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46 an des Bäckers Thür die Gans gerochen und als ihre eigene erkannt hätten, und sich sonnend, in wollüstigen Gedanken an Salbei und Zwiebeln, tanzten diese jungen CratchitS um den Tisch und erhoben den Master Peter Cratchit zum Himmel, während er (nicht stolz, obgleich er an seinem Kragen fast er stickte) das Feuer anblieS, bis die trägen Kartoffeln, aufwallcnd, laut an den Pfannendeckel klopften, um herausgcnommen und abgeschält zu werden." Nachdem die Gans abgefcrtigt ist, wird der Pudding der alleinige Gegenstand von Jedermanns Gedanken. „Aber jetzt, da die Teller von Miß Belinda gewechselt werden, verließ MrS. Cratchit, indem sie zu nervös war, um Zeugen zu ertragen, das Zimmer allein, um den Pudding zu holen. „Gesetzt, der Pudding war nicht vollkommen auSgebacken! Gesetzt, er zerbricht, wenn er herausgenommen wird! Gesetzt, cs ist Jemand über die Mauer des Hinterhofs gestiegen und hat ihn gestohlen, während sie fröhlich bei der Gans saßen! eine Möglichkeit, die den beiden jungen CratchitS das Blut aus den Wangen trieb. „Holla! Welcher Dampf! Der Pudding war aus dem Kessel heraus. In einer halben Minute trat Mrs. Cratchit ein, ganz roth, aber stolz lächelnd, mit dem Pudding, welcher wie eine gesteckte Kanonenkugel aussah, so hart und fest war er. Bob Cratchit meinte, er halte cS für das Gelungenste, was MrS. Cratchit seit ihrer Hochzeit gemacht habe. Mrs. Cratchit sagte, nun da ihr der Stein vom Herzen scp, wolle sie gestehen, sie hätte ihre Zweifel darüber ge. habt, ob sie auch eine hinreichende Quantität Mehl genommen habe. Jeder mann hatte etwas darüber zu sagen-, aber Keiner sagte oder dachte, daß es für eine große Familie ein zu kleiner Pudding sey. Das wäre eine Ketzerei gewe sen; jeder Cratchit würde sich geschämt haben, dergleichen anzudeutcn." Endlich war das Diner abgemacht, das Tischtuch wurde abgcnommcn, der Heerd gereinigt und das Feuer angezündet. Nachdem die Mischung im Krug gekostet und als trefflich befunden worden, wurden Acpfel und Pomeranzen auf den Tisch gebracht und ein Haufe Kastanien ans Feuer gelegt. Dann versammelte sich die ganze Familie Cratchit um den Heerd in einem Kreise, wie es Bob Cratchit nannte, indem er einen Halbkreis meinte, und hinter Bob Cratchit'« Ellbogen stand der Glasschatz der Familie, zwei Sturzbecher und eine Eierrahmcnschale ohne Henkel. Eine Scene anderer Art wird uns bei dem Neffen ScroogcS, Charles und seiner Frau, vorgeführt- „Nach dem Thee hatten sie etwas Musik; dcnn sie waren eine musikalische Familie und wußten, was sie thaten, wenn sie ein Rundlied sangen, besonders Topper, welcher den besten Baß hcrbrummen konnte, ohne daß ihm je die großen Adern am Bordcrkops anschwollcn oder er im Gesicht roth ward. Scrooge'S Nichte spielte gut auf der Guitarre und spielte unter anderen Weisen ein einfaches, kleines Lied, welches dem Kind, das den Scrooge einst aus der Kostschule geholt, bekannt gewesen, wie der Grist der vergangenen Weihnachten ihn erinnert hatte. Als die Musik er- klang, traten ihm alle die Dinge, die der Geist ihm gezeigt, vor die Seele; er ward immer weicher und weicher und dachte, daß, wenn er darauf vor Jahren mehr hätte hören können, er die Süßigkeiten de« Lebens zu seinem eigenen Glück mit seinen eigenen Händen hätte kultiviren können, ohne zu dem Todtengräberspaten die Zuflucht zu nehmen, der den Jakob Marlep begraben hätte. „Aber sie widmeten nicht den ganzen Abend der Musik. Nach einer Weile nahmen sie Kinderspiele vor; denn eS ist gut, zuweilen ein Kind zu sepn, und besonders Weihnachten, wo der mächtige Stifter desselben selbst ein Kind war. Zuerst spielte man Blindekuh. Aber ich glaube so wenig, daß Topper wirklich blind war, als daß er Augen in den Stiefeln hatte. Meine Meinung ist, daß es ein abgekartetes Ding zwischen ihm und Scrooge'S Neffen war, und daß der Geist der gegenwärtigen Weihnachten eS wußte. Die Art, wie er jener