Volltext Seite (XML)
WSchenNick erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preii 224 Sildergr. (r Th!r.) vierttijödrlich, Z THIr. für dn< ganze Jahr, ohne Erhöhung, >» aUcn Theiien der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von feder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Como., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. . » » . ' !!!. 80. Berlin, Sonnabend den 5. Juli 1843. Frankreich. Die Herrschaft der Pompadour. Nach Arsene Houssaye. Ein Pastellgemälde von Delatour, im Louvre, zeigt uns Frau von Pom- padour im vollen Glanze ihres Ruhmes und ihrer Schönheit. Die Marquise fitzt an einem Tisch, der mit Buchern bedeckt ist, nuter denen mau Montes« quieu'S „Geist der Gesetze" und die „Encyklopädie" erkennt, jene zwei monu« mentalen Werke, die während ihrer Herrschaft erschienen. In einem aufge. fchlagenen Buche sicht man einen Kupferstich, den Bildhauer Guap darstellend, wie er an einer Büste Ludwig'S XV. oder seiner Gebieterin meißelt. Die Marquise ist im eigenen leicht gepuderten Haar fristrt, trägt ein offenes Ge wand mit großen Ranken und Hacken-Pantoffel, die des Fußes einer Orien- talin würdig wären. Auf dem stolz geschwungenen Halse ruht ein Kops von wunderbar koketter, zarter und graziöser Schönheit; die Stirn ist hoch und streng, die Lippen, ein wenig zusammengekniffen, drücken Willenskraft und Spott aus, die Augen find von lebhaftem Glanze, die Naic vollkommen schön; ihre Züge voll Adel und selbst voll Würde, die ein wenig durch die Erinnerung an die kleinen Soupers von Versailles gedämpft wird. Die Gesichtsfarbe ist blühend und zart, und wenn man dieses Meisterwerk von zauberischem Reiz betrachtet, fängt man an Ludwig XV. zu begreifen, der Frankreich fallen ließ um der Marquise von Pomvadour willen. Ludwig XV., der Sohn eines Königs, war eigentlich zum General- Pächter geboren, das heißt nichts zu thun als gut zu essen, die Frauen, das Vergnügen und bas Geld zu lieben; Frau von Pompadour, die Tochter eines General-Pächters, war eine geborene Königin, sie liebte die Macht, den Aufwand, die Künste, kurz Alles, was zum Glanz veS Königthums gehört. Zn Frankreich haben die Frauen zu allen Zeiten, von Fredegunde an bis aus die Pompadour, fich gegen das salische Gesetz aufgelehnt; der gründliche Ge schichtsforscher sollte mehr den Einfluß der Frauen als den der Männer auf das Geschick von Frankreich studiren. Die Geschichte der Frau von Pompadour ist eigentlich völlig unbekannt, und doch strahlt ihr Name im vergangenen Jahrhundert mit größeren« Glanze als der Ludwig'S XV. Man hat viel über fic geschrieben; die Einen haben ihre Tugenden, die Anderen ihre Verbrechen übertrieben, Beide find aber im Zrrthum. Ein Höfling und ein Mann, der fich rächen will, find schlechte Biographen; wenn man die Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts mit ein wenig Geduld durchblättert, wird man manchen treuen Zug dieser reizen, den Erscheinung sammeln können; wie aber soll man den düsteren Ehrgeiz eines Herzens enthüllen, daS fich vor Jedermann hinter einem beständigen Lächeln verstecktes Man kann Vanloo, Delatour, Boucher fragen, denen fic oft zum Portraitiren saß, ob fie je die Geheimnisse ihrer Liebe oder ihrer Politik ihr ablauschen konnten. Es giebt unechte, 1768 in Lüttich herauSgegebene Memoiren, aus denen man nichts erfährt; es spricht in ihnen keine Frau, sondern ein politischer Schwätzer. Jin Jahre 1768 erschien in London ein Band unter dem Titel: „Treue Geschichte der Marquise von Pompadour, Geliebten des französischen Königs und ersten Schloßdame der Königin, enthaltend die geheimsten Me moiren des Hofes von Frankreich, vom Beginn ihrer Macht an bis zu ihrem Tode." ES war die Uebersetzung eines Werkes der Demoiselle Fouque, einer ehemaligen Nonne, berühmt durch ihre Romane und ihre galanten Abenteuer. Dieses Leben der Pompadour war in Holland gedruckt und die ganze Auf lage vom Gesandten aufgekauft worden, was ihren Wiederabdruck an einem anderen Orte nicht verhinderte, wie das gewöhnlich bei derlei Kaufverträgen geschieht. Im Jahre 1772 gab man in Paris Briefe der Frau von Pompa dour heraus; einige sind von ihr, die anderen werden aber Crebillon dem Heiteren zugeschriebcn, der lange Zeit ein vertrauter Freund der Marquise war. Der Abbe Soulavie gab 1802 „Memoiren des französischen HofeS zur Zeit der Gunst der Frau von Pompadour" heraus, die Piel Interessantes, einige Wahrheiten, aber auch unendlich viel Lügen enthalten. Endlich er schienen 1824 die Memoiren der Madame Duhausset, Kammerfrau der Mar quise, nichts als eine verworrene Apologie ihrer Gebieterin. Der anderen Geschichtsschreiber von allen Farben, die über sie bei Gelegenheit aburthcilcn, wollen wir nicht weiter gedenken. Im Jahre 1720 wurde Frau von Pompadour in Paris geboren; sie selbst pflegte 1722 als ihr Geburtsjahr anzugcben. Der Mann ihrer Mutter, Poiffon, war Lieferant bei der Armee, Andere sagen Schlächter bei