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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?-Preis 22^ Sttöergr. Tb>r.) vierteljährlich, 3 Thlr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeher Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Pvst-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. Berlin, Donnerstag den 23. Mai 1844. Frankreich. Die Anfänge der National-Oekonomic. Vauban. — Boisguillebert. — Law. Ein eben so sicheres als angenehmes Mittel, eine Wissenschaft zu lernen, ist, wenn man ihre Geschichte studirt. Das erste Aufblitzen einer großen Entdeckung, das Hcrumtappcn und die Fehler im Anfang, die plötzlichen Er leuchtungen, mit einem Wort die Lehren der Erfahrung, bilden einen Kursus, der anziehender und ost nützlicher ist, als, die trockene Auseinandersetzung der abstrakten Prinzipien. Wenn diese Art des Studiums schon bei jeder Wissen schaft ihre Vortheile hat, so tritt dies noch mehr in der National-Oekonomie hervor. Indem man die allmälige Fortbewegung der administrativen Wissen schaft in den Werken ihrer Meister verfolgt, sieht man gleichsam die Doktrinen und Gesetze, die uns beherrschen, sich entwickeln, und während man die Theorie sich aneignet, macht man sich mit den Schwierigkeiten der Praxis vertraut. Daher ist die Idee, nach welcher jetzt in Paris eine Sammlung der Schriften der berühmtesten Ockonomisten erscheint, so daß sie eine Art ökonomischer Encpklopädie bilden, eine sehr glückliche zu nennen. Vor der Entstehung der spstematischcn Schulen, die sich an Qucsnap und Smith anschloffen, hatten die politischen Schriftsteller, indem sie in naiver Weise das Elend ihrer Zeit der Unordnung der Finanzen oder der Seltenheit des Geldes zuschriebcn, ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Spstem der Steuern und auf die Bewegungen des Geldes gerichtet. Wegen dieser Ten denz werden sie heute merkantilische oder finanzielle Oekonomisten genannt. Diese erste Reihe, die von Eugöne Daire mit biographischen Skizzen und er klärenden Noten hcrauSgegcben wird, umfaßt fünf Publizisten, unter denen wieder drei die bedeutendsten sind: Vauban, der berühmte Ingenieur, der vorzüglich belehrend ist über den Zustand Frankreichs während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Ludwig'S XIV., Boisguillebert, der zuerst die Grund- Wahrheiten der Wissenschaft ahnte, und Law, der berüchtigte Finanz-Minister der Regentschaft. Heutzutage, wo wir an den regelmäßigen Mechanismus der fiskalischen Einrichtungen, an eine gleiche oder wenigstens von der Mehrheit der Theore tiker für gleich gehaltene Vertheilung der Lasten, an eine leichte und wohl wollende Steuer-Erhebung und an eine überreiche Oeffcntlichkeit °) gewöhnt sind, haben wir Mühe, die finanzielle Lage der alten Monarchie zu begreifen. Wenn man die Verwaltung des öffentlichen Vermögens jener Zeit studirt, so empfindet man eine Art Schauer, wie bei der Schilderung einer verborgenen Unthat. Doch dürfen wir jene Zeit nicht zu schnell verurtheilcn: wir müssen uns in die Verhältnisse versetzen, aus denen fie hervorgegangen ist. Die Umwälzung, durch welche das Feudalwesen gestürzt und die moderne Gesellschaft geschaffen wurde, hat auch ihre ökonomische Seite. Das Feudal- wescn war ein System, in welchem die sozialen Functionen, und insbesondere der Kriegsdienst, erblich übertragen und mit den Einkünften des zu Lehen ge gebenen Besitzes besoldet wurden. Vom höchsten Baron bis zum Leibeigenen herab ärndtcte Zeder die Früchte seines Boden-Antheils, unter der Bedin gung, aus den ersten Nus seines Herrn in Waffen zu erscheinen. Ein Vor abzug von den jährlichen Einkünften, Gebühren, die bei den verschiedenen Civil-Akten willkürlich erhoben wurden, die gerichtlichen Geldstrafen und Con- fiscationen bildeten das Budget des Herrn. Nun hätte, abgesehen von der Politik der Könige und dem Aufkommen des Bürgerstandes, eine einzige Thatsache, welche in den unteren Regionen der Gesellschaft vor sich ging, die Feudal-Organisation zerstören müssen, nämlich das Schlcchterwerdcn des Geldes, wodurch der Grundzins oder andere in Geld abgeschätzte Fcudal- Abgaben immer kleiner wurden. „Der höhere Nominalwerth des Geldes" °°), sagt der Graf Boulainvilliers, „und die verschiedene Schätzung der Münze hatten den Ertrag der Lehne so sehr herabgesetzt, daß sie, statt ihren Besitzern, wie früher, vollständigen Unterhalt zu gewähren, worauf die Verpflichtung und die Möglichkeit des Dienstes beruhte, um mehr als drei Viertel ihres ur sprünglichen WertHS verloren hatten." Schon zur Zeit des heiligen Ludwig schlug man den Verlust auf vier Fünftel an; was wir heute einen Sou nennen, ist ungefähr der zweitausendste Theil des silbernen Sou, welches der zwanzigste Theil des Pfundes zur Zeit der ersten Belehnungen war. Die ') So sind in der verlebten Session der französischen Kammern an jedes Mitglied der selben Rechnungen und Dokumente, die W.2M Seiten cinncdmen, verweilt worden. —) Indem man den Nominalwerth eines Geldstück? erhöhte, verminderte man