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I7S Publikum spreizen und es durch ihr abgeschmacktes Benehmen zum Lachen bringen. Solche Auftritte fallen täglich in den Gerichtshöfen der City vor; die öffentlichen Blätter sind damit angesüllt. Man sah neulich einen würdigen Alderman, dessen moralisches Gefühl so abgestumpft war, daß er cs ganz natürlich fand, seine richterlichen Functionen zu einer Zeit auSzuüben, wo er selbst unter Schuldarrcst stand und einen Gerichtsdiener stets an der Seite hatte. Wir haben von Schauspielern erzählen hören, die unter der Aufsicht eines Gendarmen spielen mußten, aber eine Magistratsperson, die mit Erlaub- niß des Häschers zu Gerichte sitzt, ist eine viel seltsamere Erscheinung. Die Einkünfte der City von ihren liegenden Gütern belaufen sich aus 88,620 Pfv. Sterl, jährlich und werden zur Unterhaltung einer zahlreichen Beamtenschaar verwendet. Wir nennen darunter nur den Kämmerer (VtuunbkrI-im), der die Functionen eines Schatzmeisters verrichtet und (mit Einschluß der Sporteln) ein Gehalt von 4800 Pfv. (circa Z0,000 Thaler) bezieht. Vier andere wichtige Offizianten — wenn man nämlich ihre Wichtig keit nach ihren Salairen messen kann — absorbiren eine jährliche Summe von mehr als 12,000 Pfd. (80,000 Thaler) und zwar: 1) Der Stadt schreiber (Oitx 6!srk) etwa 3600 Pfd., wovon er jedoch einige Commis zu besolden hat; 2) der Controleur (komptroller), der nichts kontrolirt; 3) der Stadt-Prokurator (6!r> eltrorne^), dessen Einkommen sich nicht genau berechnen läßt; 4) der kswewbrancer, der im Verhältniß zu der Wich tigkeit seines Amts sehr schlecht honorirt wird. Er muß nämlich darüber wachen, daß im Parlament keine legislativen Verordnungen getroffen werden, die den Rechten der City zuwiderlaufen, und erhält dafür nicht mehr als 1800 Pfd. (12,000 Thaler) jährlich. Der Lord-Mayor, der in der City-Hierarchie die Nolle des goldenen Kalbes spielt, hat die Verpflichtung, in den Raths-Versammlungen der Aldermen und des Oommon Louncil zu präsidiren, dem Polizei-Gericht im Mn8wn-8ou8e (Stadthaus) vorzustehen und den Ministern Ihrer Majestät und anderen hochgestellten Personen aus Kosten der Bürger die prächtigsten Festgelage zu geben. Der Lord-Mayor kostet der City alle Jahre mehr als 20,000 Pfd. Sterl. (138,000 Thaler). Der am höchsten besoldete Staats- Beamte des Königreichs, der Großkanzler (h-oni lligl, Llmncellur) erhält als Vorsitzer des Kanzlei-Gerichts und der Pairs-Kammer nicht mehr als 18,000 Pfd. (100,000 Thaler). Mit dem Lord-Mayor verglichen, ist also der Kanzler ein armer Mann; auch hat er nicht, wie Jener, ein Gefolge von Wappenherolden und Trompetern, und eS ist sehr natürlich, daß er jeden Anlaß benutzt, den Gastmählern seines gelehrten MitbruderS beizuwohnen. Da man so oft von diesen Zweckessen gesprochen hat, so wird es nicht un passend seyn, einige der Artikel anzuführen, die bei der Jnstallirung des vorigen Lord-Mayors im Jahre 1842 in Rechnung gebracht wurden. Mittagsmahl 1000 Pfd. Portwein 42 Dutzend) XereS 32 - Rh^nwein l"/ - ! Wammen 183 Dutzend Flaschen... 600 - Bordeaux 21- - i Champagner 63 - / Wenn man also fünfhundert Gäste qnnimmt, so werden im Durchschnitt vier und eine halbe Flasche auf die Person kommen; es ist daher klar, daß die privilegirtcn Theilnehmer an diesen Schmausen cs sich zur Pflicht machen, ihre weniger begünstigten Mitbürger gewissenhaft zu vertreten, indem sie nach Mög lichkeit für sie essen und trinken. Obgleich die Stelle eines Lord-Mayor mit so enormen Einkünften ver knüpft ist, so aenügen sie doch nicht, um die Unkosten derselben zu decken, und er hat von Gluck'zu sagen, wenn er nach Ablauf seines Amtsjahrs die Ehre, in einem prächtigen Galawagen zu fahren und den Amphitryon