte den inneren Theil derselben besetzt; dieser nahm mit seinen Anhängern von dem Garten Hasury-Bagh Besitz. Mehrere Wochen berathschlagten die Großen des Reichs, wer von Beiden den Thron besteigen solle, bis endlich am 30. November der Kanonendonner dem Schir- Sing dic schmerzliche Knude brachtc, daß die Cendkaur zur Königin gewählt sep. Er selbst mußte nach Landcofitte der Regentin, von den Ministern ge führt, das erste Geschenk, 101 Goldstücke, darbringcn, verließ aber sofort Lahore. „Die Regentin, Kark Sing's erste Frau, einige vierzig Jahrc alt, etwas korpulent, aber von gefälligem Aeußeren, regierte unter der Leitung von zwanzig der Vornehmsten, welche sich Konsuln nannten. Sie ließ sich nur von ihren Vertrauten sehen, nntcr denen der Rädschah Gulab-Sing, Dihan- Sing'S älterer Bruder, nebst dem Jemcdar Koshal-Sing, dic erste Stelle einnahmen. Voll Eifersucht und Mißtrauen gegen den diktatorisch auftreien- den Dihan-Sing, benutzten Beide, als er in den Wäldern zu Merlebele in der Jagd Zerstreuung suchte, diese Abwesenheit, um ihn zu verdrängen. Sie klagten ihn in Gegenwart der Konsuln bei der Regentin an, eigenmächtig Befehle erlassen zu haben, und bewirkten, daß alle Verordnungen, um Gül tigkeit zu haben, hinfort die eigenhändigr Unterschrift der Cendkaur bedurften. Zwei Buchstaben (imim nana) bezeichneten den königlichen Willen; betraf cS jedoch Geld-Anweisungen, so mußten denselben noch dic Sicgel dcr ver storbenen drei Fürsten und dcS dethciligten Ministers beigesügt scpn. „Bci diescr NegierungSwcise nahm die Unzufriedenheit im Lande über hand; anf allen Punkten des Reichs brachen Aufstände aus, und selbst in der Hauptstadt Lahore hatte man einen Aufruhr zu befürchten. Diesen zu be- ' nutzen, begab sich Dihan-Sing, unter dem Vorwande, im Gebirge den Jagd- Vergnügungen nachzugehen, mit seincm jüngeren Bruder, dem Nadschah Suchet- Sing, zu Schir-Sing, ihn auffordernd, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und sich des Thrones zu bemächtigen. Schir-Sing ging auf diesen Vorschlag ein, und sie rückte» mit einigen Tausend Mann gegen Lahore und belagerten die Regentin in Hasurp-Bagh. Diese hatte sich mit den Radschahs Gulab-Sing, Hira-Sing, den Gebrüdern Ater-Sing und Achet-Sing (Ser dars aus der Sendovalischen Familie, welche als nächste Anverwandte Rund schit-Sing's gleichfalls Ansprüche auf den Thron machten) und 4000 Mann, mehrentheils DogcrS (Gebirgstruppen), darin eingcschloffen. Die Belagerten Übergaben nach fünf Tagen, den 20. Januar 1841, die Festung; die Radschahs Gulab-Sing und Hira-Sing erhielten mit den Truppen freien Abzug auf das jenseitige Ufer des Rawi nach Schaderreh, die beiden Serdars entflohen über de» Sedletsch in die britischen Besitzungen, und die Regentin wurde als Ge fangene in der Festung bewacht. „So bestieg Schir-Sing, dcr Wäschcrsohn genannt, den Thron. Wäh. rend eines kurzen Ausfluges nach seiner Sommer-Residenz fand man die Er- regentin in ihrem Zimmer tödtlich verwundet; vier ihrer Sklavinnen hatten ihr mit Ziegeln den Kopf eingcschlagc», was den Tod der Unglücklichen nach drei Tagen zur Folge hattc. Den Verbrecherinnen wurden die Hände, Nasen und Ohren abgeschnittcn und sie ins Exil jenscit des Rawi geschickt. Schir- Sing begnadigte am Tage seiner Krönung, den 27. Januar 1841, auf Ver- wenden Dihan-Sing's, dessen Bruder und Sohn, welche als Zeugen dem Thronbesteigungsfeste beiwohnten." Nach solchen Schilderungen muß man dem Verfasser Recht geben, wenn er das künftige Heil der zahlreichen Völker Ostindiens nur in der noch weitere» AttSbkcitnng dcr englischen Herrschaft und in dem gänzlichen Untergange der eingeborenen, eben so schwachen als despotischen Regierungen sieht. Die Nachrichten, die Herr v. Orlich über die britisch-Hindustanische Armee mittheilt, find um so beachtenSwerihcr, als man ihm hier dic Autorität cmeS KcnncrS cinräumen muß und seine Angaben zur Widerlegung der Be hauptungen dienen, die dcr Franzose Edouard de Warren in seincr be- kannten Schrift; O'lmle -Lnxiaine, ausspricht. „Die britisch-indische Armee gehört unstreitig zu den kriegSgewohntesten und kriegslüchiigsten, weil ihr der Krieg dcr eigentliche und wahre Beruf ist. Eingedenk vollbrachter ruhmvoller Thaten, blickt sie, nach kurzer Rast, hoff. uuugSvoll nach frischen Kämpfen, um neue ritterliche Handlungen daran anzu- reihen. An solchen Zeiten hat es dem britischen Heere in Indien nie gefehlt,