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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Priinmnerationi-Preis 22j Silbergr. (j^ Th!r.) vierteljährlich, Z THIr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen Theilen der Preußischen Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Como., Iägerßrake Nr. 23), so wie von allen König!. Pos! -Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .G' 41. Berlin, Donnerstag den 4. April 1844. China. Ouchterlony's Beschreibung des Krieges mit China.') Dies ist die erste regelmäßige Geschichte des Krieges mit China, die bis jetzt erschienen; es ist die schlichte, ehrliche und parteilose Erzählung eines Kriegers, der überall großmüthige Sympathie für diejenigen fühlt, die von den unvermeidlichen Uebeln jenes Krieges leiden mußten. Wenngleich politische Parteien die Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit der Erpedition gegen China in Abrede stellten, so scheint man doch jetzt fast allgemein anzucrkennen, daß, wäre auch die Opium-Frage nie angeregt worden, der Ausbruch von Feinv- seligkeitcn in jedem Fall nicht lange auügeblieben wäre, da die Plackereien von Seiten der Mandschu-Dynastie seit der Gesandtschaft Lord Amhersts be ständig zunahmen und jeder kaufmännische Verkehr mit China immer gewagter und schwieriger wurde. Seitdem der kaiserliche Kommissar Lin zu Canton an der Spitze der Geschäfte stand, arbeitete man augenscheinlich darauf hin, alle Europäer, insonderheit aber die Engländer, aus den chinesischen Meeren zu vertreiben, und so blieb diesen nur die Wahl zwischen Fügsamkeit oder einer Kriegserklärung. Gleich zu Ansang der Feindseligkeiten stellte sich die taktische Ueberlegen- heit der Europäer so entschieden heraus, daß wir uns nicht wundern dürfen, wenn Capitain Elliot gern mit Kämpfen einhielt und zu Unterhandlungen schritt. Herr Ouchterlonp versichert uns, der Kaiser habe Lin'S Aufrichtigkeit in Zweifel gezogen, und es liegt am Tage, daß Ki-schen mit all seinen diplo matischen Kniffen ermächtigt war, einen Frieden abzuschließen. Man hat ferner Grund zu der Annahme, daß eine feingesponnene Jntrigue Lin'S, der gern wieder ans Ruder kommen wollte, den kaiserlichen Hof zur Verletzung des Vertrages von Ta-ku bestimmte. Ki-schen handelte zwar wortbrüchig, allein er that dies nicht eher, bis er die veränderte Politik seines Hofes erfahren, und verließ sich bis zum letzten Augenblicke mehr auf seine diplomatische Ge schicklichkeit, als aus seine Streitkräfte. Beim Wiederbeginn der Feindselig keiten ereignete sich ein Umstand, der die Schlechtigkeit des chinesischen Gouver nements in Helles Licht setzte. „Als das Treffen anfing, sah man, wie vier oder fünf Böte von Wang- tung abstießen and den Fluß hinanrudertcn. Zum nicht geringen Erstaunen unserer Leute eröffneten die Chinesen in der westlichen Schanze sogleich ein Feuer aus Flinten und Drchbassen auf jene Böte und fuhren damit fort, bis sie aus dem Gesichte verschwunden waren. Nachmals ergab sich, daß man jene Böte, die einzigen, die am Landungsplätze der Insel gehalten, dazu ge braucht hatte, um die vornehmsten Offiziere der daselbst stehenden Truppen und ihr unmittelbares Gefolge vom Schauplatz der Gefahr zu entfernen. Daher jenes Feuern, wodurch die unglückliche, so schmählich preisgegebene Garnison ihre Verachtung und ihr Rachegefühl unzweideutig genug