den In« validen, und wurde zum Hängen verurtheilt; nach Voltaire wäre sie die Tochter eines Pächters von Ferte-sous-Jouarre. Ihr wahrer Vater aber ist der General-Pächter Lenormant von Tourncheim, der sie auch zu fich nahm, als Tochter erzog und ihr die Namen Johanna Antoinette gegeben hatte; bis zu ihrcin sechzehnten Jahre wurde sie Johanna genannt. Von Kindheit an zeigte sic eine leidenschaftliche Vorliebe für Musik und Zeichnen, und die aus gezeichnetsten Lehrer wurden in das Hotel Tourncheim zu ihrem Unterricht berufen. Bald rühmte man ihren Geist, und Fontenelle, Voltaire, DucloS und Crebillon, die als Schöngeister im Hotel Zutritt hatten, sprachen überall preisend von ihrer Schönheit, ihrer Anmuth und ihren Talenten. Sie war daS Musterbild einer schönen und zugleich niedlichen Frau; die Züge ihres Gesichtes trugen den Stempel aller Harmonie und Reinheit der Raphaelischen Schöpfungen; an die Stelle des erhabenen Ausdrucks aber, der die Gestalten jenes Meisters verherrlicht, war die lächelnde geistvolle Lebhaftigkeit einer Pariserin getreten; sie besaß im höchsten Grade alle jene Eigenschaften, die der Physiognomie Glanz, Anmuth und Beweglichkeit verleihen. Keine Dame des Hofes hatte ihre edle und zugleich kokette Haltung, ihre gebietenden und doch so zarten Zügc, ihren eleganten, geschmeidigen Wuchs, und ihre Mutter sagte unaufhörlich von ihr: Nur cin König ist meiner Tochter würdig! Von früh an keimte in Johanna die Sehnsucht nach dem Throne auf, zuerst durch die Einflüsterungen ihrer Mutter, und später glaubte sie wirklich den König zu lieben. Voltaire sagt von ihr in seinen Memoiren, sie habe beständig eine geheime Vorahnung davon gefühlt, daß der König sie einst lieben müsse, und fie selbst hätte eine heftige Neigung für ihn gehegt. Es giebt im Leben ge wisse Tage, wo man sein Schicksal im voraus ahnet; Alle, welche auf den herben Gipfel menschlicher Eitelkeiten gelangten, erzählen, wie ihnen von frühester Jugend an ihr künftiger Ruhm durch Viflonen und Vorspiegelungen verkündet wurde. Wie aber sollte sie den Thron von Frankreich erklimmens Bis ihrer Sehnsucht die Befriedigung reifte, suchte sie fich mit dein Leben einer schönen geistvollen, immer bewunderten und angestaunten Königin vertraut zu machen; zu ihren Füßen lagen alle Höflinge des Reichthums ihres Vaters, und um sich versammelte fie alle Dichter, Künstler und Gelehrte, denen sie schon voll Hoheit ihren Schutz angedeihen ließ. Der General-Pächter hatte einen Neffen Lenormant d'EtioleS, einen jungen liebenswürdigen Mann, von adligen Sitten und Gewohnheiten. Dem Gesetze nach war er der Erbe aller der ungeheuren Neichthümcr seines Onkels, doch Johanna hatte auch ein Anrecht an dieselben, und so griff man denn zu dein einfachsten Mittel, diese beiderseitigen Ansprüche zu befriedigen; man verheiratete die jungen Leute mit einander. Johanna, die den König schon liebte, heiratete d'EtioleS, ohne von ihrem Gesichtspunkt abzulassen; Ver- sailles allein war ihr Horizont. Ihr Gemahl liebte sie leidenschaftlich, bis zur Vergötterung, fie blieb ungerührt und duldete diese Liebe mit Ergebung wie ein Unglück, das nicht von Dauer seyn könne. DaS Hotel der Ncuvcr. mahlten in der Straße Croir-des-PctitS-Champs war auf fürstlichem Fuße eingerichtet; die Salons, die bis dahin am meisten Mode gewesen, wurden verlassen, um den der Madame d'EtioleS zu füllen, denn nirgends in Frank, reich wurde ein unverschämterer LuruS getrieben; Alles war darauf berechnet, bei Hofe Aufsehen zu erregen und die Neugierde des Königs zu reizen. Unter Festen und Schauspielen flossen die Tage dahin; die berühmtesten Schau spieler, die Dichter, Künstler und alle Fremde vereinigten fich in dem glän zenden Hotel, dessen Leben und schönste Zierde die Dame des Hauses war; die ganze seine Welt sah man dort versammelt, nur der König fehlte. ES hatte in Frankreich, vom Hotel Rambouillet an, immer Kreise von Schöngeistern gegeben, in welchen eine Frau ä la moüe den Vorsitz führte. Ludwig XlV. haßte diese Vereinigungen, weil der Hof fich dadurch in die Hotels von Paris zerstreute. Und wirklich besaßen auch für Viele die Zirkel der Herzogin du Maine, der Marquise Lambert, der Frau von Tencin und der Madame Geoffrin mehr Anziehungskraft als die veralteten Feste von Ver- sailles. Eigentlich begann in diesen Kreisen die französische Revolution, denn man verlachte dort schon ein wenig die Mächte der Erde; die Philosophie und Freiheit hatten vollen Spielraum. Bei Madame Lenormant d'EtioleS sah man den alten Fontenelle, der an nichts, selbst nicht an sein Herz glaubte; den noch jungen Voltaire, der alle Waffen seines Geistes in Anspruch nahm, uin gegen die Gewaltigen der Erde, besonders gegen die Jesuiten, Krieg zu führen; die beiden geborenen Spötter und Skeptiker Montesquieu und Mau- pertuis; Abbe Bernis war der „Abbe des Hauses", denn er besaß damals weder eine andere Abtei, noch ein anderes Benefiz, und batten die Frau und