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Wi^lntlich trkSnintn drei Nummern. vränumer»Iion«,Prei« 22j Silbergr. (j THIr.) vierleljäkrli», Z Ldlr. süi da« ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 63. Berlin, Sonnabend den 25. Mai 1844. Abyssrnien. Die Engländer und die Franzosen in Abpsfinien. Die Gesandtschaftsreise des Majors Harris nach dem abpsfinischcn Königreiche Schoa, über die wir vor kurzem einen Bericht mittheUten °), hat unter den literarisch-politischen Organen der Londoner Presse bedeutendes Auf. sehen erregt und mannigfache Erörterungen herbeigeführt. Wie schon bemerkt, wurde die Reise in der Absicht unternommen, den Handel Englands mit dem östlichen Afrika zu beleben und neue Verbindungen einzuleiten, welchen Zweck man auch erreicht zu haben scheint; den unmittelbaren Anlaß dazu gab jedoch ein früherer Versuch der Franz osen, sich in jenen Gegenden sestzusetzen und wo möglich ihren glücklicheren Nebenbuhlern den Rang abzulaufen. In Bezug auf diesen Gegenstand enthält das Aprilheft der koreign tjusrtorl)' Uevie^v einen Artikel, der einen interessanten Uederblick der diplomatischen Künste und Jntriguen giebt, mit welchen sich Frankreich und England, diese ewigen Widersacher, auch in den entferntesten Winkeln der Erde bekämpfen. Unsere Leser werden übrigens bemerken, daß der Reviewer von einem ziemlich ein» seitig-patriotischen Standpunkt ausgeht und dem Benehmen seiner Gegner immer die gehässigsten Motive unterschiebt; cS ist dieses eine Erscheinung, die man an den Publizisten beider Nationen schon gewohnt ist und die uns daher nicht auffallen kann. Ueber die Thatsachen kann jedoch kein Zweifel obwalten, da sie, in ihren Haupt-Umrissen wenigstens, aus den Schriften der fran- zöfischen Reisenden — CombeS, Tamifier und Röchet d'Hericourt — selbst geschöpft sind. ,-Die Riesenschritte, mit denen das indische Reich BritanienS nach allen Himmelsgegenden vordringt, der Einfall in Afghanistan, die vorübergehende Besetzung der Inseln im persischen Meerbusen, die Unterhandlungen wegen Sokotra und die Niederlassung in Aden — alles dieses erregte die Eifersucht unserer politischen und kommerziellen Nebenbuhler in beiden Hemisphären. Die Vereinigten Staaten nahmen ihre Maßregeln, uns an einem Punkie aufzuhalten, indem fie unsere Mitbewerber um die Insel Sokotra wurden; der Imam von Maskat bemühte sich, uns die Ufer deS indischen OceanS im Norden von Zanzibar zu versperren, während die Franzosen, zuerst unter der Aegide des Herrn Thiers und später mit größerer Vorsicht von der schlauen Politik Herrn Guizot'S angeleitet, unsere in Aden errungenen Vvrtheile da- durch aufzuwiegen suchten, daß sie sich als Bundesgenossen oder Herren in die verschiedenen kleinen Handelshäfen des gegenüberliegenden Festlandes ein- schlichen. Als Vorspiel bemächtigten fie fich durch Gewalt, Betrug oder Unter- Handlung deS HafenS Johanna bei der Insel Madagaskar. Hierauf wurde ein einziges Schiff von mäßiger Größe (um keinen Verdacht einzuflößcn) nach der afrikanischen Küste abgefertigt, wo eS die Erlaubnis zur Beschiffung des Juba-Flusses unterhandeln sollte. Ob auS Furcht vor allen Europäern oder vor den Franzosen insbesondere, wurde ihnen dieses von den muhammcda- Nischen Behörden verweigert. Aber das Pariser Kabinct war auf theilweiseS Mißlingen