Volltext Seite (XML)
Wi^euüick «scheinen drei Nummern. PränumeralionS-Prci« 22j Siidergr. (j khir.) vierteiiährlich, !i Tdir. für ! n» q>>»zc ^juhr, ohne (Lrhökung, in >u!cn Lheilc» der Preußischen Momirs«. Magazin für die Pränumerationen werden ron leder Buchhandlung (in Berlin bei Beil u. Como., Iägerstraße Nr. 2Ü), s« wie von allen Königs. Po»,-Acmlern, angenommen. Literatur des Ausland e s. 4/ 124. Berlin, Donnerstag den 16. Oktober 1845. England. Eine Geschichte der Philosophie für Leser aller Klassen. Für ein gesundes lind förderliches geistiges Fortschreiten, wie der Ein. zelnen, so auch der Böller, möchte kann» etwas Anderes wesentlicher sepn, als daß stets das rechte Ebenmaß stattfinde zwischen selbstständiger Hervordildung aus sich selber und empfänglicher Aufnahme geistiger Nahrung von Anderen her. In dieser Hinsicht ist die Entwickelung der neueren Zeit ohne allen Ver gleich günstiger gestellt, als die des Alterthums. In letzterem war die höhere geistige Bildung überwiegend ans ein einziges Volk beschränkt; und deshalb mußte, sobald dasselbe die höchste Vollkommenheit erreicht hatte, welche un mittelbar durch seine individuelle Anlage und Bildungsverhäitniffe bedingt war, ein Verfall eintrcten, von welchem es sich nicht wieder zu erhebe» ver mochte. Dagegen entwickeln sich in der neueren Zeit mehrere Völker neben einander und ungefähr auf gleicher Höhe; und indem diese einander vor Ab irrungen in einseitiger Verfolgung der ihnen unmittelbar natürlichen Richtun gen bewahren und durch gegenseitige Uehertragungen ihrer höchsten intellek tuellen, ästhetischen, moralischen, politischen Productione» befruchten, sehen wir jedes derselben nicht Eine klassische Epoche, sondern eine Reihe von solchen durchwachen, für die sich, wenigstens bis jetzt, noch kein Ende absehen läßt. Eben deshalb aber ist eS von Wichtigkeit, daß man sich gegen diese aus der Fremde her dargebotcne Verjüngung, Läuterung, Potenzirung nicht muth- willig verschließe; und hierdurch erwächst Zeitschriften, wie unser „Magazin für die Literatur des Auslandes" ist, schon aus ihrer Aufgabe selber und un- abhängig von ihren sonstigen Vorzügen, ein Werth und eine Bedeutung, welche weit über das Interesse bloßer Unterhaltung hinausgehen. Will man ein Beispiel von den an eine zu große Jsolirung in der an gegebenen Beziehung geknüpften Gefahren, so bietet unsere gegenwärtige deutsche Philosophie ein nur zu sehr einleuchtendes dar. Wie lange wir uns auch selbstgefällig darüber verblendet haben: wir können uns, namentlich nach den Erfahrungen der letzten Jahre, nicht mehr verbergen, daß wir in eine höchst verderbliche Einseitigkeit und Ueberspannung hineingerathen sind. Mag immerhin der Zustand der philosophischen Forschung bei den übrigen Völkern in der Gegenwart eben so wenig Befriedigung gewähren, möge» vielmehr auch bei diesen Einseitigkeiten und Verirrungen nach anderen Richtungen hin zu beklagen sepn: jedenfalls kann das nun schon so vielfach wiederholte, schwindelnde Uebersturzcn aus einem System in ein anderes, welches eben so wenig Festigkeit und Halt darbietet, in keiner Art als erfreulich und befrie digend gelten; und um so nöthigcr also ist cS, daß wir uns von Zeit zu Zeit in den Spiegeln beschauen, welche uns von anderen Völkern her entgegen- gehalten werden, sogar auf die Gefahr hin, daß uns dieselben zuweilen in diesem oder jenem Zuge