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jetzt dem Könige zum Geschenk darbrachten. Der erste Anblick seiner Unglück, lichen Verwandten hatte bereits den leichten Schatten des Mißtrauens zer. streut, der bis dahin die königliche Stirn bewölkte; er hatte Nichts von ihnen zu fürchten — in den verkrüppelten Körpern der sieben elenden Wesen, die vor ihm kauerten, lag nichts, was der Sicherheit seiner Regierung gefährlich werden konnte. Indem er ihnen die Ketten abnehmen ließ, kündete er ihnen an, daß sie Alle frei wären und ihre übrigen Lebenslage in der Nähe seiner Person zuzubringen hätten." Die von Bruce mitgetheilten Beschreibungen der abyssinischen Gastmähler werden von unserem Vers, vollkommen bestätigt. Bei einer Gelegenheit waren sechshundert Bauern im Dienste des Staates aufgeboten worden, und da der königliche Lieferant eS vergessen hatte, ihnen Proviant verabreichen zu lassen, so gaben sie ihren Hunger durch ein Jammergeschrei zu erkennen. Die Rei senden fanden sich hierdurch veranlaßt, eine Anzahl Ochsen einzukaufen, um sie unter das wehklagende Volk zu vertheilen. „Die Skeptiker, welche die von Bruce gegebene Beschreibung eines ähnlichen Festes bezweifelten, würden sich an dem Schauspiel erbaut haben, das sich uns jetzt auf der königlichen Wiese darbot. Um jedes dem Messer verfallene Opfer drängte sich ein lärmender Menschcnhaufe, eilte mit stürmischem Jauchzen daraus zu und ergriff es zu- gleich bei den Hörnern, den Beinen und dem Schwanz. Es sträubt sich heftig, um aus ihren Händen zu entkommen; mit jedem kräftigen Sprung wird ein Theil der Angreifer abgcschüttelt und zerstreut, aber die stärkeren unter ihnen halten fest und gewinnen nach wüthendem Kampfe die Oberhand. Ein lautes, verzweifelndes Gebrüll ausstoßend, wird der Stier zu Boden geworfen. Zwan zig krumme Messer enteilen zugleich aus der Scheide; ein Strom dunkclrothen Blutes verkündet die Todesarbeit, und die hungrigen Sieger bleiben auf der zuckenden Leiche sitzen, so lange die warme Lebenslust aus dem weit geöffneten Schlunde hervorquillt. Von diesem Augenblick an beginnt das Werk der Zer störung ; die Haut wird an fünfzig Stellen aufgetrennt, das warme Fleisch mit den Sehnen in Scheiben geschnitten, vom Knochen geschabt und Stück für Stück im Triumph davongctragen. Gruppen schmausender Barbaren lagern sich in jeder Richtung auf dem nassen Grase, zerreißen das blutige Fleisch mit den Zähnen und verschlingen es pfundweise. Selbst die Eingeweide und der Abfall werden nicht verschmäht. In einer Viertelstunde bleiben von dem Thier nur die Hufe und Hörner übrig, und die den Schauplatz dieser Metzelei umschwe benden Geier, so wie die Hunde deS nahen Dorfs, finden nur wenig, womit sie ihren Hunger stillen könnten." Der Krieg wird in Abyssinien mit einer ausgesuchten Grausamkeit geführt, die bei einem, wenn auch nur dem Namen nach christlichen Volk in Erstaunen setzt. Der Wunsch, sich mit Siegeszeichen zu schmücken, verleitet zu den un- menschlichsten Gräuelthaten, in welchen der Monarch mit seinem Beispiel vor angeht, da er, obgleich durch seine Milde (!) ausgezeichnet, nur zu oft einen wehrlosen Flüchtling mit eigener Hand getödtct und verstümmelt hat. „Neuer dings", schreibt Major Harris, „sind mir einige schauderhafte Verbrechen zu Ohren gekommen, die durch jene Sucht veranlaßt wurden. Ein Amhara von Rang, der nicht im Stande war, den Feinden des Staats die so sehr be gehrte Trophäe zu entreißen, verstümmelte mit kaltem Blute den nichts ahnen den Gatten seiner eigenen Schwester, den er in einem unbewachten Augenblicke überfiel; nicht lange nachher aber erschien der Unglückliche, den er für todt aus dem Platze gelassen hatte, zu seiner Bestürzung wie ein Schatten aus dem Reiche der Todten, warf sich zu den Füßen des Throns nieder und flehte laut um Gerechtigkeit. Zur Ehre des Königs sey es gemeldet, daß der Unmensch öffentlich hingerichtct wurde, und daß gleiche