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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«'Prei« 22f Sildergr. (f Tblr.) vierteljährlich, Z Tdlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Hägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königs. Dost-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 48. Berlin, Sonnabend den 20. April 1844. Arabien. Der Kaffee. Unsere Zeit, welche eine Zeit der Jubiläen ist, würde sich gewiß mit Recht den Vorwurf der schwärzesten Undankbarkeit zuziehen, wenn sie zu Ehren des Kaffees, der doch bei allen übrigen häuslichen und öffentlichen Festen, sie mögen nun einen Zweck haben oder zwecklos seyn, eine der thätigsten Haupt- rollen spielt, nicht ein besonderes Fest veranstalten wollte. Denn gleich wie eine Anstalt oder eine Erfindung ihr Jubiläum hat, eben so kann auch eine Gewohnheit, die zum Nutzen und zur Freude der Menschheit ihr Jahrhundert vollendet hat, auf eine allgemeine Erinnerungsfeier Anspruch machen. Ohne Zweifel hat hierzu der Kaffee eine um so größere Berechtigung, als die Kar- toffel, ob sie gleich ihm damit zuvorgekommen ist, als er selbst edler ist, als diese. Denn die Kartoffel ist der Philister, der Kaffee der Künstler; die Kar toffel stopft den Magen und beschwert den Leib, der Kaffee erhebt den Geist und erleichtert das Herz; die Kartoffel hat zur Schnecke herabgewürdigt, was durch den Kaffee ein Adler geworden wäre, die Kartoffel ist das Gesetz, der Kaffee die Freiheit. Beide Naturprodukte sind sich nur darin gleich, daß sie jetzt allgemein und unentbehrlich geworden sind. Wie verschieden aber war ihre Aufnahme in Europa! Die Kartoffel ward gleich anfangs als ein ge- fährlichcr Feind des Lebens betrachtet. Man setzte überall ihrer Einführung den hartnäckigsten Widerstand entgegen. Je mächtiger die Empfehlungen der selben waren, desto trotziger ward die Opposition. In Frankreich und Sachsen war die Erbitterung gegen die Kartoffel so hoch gestiegen, daß es zu blutigen Auftritten kam. Zwangsmittel mußten angewandt werden, um sie cinzufüh- ren, was auch endlich, aber erst nach und nach gelang. Man fing allmälig an, cinzusehen, daß sie, wenn sonst zu nichts Anderem, doch wenigstens dazu diene, von dem leiblichen Hungertode zu retten. Kein Lob erschallte von begeisterten Lippen zu ihrem Ruhme, und auch jetzt noch nehmen selbst ihre Freunde nur ungern ihre Zuflucht zu ihr. Bei keinem Feste spielt sie eine Rolle; wenigstens ist sie keine Verschönerung des Festes. Bon den Gesell schaften und Versammlungen, die zusammcntretcn, um wichtige und inter- effante Dinge zu besprechen und zu berathen, wird sie überall stillschweigend ausgeschlossen. DaS einzige Fest, was man mit ihrem Beistände feierte, war ihr eigenes Fest, ihr Jubiläum. Der Kaffee dagegen fand gleich im Anfänge seiner Entdeckung die günstigste Aufnahme, sowohl im Orient als im Occident. Die erste Taffe, die getrunken wurde, erwarb dem Kaffee unzählige Freunde und Verehrer. Wo sich zwei oder drei Personen versammeln, stellt er sich ein und ist ein willkommener Gast. Auch ist er der treue Gefährte des einsamen, fleißigen Gelehrten und des armen Dichters im Dachstübchen, der in den Stunden der Nacht nieder- schrcibt, was er am Tage gedacht und beobachtet hat. An allen Freudenfesten und Trauertagen der Menschen nimmt der Kaffee Theil: