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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations-PreiS 22 r Silbergr. (s THIr.) vierleljiihrlich, 3 Th>r. süe daS ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung sm Berlin bei Veit u. Comp., Iägcrstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Dosi-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 47. Berlin, Donnerstag den 18. April 1844. Abysstnien. Gesandtschafts-Reise nach Abpssmien. Das alte Äthiopien gehört zu denjenigen Ländern, die nach Erreichung einer gewissen, obschon unvollkommenen Kultur, durch ein Zusammentreffen widriger Umstände der ehemaligen Barbarei anheimgefallcn sind. Im Mittel alter als der Sitz des fabelhaften Priesters Johann berühmt, von dem man so wunderbare Legenden erzählte, wurde es eine Zeitlang fast ganz ver nachlässigt, bis gegen Ende des verflossenen Jahrhunderts der bekannte Rei sende Bruce die Theilnahme des europäischen Publikums von neuem jenem entlegenen Landstriche zuwendete. Das große abpssinische Reich ist heutzutage in mehrere Staaten zerfallen, von welchen das christliche Königreich Schoa für das mächtigste gilt, und da letzteres einen fanatischen Haß gegen die cs umgebenden muhammedanischen Völkerschaften hegt, so ist cS eben deshalb geneigt, die Annäherungen glaubenöverwandter Nationen mit günstigem Auge zu betrachten. Aus diesem Grunde beschloß die britisch-ostindische Regierung im Jahre 1841, eine Gesandtschaft an den König von Schoa abzuferligen, und wählte zum Chef derselben den Major Harris, der sich schon früher durch seine malerischen Schilderungen des südlichen Afrikas einen vorthcil- haften literarischen Rus erworben hatte und jetzt einen höchst interessanten Bericht über seine äthiopische Sendung mitthcilt. °) Der Hafen von Tadjura, wo der Bevollmächtigte mit seinem Gefolge ans Land stieg, ist Z70 (engl.) Meilen von Anköbar, der Hauptstadt von Schoa, entfernt, und auf der Karavanen-Route zwischen diesen beiden Punkten hatten die Engländer mit Beschwerden und Gefahren jeder Art zu kämpfen. Das Land ist zum größten Theil eine schaurige Wildniß, die mit Felsen und Klippen besäet ist und von einem wilvcn, viehischen Geschlecht bewohnt, das sich durch seinen blutdürstigen Charakter auszeichnet. Wasser ist nur in Entfer nungen Von 3 bis IS, 20 und 30 Meilen zu finden, und da die Brunnen im Besitz verschiedener gesetzloser Horden find, so kann die Sicherheit der Kara- vancn nur dadurch bewirkt werden, daß man den Schutz der einflußreichsten Häuptlinge zu einem ziemlich hohen Preise erkauft. Die Jahreszeit, die unsere Reisenden zu ihrer Expedition wählen mußten, war besonders ungünstig. Die Schwierigkeiten, welche ihnen die unersättliche Raubgier der Behörden und der Einwohner von Tadjura entgegenstelltc, verzögerten ihre Abreise dermaßen, daß sie die Ebene der Tehüma während der Herrschaft des brennenden und ungesunden Südwest-Windes durchziehen mußten, der in den Monaten Juni und Juli über diese wasserlosen Gegenden streicht, so wie eS ihnen auch un möglich gemacht wurde, ihren Bestimmungsort vor dem Eintritt der jährlich stattfindcnden heftigen Regengüsse zu erreichen, die den Fluß Hawasch so an- schwellen, daß man ihn Wochen lang nicht passiren kann. Die Aussichten unserer Reisenden waren folglich nicht sehr crmuthigcnd, doch waren sie weit entfernt, sich