gefaßt und ließ fich durch den ersten Fehlstreich keineSwegeS ent- muthigen. Ein kleines Geschwader (wie man sagt, heimlicherweise in Bor- deaur ausgerüstet) erschien bald nachher in der Straße Babelmandcb, indem fich eine'Fregatte nach der anderen hineinstahl, bis dort endlich eine achtung- gebietende Kriegsmacht versammelt war. Jetzt begannen die Unterhandlungen von neuem, und diesmal im Ernst. Zum Glück für die Franzosen, nährte Scherif-Hussein, der Gouverneur von Mocha, die feindseligsten Gesinnungen gegen England; er glaubte, vielleicht nicht ohne Grund, daß wir dem Imam von Sana beistehen würden, ihn von seinem Posten zu vertreiben, und nichts konnte ihm daher erwünschter sepn, als die Ankunft unserer Nebenbuhler. Er empfing fie mit offenen Armen und stellte seinen Hafen zu ihrer Verfügung, worauf fie sogleich zu ferneren Operationen schritten. Berber« war dem eng lischen Interesse unwiederbringlich ergeben; fie richteten also den ersten Versuch gegen Zeyla, welcher Ort zum Theil von Mocha abhängt und den fie mit einem Schlag zu unterwerfen hofften. Wäre cS möglich gewesen, die Kor- respondenz deS französischen Befehlshabers aufzufangen, so hätten wir gewiß einige merkwürdige Details erfahren, die jetzt gänzlich unbekannt find; so viel ist aber gewiß, daß Ibn-Ismael (der Beherrscher Zcyla'S) das Bündniß mit Frankreich zurückwies, und »ine Gesandtschaft an den Sultan von Tajura, Muhammed-Ibn. Muhammed, hatte noch weniger Erfolg, indem Letzterer ') Nr. <7 und <8 de« Maga,In«. die Agenten deS Herrn Thier» unverzüglich aus seinem Gebiet entfernte, da ihr» Gegenwart, wie er ihnen bedeutete, seinen Freunden in Aden (den Eng- lä»d»rn) mißfallen würde. Wer da weiß, daß Tajura seit undenklichen Zeiten ei« Art Tribut an Zepla entrichtet, und daß Zepla seinerseits der Stadt Mdcha zinspflichtig ist, deren Oberhaupt den Franzosen unbedingt ergeben Ivar, muß diese Vorfälle unerklärlich finden. Die meisten Leser werden fich jedoch deS klasfischen Ausspruchs Philipp'S von Makedonien erinnern, daß ihm keine Festung unbezwingbar scp, der fich ein mit Goldmünzen beladener Esel nähern könne; da nun im Orient an Eseln kein Mangel ist und die Engländer sich ihrer gern bedienen, so wird man leicht errathen können, warum die Ab- geordneten deS Herrn Thiers in allen ihren Bemühungen scheiterten. Ucbcr- dieS wurde es den Behörden von Tajura und Zepla nicht schwer, fich zu überzeugen, daß eine Macht wie England, welche den Eingang in das rothe Meer beherrscht und eine Flotte von Dampfschiffen besitzt, die ihre schwachen Festungswerke binnen einer Stunde in die Luft sprengen könnte — daß eine solche Macht weit mehr zu fürchten sey als Frankreich, dessen Streitkräfte fie nur von Hörensagen kannten. Das Spiel, welches man in der Straße Babel- mandeb gespielt hatte, wurde nun mit eben so geringem Erfolg in Maffowah und dann zu Jdh wiederholt, wo man einen Beweis französischer Treue und Redlichkeit ablegtc, der die Bewunderung der kultivirten Welt erregen muß. Bei Ankunft des großen Diplomaten war der Scheich abwesend — wie wir glauben, auf einer Pilgerschaft nach dem Grabe seines Propheten begriffen. Er hatte jedoch nach LandeSfittc seine Gemahlin zurückgelaffen. Hier bot sich also den Franzosen eine treffliche Gelegenheit dar, ihre nationale Galanterie zu