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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeralionS-Preis 224 Silbergr. li Th!r.) vierteljShrlich, z Tdlr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beil u. Cvmp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post > Aenuern, angenommen. Literatur des Auslandes. Berlin, Sonnabend den 20. Januar 1844. England. O'Connell und die Anfänge der Repeal-Bewegung. Nach E. A. Moriarty. Wir haben in Nr. 139 und den folgenden Blättern unseres Magazins vom November v. I. einen ausführlichen Artikel über das irländische Parla ment und die Union mitgethcilt, der, obwohl von dem Gesichtspunkte aus gehend, daß die Klagen Irlands gerecht sepen, doch die in England selbst wie auf dem Kontinent vorherrschende Ansicht festhielt, daß eine Anflösung der Union eben so nachtheilig für das irländische als für das englische Interesse scpn würde. Anderer Ansicht in dieser Beziehung ist eine vor kurzem von einem Landsmanne O'Connell'S, Herrn E. A. Moriarty, in deutscher Sprache hcrausgegcbene kleine Schrift über den irländischen Agitator und die Zustände seines Vaterlandes °) — eine Schrift, die viele schätzenswerte Data zur Er klärung dessen enthält, was sich vor unseren Augen in Irland begiebt, und die durch den eben vor der Grand-Jury beginnenden Prozeß gegen O'Connell ein neues Interesse erhält. Bei dem stets von uns befolgten Grundsätze, in Bezug auf Fragen, deren historische, politische oder literarische Motive noch nicht aufgehellt sind, eben so die eine wie die andere Ansicht kennen zu lernen, theilcn wir aus dieser beredten Verteidigung O'Connell'S, von welchem der Verfasser sagt: „Ge- schrieben hat er selbst die Geschichte seines Vaterlandes bis zum Jahre 1829; von da an hat er sie gemacht", ein Kapitel mit, das von dem ersten Auftreten des Agitators nach Erlangung der Emancipation der Katholiken handelt und das um so charakteristischer für die Bezeichnung seiner Wirksam keit ist, als darin mehrere seiner mit wahrhaft prophetischer Kraft abgefaßten Reden an und über Irland enthalten sind. In der Schrift selbst ist zugleich eine Uebersetzung der historischen Denkschrift mitgetheilt, die O'Connell im Februar 184Z mit einer Widmung an die Königin von England veröffentlicht hat und in welcher die prägnantesten Züge der Unterdrückungsgeschichte seines Vaterlandes vom l2. bis zum 19. Jahrhundert zusammengestellt sind. „Im Februar 1830 wurde das englische Parlament wieder eröffnet, und O'Connell nahm zum erstenmale seinen Sitz im Hause der Gemeinen ein. Er trat sogleich auf bei der Debatte über die Antwort auf die königliche Rede, bei welcher Gelegenheit er mehrere Angaben des Kanzlers der Schatzkammer in Betreff Irlands berichtigte. Die Art und Weise, auf welche die Emancipation errungen war — die offene Feindseligkeit des englischen Volkes, welche bei dieser Gelegenheit sich kundgab — das kleinliche, gehässige Benehmen der Regierung in der Voll führung dieser Handlung bloßer Gerechtigkeit — ihre Schüchternheit im Guten und ihre Entschlossenheit im Bösen — dies Alles zeigte dem Sieger O'Connell nur zu deutlich, daß der Genuß der errungenen Rechte einzig und allein von einer fortwährend drohenden Stellung abhing. Er erkannte bald, daß die Hauptstärke Englands in der Tiefe seiner religiösen — wenn auch zuweilen geheuchelten — Gefühle wohne. Der Engländer, welcher durch ununter brochenen Fleiß sich Vermögen genug erworben hat, um der Ruhe pflegen zu können, widmet sich gewöhnlich der Verbesserung des Ackerbaues und einem frommen Lebenswandel. Nachdem er sein Haus mit Teppichen und schweren Vorhängen hinlänglich nach außen geschützt hat, ist seine erste Sorge, sich mit so viel religiösem Enthusiasmus zu versehen, als nöthig ist, um eine behagliche innere Wärme zu erhalten und seinen geistigen Comfort zu be wahren. Gerade zu diesem Zwecke ist die anglikanische Kirche besonders segensreich; keine Kirche bietet, wie diese, den religiösen Hausbedarf für diejenigen, welche ein thätiges kaufmännisches Leben geführt haben und etwa mit dem sechzigsten Jahre beginnen, vorzüglich an ihr Seelenheil zu denken. Die Lehre» dieser Kirche sind gerade streng genug, um ihre Mitglieder fühlen zu lassen, daß eS etwas Schweres und folglich etwas Verdienstvolles ist, sich denselben zu fügen; und zu gleicher Zeit sind sie gerade mild genug, um im Geiste des Protestantismus jeden inneren Zweifel zu gestatten. Der neuere PuseyismuS ist eine natürliche Folge der katholischen Emancipation. Seine Entstehung ist leicht erklärlich durch die einfachsten Vernunftgründe: Seit der Reformation in England war das einzige Prinzip der protestantischen Kirche ein negatives — daS Verleugnen dcS Katholizismus. So lange, als beide Kirchen im Streite lagen, wurden alle entdeckten Schwächen der katholischen Lehre als Schönheiten der protestantischen Lehre betrachtet. Mit dem Auf- -) Leben und Wirken O'Connell'S mit dessen Denkschrift an die Königin von England, Bon E. A. Moriarty. Mit dem Bildnisse