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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«.Preil 22j Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationrn werden von jeder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemtcrn, angenommen. Literatur deV Auslandes. 64. Berlin, Dienstag den 28. Mai 1844. Italien. Finanzielle und andere Zustände des Kirchenstaats. Wir entnehmen die nachstehenden Auszüge einem kürzlich erschienenen Werke des französischen Deputirten Fulchiron°), welche mehr als Einen wichtigen Blick in die Ursachen und den Charakter der gegenwärtig im Kirchen staate herrschenden Gährung eröffnen. Eine sehr bemerkenswerthe Thatsache ist die geringe Zunahme der Be- völkerung seit vierzig Jahren sowohl in den päpstlichen Staaten überhaupt als in Nom selbst. Nach der letzten offiziellen Zählung betrug die Einwohnerzahl des ganzen Landes 2,7»2,ooo Seelen, die jährliche Zunahme mithin 7500, während sie 28 —Z0,000 betragen müßte, wenn sie in demselben Berhältniß stattfände als in Toskana. Die Einwohner der Hauptstadt werden jedes Jahr einen Monat vor Ostern von den Pfarrern gezählt, welche von Haus zu Haus gehen und die Eigenthümer, Miether und Dienstboten aufschreiben; und die höchste Zahl, welche sich seit dem Anfänge dieses Jahrhunderts ergeben hat, die von 1841, übersteigt jene von 1800 nur um 5000 Seelen. Die Juden, deren etwa 10,000 im Lande wohnen, von denen die Hälfte auf die Hauptstadt kommt, werden in den Zählungen niemals mit einbegriffen. Sie werden, wie es heißt, nur vorläufig geduldet, und jedes Jahr erbitten sich ihre Nettesten und Rabbiner von dem Senator Roms aufs neue die Er- laubniß, in dem erbärmlichen Oketro wohnen zu dürfen, dessen Gitter jeden Abend über ihnen geschlossen werden-, aber dies ist nur eine kränkende Form mehr, denn in der That denkt man so wenig daran, ihnen ihren Aufenthalt streitig zu machen, daß sich, weil sie kein Grundeigenthum besitzen dürfen, ein Herkommen gebildet und Gesetzeskraft erlangt hat, nach welchem die Christen, denen die von ihnen bewohnten Häuser gehören, sie weder aus denselben ver- treiben noch die Miethe erhöhen dürfen. Dieses Recht, welches garrsx» heißt, wird so wenig angefochten, daß eö oft einen Theil einer Mitgift bildet und an Glaubensgenossen verkauft wird. Der Werth des Bodens ist verschieden nach den beiden Abhängen des Apennins. Ein Stück Landes, das im Norden der Kette 5 römische Thaler gilt, ist im Süden derselben nur Z werth. Das kommt daher, weil der Ackerbau in der Romagna und im Bolognefischen Fortschritte gemacht hat, während das Land in den übrigen Theilen der päpstlichen Staaten weder besser angebaut noch einträglicher ist als vor dreihundert Jahren. PiuS Vll. hat zwar die meisten drückenden Gesetze abgeschafft, durch welche seine Vorgänger den Ackerbau bevormunden wollten, und welche z. B. bestimmten, wie viel Kubdi Landes jedes Jahr mit Kornfrucht besät werden sollten; und die Auf. Hebung dieser Beschränkungen ist ohne Zweifel eine Verbesserung, aber sie hebt das Hauptübel nicht, nämlich die ungeheure Ausdehnung der dem Adel und der Kirche gehörenden Güter. Um Gewerbe und Handel ist es nicht besser bestellt. Die jährliche Aus fuhr beläuft sich auf 25 Millionen Franken und besteht größtentheils aus Er- Zeugnissen des Ackerbaus. Dazu kommen Rosenkränze, ägiw-- Sei und andere Gegenstände religiöser Verehrung, welche jährlich mehr als eine Million ein- bringen sollen, und Kunstsachcn oder Kuriositäten, die von den Reisenden ge sucht werden. Die Einfuhr, mcistenthcils aus Manufaktur-Artikeln bestehend, beläuft sich auf Z7 Millionen. Neben den großen Fortschritten der Kupfer- stechcrkunst ist die Buchdruckerei in Rom ganz zurückgeblieben; freilich wird auch außer Reisehandbüchern und antiquarischen Dissertationen fast nichts ge druckt. Ehemals waren Sinigaglia und Ankona bedeutende Plätze, daS eine durch seine Messe, das andere als Hasen; aber die Griechen, welche ihren Handel vorzüglich erhielten, haben sich zurückgezogen, weil die päpstlichen Behörden ihnen weder öffentlichen noch Privat-Gottesdienst in den römischen Staaten erlaubten. Dadurch hat Triest, wo von StaatS wegen ein griechischer Bischof eingesetzt worden ist, bedeutend gewonnen. Einen ganz eigenthümlichen Artikel der päpstlichen Einkünfte bilden die Gebühren für die geistlichen Gnaden und Begünstigungen, über welche Fulchi- ron Folgendes mittheilt: „Wenn man durch die Vermittelung der Dsrerm (päpstlichen Kanzlei) eine Gnade, eine Konzession, einen DiSpenS haben will, so wendet man sich an einen Erpedienten, daS ist eine Art von Prokurator, der bei diesem Departement «»gestellt ist und die Bittschrift ausfertigt. Für ') äau» 1'Itatts mer!6ions1o par 6. kulekiron, 6epl»tv üepsrtement üu kkoue. Keeonäs eäitlou, revue et corrixee. 