der Minister und des diplomatischen Corps zu spielen, mit einem Defizit von nicht mehr als einigen tausend Pfund aus seiner Privatkaffe erkaufen muß. Es gab eine Zeit, wo der Lord-Mayor wirklich als der vornehmste Beamte der englischen Hauptstadt zu betrachten war, und wenn man von jenen feierlichen Pro zessionen und jenen verschwenderischen Banketts reden hört, die von den ersten Würdenträgern des Reichs mit ihrer Gegenwart beehrt werden, so wird man natürlich zu der Frage veranlaßt, ob er noch immer eines so hohen Ansehens genießt. „Er ist wohl ein Individuum von anerkanntem Verdienst oder her vorstechenden Talenten — der erste Kaufmann von London — die oberste Magistratsperson einer Weltstadt von zwei Millionen Einwohnern?" — Keines- wegeS. Er zählt oft Hunderte, die ihm in jeder Hinsicht überlegen sind, und seine Autorität erstreckt sich kaum auf den fünfzehnten Theil jener Bevölkerung. Die Ehren, die man dem Lord-Mayor erweist, sind nichts als eine Erinnerung an die Vergangenheit, ein dem Schlendrian gebrachtes Opfer, und dieser Beamte, der mit solchem Pomp umgeben ist, dessen Jahrgelvcr die Revcnüen manches deutschen Fürsten übersteigen, ist oft nichts als der Lieblings-Alderman einer Clique — der würdige Stellvertreter der achtzig ftesmen von Bridge- Ward. Nachdem wir auf diese Weise einige der hauptsächlichsten öffentlichen Jn- ffftute der City gemustert, hätten wir wünschen können, unseren Lesern das Budget ihrer Einnahmen und Ausgaben vorzulegen, aber eine solche Arbeit geht über unsere Kräfte. Man wird kein einziges Mitglied der Corporation finden, das im Stande wäre, eine genaue Berechnung der von ihren Beamten ein- und ausgczahlten Summen anzustellen. Ein großer Theil der Summen geht Mcht einmal durch die Hände des Vksmbcrlsm, und die Memoiren der verschiedenen Ausschüsse werden nie untersucht. Es giebt zwar Auditoren, aber ihre Pflichten beschränken sich darauf, die von den Ausschüssen auf den Obam- derlam entnommenen Summen zu verifiziren. Dessenungeachtet haben wir uns bemüht, einen Anschlag der von der Lokalverwaltung der City dem Publikum auferlegten Lasten zu entwerfen, und wiederholen es, daß sich diese wenigstens auf eine Million Pfund Sterling belaufen. Wenn man sich erinnert, daß die Ausgaben eines an Volkszahl gleichen Kirchspiels (Mary-le-Bone) kaum den siebenten Theil dieser Summe erreichen, so wird man natürlich schließen müssen, daß die glücklichen Bewohner der City unendlich besser bewacht, erleuchtet, regiert werden als ihre sparsameren Nachbarn, daß die Hospitäler, die Ge fängnisse, die Märkte der City in musterhafter Ordnung gehalten werden, daß die Justiz aufs trefflichste verwaltet und das Erziehungswescn auf die höchste Stufe der Vollkommenheit gebracht sey. Das Gegentheil findet leider statt, und ein Vergleich zwischen der City und den übrigen Bezirken der Hauptstadt würde keineswegeS zum Vortheil der ersteren ausfallen. Die Hauptgebrechen der Munizipal-Verwaltung der City bestehen in dem Mangel an Centralisation, in der Abwesenheit eines gleichförmigen Systems und in dem vorherrschenden Schlendrian. Das unnütze Räderwerk einer Menge veralteter Institutionen dient nur dazu, den Gang der Maschine zu er schweren und ins Stocken zu bringen. Jedes Kirchspiel, jede Zunft, jede Koterie hat ihre eigenen Interessen, ihre besonderen und ausschließlichen Privilegien, und sie machen nur dann gemeinschaftliche Sache, wenn es gilt, einen Miß brauch zu verthcidigen. Diese Mißbräuche find zahllos, aber der schreiendste von allen ist vielleicht jener sinnlose Verschwcndungsgeist, der den Bürgern ungerechte und drückende Steuern abprcßt, um sie zu übertriebenen und oft unnützen Besoldungen zu gebrauchen. Ist die Londoner Corporation