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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. PrönumeriUionS.Preis 22 z Silbergr. (j THIr.) viertetiShriich, Z THIr. für dnS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägeestraße Nr. 25), so wie ron allen Königl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 4/ 110 Berlin, Sonnabend den 13. September 184S. Nord-Amerika. Staat und Kirche in Nord-Amerika. In einer Zeit, wie die unsrige, wo die religiösen Interessen so vorherr schend die allgemeine Aufmerksamkeit beschäftigen und namentlich die Fragen, die das Verhältniß zwischen Kirche und Staat betreffen, eine so außer ordentliche Wichtigkeit erlangt haben, verdient gewiß eine Schrift, wie die des amerikanischen Geistlichen Robert Baird „über die Religion in den Vereinigten Staaten", die höchste Beachtung. Bekanntlich ist Nord-Amerika dasjenige Land, wo zum ersten Male in der Weltgeschichte das System der Freiwilligkeit oder der gänzlichen Unabhängigkeit der Religion vom Staat, und zwar keineSwegeS zum Nachlheil der Religion, seine Verwirklichung ge funden hat. Der Verfasser des genannten Werks schildert uns, wie dieses Prinzip dort allmälig zur Herrschaft gekommen, und wir erlauben uns, aus diesem lehrreichsten Theile seiner auch bereits von L. Burnier in das Fran- zöstsche übersetzten Schrift hier Einiges mitzutheilen. Zuerst giebt uns der Verfasser einen geographischen Uederblick Nord- Amerika's. Sodann macht er uns mit den Ureinwohnern bekannt, die zur Zeit, als die europäischen Niederlassungen begannen, in acht verschiedene Racen gelheilt, im Osten des Mississippi wohnten, während gegenwärtig nur noch hunderttausend Individuen von ihnen übrig find, welchen die Regierung der Union einen großen Landstrich westlich vom Missuri und Arkansas zum Wohnplatz angewiesen hat. Es folgt dann eine kurze Geschichte der Kolo- nisirung: bekanntlich sind hundertsünfundzwanzig Jahre verflossen von der Gründung Virginiens im Jahre 1607 bis zu der von Georgien (1732). Die Auswanderung nach dem Mississippi, oder die Kolonisirung des Innern, hat erst vor 63 Jahren begonnen; dieselbe bewegt sich von Osten nach Westen, ohne eine Seitenrichtung nach rechts oder links einzuschlagen. Es find hauptsäch lich Individuen angelsächsischer Abstammung, welche Neu-England und die Staaten New-Jork, Neu-Jersey, Delaware und Pennsylvanien kolonisirt haben; die Bevölkerung der südlichen Staaten ist eine gemischtere. Als charakteristische Züge der Amerikaner im Allgemeinen bezeichnet Herr Baird Beharrlichkeit, ernsten Sinn, Leutseligkeit, Gastfreundschaft und individuelle Thatkrast, worunter er die Neigung versteht, mehr auf die eigene Kraft als auf den Beistand der Regierungen zu zählen; diese Züge scheinen ihm hin reichend, um den Anspruch dieses Volks auf einen National-Charakter zu rechtfertigen, obgleich map ihm zuweilen einen solchen abgesprochen hat. Wie sollte auch die verschiedene Abstammung der Entwickelung eines National- Charakters auf lange Zeit hinderlich scyn, wenn ein ganzes Volk durch die Lokal-Verhältnisse auf eine und dieselbe Art von Thätigkeit angewiesen ist? Die Kolonisirung eines großen Theils von Nord-Amerika hängt bekannt lich mit den Religions-Verfolgungen zusammen, deren Schauplatz England im I7tcn Jahrhundert war. Herr Baird erzählt hier die Ereignisse, welche eine Anzahl von Puritanern veranlaßten, zuerst in Holland, dann jenseits des Oceans ein Asyl zu suchen. Die beiden Fahrzeuge, welche die Ersten dieser Auswanderer nach Amerika hinübertrugen, liefen am 22. Dezember 1622 in den Hafen des Kap Cod ein. Man zeigt noch den Felsen, auf welchem sie landeten und mit welchem gewissermaßen die Kolonisirung Nen-Englands an fing. Bevor sie den Fuß ans Laud setzten, hatten sie sich durch einen feier- lichen, mit ihren Unterschriften versehenen Vertrag unter einander verbunden; sic erklärten darin, die Reise unternommen zu haben „zum Ruhme Gottes, zur Verbreitung des christlichen Glaubens und zur Ehre ihres Königs und ihres Vaterlandes, um in diesem Lande eine erste Kolonie zu gründen", und fügten hinzu, „daß sie sich vor Gott unter einander verbänden, um nur Eine bürgerliche und politische Körperschaft zu bilden". Dies waren die Anfänge der Kolonie Plymouth, der ältesten von Neu-England. ES herrschte hier eine vollkommene Vermischung des geistlichen und weltlichen Regiments; die Ange legenheiten der Kirche wurden hier ganz wie alle übrigen behandelt; es ist dies ein Punkt, der wohl zu beachten ist. Den politischen Unruhen Großbritaniens muß man das schnelle WachS- thum der Kolonieen Neu-Englands während der ersten zwanzig Jahre zu- schreiben; 21,000 Kolonisten kamen während dieser Zeit hinüber. Von 1640 bis 1660 dagegen, in der Zeit der großen Parlaments-Kriege und des Crom- wellschen Protektorats, nahm die Bevölkerung eher ab als zu. Uni die auf die Colonisation bezüglichen Thatsache» in ihrem Kontrast darzustellcn, erzählt fie Herr Baird weder in chronologischer, noch in geographischer Ordnung: er