Strafe einen anderen Teufel in Menschengestalt traf, der unter ähnlichen Umständen seinen Waffenträger vcr- stümmelte. „Herr!" rief der wehrlose Diener mit bittender Stimme, „ich habe Dir sieben Jahre treu gedient — wie kannst Du mich so behandeln?" — „Du wirst mir heute bessere Dienste leisten, als Du je zuvor gethan", erwiederte der Barbar, indem er die schwarze That vollzog. „Soll ich denn mit Schande nach Hause kehren, Du Brod-Esser?" (lml/cs bullsl, Brod-Esser, ist ein ge wöhnlicher Schimpfname, den man in Abpssinien einem müßigen, nichtsnutzigen Menschen ertheilt.)" Wir schließen unsere Auszüge mit der Bemerkung, daß es dem Major Harris gelang, den Ruf seiner Landsleute in jenen entlegenen Regionen zu sichern und kommerzielle Verbindungen einzuleiten, welche die anerkannte Thä- tigkeit des britischen Handelsstandes gewiß aufs beste benutzen wird. ES bleibt nur zu wünschen, daß engere Verbindungen mit dem gebildeten Europa einen vortheilhasten Einfluß auf den Charakter dieser verwilderten Nation hervor bringen und sie veranlassen möge, sich barbarischer Gebräuche zu enthalten, die der Sittlichkeit und dem Christenthum Hohn sprechen. Gnglnnd. Die Schrecknisse von London. Unter dieser Ueberschrift wird man den Versuch eines Romanciers ver- MUthcn, die große Schöpfung des TageSheldcn — qui luit la t»ur <lu nwinl« — schon durch den Titel zu überbieten. Aber dem ist nicht so. Die Wahr heit, welche dort nur den Einschlag des Gewebes bildet, macht hier den eigentlichen Stoff aus, ohne alle arabeskenartige Einflechtung von CherubS- und Faunen-Gestalten oder romantischen GeblümeS. Die Schreckens-Scenen des dargestcllten Schauspiels find ebenfalls die entlegensten Winkel der Riesen stadt; aber nicht nur die Gassen und Gäßchen, sondern auch die handelnden Personen werden mit ihren wirklichen Namen vorgesührt. Und, was uns als der wichtigste Vorzug erscheint, die Aufmerksamkeit des besseren und einfluß ¬ reicheren Publikums, welche rege und zu thätiger Abhülfe der geschilderten Mißverhältnisse geneigt zu machen das vorgebliche Ziel des französischen Feuilletonisten war, hat hier die Untersuchung hcrvorgerufen, so daß von der Kenntnißnahme des Uebels bis zu seiner Heilung keine so große Strecke zurück, zulegen sepn wird. Es handelt sich um die verderblichen Einflüsse der innerhalb der Städte gelegenen Begräbnißplätze, mit besonderer Rücksicht auf London, woselbst seit einer langen Reihe von Jahren schon so manche Warnungsstimme in Betreff dieses Gegenstandes sich hat vernehmen lassen und unbeachtet verhallen mußte. Gegenwärtig haben einige Männer von Fach beim Parlamente darauf ange- tragen, über die Veranlassungen zur Gefährdung des Gesundheitszustandes in Städten Untersuchungen anstellen zu lassen, worauf sich sogleich rin Comite bildete und den Beschluß faßte, seine Wirksamkeit vorzüglich gegen den oben erwähnten Mißbrauch, „den unheilvollen Ueberrest eines christlichen Bar barismus", zu richten und demnächst zur Feststellung der Thatsachen ärztliche Gutachten, so wie Berichte von Todtengräbern, Kirchendienern und anderen in der Nähe der Kirchhöfe wohnenden Privatpersonen, einzuholen. Die Ergebnisse, wie sie, nun gesammelt dem Unterhause vorgelegt, zum Theil geahnt und vermuthet werden konnten, großentheilS aber jenseits aller Gränzen der Voraussetzung liegen, find so gräßlicher und schaudererregender Natur, daß wir Bedenken tragen müssen, sie in ihrer ganzen Ausführlichkeit deutschen Leserinnen vorzuführcn, wie immer auch vorbereitet dieselben durch den modernen RomantiSmuS sepn mögen, der an solche Stätten nicht ungern seine Scenen verlegt. Es werden jedoch die folgenden einzelnen Züge schon hinreichen, die unermeßlichen, immer drohender werdenden Folgen des Uebels zu beleuchten; wünschen wir seinen Bekämpfern das beste Gelingen, uns aber Glück dazu, daß unsere Zustände den schreibelustigen Nachahmern zu etwaigen „Schrecknissen von