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Zti dieser Mannichfaltigkeit des Unterrichts geseilte sich früher das Schauspiel, das die Ju gendschriftsteller in Thatigkett setzte, einen großen Theil des eigentlichen Schulunterrichts beeinträch tigte und eiteln Eltern so sehr gefiel. Und ob man, durch den Erfolg belehrt, jetzt wenig, fast keine Schauspiele in Bürgerschulen giebt, so kann dock' der Fall cintreten, daß etwan ein christlicher Jugendlehrcr, unter irgend eimm Vorwande, das Schauspiel wieder hervorsucht, nm nur etwas Neues zu thun. — Mit derselben Leidenschaft wie die Kinder-Schauspiele einst ausgenommen und an gepriesen wurden, ergreift manche Bürgerschule das sogenannte Declamiren mit möglichst the a t ra lL scher Affectation, daß der Ge schmack verfeinert, die Kinder ün Ausdrucke ge übt, und ihnen ein gewisser Grad von Gewand- heit und Murh dadurch hergebracht werde. Wer daher jetzt eine Schulprüfung anhört, muß immer aufein Dutzend dergleichen Lückenbüßer gefaßt seyn; und wer in manches Familienhaus kommt, findet die Tochter mit dem Dichter in der Hand oder vor dem Spiegel, in der Declamationsprobe begriffen. Daß das Declamiren der Bürgerschule ange- hört und einer gewissen Pflege werth sey, ist wohl außer Zweifel. Wenn der lateinische Schüler an Phädri Fabeln, an Horaz, seinen Geschmack übt, so kann es der Nichtlareiner eben so gut an einer deutschen. Jedem seine Speise. Aber daher ent steht denn auch die Frage: Was und wieviel in der Bürger schule declamirt werde, und wel ches die Nachtheile sind, die D c- c la ma t i o n s ü b u n g en, sobald sie über die Grenzen des Volks Un terrichts hinausgehen, nach sich ziehen? Ein declamatorisch Verlesen ist zunächst der Bür gerschule gewöhnliche, aber auch sehr schwere Auf gabe, und wenn ein Haufen Kinder einige auf weisen kann, die das gewünschte Aussehn machen, so folgt ja daraus keineswegs, daß dieselben Kin der, jedes vorgclegte Stück, daß alle declama« torisch vorlesen können : denn dieses setzt schon den gebildeten Geschmack, die Modulation der Stim me voraus — jenes ist mehr ein gewisses Abrich ten, wozu der Nachahmungstrieb der Kinder gut zu Statten kommt. Ist es einer Bürgerschule ge lungen, die Jugend zu angenehmen Vorlesern» die auf der goldnen Mittelstraße, zwischen der töd, tenden Kalte und der theatralischen Affectation bleiben, gebildet zu haben, so hat sie in diesem Falle genug gethan. Der Schulmann soll ja seine Kinder nicht wie den Zaunkönig, auf die Fittige des Adlers setzen. Will er sich etwas versteigen, so wird etwa» ein Gelegenheits-Gedicht, wie es das Familienleben heischt, eingeübt. Mehr nicht. Und ein Mann, der den ernsten Zweck des Lebens seiner Kinder ununterbrochen vor Augen und un geheuchelte Achtung gegen die Kinderwelt hat, und sie gern zu stillen, biedern Bürgern, nicht aber zu klingenden Schellen bilden will, findet auch, diese Grenze zu überschreiten nicht einmal Zeit dazu. Daher hat eine Creuzschuls, ein Seminar, und, da ich zunächst vom Volksunterrichte rede, eine Privatbürgerschule unter dem set. Pfcilschmidt, nie den Geschmack ihrer Pfleglinge einseitig gehoben, jene Grenze überschritten — sie satten Korn und bauten Flachs und pflanzten mitunter eine Blume des Vergnügens wegen — und mancher achtungs- werthe Prediger und Schulmann, mancher wackere Bürger, schätzt sich so glücklich, weil er von ihnen zu der Wahrheit erquickender Quelle geleitet wur de. Wäre in jener Dcclamattonssucht, die sich zuweilen vergißt, etwas wahrhaft Bildendes, für den Geist Sammelndes, für das bürgerliche Leben Segnendes zu finden gewesen, so bleiben die Man ner jener Anstalten auch hier nicht dem Zeitalter zurück, und hatten cs, besonders ein Dinter, jedem der aus Menschenbildung vorzüglichen Ein fluß hat, gewiß sehr ernstlich ans Herz gelegt.