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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22j Silbergr. (! Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin dei Brit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 57. Berlin, Sonnabend den N. Mai 1844. Italien. Pande Zajotti. Biele unserer Leser erinnern sich vielleicht der zu Anfang dieses Jahres in deutschen und auswärtigen Zeitungen enthaltenen Nachricht von dem plötzlich in der Blüthe des ManneSalterS erfolgten Tode des Civil- und Kriminal gerichts-Präsidenten Zajotti in Triest, in welchem Italien einen seiner besten Prosaisten und die Welt einen ihrer edelsten Charaktere verlor. Bald darauf lasen wir von Freundeshand in der AugSb. Allgemeinen Zeitung einen Nekrolog des Verewigten, wobei zugleich darauf hingewiesen wurde, daß sich in dem Nachlasse desselben ein tiefdurchdachtes, vollendetes Werk gefunden, dessen Herausgabe, und zwar gleichzeitig in italiänischer und in deutscher Sprache, zu erwarten sey. ES betrifft dieses Werk einen, die ganze gebildete Welt auf gleiche Weise interessirenden Gegenstand, nämlich die literarische Er- ziehung der Jugend, und ist sowohl dieser selbst, als der im Geiste der Humanität und der religiösen Gesinnung — religiös in der edelsten Bedeutung des Wortes verstanden — sich entwickelnden Gesellschaft gewidmet. Für Deutschland wird das gedachte Werk ein zwiefaches Interesse haben, erstlich weil eS von einem in Italien hochgeschätzten Schriftsteller hcrrührt, aus dessen ganze Richtung und Geistesbildung der seiner GcburtSstätte wie seinem Grabe so naheliegende deutsche Boden einen bedeutenden Einfluß übte — Zajotti war nämlich in Trient geboren, während er in Triest seine letzten Lebenslage zubrachte, und beide Städte gehören bekanntlich zum deutschen Bundesgebiet —; zweitens aber hat ein geschätzter deutscher Dichter, von dem schon lange nichts in Deutschland vernommen wurde, da er seit mehreren Jahren in Venedig und Triest lebt, bei der Herausgabe dieses Werkes zum Besten der Hinterbliebenen Familie Zajotti'S sich bctheiligt; Heinrich Stieglitz, von dem bereits die obenerwähnte nekrologische Notiz in der Allg. Zeitung herrührt, hat nämlich die Uebersetzung des Werkes über nommen und giebt unS darüber in nachstehendem, aus Triest uns zugekommenen Programm eine nähere Mittheilung: „Die literarische Erziehung der Jugend. Au« hem Italienischen de« vr. Paride Zajotti. „Wenn der Tod des plötzlich in der Fülle seiner Kraft dahingeschiedenen vr. Paride Zajotti von allen Seiten Italiens mit Recht als ein Schlag betrachtet wird, welcher die ganze Nation in einem der edelsten Nerve ihres Geisteslebens getroffen, so muß für seine zahlreichen Verehrer die Nachricht eine tröstliche scpn, daß in seinem Nachlasse unter Anderem ein völlig auSge- arbeitetes Werk sich findet, welches der Verfasser selbst für das Gelungenste unter seinen Schriften hielt. Dieses Werk über „die literarische Erziehung der Jugend" ist von praktischster Wirksamkeit und zugleich das schönste Denkmal, das über dem allzu frühen Grabe dieses Reichbegabten kann errichtet werden. Wie aber ohne Vorführen der Sache selbst ein Bild entwerfen von dem reifsten und inhaltvollstcn Geisteskinde eines Mannes, in welchem von jeher Fülle gründlichen Wissens mit einer seltenen Schärfe des Verstandes und einer In nigkeit des Herzens sich vereinigt, die seine von dem melodischen Flusse einer kräftigen und edlen Prosa getragenen Werke längst zu den bevorzugten seines Volkes gemacht? Und nun gar dieses aus dem Mittelpunkte seiner umfassenden Natur hervorgegangenc Wert, in welchem eine reiche Lebenserfahrung, auf eigenstem Felde sich ausbreitend und gleichwohl im engsten Raume sich zusam- mendrängend, mit der ganzen Wärme eines liebevollen VatcrherzenS zu Jüng lingen spricht, die ans ihrer gefahrvollen und schwierigen Bahn zu warnen, zu stärken, zu leiten, das sichtbar angelegene Bemüh« des Sprechenden. „Solch ein Buch, zur rechten Zeit dir in die Hände gegeben, wie viele Irrungen würde eS dir erspart, wie oft deine Pfade verkürzt, dein Fortschreiten erleichtert haben! Dieses Buch in die Hände für das Tüchtige und Echte empfänglicher Jünglinge gelegt, wie manchem Jrrthum wird es abwehren, wie manchem redlich Suchen de« den Weg kürzen, wie manchem seinen Pfad zum Ziel erleichtern!" — Also sagte ich zu mir und fühlte durch das Verlange«, Deutschland einen solchen Schatz nicht vorzuenthalten, mich ermuthigt zu der schwierigen Aufgabe, einer Prosa, wie Zajotti sie schreibt, als Uebcrsetzcr zu genügen. Ich habe eS ge wagt, und immer inniger fühlte ich mich ««gezogen, immer stärker fortgeriffcn von der Sache, je länger ich mich mit ihr beschäftigte. Ein kräftiger Sporn war mir der Beifall des verehrten ManneS, dem noch die