dadurch einschüchtcrn zu lassen; am meisten wurde ihre Geduld durch den Aufenthalt in Tadjura auf die Probe gestellt. „Die Freude", schreibt der Major Harris, „mit der wir von Tadjura Abschied nahmen, war mit der zu vergleichen, die Gil-Blas beim Entkommen aus der Räuberhöhle empfand. Unter allen Bewohnern unseres Erdbalis giebt cs vielleicht keine so bösartige und widerwärtige als die halbkultivirtcn Wilden, deren Bekanntschaft wir in dieser Hafenstadt machten. Sic Haden sich mit dem vollständigsten Erfolge bemüht, die rauhen Tugenden unverdor bener Naturkinder zu vergessen, ohne dagegen etwas von ihren gebildeteren Nachbarn anzunchmen, als ihre Laster und Gebrechen. Tiefer kann die Menschheit nicht fallen, als die Entwürdigung, in der sic versunken sind- Dieses harte, aber gerechte Urtheil trifft nicht nur das Volk selbst, sondern auch den ohnmächtigen Sultan, Muhammed-Ibn-Muhammcv." Die Bewohner des Landes Adel, welches zwischen dem rothen Mccr und dem südlichen Abysstnien liegt, werden mit dem allgemeinen Ramen der Adalel oder Danükil belegt, obgleich dieses, streng genommen, die Be zeichnungen abgesonderter Stämme sind. Sic bedienen sich Alle derselben Sprache, ohne jedoch eine einzige Nation auszumachen, da sie auf einem so weiten Raume zerstreut leben, daß man oft mehrere Tagereisen lang auch nicht eine Spur von Menschen in dieser öden Wüste antrifft, deren Boden von der glühenden Sonne verbrannt ist und nur durch aufgewirbclte Sand fäulen belebt wird. „Seit undenklicher Zeit war in diesen Gegenden Jeder sein eigener König. Die herumstreifenden Horden genießen einer wilden Un- ') l'üo Wxlü«uil, vk ^otlliozn«, dlsjor IV, korovsll!» Harri», a Bände. abhängigkcit, und ihr zügelloser Freiheitssinn artet in Raub, Zwist und Blut, vergießen aus, die hier allgemein vorherrschen. Ein feuriger Himmel breitet sich über ihnen aus und ein Boden von Erz liegt zu ihren Füßen; die Wolken tröpfeln nur selten einigen Regen herab, und die Erde ist ohne Vegetation. Es ist kein Land der Verheißung — kein Land, das von Milch und Honig fließt. Die Wüste erstreckt sich weithin auf jeder Seite, mit heißen Lavasteinen besäet und von einer glühenden Atmosphäre umgeben. Treulosigkeit und Rachsucht sind hier zuhause; die Eigenthümer des unfruchtbaren Bodcns er morden jeden Fremden, der sich ihnen zu nähern wagt, und das Befitzrccht der Wafferquellen giebt zu fortwährendem Hader Anlaß. Die Blutrache wird von den Eingebornen aufs strengste ausgeübt; sic sind in der That cher mit Raubthieren als mit Menschen zu vergleichen, und ihr wilder Charakter ist in ihren düsteren, tückischen Blicken abgespiegclt. Die eine Hälfte der Bevölke rung hat stets den Rächer des Bluts an den Fersen, der ihr auf jedem Schritte nachspürt. — Viele der Adäicl sind im Besitze zahlreicher Kamcel-Heerdcn und treiben einen starken Handel mit Sklaven — ein Geschäft, welches drei hundert Prozent abwirft und für den Kaufmann mit wenig Gefahr oder Mühe verbunden ist; wenn sie aber nicht auf ihren Handelsreisen begriffen sind, so verbringen sie ihre Zeit im Müßiggang und in der gröbsten Sinnlichkeit. Ihr Hauptgenuß ist, schmutzig und träge zu scyn. Sie tragen dasselbe Tuch, ohne es zu waschen, bis es in Lumpen von ihrem Rücken fällt. Sich behaglich sonnend und ihre krausen Locken mit einem spitzigen Stocke ordnend, ver- brauchen