4 Bde. 147ä Bog. 8. Paris 1844. 24 Fr. jede dieser Begünstigungen giebt es eine bestimmte Tare, die so weit als mög lich für alle vorkommende Fälle berechnet ist. Der Expedient muß in seiner Bittschrift den durch die Tare bestimmten Preis angeben und dahinter eine Ermäßigung nachsuchen. Die Daten« hat ein eigenes Büreau, das sich aus schließlich mit diesen Preis - Ermäßigungen, welche coinponenäe genannt wer den, beschäftigt. Sobald die oompoilenüo in Ordnung gebracht und bezahlt ist, wird die Sache, nach ihrer größeren oder geringeren Wichtigkeit, durch eine Bulle oder ein Breve erledigt. Die Dateria verlangt fast niemals den festge setzten Taxpreis. Die stärksten Ermäßigungen geschehen gewöhnlich bei Heirats- DiSpensen, für welche man nur die Hälfte oder auch noch weniger nimmt; zuweilen begnügt man sich sogar mit dem Zehntel. Die Herabsetzung des TarifeS hängt von den Umständen, von der Stellung der Personen und auch der Länder ab; denn es giebt privilegirte Gegenden, die für gewisse Ver wandtschaftsgrade nichts bezahlen. Es ist vorgckommen, daß die Erpedienten, welche eine besondere Vergütigung erhalten, falsche oder sormwidrigc Urkunden geschickt und übermäßige Summen verlangt haben. Die Staaten und die BiSthümer, welche diese Unordnungen vermeiden wollen, bestellen Agenten zu Rom, um diese habsüchtigen Prokuratoren zu überwachen, und dann werden die Konzessionen nur auf ihr Visa angenommen. Der Beaufsichtigende und der Beaufsichtigte find zu einer gleichen Vergütigung berechtigt, welche der römische Staat auch durch einen Tarif geregelt hat." (Schluß folgt.) Frankreich. Die Anfänge der National-Oekonomie. (Schluß.) Lmv'S Finanz. System. Um den Abgrund des Defizits auszufüllen, ohne die Steuerpflichtigen zu erdrücken, die Privilegirtcn zu beeinträchtigen, die Finanzmänner zu reizen, war nichts Geringeres als ein Zauberer nöthig. Ein Mann, eben so blendend durch das Einnehmende seiner Manieren als durch die Ueberlegenheit seines Geistes, fand sich, der gerade für diese Rolle gemacht schien. Es war der Schotte John Law. Derselbe war der Sohn eines reichen Goldschmieds in Edindurg und im zwanzigsten Jahre Herr eines Vermögens, das seine Unab hängigkeit sicherte. Er vereinigte in sich jene Eigenschaften, aus denen damals der Typus des vollkommenen Edelmannes bestand, d. h. geistige Bildung, einen feurigen Redestrom, eine imponirende Haltung, einnehmende Figur und eine seltene Gewandtheit in körperlichen Uebungen. Er theilte seinen eleganten Müßiggang zwischen dem Spiel, den LiebeSintriguen und dem Besuch der politischen Zirkel. Die Folgen einer Ehrensache zwingen ihn, auszuwandern. Er besucht in wenigen Jahren Amsterdam, Paris, Venedig, Genua, Florenz, Neapel und Rom, schon ruinirt und auf die zufälligen Hülfsquellen seines Ge werbes reduzirt, findet aber immer Mittel, ein elegantes Leben zu führen, trägt, wie früher, die Grazie eines lockeren Kavaliers, die großmüthige Kalt blütigkeit des schönen Spielers, den Scharfsinn des politischen Roue zur Schau und zeichnete sich besonders aus durch eine angeborene Gabe, finanzielle Pro bleme zu lösen. Durch die Combinatiou der Chancen des Würfelspiels wird das Spiel für ihn ein vorthcilhaftes Gewerbe: gewöhnlich erscheint er mit 100,000 Livres am Pharotisch, und, uni schneller zu zählen, läßt er Marken von 18 Louisdor zu seinem Gebrauch anfertigcn. Doch die Speculationen des grünen Tisches sind weit entfernt, ihm zu genügen: er öffnet seinem Geiste ein seiner würdigeres Feld. DaS Spiel mit den öffentlichen Effekten, ein dun- keles Gewerbe, dessen Geheimnisse damals nur einer sehr kleinen Zahl von Lentten bekannt sind, bringt ihm in kurzer Zeit bedeutende Summen ein, so daß er nach einem Aufwand, der ihn mit den größten Herren auf gleichen Fuß setzt, bei seiner Ankunft in Frankreich 1,000,000 Livres oder 2,857,000 Francs realisiren kann. Die Art der Existenz, die sich Law geschaffen, hatte seine Aufmerksamkeit ans das Wesen und die Rolle des Geldes, auf die geheiMnißvolle Macht des Kredits gelenkt. Ohne gerade das zu seyn, was wir heute einen Oekonomisten nennen, hatte er doch über die ökonomischen Phänomene ein Bewußtseyn er worben, daS den meisten Staatsmännern damals fehlte. In einer Zeit der Krisis und fast allgemeiner Geldnoth glaubte sich der glückliche Agioteur, von seinen Theoricen am ersten geblendet, zur Rolle des Reformators berufen. Er bot seine Ideen zuerst seinem Vaterlande zur Benutzung an. Die schottische Bank, die 1095 auf falschen Prinzipien gegründet worden, versuchte sich zu