entwickeln. Die Bevollmächtigten gaben der Dame zu verstehen, daß sie eine Handels-Faktorei in dem Orte zu errichten wünschten, und baten fie, ihnen zu diesem Zweck ein kleines Stück Land zu verkaufen. Vergebens erklärte man ihnen, daß ein solcher Schritt in Abwesenheit des Scheichs nicht statt finden könne; fie beharrten auf ihrer Forderung, bis die cingeschüchtertc Araber. Fürstin sich dazu bequemte, ihnen das abzutretcn, was ihr selbst nicht gehörte. Eine Urkunde wurde in arabischer Sprache aufgesetzt, durch welche man ihnen so viel Land einräumte, wie sie zu einem Hause mit Hof und Garten nöthig hatten, und wofür fie das Kaufgeld zur Hälfte baar, zur Hälfte nach einer bestimmten Frist entrichten sollten. Die Gesandten beeilten sich, eine fran zösische Version dieser Atte auszufertigcn, um fie nach Paris zu schicken, und beredeten die Fürstin, sowohl das Original als die Ucbersetzung durch ihr Siegel zu bestätigen. Statt sich jedoch an die Bedingungen deS arabischen Dokuments zu halten, ließen die Agenten Ludwig Philipp'S fich durch den franzöfischen Traktat eine Küstenstrccke von ISO engl. Meilen abtreten, über die weder der Scheich noch seine Frau die geringste Autorität besaßen! Während diese Unternehmungen an der Küste stattfandcn, wurde auch das Innere nicht vernachlässigt. Schaaren französischer Spione und Emissarien begaben fich auf den Wink des ehrgeizigen Ministers nach Tigr«, Gojam und Schoa, wo fie zum Theil die Vorschriften ihrer Regierung auszuführen, zum Theil ihre persönlichen Zwecke zu erreichen suchten. Bekanntlich hatte die eng- lische MisfionS-Gesellschaft einige Geistliche nach Abpsfinien geschickt, um der unwissenden Bevölkerung ein reineres Christenthum zu predigen; die Gegen, wart dieser Männer und der von ihnen ausgeübte Einfluß mußte den fran zöfischen Agenten als ein ernstes Hinderniß erscheinen, und fie boten daher Alles auf, die Engländer aus dem Lande zu vertreiben. Der erste Versuch wurde in Tigre angestellt, dessen grausamer und hinterlistiger Despot, Ubie, die Misfionaire bisher aus politischen Rückfichten geduldet und selbst begünstigt hatte. Eine ägyptische Armee, ohne Zweifel von Frankreich ermuthigt und angefeuert, war bis innerhalb dreier Tagemärsche von den Gränzen Tigre'S vorgcdrungen, und Ubie befürchtete mit Recht, daß Mehmed-Ali die Erobe- rung von ganz Abpsfinien im Schilde führe; so lange also die Aegpptcr vor rückten, überhäufte er die englischen Geistlichen mit Liebkosungen, da er durch ihre Vermittelung eine HülfSmacht aus Indien zu erlangen hoffte. Als jedoch Mehmed-Ali, dem Willen Englands gehorchend, seinen Plänen auf Abpsfinien entsagte, wurde der Beherrscher von Tigre gegen die Misfionaire gleichgültiger und fing bald an, den Einflüsterungen und Versprechungen der Franzosen ein geneigtes Ohr zu leihen. Unter Letzteren befand fich auch ein römisch-katho- lischer Priester, der, zugleich von Nationalhaß und religiösem Fanatismus entbrannt, den abpsfinischen Klerus gegen unsere protestantischen Brüder auf reizte, indem er fie als Ketzer schilderte, in welchem Lichte fie, wie er be hauptete, in ganz Europa betrachtet würden. Die weltlichen Emissarien unterstützten ihren geistlichen Mitbrudcr nach Kräften; man schilderte mit grellen Farben den habgierigen Geist und die verrätherische Politik Englands,