Berlin, Wien, Hamburg" keinen Stoff dar bieten würden. Der zuerst vernommene Zeuge, Hr. Henry Heldson, Faktor in einer Eisengießerei und das Amt eines HülfSgeistlichen bei einer Baptisten-Gcmeinde bckleivend, berichtet wie folgt über das gewöhnliche Verfahren bei den Beer digungen auf BunhillfieldS und New-BunhillfieldS. — Die sogenannntcn öffentlichen Gräber werden, nach dem in London allgemein eingeführten Ge brauche, etwa dreißig Fuß tief gegraben, sodann die Särge, ungefähr I« bis 18, immer einer über den anderen eingesenkt, die größeren Zwischenräume mit Kindersärgen ausgefüllt und zuletzt ein Raum von etwa 2 Fuß bis zur Oberfläche mit Erde gedämmt, worauf dann diese Stelle — aber wegen Mangels an Raum nur für ein Jahr — als besetzt angesehen wird. Zu Zeiten folgten die Särge schnell hinter einander, wie z. B. während der I8Z7 herrschenden Influenza, wo H. selbst an einem Nachmittage 2l Personen be grub; war dies nicht der Fall, so blieb die Grube auch wohl wochenlang offen oder mit einigen Planken bedeckt, bis die erforderliche Zahl erreicht war, und das MiaSma konnte sich gehörig entwickeln und ansbrciten. Diese Art der Beerdigung ist bei der ärmeren Klasse durchgängig eingeführt und hat erst kürzlich einem Mitgliede des Unterhauses zu einer Beschwerde Veranlassung gegeben. Dasselbe mußte bei der behufs einer gerichtlichen Untersuchung an- geordneten Wiederausgrabung einer Armenleiche zugegen sepn; es traf sich, daß der Sarg der fünfzehnte von oben war, und die bei der Erschütterung so vieler Särge ausströmenden Dünste mußten wohl auf die Anwesenden höchst verderblich wirken. Bei weitem schrecklicher aber als dieses ertraordinaire Ercigniß beschreibt H. seine eigenen täglichen Erfahrungen. „Als nach Verlauf des ersten Jahres die Gräber an einem heißen Sommertage geöffnet wurden, um neue Ankömm linge aufzunehmen, sah man ganze Schwärme einer Art schwarzer Fliegen, die sich wahrscheinlich aus diesem pestilenzialischen Moder erzeugen, und die, vereint mit den verderblichen Ausbauchungen der Grüfte, mir und Anderen die Erfüllung der nothwendigstcn Pflichten aufs höchste beschwerlich machten. Ein Todtengräber mußte nach halbstündiger Arbeit in der Grube, von der Hitze und dem unerträglichen Gerüche fast bewußtlos gemacht, herausgezogen werden. Mit jedem Sommer nahmen diese Plagen zu; der ganze Grund ward ein ungeheures vollgepfropftes Sarg-Magazin, da jeder Zoll breit Boden benutzt werden sollte, und jene immer wachsenden Fliegenschwärme und pestartigen Dünste machten, daß ich zuweilen wie betäubt und meiner selbst nicht mächtig nach Hause kam." Ein Anstreicher, John Irwin, sagt aus: „Es find nunmehr drei Jahre, daß ich in Clements-lane, Clare-market wohne, wo man den zu dem Kirch spiele St. Clement Danes gehörigen Begräbnißplatz von Portugal-Street überfieht, und seit dieser Zeit find wir, ich und die Meinigen, immer krän kelnd gewesen. Das Sterblichkeits-Verhältniß in dieser Gegend ist sehr be deutend, und am häufigsten find die Symptome von typhösem Fieber. Ich hatte einen Miether, Namens Britt, von dem blühendsten Aussehen, der mein HauS wegen seiner stillen Lage gewählt hatte, aber bald, nachdem er eS bezogen, am Fieber erkrankte und starb. Seine Frau und zwei andere Haus bewohner, Mr. und Mrs. Rosamond, erlagen derselben Krankheit im Hospitale, wohin fie gebracht werden mußten. Britt aber, der in meinem Hause gestorben war, ward innerhalb zehn Fuß von der Hinterwand desselben begraben, und der Geruch aus dem eine Zeit lang offen gehaltenen Grabe war so unaus stehlich, daß ich kein Fenster öffnen konnte, bis endlich ein anderer Sarg darauf gesetzt wurde. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen in der Nachbar schaft, wo fich unter Anderem ein Arbeitshaus befindet, das typhöse Fieber herrschend bleibt." In Hrn. Samuel Pitt'S, eines Kunstschreiners, Aussage kommen noch ärgere Dinge zum Vorschein. — „Ich Pflegte eine Kapelle der Baptisten-