ersten Proben zu Gesichte gekommen und der sich an dem Gedanken erfreute, durch diese Arbeit auch bei dem Volke eingeführt zu werden, dessen Geistesleben er von jeher hoch, geschätzt; um so mehr werde ich jetzt Alles ausbieten, daß in diesem Werke mit dem unserem Deutschland zugewendeten Theile seines Januskopfes ein dem dahingeschiedenen Freunde lieb gewordener Gedanke baldigst sich erfülle und so zugleich auch bei uns sich ein dauerndes Denkmal über der Asche des Unvergeßlichen erhebe. „Ich führe nicht zerlegend im Einzelnen auf, was zu sehr als ein Ganzes gedacht und empfunden ist, um nicht jeden Versuch zerstückelnden Auseinandcr- legenS seiner Natur nach abzuweisen. Was hülfe eS auch, wollte man berich ten : Der erste Theil handelt „vom Beruf der Jünglinge zur Literatur" — der zweite „von den für die Jünglinge nothwendigsten Studien" — u. s. w ... ? — Bei weitem mehr schon wäre gesagt, wenn man behauptete, das in nerste Wesen dieses Werkes sey eine lehr- und inhaltreiche Entwickelung des als Motto vorangestellten Danteschen: „Sapienra e smoro e virrute." Ja, Lehren der Weisheit und Tugend mit geistig durchdringendem Blicke und dem mit seinem Reichthum an Erfahrung doch so jugendlichen Herzen in melodischem Strome der Rede vorgetragen, so ist das Werk, das ich als schöne Frucht des Südens Dir als Frühlingsgabe darbiete, mein Vaterland! Du darfst an vielen Orten die Worte Italien, Jtaliäner, nur umwandeln in Deutschland, Deutsche — und auch Deine Verhältnisse, Deine Schwächen und Deine Kraft treten Dir vor Augen im klarsten Spiegelbilde des Geistes. Denn wie sehr auch durchdrungen und bis ins Einzelnste eindringend in das Wesen und die Verhältnisse seines Volkes, ist Zajotti nirgend ausschließlich, weder in der Literatur noch im Völkerleben, sondern umfaßt mit wcitauSgreifcnd historischem Blicke würdigend und wägend alles Leben, alle Stände, alle Nationen, und wird dadurch um so geeigneter, ein Lehrer und Leiter der Jugend zu sey«, der er mit so viel Innigkeit und Hingebung sich widmet, und deren Rechte er so energisch verficht, wie das gleich in der Vorhalle ausgestellte Bekcnntniß darthut: „Dazu kommt, daß, wenn es wirklich möglich wäre, die Jünglinge von „der öffentlichen AuSübnng der Literatur auszuschließcn, diese nicht nur ihres „ursprünglichsten Schmuckes entbehrte, nicht nur der schöne pcriklcische Klage- „ruf, eS sey der Frühling verloren gegangen, auf sie angewendet werden „müßte, sondern eS ergäbe sich der noch bcklagenSwerthere Nachtheil, daß „in literarischer Beziehung der Ausdruck menschlicher Gefühle allzu unvoll- „kommen wäre. In der That, wenn man die Gesellschaft betrachtet, so „bemerkt man leicht, daß die Menschen von selbst sich in zwei Klaffen theilen. „Die erste, reich an Fülle der Kraft und vertrauend auf die Zukunft, in „der sie solche verwenden kann, begehrt und hofft; die andere, versehen „mit langer Erfahrung und der Vergangenheit sich anschließend, denkt zu- „rück und seufzt. Wenn demnach die Literatur getreu die Neigungen und „Bedürfnisse des Menschen ausdrücken muß, so ist eS nöthig, daß die „Jugend als Vertreter der Zukunft und das Alter als Vertreter der Ber- „gangenheit zu gegenseitigem Einklang streben, auf daß weder die Erinnc- „rungcn noch die Hoffnungen des menschlichen Geschlechts verloren gehen; „die Erinnerungen, denen wir mit allen Banden des VortheilS und der „Dankbarkeit verkettet sind, und selbst mit jenen der Natur, die uns an „unsere Väter knüpfen, und die nicht minder kostbaren Hoffnungen, welche „das ganze uns noch vorliegende Leben bilden und einerseits mit den hohen „Fortschritten der Menschheit uns verbinden, andererseits mit noch innige- „rem Knoten uns de» Schicksalen unserer Kinder verschlingen. Wehe der „Literatur, wen» diese beiden Elemente in gegenseitiger Durchdringung „nicht Zusammenwirken, ihr Weisheit und Kraft zu verleihen! Ohne religiöse „Hochachtung für die Vermächtnisse der Vergangenheit wird sie ungewiß, „zügellos, frech, eine Literatur hochmüthigcr Chimären und unzulänglicher „Versuche. Ohne ein edles Vertrauen ans die Verheißungen der Zukunft „wird sie winzig, furchtsam, unfruchtbar, eine Literatur hohler Worte „und unanwendbarer Entwürfe. Ja, eine wie die andere gleich verwerf- „lich, weil gleich unfähig zum Verständnisse der Gegenwart, die gleicher- „maßen der Zukunft wie der Vergangenheit bedarf, zwei Literaturen, beide „unvollkommen, weil ausschließlich, beide anmaßend, verachtend, ver achtet." — o o o „Nimm ihn gastlich auf, mein Vaterland, diesen Wanderer, an Inhalt und Wesen dir verwandt, wie wenige südlich den Alpen. Vergilt ihm durch ein herzliches Entgegenkommen und inniges Befreunden all die Neigung und das geistig eingehende Berständniß, welches deutsches Element von je bei ihm ge-