sie unmäßige Quantitäten Schnupftaback und kauen dicke Nollen Taback mit Asche vermischt, die sie so zwischen der Oberlippe und ihren weißen Zähnen halten, daß dadurch eine Art von Kropf zu entstehen scheint. Wenn sie die Nolle aus dem Munde nehmen, so wird sie stets hinter das linke Ohr gesteckt. Es giebt wohl keine Mcnschenrace, die eine so widerliche Ausdünstung verbreitet; aber während sie die Luft mit ranzigem Talg und verwesenden thierischen Eingeweiden verpesten, kommen sie nie in die Nähe eines Christen, ohne sich die Nase zuzuhaltcn- „Unter den Danskil findet man einige so hämische, häßliche und fratzenhafte Gesichtsbildungcn, wie sie kaum in irgend einem anderen Welttheil anzutrcffeu sind; doch hat die Physiognomie der Mehrzahl einen arabischen Anstrich, der die Ucberlicferungcn, die sic von ihrem Ursprünge haben, bekräftigt, und der Spuren ungeachtet, die ungczähmte Lcivenschaflen ihren Gesichtszügen ausge prägt haben, ist der Ausvruck derselben nicht selten einnehmend und zuweilen selbst geistreich (mrellocrusy. Kräftig und gewandt sind sie Alle, aber äußerst mager und von lockerem Gliederbau, und mit einem bequemen, schlotternden Gang vereinigen sie noch die nationale Gewohnbcit, mit übergeschlagenen Beinen zu stehen. Jung und Alt geben sich unendliche Mühe, ihr Acußcres so viel als möglich zu entstellen, um dadurch ein recht grimmiges Ansehen zu bekommen. Die Narben, die sie bei Raufereien und in der Schlacht durch Steine und kaltes Eisen erhielten, werden als die höchsten Zierdcn betrachtet, und Brust und Leib sind gewöhnlich mit mystischen Rhomben und netzförmigen Dreiecken gezeichnet (tättowirt), die mit einem scharfen Stücke Obsidian ein- geschnitten werden und der Abbildung einer alten Festung gleichen. Die Ober, lippe ist glatt rasirt, wogegen man den dünnen Bart frei an den Backen und am Kinn nicdcrhängen läßt; daS Kopfhaar ist grob und lang, und da cS von Kindheit an mit Talg und Hammclsctt eingeschmiert und der brennenden Sonne preiSgcgeben ist, so wird cs kraus und dick wie Schweinsborsten. Hinten wird cs in gerader Linie von Ohr zu Ohr geschoren und bildet so den Stolz des Besitzers, der seine zahlreichen Mußestunden zum Theil damit zu- bringt, cS in gehöriger sphärischer Form zu ordnen." Eine der merkwürdigsten Erscheinungen im Lanvc der Danäkil ist die Wüste Tehsma, mit ihrem Salz-Becken, dem Bahr-Assal. Letzteres wird von unserem Verfasser auf folgende Weise beschrieben: „Der erste Anblick dieses seltsamen Phänomens macht einen überraschenden, aber keinesweges gefälligen Eindruck. Ein eirundes Bassin, sieben englische Meilen in der Quere, zur Hälfte mit stillem Wasser von dunkelstem Himmel- blau, zur Hälfte mit einer festen Masse schneeweißen, glänzenden Salzes be deckt, welches durch Verdunstung entsteht — auf drei Seiten von hohen, brennend-heißen Bergen umschlossen, deren Fuß sich in den See taucht, und auf der vierten von rauhen, halbformirten Lavafclsen begränzt, die zerbröckelt und zerstreut in verwirrten Massen umherliegen — gleicht rS einem verfehlten oder unvollendeten Werke. Der Vegetation und des thierischen Lebens beraubt, erfüllt der Anblick dieser öden Wildniß und regungslosen Wasserfläche, über der eine traurige Stille herrscht und die, wie es scheinen möchte, seit Jahr. Hunderten dem Dämon der Verheerung zum Tempel dienen, den Fremden mit