das neugeborene Kind wird beim Klirren der Taffen in die bürgerliche Gesellschaft ausgenom men; will ein liebendes Paar in den heiligen Stand der Ehe treten, so ist der Kaffee der Brautführer, und dem geliebten Todten wird bei dampfender Schale der schuldige Zoll der Thränen dargebracht. Der Kaffee ist der allge meine Vermittler aller politischen, philosophischen, literarischen, artistischen und sozialen Unternehmungen; er ist Freund und Mitglied aller Parteien; er ist royalistisch, loyal, legitimistisch unv daher auch „gebrandmarkt", constitu- tionell, radikal, liberal, monarchisch, demokratisch, Doctrinair, Kantianer, Hegelianer, Schcllingianer u. s. w. Mit ihm werden Anstellungen befördert, Absetzungen beantragt, Klagen über Staatsgebrechen erhoben, Vorschläge zu Staats-Reformen gemacht, Pläne zu Verschwörungen und Revolutionen ent worfen, Geheimnisse anvertraut und Geheimnisse verrathen; mit ihm wird Ehre gegeben und Ehre genommen, Lob ertheilt und Verleumdung ausgestreut. Der Kaffee ist Niemandes Feind; denn selbst diejenigen, die ihn öffentlich ver dammen, find ihm heimlich zugethan. So soll der Gründer der Homöopathie sich den Kaffee haben zu Hause wohlschmecken lassen, obgleich er es nicht schwer fand, zu behaupten, daß der Genuß desselben zu den Schädlichkeiten erster Größe gehöre. Was man an Sokrates gerühmt hat, daß er als Geistes« Accoucheur die Denkfähigkeit der Menschen zur Thätigkeit bringe, dasselbe kann man vom Kaffee rühmen; denn er besitzt die Kraft, die witzige Com bination zu befördern. Ohne ihn wenigstens wäre gewiß folgendes geistreiche Wortspiel nicht gemacht worden. Ein junger unverheirateter Landprcdiger hatte eine schöne Magd in seinem Hause; diese trat einst des Morgens mit der Frage in sein Zimmer: „Herr Pastor! befehlen Sie Thee oder Kaffee zu trinken?" Er antwortete: „De — guiäem veilem; seä guia ksslor sum, — 6sve!" — „Ganz wohl!" sprach sie und brachte Kaffee. Besonders aber ist der Kaffee der Freund des schönen Geschlechts geworden, welches ohne den selben fast nichts thun und nichts reden kann. Es ist bekannt, daß die weib liche Zunge nirgends thätiger ist, als bei einer Taffe Kaffee, und eS ist kein geringes Lob für ihn, wenn wir demnach behaupten, daß er das Talent der Beredsamkeit entwickelt. Höchst wahrscheinlich wären Demosthenes und Cicero weit berühmtere Redner geworden, wenn sie den Kaffee gekannt hätten. In der Türkei geht die Liebe der Damen zum Kaffee so weit, daß, wenn der Ehe- mann seiner Frau den Kaffee verweigern wollte, dies ein gültiger RechtSgrund zur Ehescheidung seyn würde. Schon um deS lieben Hausfriedens willen, muß der Türke sich dazu entschließen, seine Ehefrauen Kaffee trinken zu lassen- Im Harem zu Konstantinopel find sogar besondere Kaffee-Beamte (Kaffengi Baschi) angestellt, unter deren jedem 2V bis 30 Baliagi stehen, die sich bloß mit der Bereitung des Kaffees für die Damen beschäftigen. Durch Damen ist er auch in Europa empfohlen worden. Zuerst trank man ihn 1682 in London, wo eine schöne Griechin, Namens Panpbia, welche der englische Kaufmann Edwards auS Smyrna mitgebracht hatte, die Bereitung des Kaffees den Eng- ländern lehrte und ein öffentliches Kaffeehaus anlegte. In Frankreich ist der Kaffee aus Galanterie gegen die Damen eingesührt worden. Soliman Aga, der türkische Gesandte am Hofe Ludwig'S XIV., ließ 