ein nicht schmeichelhaftes oder selbst ein karikirteS Bild wiedergeben sollten. Die vorstehenden Betrachtungen sind uns sehr natürlich durch eine so eben in London erschienene „Biographische Geschichte der Philosophie" °> untergcgeben worden. Dieselbe bildet das 4Lste und 4Nste Bändchen von „linißkrs neoßl.v vnllimoz ton :>Il reaäer»", einer der vielen, besonders in England, in neuerer Zeit hcrvorgetretencn Unternehmungen, welche darauf ausgchen, die Kenntnisse, die bisher auf einzelne wissenschaftliche Kreise be schränkt waren, zum Gemeingut von Lesern aller Klasse» zu machen. Für einen Shilling wird wöchentlich gebunden ein Duodczband geliefert, welcher bald von diesem, bald von jenem Gegenstände Kenntniß mittheilt. Da finden wir in de» bisher erschienenen Bändchen neben „Erzählungen aus Shakespeare" Mittheilungcn über die „britischen Manufakturen", hinter „Taffo'S befreitem Jerusalem" die „Baukunst der Vögel", hinter der „Geschichte der Literatur und Gelehrsamkeit in England" den „Instinkt" und die „Geschichte des britischen Handels", hinter der „Baukunst der Insekten" die „Taubheit" und,Kuriositäten der physische» Geographie" behandelt; und der vorliegenden „Geschichte der Philosophie" sollen zunächst „Arabische Erzählungen und Anekdoten" folgen. Ref. muß gestehen, daß er kein Liebhaber von so bunter Gesellschaft ist: in der Literatur eben so wenig als im Leben. Aber wie in diesem letzteren, so gerätb man auch wohl in jener zufällig und gewissermaßen wider Willen in solche bunt gemischte Gesellschaft; und dies darf unS also nicht abhalten, die Vervienstc eines einzelnen Gliedes derselben gebührend anznerkennen. So mit dem vorliegenden Werke. NivxvupfUv»! Mttvvx «e 8x6. ü. Harte» I. plütouopdx. 2 Vots. t^onsou, 18SL. Haben sich nun auch bei unS Deutschen in den letzten Jahrzehenden nur zu vielfach und in den verschiedensten Formen ähnliche encyklopädische Bestre bungen herauSgestellt: so möchte doch noch Mancher vor einer solchen gerade in Betreff der Philosophie zurückschrecken, welche unS als das innerste Heiligthum der wissenschaftlichen Erkenntniß gilt. Aber gerade dies, in Ver bindung mit anderen Eigenthümlichkeiten, von welchen später die Rede seyn wird, verleiht dem vorliegenden Buche, sowohl überhaupt als aus dem vor- her bezeichneten Gesichtspunkte, ein eigenthümlicheS Interesse für Deutschland. Bei unS giebt es Viele, welche, durch den scholastischen Charakter zurückge schreckt, den insbesondere gerade die über die „Geschichte der Philosophie" bei uns erschienenen Werke beinahe ohne Ausnahme noch immer an sich tragen, von dieser, welche doch für alle Gebildeten so mannigfache, höchst interessante und fruchtbare Berührungspunkte darbietet, gar keine Kenntniß, als höchstens etwa aus dem ConversationS-Lerikon, nehmen. Hierüber nun erhebt sich das vorliegende Buch in bedeutender Höhe; weshalb auch zu wünschen ist und gewiß nicht auSbleibcn wird, daß dasselbe durch eine Uebersetzung bei uns ein- heimisch gemacht wird. Allerdings kann bei zwei Bändchen, jeder von etwa drittehalb hundert Seiten in Duodez, nicht von erschöpfender Vollständigkeit die Rede seyn. Aber der Verfasser, als ein gewiegter Ueviewsr bekannt, ist auch in diesem Fache keineswegeS ein oberflächlicher Kompilator. Er hat überall selbst geforscht und gedacht; und wir finden bei ihm manche originelle geistreiche Ansicht, welcher selbst