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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Prei« 22 r Silbergr. Mr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Posi-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 10. Berlin, Dienstag den 23. Januar 1844. Lappland. Ein Winter in Lappland. Ain IZ. Juni 1838 verließ die französische Korvette „la Recherche" den Hafen zu Havre und wandte sich nordwärts. Auf derselben befand sich eine Kommission, welche von der Regierung beauftragt war, wissenschaftliche Beobachtungen aller Art anzustcllcn, damit auch Frankreich an dem Ruhme Antheil erlange, welchen Holland, England und Rußland durch ihre zahl- reichen UntersuchungSreiscn nach dem Nordpol sich erworben hatten. Am 27. Juni landete die Korvette zu Drontheim, in der alten Hauptstadt von Norwegen, wo sie einige schwedische, norwegische und dänische Gelehrte an Bord nahm, die sich im Auftrage ihrer Regierungen der Expedition anschlossen. Einige Tage darauf segelte man weiter, gelangte zunächst nach Hammerfest, einer kleinen Stadt von 8000 Einwohnern an der äußersten Spitze der skan dinavischen Halbinsel, wandte sich von hier gegen Spitzbergen und lief am 28. Juli in den Meerbusen von Bellsonnd, der unter dem 77. Grade nörd licher Breite liegt. Doch verweilte man zum Bedauern der Gelehrten hier nur kurze Zeit und kehrte schon am 12. August nach Hammerfest zurück, wo sich die Kommission thcilte. Einige Mitglieder derselben durchzogen die skan dinavischen Gebirge, um über Stockholm und Kopenhagen nach Frankreich zurückzukehren; andere reisten direkt mit der „Recherche" wieder heim; die Herren Lillichook und Siljeström, schwedische Physiker, Lottin und BravaiS, französische Marine-Offiziere, und Bevalet, Zeichner, aber blieben in Lappland, um den Winter über physikalische und besonders meteoro logische Beobachtungen zu veranstalten. Nachdem sie die benachbarten Küsten, striche besucht hatten, entschlossen sie sich, Bossekop, einen kleinen Ort im Innern einer tief einschneidenden Meeresbucht, zu ihrem Aufenthalt zu wählen. Die im Norden sich auSbreitendcn Gebirge sind hier nicht so hoch und liegen nicht so naht, daß sie die Beobachtung der Nordlichter beschränkten ; der Him mel ist nicht, wie zu Hammerfest, von steten Nebeln verhüllt, und das Thermometer sinkt in Bossekop tiefer als in Hammerfest, wo selten mehr als fünfzehn Grad Kälte eintreten und viele Erperimente sich daher noch gar nicht vornehmen lassen. Aufstellung der Instrumente. Die Personen waren in Bossekop bald untergebracht. Die beiden Fran zosen mietheten sich bei einem Kaufmann ein, die beiden Schweden in zwei verschiedenen Bauerhäusern; doch wie sollte man die Instrumente beherbergen? Die Korvette hatte Barometer, Thermometer, Aktinometer, Pyrheliometer, Teleskope, ungeheure Kompasse und selbst einen Apparat zur Grabung eines artesischen Brunnens ans Land gesetzt, welche alle in einem weiten Saale noch wüst über einander lagen. Zunächst beschäftigte man sich mit der Ein richtung eines astronomischen Observatoriums und kaufte zu diesem Zwecke ein kleines hölzernes Gebäude, welches man, da eS eine ungünstige Lage hatte, aus einander nahm und auf dein Gipfel eines Hügels wieder zusammen setzte. Nun ließ man massive Untersätze für die Instrumente und einen Ofen im Laboratorium aufführen, auch einen artesischen Brunnen graben, uin die Temperatur der verschiedenen Erdschichten beobachten zu können. Diese Ge schäfte wären in einem civilisirten Lande sehr bald beendet gewesen; hier aber, wo man mit unwissenden und ungeschickten Lappen und Finnen zu thun hatte, waren sie mit großer Mühsal verbunden, und die Geduld der Gelehrten hatte harte Prüfungen zu bestehen. Dazu kam, daß man der Landessprache un kundig war, das Französische, Schwedische und Norwegische stets unter ein ander warf und dabei doch gewöhnlich nur durch Zeichen sich verständlichen konnte. Nachdem man ein astronomisches Observatorium glücklich zu Stande gebracht hatte, errichtete man deren noch fünf an verschiedenen günstig ge legenen Punkten und stellte daselbst magnetische und meteorologische Apparate auf. Zugleich pflanzte man in einiger Entfernung vom Ufer einen Mastbaum in das Meer, den man in Grade getheilt hatte, welche durch schwarze Ringe bezeichnet waren, und an dem man mit bewaffnetem Auge aus der Ferne stets die Höhe des Meercsstandcs erkennen konnte; denn die Beobachtung der Ebbe und Fluth ist für den Astronomen fast eben so wichtig wie für den Schiffer, da man die Anziehungskraft des Mondes erst dann wird vollständig beurthcilen und dadurch sein ganzes Verhältniß zur Erde näher bestimmen können, wenn man die Einflüsse, welche die Dichtigkeit und der Wärmegrad der Luft, die Beschaffenheit der Küsten und die Winde auf diese Fluctuation des Meeres üben, genau kennt. Der gestirnte Himmel. Der nordische