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Erwägt man die Nachtheile, die das Ueber- schreiten jener bezeichneten Grenze m Bezug auf den Schulunterricht sowohl, als auf das Gemüth und bürgerliche Lebe?; unsrer Kinder wirklich bar, so würde ein Familienvater sich wahrlich weniger freuen, sobald er sein Kind, auf einem solchen Abwege erblickt. Kurz sind die Jahre der Schulzeit — die gute Hälfte derselben wird mehr von den Kindern verspielt, und das, was sic gelernt haben, bald vergessen. Der Weg will mehr als einmal mit ihnen gegangen seyn: denn gewisse, für das bür« gerliche Leben äußerst unentbehrliche Kenntnisse und Fertigkeiten, können nie genug in Erwägung ge bracht und geübt werden, wenn sic bleibendes Ei- genthum der Kinder seyn sollen. Sey der Unter richt immerhin einfach, so will doch jede Stunde ersprießlich für das Leben benutzt seyn. Die pro testantische Schule gicbt ihren Kindern die Bibel als Neligionebuch in die Hande; aus derselben sott sie einen Geist und Herz bildenden Unterricht ge nießen. Auch ein Buch geistreicher Gesänge hat die Schule und Kirche. Der künftige Bürger braucht sie, irüder Regel jede Woche — den Klop- stock und Schiller kaum einmal und am Ende doch nur zum Zeitvertreib — sein Liederbuch ist auf sei ne Sittlichkeit und Gemüthsruye berechnet. — Bedenkt man was in der Bürgerschule überhaupt zu leisten heilige Pflicht ist, wie ist es alsdann noch möglich, in Bezug auf Declamationsübungcn, die Schranken zu überschreiten, was unvermeidlich den wichtigern Theil des Unterrichts beeinträchtigen wird. M n möchte daher ja nicht fragen: Kannst auch du declamwen? wohl aber: kannst du mit Besonnenheit lesen, Gedanken ordnen^ dich mit Bestimmtheit erklären, bald eine Predigt fassen? u. s. w. Eins ist noth. Aber dieses Eine fäüt wenig in die Augen. — Die Bürgerschule hat das L b n des Menschen vor Augen, aber nicht die Bühne; sie soll nicht Kunstrichter, Dichter oder Erklärer derselben bilden, sondern Sinn für das Schöne, die Ehrfurcht gegen den Urheber der Natur wecken, im Geist des tobten Buchstabens cindringen; aber das geschieht wahrlich nickt blos durch die theatralische Dcclamation, sondern durch den Vortrag des Lehrers, durch eine gute aber nicht bis ins Kleinste zersplitternde Erklärung nebst einer geschmackvollen Umschreibung. Auch dem Gcmüthc des Kindes ist jene De- csamationssucht nachkhellig. Dern weiblichen Ge schlechte gab die Vorsehung, eine gewisse Schüch ternheit, die der Bescheidenheit den Weg bahnt. Wer kann Lieft edle Knospe, die zum Wesen ihres Geistes, zur Zierde ihres Wandels gehört, absicht lich zerknicken? — Was gewinnt das Mädchen, die ber jedem Schulbesuche eines Fremden, hervor- treten muß, wie eine Piiradcschülcrin nur ein Lan ges und Breites zu deelamiren, deren Wange schon nicht mehr errörhet, deren Stimme nicht mehr bebend ist? — das heißt: ein Mädchen aus ihren natürlichen Verhältnissen heraus reißen, und sie in der Eitelkeit bestärken. Der Knabe, wel cher von Hause aus, mehr unternimmt, werden übertriebene Uebungen der Art, mehr zu dem vor lauten Wesen, das überall gern das Wort führt und sich geltend machen will, behülflich seyn. Und die Männer, die zu rechter Zeit ein Wort redeten, wurden es wahrlich nicht auf diese Art: denn die edle Freimüthigkeit geht aus dem D»uck der Um stande, aus dem Entsagen der Selbstsucht und dem tiefen Gefühl für Wahrheit und Recht hervor. Auch haben Eltern in großen Städten, wo die Jugend so viel Veranlassung zur Zerstreuung hat, Ursache genug diesem Hange entgegen zu ar beiten. Das elterliche Haus und die Schule wird der Jugend ohnehin bald zu enge. Kommt dazu nun ein fast tägliches Declamiren, das vom Ernst haften auf eine Posse, und umgekehrt, übergeht, was wird dann die Fotzge seyn? — Und wozu eine erhitzte Phantasie, die eS durch das Declamiren wird, führen kann — hier