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IN Karl der Große war, und ich will Dir solche Soldaten geben, wie Du ge. nannt hast." VXXXVUI. Die normannischen Wölfe und die englischen Hunde. Als der König von England in der Normandie jagte, kam ein Wolf und stellte sich den Hunden entgegen. Ein normannischer Soldat, der den Wolf in Lebensgefahr sah, stand ihm gegen die Hunde bei und befreite ihn. Als aber der König, der sich darüber wunderte, nach der Ursache dieser Hand lungsweise fragte, so antwortete er, daß er die normännischen Wölfe mehr liebe, als die englischen Hunde. (Schluß folgt.) Italic«. Oper und Schauspiel in Neapel. (Schluß.) Am nächsten Sonnabend geht's gerade wieder so. Selten währt eine solche Posse länger als vierzehn Tage. Nicht eine eristirt weder gedruckt noch handschriftlich. Altavilla selbst, wenn er einen Augenblick Muße hätte, könnte ohne Zweifel in seinem Gedächtnisse nicht wieder auffinden, was er Alles an Witz und augenblicklicher Phantasie verschwendet hat. Und doch verdiente gar manche jener in den Wind gestreuten Ideen länger zu leben und sorgfältiger bearbeitet zu werden. Es ist traurig, zu sehen, wie eine so herrliche Kraft unter dem Drucke gebieterischer Forderung sich aufreibt. Meliere nahm, wo er fand. Es läßt sich denken, daß auch der Dichter von Sau-Carlino sich nicht schämen wird, von seinen Nachbarn zu borgen. Fremde Dramen, Vaudevilles, Tragödien, Alles ist willkommen, um den Plan zu einer Posse zu leihen. Das wahre Improvisations-Genie Altavilla's zeigt sich in der Benutzung eines Ereignisses der laufenden Woche, eines Kapitels der Tagesgcschichte, eines Journal-Artikels. Das Theater della Fenice ver fährt eben so, und die Konkurrenz gebietet, nichts unbenutzt vorüber zu lassen. Ich habe während meines dreimonatlichen Aufenthaltes in Neapel wohl sechs solcher Gelegenhcitsstücke gesehen. So wohnte im Hotel della Vittoria eine russische Dame, welche sich nie sehen ließ und nur des Nachts ausfuhr. Alsbald verbreitete sich daS Gerücht, daß diese Dame einen Todtenkops habe und demjenigen unermeßlichen Reich- thum verspreche, der sie ungeachtet dieses gefährlichen Uebelstandcs heiraten wolle. Die ehrlichen Fischer und Lazzaroni, eben so leichtgläubig als Don Pancrazio, versammelten sich bereits vor dem Hotel, in der Hoffnung, daß sich die Dame zeigen würde, und fühlten ihrem Muthe weislich den Puls, ob sie auch im Stande seyn würden, den ersten Anblick zu ertragen. Alsbald laS man auf dem Zettel des Theaters della Fenice: l.» I>onn« ovlt» sekera üi mono. Das Stück sprudelte von Späßen und war vortrefflich gelungen. Eines jener Werke, aus denen man ersieht, daß die italiänische Literatur mit Bolzen nach Spatzen schießt, weil ihr das Pulver verboten ist, gewährte dem Altavilla gleichfalls eine komische Idee. Es war, glaube ich, ein mytho logisches Buch, in welchem weitläufig über die elysäischen Felder gehandelt wurde. Am nächsten Sonnabend Abend fragten Pancrazio und seine betagte Ehehälfte einander, ob dieses Paradies der Alten nicht auf Erden liege, und versprachen demjenigen ihre Tochter zur Frau, der sie dahin führen würde. Natürlich kamen der Liebhaber, daS Fräulein und Polichinello sogleich überein, die Alten zu täuschen. Einer verkleidete sich als Jupiter, der Andere als Merkur, und Pancrazio wird mit verbundenen Augen in einen Garten geführt. Plötzlich aber erscheint das Dienstmädchen, welches an der Thür gehorcht hatte, in der Gestalt Diana's, mit zwei