drallen Schwester in dem Spitzcnstreife» nachging, war eine Persiflage auf die Leichtgläubigkeit der menschlichen Natur. Das Kamingeräth umwerfend, über die Stühle stolpernd, an da« Piano polternd, sich in die Vorhänge verwickelnd, kam er überall hin, wohin sie ging. Er wußte immer, wo die dralle Schwester war. Er wollte keinen Anderen fangen. Wenn du auf ihn heraus gefallen wärst, wie Einige thaten, so würde er einen verstellten Versuch gemacht haben, dich zu fangen, was eine Beleidigung deines Verstandes gewesen wäre, und würde sofort in der Richtung der drallcn Schwester fortgetaumelt sepn. Sie rief oft, das sey nicht ehrlich, und das war es auch nicht. Aber al- er sie end- lich sing, als er, nachdem sie unzählige Male mit ihrem seidenen Rascheln chm entschlüpft war, sie in eine Ecke drängte, von wo nicht mehr zu entkommen war, da war sein Benehmen abscheulich. Dcnn seine Behauptung, daß er sie nicht kenne, sein Vorgeben, er müsse ihren Kopfputz berühren und sich von ihrer Identität überzeugen, indem er einen gewissen Ring auf ihren Finger und eine gewisse Kette um ihren Hals drückte, war schändlich, unerhört. Wahr- scheinlich sagte sie ihm ihre Meinung darüber, als sie, während ein Anderer die Rolle des Blinden spielte, hinter den Vorhängen so vertraulich zusammen- stcckten." Doch wir eilen zum Schluß. Der letzte der drei Geister zeigt dem alten Scrooge die Schrecken eines einsamen Alters und Sterbebette« in furchtbarer Wahrheit. Dies, wie alles Andere, wird mit der Herrn Dickens eigenthüm- lichen Lebendigkeit und Färbung ausgcmalt, bis endlich der erschrockene Mann, indem er seinen finsteren, einsamen, unbeweinten Grabstein betrachtet, im Schlaf aussährt und „als ein weiserer und besserer Mensch" erwacht. Der Uebergang in die erste Abtheilung ist wirklich reizend. Scrooge springt munter aus dem Bett, kleidet sich rasch an, läuft lächelnd hinaus, tauscht mit vielen glücklichen Leuten eine „vergnügte Weihnacht"; gicbt einen reichlichen Beitrag für die Armen — zur Entschädigung für die Versäunmiß früherer Jahre — dem Nachbar, den er den Abend vorher abgewiesen; sendet den größten Trut-' Hahn, den er beim Gcflügelhändler finden kann, an seinen Schreiber Cratchit, und überrascht seinen Neffen und seine Nichte, indem er bei Tische zuspricht; und den nächsten Tag geht er in das kleine finstere Comtoir als ein fröhlicher Mann und beginnt die Geschäfte, indem er Cratchit S Gehalt erhöht. Westindien. Robert Schomburg! auf Poriorico. (Fortsetzung.) Bereits am Abend hatte ich mit dem Abbe Romeo verabredet, nächsten Morgen mit ihm die Frühmesse zu besuchen; ich war daher auch schon früh auf den Füßen, und um 8 Uhr bereits in der Kirche der Franziskaner. Auch ohne die Ermahnungen dcS Abbe, wußte ich nur zu gut, daß ich mich, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, den kirchlichen Gebräuchen unterwerfcn mußte. Eben tauchte ich meine Finger in den Weihkesscl, als sich uns eine hohe, jugendliche, weibliche Gestalt näherte, die ihr Frühgcbet in der Kirche verrichten wollte. Ohne an die Folgen zu denke», die für mich aus der Ent- dcckung, daß ich ein blerex« (Ketzer) sey, entspringen konnten, reichte ich ihr mit aller mir zu Gebote stehenden Zierlichkeit das Weihwasser dar. Doch mir war nie Ueberlcgung, einer schönen Frau gegenüber, gegeben, und daß mich in dieser letzten Hinsicht die schöne Gestalt der Dame nicht betrogen, zeigte sich mir augenblicklich, als sie den Schleier zurückschlug, um mit der schön geformten Hand die heiligen Zeichen zu machen. Hatte mich die Gestalt an gezogen, so überraschten mich die hohe, freie Stirn, die feurigen Augen, die ganze edle Gcsichtsbildung, ja selbst die Vorwürfe meines Abbe über meine Verwegenheit waren tauben Ohren und einem verstockten Herzen gepredigt. Von einem jungen Negermädchen begleitet, kniete die junge Dame vor einem der Heiligenbilder nieder, während wir unwillkürlich in ihrerNähe Platz nahmen. All' der Pomp