auS- drückte." Im Vertrauen auf den Eindruck, welchen die Zerstörung der Forts an der Bocca Tigris hervorbringen würde, schloß Capt. Elliot nicht bloß einen neuen Waffenstillstand; er räumte sogar Tscheu-schan (Tschusan), ohne die kaiserliche Bestätigung des Vertrags abzuwarten. Allein Ki-schen'S Absetzung, die wüthcnden Proclamationen der Regierung und das verrätherischc Beneh men der chinMchcn Beamten an der Küste zeigten bald, daß an keinen Frieden zn denken wark Die in vollkommener Uebcreinstimmuug handelnden britischen Streitkräfte überwanden jedes Hinderniß, und Canton selbst wäre gestürmt worden, hätte nicht Capt. Elliot sich begnügt, die Stadt zu brandschatzen. Den Kriegszug des Jahres >842 leitete Sir Henry Pottinger nach einem Prinzipe, das auf Capitain Elliot'S fehlgeschlagene Unternehmungen gegrün det war. Man sah ein, daß die entscheidendsten Siege in den Provinzen durchaus keinen Eindruck auf den kaiserlichen Hof machten, eines Theils, weil die Mandschu-Dynastie wenig um die chinesische Bevölkerung sich kümmerte, und vor Allem, weil die Behörden falsche Berichte von ihren Niederlagen in bie Hauptstadt schickten. Man beschloß daher, die vornehmsten KriegS- Dperationen an den Fluß Aang-tsee-kiang zu verlegen, welcher mit dem großen Kanal-Systeme zwischen Süd- und Nord-China in unmittelbarer Verbindung steht. Auf diesem Zuge mußten die britischen Truppen mit einigen Bergvölkern kämpfen, die von den Mandschu's nie völlig unterjocht worden waren; sie fochten tapfer, allein das britische schwere Geschütz schmetterte sie schaarcnweise nieder. Diese unglücklichen Bergbewohner waren vornan, als ') "rii« Ltiill««« LU ä-eoullt ok »I! tbe NperLtiou» ok tUu 8riti,I> r°r°e», krom tk« oommellveweut Lo tl>o Hest? ok klsukuix» Ning-po den Engländern wieder entrissen werden sollte; und bei dieser Gele genheit fiel eine solche Menge von ihnen, daß sie seitdem gänzlich verschollen. „Viele dieser Leute" — sagt der Verfasser — „wurden verwundet aus dem Trümmerhaufen in der Vorstadt gezogen und von unseren Wundärzten in den Hospitälern behandelt. Sie hatten einen sehr muskulösen Gliederbau, niedrige zuriicktretende Stirn, breite, platte Nasen und einen wilden barba- rischen Ausdruck. Ohne Zweifel waren sie von der chinesischen Regierung für das Werk jener Nacht schon iin voraus gut bezahlt worden; denn man fand bei den Erschlagenen, außer ihren langen und scharfen Messern, kleine Beutel, die fast alle sechs Dollars enthielten. Ein Augenzeuge erzählt folgende Anekdote: „„Als ich mir durch Schutt und Leichen einen Weg bahnte, waren Viele darüber her, den Todten die kleinen Beutel abzunehmen, in welchen man die Dollars entdeckt hatte. Ein Soldat, der den Inhalt eines dieser Beutel zählte, ries mürrisch auS: Hol' Dich der Teufel — Du hast ja einen Dollar schon verpraßt; hier find nur fünf!"" Bei der Schlacht von Tsi-ki ereignete sich folgender Vorfall, den wir, als mit dem eben Erwähnten kontrastirend, mittheilen: „Als die Truppen den rechten Flügel der feindliche» Stellung umgingen und die Chinesen aus ihren Verschanzungen trieben, kamen sie durch einige Reihen Zelte aus dem Gipfel des Hügels. Einer der Offiziere bemerkte einen Verwundeten, welcher in der Ecke eines Zeltes auf einem Polster lag und stöhnte. Der Offizier reichte dem Unglücklichen, welcher, nach seinem Mützen knopfe zu urtheilen, ein