Küchenjungen, die in Halbgötter vcr- kleidet ihren Wagen mit Höllenspektakel begleiten. Die anderen Götter er greifen bestürzt die Flucht. Jupiter springt vom Throne, Juno fällt langaus auf die Erde, Merkur wirft seinen Caduccus in die Nesseln und entläuft ans Leibeskräften. Das hatte weder Sinn noch Verstand, aber cs war zum Todtlachen. Die Fabel vieler dieser Stücke ist ein bloßes Lustgebild, das der Wind ver jagt. Der Reiz besteht in der Naivetät der Arbeit, der Anspruchslosigkeit und dem Talente der Schauspieler. Um ein Quiproquo ist Altavilla nie verlegen; Polichinello's Faselei und Pancrazio's Dummheit stehen ihm auf die bequemste Weise zu Diensten. Polichinello antwortet auf eine haldgehörte Frage drei- mal; ja! während er nein sagen will; und Pancrazio mit seiner schweren Zunge braucht rin Wort für ein anderes. Die Personen, deren Charaktere dem Publikum bekannt sind, dienen den satirischen Absichten des Dichters vortrefflich. Dadurch allein, daß eine Klaffe der Gesellschaft, ein Laster, eine Leidenschaft, unter der Maske Poli- chincllo's oder der Perrücke Pancrazio's dargestellt wurden, hat sie das Lächerliche bereits erreicht. Man braucht nur von ihnen zu reden, um sich auf ihre Kosten lustig zu machen. Altavilla ist besonders ausgezeichnet in der Darstellung von Charakteren aus dem Volke. Er kennt die Sprache der Fischer, der Lazzaroni, der Hökerinnen und des Landvolkes. Ihre Schwächen, ihr Aberglaube, ihre Leidenschaften gewähren ihm die herrlichsten Scenen, und auch das Partenon zieht seine Frucht davon. Oft leihen die kleinen Theater Stoffe von den großen, und ein frostiges, langweiliges Stück wird unterhaltend, wenn es die Scene ändert. So hatte die Truppe der Fiorentini ein Lustspiel gegeben unter dem Titel „nach sieben undzwanzig Jahren". Altavilla gestaltete es zu einer Posse um. Pancrazio war von Seeräubern gefangen worden und kehrt nach sicbcnundzwanzig- jähriger Abwesenheit nach Neapel zurück. Alles in seiner Familie ist umgewan- delt. Er bringt Sitte und Sprache seiner Zeit mit, und man spottet über ihn. Man stellt sich, als begriffe man den neapolitanischen Dialekt nicht mehr. Donna Pancrazia spricht französisch, die Kinder radebrechen nur italiänisch. Das Hauswesen ist auf englischen Fuß eingerichtet. Als der gute Mann seine Macaroni verlangt, bringt man ihm eine Taffe Thee. Seine Schwie gertochter schilt und hofmeistert ihn bei jeder Gelegenheit. Er entdeckt ein Komplott der Kammerjungfer», welche ihm sein Silberzeug stehlen wollen. Ein Abenteurer hat seine Enkelin verführt und will sie in der Nacht ent führen. Pancrazio sicht sich in die Nothwendigkeit versetzt, seine Kinder um eine Unterredung zu bitten, während Frau und Schwiegertochter ausgegangen sind, und erzählt ihnen seinen Kummer in lächerliche» und rührenden Aus drücken. Ich glaubte einen Augenblick, daß diese S.ene klassisch werden würde, unter Molicre's Händen wäre sie sicher hinreißend geworden. Aber Altavilla hat leider nicht Zeit zur Ausführung und behandelt die schönsten Stellen eben so leicht hin, wie eine Marktschreicrposse. Die, wenngleich kurze, väterliche Verzweiflung des armen Pancrazio erregte mir eine tiefe Bewe gung , denn es ist nichts rührender, als die Vermischung des Komischen und Empfindsamen. Die Jtaliäner benutzen diese herrliche Vereinigung zu wenig, obgleich sic gerade ihrem Charakter so zu Gebote steht. Shakspeare's Humor hat bei weitem nicht diesen Reiz, weil die Ironie der Combination stets einen