auch nicht unmittelbar an allem diesem Aufwande Schuld, so giebt sie doch das erste Beispiel desselben und hat sich von jeher allen Verbefferungsplänen widersetzt. Trotzdem ist eine Reform unvermeidlich, und früher oder später muß dieser Augiasstall gereinigt werden. Wem die Ehre wohl Vorbehalten ist, diese herku lische Arbeit zu unternehmen und auszuführen? Wir wissen es nicht — das aber behaupten wir mit Zuversicht, daß es möglich wäre, in der Verwaltung der City eine jährliche Ersparniß von nicht weniger als 800,000 Pfd. Sterl, zu bewirken. China. Erinnerungen an die Insel Whampoa. Von einem Engländer. Als ich den Ankerplatz bei Whampoa besuchte, waren die chinesischen Be hörden von den Nachwirkungen des Krieges noch wie gelähmt; Alles ging drunter und drüber; die Briten befanden sich in einem wahren Siegestaumcl und zeigten jetzt große Neigung, für einige von den vielen Unbilden, die sie hier zwei Jahrhunderte lang ertragen mußten, Gcnugthuung zu nehmen. Der Ankergrund erstreckt sich in einem ziemlich breiten Strome zwei eng lische Meilen lang, und fast genau in west-östlichcr Richtung, zwischen Dane's- und French-Island im Süden, und Junk-Jsland und der Südspißc Whampoa's im Norden. °) Die beiden erstgenannten Inseln find hügelig, die anderen beiden aber sehr flach; Junk-Jsland steht zur Fluthzeit beinahe unter Wasser. Die amerikanischen Schiffe liegen eine Viertelmeile weiter den Strom hinan als die der übrigen Nationen, und der Raum zwischen beiden Ankerplätzen ist den kleinen, die Opium-Schmuggelei betreibenden Schiffen ausschließlich angewiesen. Wir verlassen unser Schiff an der sogenannten ersten Schranke, wo mehrere, mit Schutt und Steinen angefüllte Dschonken versenkt wurden, um großen Schiffen das weitere Vordringen unmöglich zu machen. Wirklich ankern diese jetzt in dem Theil des Stromes südlich von Dane's-Island, welcher Blenheim-Ncach heißt, zur Erinnerung an jenes Linienschiff, das der Stadt Canton dis auf ficben oder acht Miles nahe gekommen war. Zweihundert Jard's oberhalb der Schranke sind die Ucberbleibsel einer ausgedehnten Sand- Batterie, welche mit hundert Kanonen besetzt und von 2000 ausgesuchten Sol daten der chinesischen Armee vertheidigt war, aber am 27. Februar 1841 durch die Briten zerstört wurde. Wir nahen jetzt in raschem Lause den ankernden Handelsschiffen. An un serem Wege liegt der Brunswick-Felsen, welcher in gewisser Entfernung vom Ufer unter dem Wasser verborgen und sehr gefährlich ist. Ich habe mehrere Schiffe wochenlang hier festfißen sehen und bin einmal selber in einem Schiffe gewesen, das hier sich festrannte, aber glücklicherweise durch die wiederkehrcnde Fluth erlöst ward, ohne irgend einen Schaden zu nehmen. Dieses Mal sind wir vorsichtiger und steuern um den Felsen herum. Bald kommen mehrere Böte zu uns herangerudcrt, und das Verdeck füllt sich mit Compradoren, Wäscher-Frauen und anderem Volke, das gern etwas verdienen will; man schenkt ihnen aber nur geringe Aufmerksamkeit, besonders, wenn man zum ersten Male nach Whampoa kommt. Auch der Maat des Fahrzeugs, in welches wir unsere Fracht auspacken, ist angelangt, um uns an den Ort zu geleiten, wo ersteres vor Anker liegt. Wir stehen auf dem Hintertheil unseres Fahrzeuges, mit bewaffnetem Auge, und lassen, indem wir an einem Schiffe nach dem an- deren vorübergleiten, unsere neugierigen Blicke über die prächtige, immer wech selnde Scene schweifen. Kaum liegen wir vor Anker, so erscheint auch schon eine kurze stämmige Figur mit einem Vollmond-Gcfichtc, deren kleine, freundlich blitzende Augen große Zufriedenheit mit sich selbst und aller Welt verkünden — es ist Herr ') Whampoa ist eine Verhunzung von Uong-P», wie die Insel Hoang-pu (gelbe Buch«) in Como» heiß:.