Befehlshaber war, einiges Wasser und leistete ihm noch andere kleine Dienste. Als er eben das Zelt wieder verlassen wollte, faßt» ihn der Verwundete am Arm, deutete angelegentlichst auf einen Haufen Kleidungsstücke und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er denselben aufheben möge. Der Offizier that also, und siche da, eS lag ein schimmern der Haufe Seist-Silber darunter. Der Verwundete ersuchte ihn durch Ge- berden, das Geld mitzunehmen; der Offizier that dies, rief die Leute von seiner Compagnie zusammen und gab Jedem von der unerwarteten Beute einen Antheil. Als das Gefecht vorüber war, ging er mit einigen Leuten zurück, um das fernere Schicksal des dankbaren Unglücklichen zu erfahren; allein dieser war bereits mit dem Zelte, in welchem er gelegen, verbrannt." Zu den gewöhnlichen Gräueln des Krieges in Nord-China kam noch die wilde Verzweiflung der Mandschu, denen es unerträglich war, im Angesichte der von ihren Borältern unterworfenen Chinesen geschlagen zn werden. Diese Rasenden wollten gar keinen Pardon nehmen, und so oft sie aus einer Stellung vertrieben waren, ermordeten sie ihre Weiber und Kinder. Man lese nur dir Scenen, welche sich nach Erstürmung der Stadt Tschin-kiang-fu dem Verfasser darboten. „In dem Reviere der Mandschu's lagen viele Familien niedergemetzelt in ihren Häusern, ein Anblick, der Jeden ohne Ausnahme mit Wchmuth und Grausen erfüllte. Die Leichname der meisten kleinen Kinder fand man in den Frauen- Gemächern, als hätte jeder Familienvater die Seinigen erst zusammengetrie ben, ehe er sie abschlachtete; doch lagen auch viele ermordete Knaben unter den Leichnamen von Soldaten und Pferden auf offener Straße, als hätten sie ihren barbarischen Vätern zu entfliehen versucht. Einige dieser armen jungen Opfer fand man noch am nächsten Morgen im Todeskampfe, eS war sowohl diesen Kindern als vielen Anderen, die bereits ausgeathmet hatten, das Rückgrat cntzweigeschlagen! — Ein Zimmer in einem Hause, dessen Bewohner ein Mann von Rang und Ansehen gewesen scyn muß, enthielt sieben tobte und sterbende Individuen, deren feine Züge und Formen sie als einer höheren Klasse angehörcnd bezeichneten. Am Boden saß ein gebrechlicher in Thränen zerfließen der Greis, vergebens bemüht, zwei jungen Kindern, die recht eigentlich mit dem Tode rangen, vermittelst eines Löffels etwas Nahrung in den Mund zu flößen, und auf einem Bette daneben lag die Leiche einer schönen, jungen FLau. Ein seidenes Tuch um ihren Hals verhüllte die klaffende Wunde, die ihr das Leben geraubt hatte. Eine ältere, gleichfalls entseelte Frau schien vergiftet oder er drosselt zu sevn; denn ihre Züge waren verzerrt, die starren Augen waren ge öffnet und kein Blutflecken zu sehen. Diese lag auf einer seidenen Decke, und nicht weit von ihr ein durch den Hals gestochenes todtcö Kind. Die Leichen zweier anderen weiblichen Wesen hingen, mit gedrehten Tüchern um den Hals, an den Querbalken eines engen Erkers. Beide waren jung, die eine kaum aus den Kinderjahren; und trotz der schrecklichen Verzerrung ihrer Züge durch die Art ihres Todes konnte man wahrnehmcn, daß sie schön und liebreizend gewesen seyen. Der alte Mann, dessen sehr einfache Kleidung einen Bedienten oder Klienten der unglücklichen Familie anzukündigen schien, gab nur unverständliche Zeichen des trostlosesten Schmerzes von sich. Wir machten ihm begreiflich,