seinen inneren oder reellen Werth. größten Herren wären allmälig in die äußerste Noth gerathen, wenn sie nicht das Defizit ihrer Finanzen durch Räubereien ausgefüllt hätten. Trotz dieser Hiilfsquelle waren ihre Verlegenheiten zuweilen so groß, daß sie die Könige baten, ihnen zu erlauben, ihre Lehne zu verkürzen, d. h. einen Theil derselben durch den Verkauf an Bürgerliche oder an Männer der Kirche zu verwerthen. Fast alle Fürsten, vorzüglich Philipp der Schöne, Karl V. und Ludwig XI. be günstigten eine Tendenz, die mit ihrer geheimen Politik ganz übereinstimmte. Allmälig fand es sich, daß der Feudaldienst unzureichend geworden war. Jetzt eignete sich das Königthum die Beschützung der allgemeinen Interessen an. Auf den Schlachtfeldern bildeten die Soldaten des Königs, regelmäßige und permanente Truppen, die für Geld angcworben wurden, den Kern der Armee; in der bürgerlichen und gerichtlichen Sphäre traten die Leute des Königs, d. h. die besoldeten und absetzbaren Beamten, an die Stelle der erblichen Agenten des Lehnspsteins. So konstituirte sich der neuere Monarchismus, ein ökono misches Spstem, in welchem die öffentlichen Dienste nicht mehr durch den schwankenden Ertrag einer Domaine, sondern durch ein fixes Gehalt in Geld remunerirt wurden. Die Aufgabe, eine Armee zu unterhalten, eine immer komplizirter wer dende Administration zu besolden, hatte nicht wenig Schwierigkeit, zumal in einer Zeit, wo man noch nicht die Mittel kannte, das Geld in raschere Cir- culation zu bringen. Die besonderen HlllfSquellen des Souverains waren be schränkt: die Zerstückelung des Gebiets, der Antagonismus der Provinzen ließen den Gedanken an die Ausstellung eines National-BudgetS nicht auf- kommen. Das Königthum war damals noch nicht, wie später, eine Jncar- nation der öffentlichen Macht, und seine Stimme wäre überhört worden, wenn es in guter Absicht und im Namen des gemeinsamen Vaterlandes verlangt hätte, daß Jeder zu den öffentlichen Lasten nach seinen Kräften beitrage. Die Intendanten der Krone vermochten nur durch immer neu ersonnene Ucbergriffe, Vorwände und Mittel aller Art Ausgaben und Einnahmen in Gleichgewicht zu bringen. Zu dem ursprünglichen Ertrag der königlichen Domaine kamen hinzu die sogenannte tsiUe de« gendarme» zur Unterhaltung der regelmäßigen Truppen, die Abgaben der Frettchen oder die Kricgsstcuer für die Lehen, die nicht mehr Kriegsdienst leisteten, die Ablösungs-Renten für Lchngüter, die von Bürgerlichen erworben wurden, die oft betrügerischen Vortheile an der Münze, die Steuer der Juden, der Leihhäuser und der Freibürger, die Geld strafen und ConfiScationcn. Eine Unzahl von Gebühren, die gutwillig oder mit Gewalt erhoben wurden, bildeten mit der Zeit ein ziemlich respektables Einnahme-Budget. Mit einem Wort, überall und so viel als möglich nehmen, war die Maxime des Souverains, sich den öffentlichen Lasten so viel als mög lich entziehen, das erste Gesetz des Unterthancn. Die inneren Unruhen des sechzehnten Jahrhunderts, die endlosen Kriege des folgenden, die Verschwen dungen des Hofes, die Sorglosigkeit der Verwaltung verschlimmerten nur die Unordnung der Finanzen, welche der Krebsschaden der alten Monarchie war. Beim Tode Ludwig's XIV. beliefen sich die vom königlichen Fiskus er hobenen Auslagen auf 166 Millionen; aber diese Ziffer repräsentirte sür jene Zeit eine mindestens viermal größere Summe, als gegenwärtig. Einmal sind, wenn man nur den metallischen Werth des Geldes in Betracht zieht, 33 LivreS TournoiS gleich 80 Francs unserer Münze; zweitens ist eS wenig gerechnet, wenn man die Erhöhung des WaarenpreiscS und der Handarbeit seit hundertfunfzig Jahren auf das Doppelte anschlägt. DaS königliche Budget von 1718 würde also in heutigem Gclde 630 Millionen Francs rcpräsentircn. Eine solche Last, von einer Bevölkerung getragen, die nicht viel neunzehn Millionen überstieg, kommt den stärksten Budgets unserer Zeit gleich. Uebcr dies dispenfirtcn die im Namen des Königs erhobenen Steuern nicht vom Kirchenzehnten, von gewissen Feudal-Gebühren und von den verschiedenen Abgaben, die jeder Profession und jeder Lokalität eigenthümlich waren. Noch mehr: um die durch die Exemtionen der privilegirten Stände entstehen den Ausfälle zu decken, mußte man um so viel den Beitrag der gemeinen Steuerpflichtigen erhöhen, so daß für die Meisten von diesen der Druck zu weilen unerträglich war. So wurde die Taille, eine Fundamental-Abgabe, die unserer Grund- und Mobiliar-Steuer entsprach, nur zum Theil von den adligen und geistlichen Gütern erhoben. Die psz« d'«r»k, d. h. die ncucrwor- benen Provinzen, die eine Art Repräsentation behalten hatten, wie die Graf schaft ArtoiS, die Franchc-Comt«, das Elsaß, zahlten nur die wirkliche oder Tcrritorial-Taillc; die psz-s d'eleetion, die dem Belieben der Steuer-Beamten der Krone unterworfen waren, zahlten noch außerdem die persönliche Taille, die willkürlich von allen Einkünften, welches auch ihre Natur sepn mochte, erhoben wurde. Kein Gesetz ordnete den Betrag der Auflage, und die Un«