bitteren Beigeschmack verleiht. Auch phantastische Vorstellungen läßt sich das neapolitanische Publikum gern gefallen, wenn sie nur amüsant sind. Dort kennt man das tiefe Geleis der Gewohnheit nicht, in welchem unsere Theater sich direkt zur Langcnweile Hin schleppen. Wir leihen unser Ohr mit Vergnügen hundert Abgeschmackt heiten, wenn sie nur aus dem wirklichen Leben geschöpft sind, und wider setzen uns mit falschem sogenannten gesunden Menschenverstände jeder origi nalen und neckischen Idee. Das kommt daher, weil wir weit weniger beab sichtigen, uns zu unterhalten, als vielmehr, uns ein Ansehen zu geben, Mei nungen zu äußern und Urtheile zu fällen. Während der vicrzchntägigen Fastenzeit sind die Masken auf den Thea tern Neapels durchaus verboten, und Polichinello verwandelt sich in den Pas- cariello. Das ist ebenfalls ein schelmischer, faseliger, ausschneidcnder und naschhafter Diener, aber minder phantastisch als Polichinello. Seine Scherze verlieren mit der halben Maske etwas von ihrer Kraft. Die anderen Rollen bleiben Jahr aus Jahr ein unverändert. Die alte und naive Gewohnheit, das Publikum anzurcden, hat sich in San-Carlino und La Fenice erhalten. Don Pancrazio, Komiker vom Scheitel bis zur Zehe, erfindet jeden Abend in Compagnie mit Altavilla eine neue geistreiche Wendung, mit welcher er daS Stück des folgenden Tages oder die Benefiz-Vorstellungen ankündigt. Am Tage vor dem Schluffe der Theater während der Marterwoche war ich in San-Carlino in der Loge einer neapolitanischen Dame. Don Pancrazio hielt seine Allocution in folgender Wcise: „Meine Herren, ich habe viel Kinder, die alle gesunde Zähne besitzen und eine ganze Schüssel Macaroni wie eine Feige verschlingen. Außerdem haben sie mir so viel Gläser zerbrochen, daß ich sie muß aus der hohlen Hand trinken lassen. Ferner muß ich sie künftige Woche mit Ostereiern bedenken. Meine Kollegen und der Herr Direktor wollen mir freundlichst zu Hülse kommen und am Tage der Wiedereröffnung zu meinem Benefiz ein neues Stück zur Auf führung bringen. Wir werden die Guape (die Renommisten) geben, und ich empfehle mich Ihrer Großmuth." Darauf machte der Schauspieler im Kostüm die Runde durch den Saal und ersuchte die Honoratioren, ihre Logen gefälligst für die Benefiz-Darstellung zu behalten. — Ich hätte das Stück gern gesehen, aber am Oster.Montag reiste ich »ach Sicilicn, und bei meiner Rückkehr war cs bereits von den Brettern verschwunden (k. ff. ?.) Guiana. Robert Schomburgk'S Reisen im inncrn Guiana. Wir sind in den Stand gesetzt, über die Schicksale und Entdeckungen des wackeren deutschen Reisenden auf seiner neuesten Unternehmung in das Innere Guiana's etwas Ferneres mitzutheilcn. °) Robert Schomburg! und seine Begleiter befanden sich gegen Ende Juli 1842 am Strome Kaphu, und zwar in sehr bedenklichen Umständen. Die Lebensmittel waren knapp und wenig Aussicht auf ein baldiges Obdach vorhanden. Die Ufer des Flusses find ein Paar Tagereisen unterhalb seines Entstehens von Tschikiana-Indianern be- wohnt; und weiter ostwärts ist das Gebiet des furchtbaren Stammes Kortoi- pityan oder der Tapir-Indianer. Diese Wilden werden von den übrigen Stämmen als Menschenfresser beschrieben. Sie sollen ihre Feinde verzehren und aus den Schädeln der Besiegten Trinkgefäße machen. „Anlangcnd jene kriegerischen Weiber, die Amazonen Amcrika's" — sagt Herr Schomburgk — „so konnten wir über sie keine genaue Kunde einziehen. ') Man vergleiche Nr. W—urj des vorjiihrigen Magazins,