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Wahrer Patriotismus. Nicht die weichliche Tugend, welche Liebe ath- mend den Blttts' und Seelenverwandten Alles opfert, sondern jene Heroentugcnd der alten classt- schen Welt, welche das beliebteste selbst für die Freiheit und das Wohl des Vaterlandes hingiebt, verengt der reine Patriotismus, wenn dringende Gefahr, Verderben bie-eud, das Vaterland um droht. — Dsn Heißgeliebten aus der Umarmung der holden Braut an der Pforte der beseligenden Gewährung: den kräftig blühenden einzigen Sohn, die einzige Stütze der Aftern; den markigen Gat ten und Vater von der Seite der saugenden Mut- Ler, aus der Mitte lallender Kinder fordert dann dieser reine Patriotismus, welcher einzig und allein das Vaterland aus größter Noth zu retten vermag. Mit stolzem Jubel und Blumen bekränzt gien- gen die spartanischen Mütter, deren Söhne in der unglückseligen Schlacht von Leuctra geblieben waren, in den Tempel, um, von Freude durch drungen, den Göttern für Las Geschenk tapferer Söhne zu danken; während diejenigen, deren Söh ne sich durch die Flucht gerettet hatten, Lurch Trau- erklerder und tiefes schmerzliches Schweigen ihren Gram ausdrückten, feige Kinder geboren zu haben» Die Spartanerin, der man die Nachricht über brachte, daß ihr Sohn im Kampfe fürs Vater- land rühmlich gefallen scy, rief begeistert aus: „Dazu habe ich ihn geboren!" Die Eidesformel, durch deren feierliche Able gung in Athen jeder zwanzigzährige Jüngling in das Bürgerrecht trat, war folgende: ,, Niemals werde ich mich im Kriege vcrunchren, nie mein Le ben durch die Flucht zu retten suchen; ich werde bis aus den letzten Tropfen meines Blutes in der Rei he meiner Mitbürger, oder allein, wenn es die Umstände erfordern, für das Vaterland streiten und zu seinen Dienste alle Tage meines Lebens hingebcn." Fr. v. Klotz. Der Nationalstolz. In so verschiedenen Gestalten der Stolz über* Haupt, so wie der Nationalstolz insbesondere er scheint, so wohlrhäng einwirkend auf den reinen Patriotismus eines Volkes ist letzterer, wenn sich derselbe aufs Edle und Wahre begründet. Der Stolz überhaupt erzeugt sich durch die je dem Menschen angeborene Eigenliebe. Wird diese nicht durch höhere wissenschaftliche Bildung, durch Weit- und Menschenkenntnis, und durch die auf Gerechtigkeit begründete reine Erkennung Les Wah ren begränzr, so artet der Stolz in Hochmuth aus, und erkennt — fremde Vorzüge nicht begreifend —- nichts an, als das eigene, oft lediglich einge bildete Verdienst. Höher steht der Nationalstolz, weil sich derselbe nicht durch individuelle, sondern durch Lie (wahren oder eingebildeten) Vorzüge ei nes ganzen Volkes erzeugt, und daher objectiv das Ganze und nicht nur dis subjective Einzclnheit er hebend erscheint. Nachtheilig wirkt der National- stolz, wenn er sich lediglich auf eingebildete Vorzü ge eines Volkes begründet, indem er Zur Ungerech tigkeit gegen andre Völter, zur Lächerlichkeit in der Handlungsweise, zum Rückgang der Wissenschaf ten und Künste führt, und alle Fortbildung, die nur durch die rege Wechselwirkung der verschiedenen Völkerschaften statt finden kann, hemmt. So be wirkt der Stolz auf eingebildete Kraft und Tapfer keit leicht Niederlagen, indem ein Volk durch die sen Stolz zur Verachtung seines Feindes veran laßt wird, wahrend der Stolz auf eingebildete Vollkommenheit in Künsten und Wissenschaften da hin leitet, daß die Fortschritte andrer Völker un benutzt und unbeachtet bleiben, und somit der Ver fall derselben eintritt. Der Nationalstolz der Chi- neser auf ihrem eingebildeten Standpunkt in Ler Kultur und Vollkommenheit über alle andre Völ ker, giebt hiervon ein auffallendes Beispiel. So nachtheilig indessen der auf eingebildete Vorzüge begründete Nationalstolz wirken mag, so