O'Connell'S. Berlin, Trautwein, ins,. hören dieses Streites verschwand Alles, was die anglikanische StaatSkirche von den vielen Privatkirchen unterschieden hatte. Alsbald erwies sich die Nothwendigkeit, durch die Einführung verschiedener Förmlichkeiten und ein strengeres Halten auf gewisse Glaubenssachen eine augenfälligere Absonderung zu bewerkstelligen. Der Glaubenseifer, welcher jetzt seine Befriedigung im PuseyismuS findet, machte sich ehemals Lukt im Kampfe mit Rom, und wie jener Tory aus der alten Schule seinen Haß gegen alle Vorurtheile und — die Franzosen aussprach, eben so liebte der moderne Engländer völlige reli giöse Freiheit und — protestantische Oberherrschaft. Um den für das katholische Irland höchst gefährlichen Folgen dieses feurigen Glaubenseifers Englands entgegen zu wirken, sah sich O'Connell genöthigt, einen eben so mächtigen Hebel zu suchen, um unter seinen Lands leuten eine entsprechende Gegenwehr dem Andrange des englischen Volkes gegenüber zu bilden. Diesen fand er auch: er sprach das kühne Wort „Repeal" aus. Mit diesem einen Worte zündete er ein Feuer an, welches alle Klaffe» des irischen Volkes erglühen machte — ein Feuer, das, einmal entbrannt, niemals wieder erlöschen sollte. An ihm konnte er die Fackel an zünden, von deren schaurigem Scheine beleuchtet, die feindlichen Maßregeln der englischen Negierung immer einen etwas grauenhaften Anstrich gewannen. Er brauchte es nur anzuschüren, um cs aus einem glimmenden Zustande hell auflodern zu lassen. In dieses Feuer warf er und verbrannte darin unzählige Parlaments-Akten, die Statuten der Orangisten, die vielen RcgistrationS- Bills Stanley's und die alten wurmstichigen Charten und Privilegien sämmt- licher irländischen Corporationen; ja, vor seiner Gluth sind sogar Ministerien gewichen. Kaum einen Monat im Parlament, brachte O'Connell bei Gelegenheit einer Bittschrift der Stadt Drogheda den Widerruf der Union zur Sprache, und obgleich er sich fast allein sah bei der Abstimmung darüber, so hatte er doch seinen Zweck erreicht. O'Connell gründete sogleich einen Verein zur Aushebung der Union und richtete eine Reihe von Sendschreiben an das irische Volk, um eS zur thätigen Mitwirkung aufzufordern. Aus diesen Briefen theilen wir die folgenden kräftigen Stellen mit: „„Nein, ich weine nicht länger um Irland; ich zittere nicht länger um sein Geschick. Der Versuch ist gemacht, und das Resultat konnte nicht trium- phircnder seyn. Die letzten Wahlen haben daS Metall erprobt, woraus des irischen Volkes Seele gebildet ist, und es hat sich erwiesen, das dieses Metall köstlicher, daß eS, obgleich zerschlagen, schärfer als brunirter Stahl, reiner als jungfräuliches Gold sey; ein so lauterer, furchtloser, uneigennütziger und leben diger Geist der Vaterlandsliebe, wie er sich während der letzten Jahre und namentlich während der neuesten Wahlen in Irland gezeigt hat, ist eine seltene Erscheinung in der Menschengeschichte. Man kann zwar sagen, daß die fran- zöfischen Wähler sich eben so gut gehalten haben ; aber dann vergesse man nicht, daß den Franzosen die Kugelung zu Gute kommt, eine Art des Votirens, bei welcher Jeder seine Stimme nach Fug und Gewissen mit vollkommener Sicher- heit abgeben kann. Betrachten wir den großen Vortheil, welchen die fran zösischen Wähler durch die Kugelung voraus haben, so behaupte ich keck, daß die Iren in patriotischem Benehmen den Franzosen oder jeder anderen euro päischen Nation vorangehen. In dieser, wie in sittlicher und religiöser Hin sicht spricht sich die Ucberlegenheit des irischen über das englische Volk sehr bestimmt und entschieden aus. Was Schottland anbelangt, so flicht dieses karge Volk jede patriotische Aufwallung wie die Pest, und Schriftsteller, Red ner und Staasinänner haben sich, mit wenigen höchst ehrenwerthen Ausnahmen, auf die Seite des diebischen Despotismus der niederträchtigen Oligarchie Eng- lands geschlagen. Der Kontrast, welchen Irland darbietet, ist in der That er freulich. Denke man nach über die moralische Gesammtwirkung, welche die Anstrengungen und Belehrungen deS Katholikenvereins in diesem Lande hcr- vorbrachtcn. Das Volk zeigte sich diesen Belehrungen empfänglich; es hegte die innigste Ueberzeugung, daß endlich ein Verein von Männern entstanden, die keinen anderen Wunsch und keinen anderen Zweck kannten, als die Freiheit und das Glück Irlands. Das Volk nahm daher unsere Rathschläge mit herz lichem Beifall auf und befolgte sie mit Lust und Eifer. Die größte physische Kraft, welche je durch moralische Triebfedern — ohne Anwendung irgend einer Art von Gewalt und ohne einen Tritt über die Schranken der Ordnung — aufgeboten ward, brachte der Katholikenverein in eine friedliche, gesetzliche und verfassungsmäßige Bewegung. Das Ergebniß war unausbleiblicher Erfolg. Freudig verweile ich bei den glänzenden Punkten in der unglücklichen Geschichte meiner Heimat. Glanz ist aber nur, wo irischer Geist waltet. Alles Andere ist trüb' und dunkel, wenn, wie meist geschah, englische Gewalt obsiegte. —