Diejenigen, die mit seinem ganzen Standpunkte im direktesten Gegensätze stehen, eine gewisse Anerkennung nicht versagen werden. Doch wir thun besser, wir hören, wie sich der Verfasser selber über sein Unternehmen und über seine Ansicht von der Philosophie und ihrer Ge schichte ausspricht. „Das gegenwärtige Werk (bemerkt er) ist nicht bestimmt, eine bloße Skizze zu geben. Dasselbe ist klein: nicht weil Materialien für ein größeres man- gelten, sondern weil aus diesen nur, was sich als wesentlich herausstellte, aus- gewählt worden ist. Es würde mir leichter gewesen seyn, meine Materialien in den Raum gewichtiger Quart- oder das Ansehen von Gründlichkeit dar- bietender Oktavbände auszubreiten ; aber ich habe eine große Abneigung gegen „dicke Bücher" und deshalb versucht, das meinige durch Zusammendrängen dünn zu machen. Man findet daher in demselben kein vollständiges Verzeichniß der Namen, welche in der Geschichte der Philosophie figuriren; keine vollstän dige Sammlung von den mannigfachen Meinungen, die eine langweilende Tra- dition aufgesanunelt hat. Seine Vollständigkeit ist (wenn dieser Ausdruck er- laubt ist) eine organische Vollständigkeit. Nur solche Denker sind anSge- wählt worden, welche die verschiedenen Phasen der fortschreitenden Entwickc. lung repräsentiren; und nur solche Meinungen, die mit diesen Phasen in Ver bindung standen. Ich habe die Biographie, nicht die Annalen der Philosophie geschrieben." Man sieht schon aus den zuletzt angeführten Ausdrücken, daß der Verfasser den Einflüssen der deutschen Philosophie nicht fremd geblieben ist. Aber er ist mit dieser keineSwegeS zufrieden: nicht mit den deutsche» Bearbeitungen der Geschichte der Philosophie, und noch weit weniger mit der Art und Weise, wie bei unS die Philosophie selbst gefaßt worden ist. Wir müsse» ihn über Beides weiter kören. „Ritter's „Geschichte der Philosophie" (sagt er, nachdem er davon gesprochen, wie in England durch die Uebersetzung dieses Werkes Enfield'S Auszug aus Brucker überall verdrängt worden sey) ist ein Werk von bedeutendem Rufe. Aber sein Ruf ist größer in Frankreich und in England als in Deutschland: aus dem einfachen Grunde, weil wir so wenig Eigenes über diesen Gegenstand aufzuweisen haben, daß ein Werk, wie das von Ritter, als rin großer Erwerb gelten muß. In Deutschland hat man so viele Werke dieser Art in den verschiedensten Grade» von Vollkommenheit und in allen Stylen, daß der große Vorzug Ritter's, seine Gelehrsamkeit, zu einer unter geordneten Wichtigkeit herabsinkt, und man dafür seine Mängel schärfer empfindet. Ich selbst habe Ritter so viel zu verdanken gehabt bei der Aus arbeitung meines Werkes, daß es der schwärzeste Undank seyn würde, ihn hier irgend herabsetzen zu wollen: aber ich darf hoffen, daß man eine ruhige und redliche Würdigung seiner Verdienste und seiner Fehler nicht mißverstehen werde. Ritter ist der Brucker des neunzehnten Jahrhunderts: nicht ganz so gelehrt und nicht ganz so schwerfällig (clult); und eben so nicht ganz so ruhig und unparteiisch. So weit redliches Arbeiten geht, mangelt ihm nichts-, aber wo dieses aufhört, hört auch sein Verdienst auf. Seine Auseinander setzung ist im Allgemeinen ohne leitende Ideen (purposele^) und verwirrt; seine geschichtliche Würdigung, wenn er sie nicht von Anderen entlehnt, in hohem Grade oberflächlich; sein Urtheil schwerfällig und ohne spekulatives