der Messe konnte heute meine Aufmerksamkeit nicht fesseln, da ich mit meinen Gedanken nur bei der schönen andächtigen Beterin weilte, und für einen einzigen Blick ihrer glühenden Augen gern alle die Gold- und Silbertressen der damit überladencn Heiligen, zu der sie andachtsvoll empor blickte, hingegeben hätte. Als sie die Kirche verließ, stand auch ich auf und ge wahrte beim Heraustreten, daß mir der Abb«, ohne von mir aufgefordert zu sepn, ebenfalls gefolgt war. DaS Glück war mir günstiger, als ich erwarten konnte, dcnn die Dame wohnte in der Nähe meine- freundlichen Wirths, wo nach cS mir nun nicht schwer fallen konnte, ihren Namen zu erfahren, wie mir auch Herr M. auf meine Fragen nach den Bewohnern jenes Hauses mittheilte, daß er mit Herrn Hermanez und der schönen Donna Margarita genau bekannt und bereit sey, mich dort einzuführen. Als ich in Hrn. M.'s Frühstückszimmer trat, fand ich dort bereit« einen jungen Offizier mit einem unendlichen Namen in voller Thätigkeit; da er aber leider eben so schlecht französisch al« ich spanisch sprach, so konnte ich eben so wenig von seiner Unterhaltung, wie er von der meinen genießen; ich machte daher unterdcß innigere Bekanntschaft mit einigen einladenden Schüsseln und dem trefflichen Klaret, die für mich noch aufgetragcn waren, da sich der Spanier fast durchgehend« mit Früchten begnügt, und Herr M. aus Erfahrung wußte, daß Engländer, Deutsche und Franzosen die Ansicht hegten, daß nur solidere Speisen, selbst bei dem Frühstück, den innigen Zusammenhang zwischen Leib und Seele erhalten könnten. Unser Abbk war von Martinique nach Portorico gekommen, um durch die Vermittelung des Bischoss eine bessere Pfründe zu erhalten, als die, welche er dort bei Fasten und schmalen Biffen bekleidete; er hatte sich daher unmittel bar nach der Messe zu Sr. Eminenz begeben, um diesem den Wunsch seine« Herzens wieder ans Herz zu legen. Leider aber besaß Sc. Eminenz kein Herz für solch bescheidenes Begehren, denn unser jovialer Abb« zeigte bei seiner Rückkehr, daß seine ewig heiteren Züge auch einen höchst trübseligen Ausdruck annehmen konnten. Donnerstag, Sonn- und Festag Abends 8 Uhr ist gewöhnlich großer Zapfen, streich vor dem GouverncmentShauS und dem des Kommandanten der Festung. Die spanischen Damen, die ungeachtet ihres dunklen Teints den Einfluß der Sonne eben so fürchten, als meine schönen Landsmänninnen vom zartesten Kolorit, lassen sich des TageS nie sehen, «S sey denn auf dem Wege nach der Kirche. Wie jedoch der Abend herannaht, eilt Alles aus, um in den verschie- denen Läden die Neuangekommenen Stoffe zu besehen. Unsere Sprache hat kein besonderes Wort für dieses interessante Geschäft; denn Einkäufen kann man nicht sagen, da nichts gekauft, sondern Alles nur besehen, und der arme Commis einzig in der seltenen Tugend, der Geduld, geübt wird. Die Hoff nung, daß sich auch die schöne Margarita unter diesen Schaulustigen befinden möchte, ließ mich verstohlen die Bitte an Hcrrrn M. stellen, ehe wir zum GouvernementShause gingen, die Straße zu durchstreifen, in welcher die Aus- schnittlager der fashionablen Welt sich befänden. Welch ein Treiben und Leben hier und vor dem GouvernementShause! Wir fanden bereits eine Menge Dons und Donna s auf dem freien Platze vor letzterem versammelt, um den herrlichen Abend zu genießen und sich an der Musik zu erfreuen. Eben schlug cs acht, und mit dem letzten Glockenschlag gab die türkische Trommel das er sehnte Zeichen zum Anfang. Ich muß gestehen, meine Erwartungen wurden weit übertroffen; die Musik war ausgezeichnet, und ich hatte nichts mehr zu beklagen, als daß sie zu kurze Zeit währte. Vom GouvernementShause setzte sich dann der Zug durch mehrere Straßen und Gäßchen über den Marktplatz nach dem Hause dcs Kommandanten in Bewegung, wobei Hörnermufik mit der vollen Janitscharenmufik abwechsclte. Der Herr Kommandant hatte einige Töchter, diese Cousinen, Freundinnen und Freunde, und so wurde mir