geht von den Kolonisten Neu-Englands zu denen des Südens und von diesen zu den Kolonisten der zwischen inne liegenden atlantischen Staaten über. Im Norden sind die Flüchtlinge vorzüglich Rundköpfe, im Süden Kavaliere: die Einen wandern aus, um ihrem Glauben treu zu bleiben, die Anderen, um dem gleichzeitigen Sturz von Thron und Altar auszuweichen. Die in der Mitte liegenden Staaten verdankten ebenfalls der Religion einen großen Theil ihrer Bewohner, und man kann im Allgemeinen sagen, daß die Verfolgung die Vereinigten Staaten bevölkert hat. Wurde eine Sekte in Europa ver folgt, so floh sie nach der neuen Welt: Maryland wurde von Katholiken, Pennsylvanien von Quäkern kolonisirt; die französischen Hugenotten und selbst die polnischen Dissidenten lieferten ebenfalls ihr Kontingent. Die meisten Kolonisten waren Protestanten. Nicht Alle hatten freilich ihr Vater land aus Religionsgründen verlassen; viele Auswanderer wurden bloS von dem Wunsch, sich zu bereichern, getrieben; aber selbst diese waren meist in Bezug auf Sittlichkeit den Haufen, die in unseren Tagen sich auf Amerika stürzen, weit überlegen. Zur Zeit der ersten Auswanderungen gab eS kein christliches Land, wo die Kirche nicht eng mit dem Staat verknüpft war und wo man nicht glaubte, daß beide Institutionen dazu bestimmt seyen, sich gegenseitig zu stützen. Die ersten Kolonisten waren weit entfernt von dem Gedanken, die Verbindung, die fie überall zwischen der Kirche und der weltlichen Gewalt bestehen sahen, aufzuhebcn; ihr eifrigster Wunsch ging vielmehr dahin, politische Gesellschaften zu gründen, deren Verfassung die Fortschritte der Frömmigkeit am meisten begünstigte. Die Kirchen, die sich in Neu-England bildeten, nahmen fast alle die Form an, die man in den Vereinigten Staaten den Congregationa- liSmuS nennt; weit entfernt, ohne offizielle Verbindung mit dem Staat zu bleiben, unterhielten sie vielmehr ein sehr enges Verhältniß zu ihm. Ueberall sah man die Gesetzgebung für die Bestreitung der Kultuskosten Sorge tragen. I» der Kolonie der Massachusetts - Bay nahm man im Jahre 1631 folgendes Gesetz an: „Damit die Gcsammtheit der Bürger nur aus rechtschaffenen und guten Menschen bestehe, soll Keiner von nun ab politische Rechte genießen, wenn ^r nicht Mitglied einer der Kirchen der Kolonie ist." Die Kolonieen von Maine, New-Haven und Connecticut gaben ähnliche Gesetze. In den Kolonieen des Südens hatte die Verbindung von Staat und Kirche die furcht barsten Folgen: die Charte Jakob'S I., durch welche Virginien einer Gesell schaft überlassen ward, bestimmte ausdrücklich, daß die Ansiedler sich den Lehren und Gebräuchen der anglikanischen Kirche unterwerfen und ihren Glauben an die vom Souverain bekannten Dogmen eidlich bekräftigen müßten. Die Gesellschaft ging bei Abfassung der Gesetze für die Kolonie ganz in den Geist dieser Charte ein; nach dieser Gesetzgebung, die glücklicher weise bald außer Gebrauch kam, war Galeerenstrafe auf die Vernachlässigung des Gottesdienstes, Geld- und Peitschenstrafe auf das Unterlassen der häus lichen Gebete gesetzt; den Fluchern sollte die Zunge durchschnitten, und die, welche gegen einen von den Artikeln deS christlichen Glaubens sprachen, mit Tode bestraft werden. Es war dies ganz daö System, das so lange in Europa Vie Oberhand gehabt. Selbst als diese Gesetze außer Gebrauch kamen, blieben doch die Bestimmungen, welche die Nichtübereinstimmung mit den Artikeln der anglikanischen Kirche nnd die Versäumung des KirchenbesuchS be straften, noch lange in Kraft. Die gleichen Privilegien einer StaatSkirche genoß die Episkopalkirche in Maryland, in den beiden Karolinen und in New- Aork. Gegen das Ende der Kolonial-Periode waren nur zwei Provinzen, Rhode-Island und Pennsylvanien, wo die weltliche Gewalt nicht ihren Ein fluß im Interesse einer privilegirten Kirche geltend machte; überall anderswo hatte ein bestimmtes kirchliches System die Herrschaft oder den Vorrang, im Norden der CongrcgationalismuS, im Süden das Episkopat. Herr Baird untersucht mit vieler Unparteilichkeit die guten und schlechten Resultate dieser Verbindung von Kirche und Staat in Amerika. Allerdings wurde dadurch den Kolonieen frühzeitig die Verkündigung des Evangeliums gesichert; aber er ist überzeugt, daß auch ohne den Beistand des Staats die Kolonisten, deren religiöse Auswanderungsmotive man kennt, für jene Ver kündigung gesorgt hätten. Auch hat jene Einheit von Kirche und Staat während der ersten Zeiten dazu gedient, von den Kolonieen des Nordens, wo der CongrcgationalismuS die Form der Staats-Religion war, diejenigen, die einem anderen kirchlichen System zugethan, so wie die unruhigen Indivi duen, die dem ernsten Zweck der Gründer fremd waren, zu entfernen. Dies find die von unserem Verfasser hervorgchobcncn Vorthcile. Was die Nach theile der Union betrifft, so darf man nur daran erinnern, daß aus der Ber. Mischung des Weltlichen und Religiösen gehässige Verfolgungen hervorgingen. Herr Baird führt dafür viele Beispiele an. Die Geschichte von MaffachuffettS,