166S in Paris mehreren vornehmen Damen das Kaffcegetränk versetzen, und diese sanden so vielen Geschmack daran, daß der galante Muhammedaner bei seiner Abreise von Paris ihnen versprach, so viel Kaffee aus Konstantinopel zu schicken, daß cS ihnen nie daran fehlen sollte. DaS erste öffentliche Kaffeehaus in Paris wurde 1672 von einem Sicilianer, Procopio, errichtet, der die geistreichsten und berühmtesten Männer seiner Zeit zu sich zu locken wußte. Ein Fontenelle, I. Bapt. Rousseau, Saurin, Crebillon, Piron, Voltaire u. A. versammelten sich hier, lasen hier.ihre neuesten Werke vor, diSputirten, scherzten und er zählten Neuigkeiten; ganz Paris kam bald hierher, um jene Männer zu sehen und zu hören. Dieses Kaffeehaus besteht heutiges TageS noch. In Deutsch land wurde der Kaffee erst zu Ende des I7ten Jahrhunderts bekannt. Das erste Kaffeehaus soll von einem Polen, Kolcziöki, bereits im I. 1683 in Wien errichtet worden seyn, welches bis jetzt besteht und mit dem Bildnisse des ersten Unternehmers geziert ist; ja, die Kaiser Joseph und Leopold beehrten selbst das HauS mit ihrem Besuche, weshalb hier auch ein Gemälde, Kastor und Pollur vorstcllend, zu sehen ist mit der Inschrift: „Der edelen Brüder Hochgestirn schien einst sogar an diesem dunkelen Orte, den 27. Juli, 1776." In Preußen hat der Kaffee am spätesten Eingang gefunden. ES ist be kannt, daß am Hofe Friedrich Wilhelm'» l. zum Frühstück nur Warmbier ge- nossen wurde und der Thee höchst selten und zwar nur ausnahmsweise erlaubt war, weil ihn die Königin sehr liebte. Erst mit der Thronbesteigung Fric» drich'S des Großen machte der Kaffee sein Recht geltend, und man nimmt jetzt gewöhnlich das Jahr 1744 an, wo sein Genuß allgemeiner zu werden an» fing. ES ist daher an der Zeit, der hundertjährigen Wohlthatcn, die der Kaffee den Menschen erzeigt hat, sich dankbar zu erinnern und ihm ein allge meines Fest zu bereiten. Denn der Kaffee, der so viele, ja alle Feste ver schönern hilft, muß auch sein eigenes Fest haben, das ohne Zweifel wegen der allgemeinen Theilnahme, welche dieser Vorschlag erwecken wird, die Krone aller bisherigen Jubiläen seyn muß. Wenn die übrigen öffentlichen Feste meistens von Männern ««gestellt wurden, so ist eS wohl billig, daß die An- ordnung und Leitung des Kaffee-Jubiläums den Damen, die ihm so vielt genußreiche Stunden und so lebhafte Unterhaltung zu verdanken haben, über lassen werde. Die schönen und liebenswürdigen Freundinnen des Kaffee» mögen also hierzu bald einen Plan entwerfe» und daS Publikum zur Theil nahme aufrufen. Da eS jedoch schwer seyn dürfte, zu diesem echten Volks feste ein paffendes Lokal zu finden, indem selbst der Kroll'schc Garten zu klein seyn würde, so gebe ich mit aller Bescheidenheit den Festordnerinnen zu be denken, ob eS nicht am gerathcnsten wäre, sich hierzu auf den Templower Feldern zu versammeln. UebrigenS ist der Kaffee schon früher vielfach gefeiert worden, zwar nicht mit Festen und Zweckcffen, sondern durch die Poesie- In Arabien, dem Vaterlande des Kaffees, werden so viele Kaffeelieder mit Begeiste rung gesungen, wie bei uns Weinlieder. Während wir beim Klang der Gläser daS Lied anstimmen: „Der Wein erfreut des Menschen Herz", so singt der Orientale beim Klirren der Tassen: „Der Kaffee erfreut des Menschen Herz". AuS der Menge der arabischen Kaffeelieder wollen wir