Himmel bot den französischen Astronomen einen völlig neuen Anblick. Der Polarstern, der in Paris kaum eine Höhe von 49 Graden er reicht, stand hier fast im Zenith. Viele Sternbilder, die in Frankreich nur in der Abenddämmerung unklar zu sehen sind, blieben die ganze Nacht hin durch am Himmel; während andere, die bei uns nicht untergehen, nur fern am südlichen Horizont auftauchten; so erscheint der Sirius nur wenige Minu ten über den schwarzen Gipfeln der Gebirge. Bald nach ihrer Ankunft in Bossekop hatten unsere Beobachter schon Gelegenheit, das interessante Phäno men wahrzunehmen, daß der Mond in den nördlichen Gegenden an dem Tage des Septembers, an welchem er voll wird, einige Augenblicke früher aufgeht, als am vorhergehenden Tage, während er sonst bekanntlich überall auf der Erde jeden Tag etwa drei Viertelstunden später aufgeht. Auch beschrieb die Sonne schon immer kleinere und kleinere Kreise; am 17. November gewahrte man sie in der Mittagsstunde nur noch halb, und am folgenden Tage erschien sie nicht mehr. Nur ein falbes Licht, das mit jedem Tage schwächer wurde, zeigte sich gegen Mittag noch am südlichen Himmel. In der Zeit des Solstitiums (21. Dezember) war dieses Licht zu einem kaum wahrnehmbaren Schimmer geworden, und das ganze Land lag in ewiger Nacht begraben. Mit dem Januar nahm dieser Schimmer wieder an Glanz zu, und am 30sten dieses Monats stieg unter allgemeinem Zujauchzen der Einwohner, welche aus den Fenstern sahen oder auf erhöhten Plätzen standen, das ersehnte Gestirn neu empor. An diesem Tage arbeitet Niemand; man tanzt, man zecht und wünscht sich gegenseitig Glück zu der Auferstehung der Sonne. Dann werden auch die zahlreichen Wetten entschieden, welche während der ununterbrochenen Nacht durch die Abweichungen der Uhren veranlaßt worden find. In der That hat man, sobald die Sonne nicht mehr ausgeht, kein Mittel, die Uhren zu regeln, und man muß fich aus die Nichtigkeit ihres Ganges verlassen; so rühmt Jeder die seine und setzt die der Anderen herab, und ein Einwohner von Hammerfest bot der Kommission getrost eine Wette an, weil die Chrono- Meter derselben, welche jedoch genau mit einander übereinstimmten, von seiner schwarzwaldcr Wanduhr abwichen. Der Augenblick, an welchem die Sonne erscheint, hebt alle Zweifel, da er präcis den Mittag bezeichnet. Von diesem Tage verweilt die Sonne täglich länger, bis sie zuletzt nicht mehr untergeht. Sie neigt sich alsdann gegen Mitternacht dem Horizonte zu; doch anstatt hin ter den Bergen zu verschwinden, hebt sie fich bald wieder und beginnt einen neuen Kreislauf; so daß im Sommer ein eben so langer ununterbrochener Tag herrscht, wie im Winter eine Nacht, und sie find beide gleich anstrengend und ermüdend. Seit mehreren Jahren haben die Sternschnuppen die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich gezogen. Indem man die Anzahl derselben ungefähr zu bestimmen suchte, fand man, daß sie zu gewissen Zeiten des JahreS, z. B. in der Nacht vom 13. zum 14. November, besonders häufig find. Um ihre Beobachtungen sicherer und vollständiger zu machen, theilten fich unsere Meteorologen. Lottin und Lillichook blieben in Bossekop, Bravais und Silje- ström begaben sich nach Jupvig, der Wohnung eines Kaufmanns, welche am Ausgang eines großen Seitenarmes der Bucht lag. Sie hatten dadurch den doppelten Vortheil, daß sie einen größeren Kreis am Himmel beherrschen und durch Vergleichung ihrer Höhenbercchnungen die Richtigkeit derselben prüfen konnten. In Jupvig angelangt, ließen Bravais und Siljeström ein Zelt auf einer Anhöhe aufschlagen, damit derjenige von ihnen, welcher während der Nacht die Uhr und den Bleistift führte, wenigstens einigermaßen gegen die Rauhheit des Wetters geschützt sey. Ein großes Feuer wurde im Innern des Zeltes angezündet; doch hierdurch entstand ein solcher Rauch, daß die Beiden nur an der Thür, den Rücken gegen den Hcerd gewandt, bleiben konnten. Zum Glück fiel das Thermometer am Nachmittage bedeutend und hielt fich über Nacht auf vier Grad Kälte; doch nun folgten mit kurzen Unterbrechungen dichte Schnecschauer, welche alle Beobachtungen hinderten, und der Himmel wurde im Laufe der Nacht wohl zwanzigmal heiter und wieder bewölkt. Dies mochte der Grund seyn, weshalb unsere Meteorologen in jener Nacht nur cinunddreißig Sternschnuppen wahrnahmcn; und sie mußten ihren Eifer noch thcuer genug bezahlen, indem der Eine am Fieber mehrere Tage danieder lag und der Andere eine Augenentzündung bekam. In der Nacht vom 7. zum 8. Dezember zeigte das Thermometer 20—23 Grad Kälte; keine Wolke zog über den Himmel, und diesmal zählten Lottin und Bravais während andert halb Stunden zwciundfunfzig Sternschnuppen. Während derselben Nacht hatte man, nach späteren Berichten, auch in China, zu New-Haven in Nord- Amerika, zu Brüssel, Parma und Toulon besonders viele Sternschnuppen be-