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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeratienS-Preis 22 j Silbcrgr. (s Tblr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von leder Buchhandlung (in Berlin del Deit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 93. Berlin, Dienstag den 5. August 1843. Asiatische Türkei. Die Ruinen von Ninive. °) Unter den großen Städten des Altcrthums sind Babplon und Ninive die einzigen, von deren prächtigen Bauwerken keine Spur über der Erde geblieben ist. Hätten die arabischen Kaineeltreiber nicht bis heute den weiten Hügcl- reihen, unter denen ihre Ruinen vergraben liegen, die Namen Babel und Nemiveh bewahrt, so wüßte Niemand die Stelle zu zeigen, wo sie einst blühten. Die Uebcrreste dieser gottverfluchten Städte waren den sorgfältigsten Forschungen entgangen, und einige Stücke einer unverständlichen Inschrift blieben lange Zeit die einzige Beute, welche die Gelehrten von ihren Zügen nach dem reichen Ninive znrückbrachten. Brennender Staub und zerbröckelte Kalksteine bedecken weithin den Boden, denn die Königinnen Asiens sollten vom Erdboden verschwinden, ihre Gebeine zerstreut, ihre Asche dem Winde preisgegeben werden. So hatte es der Herr verkündigt durch den Mund seiner Propheten. Vor 20Z0 Jahren versank Babplon, vor 2470 Ninive, und seitdem ist nichts gesehen worden von der Stadt der SemiramiS noch von der des NinuS. Aber die wißbegierigen Reisenden suchten emsig weiter; ein Stück Keil schrift, ein bemalter Baustein crmuthigten sic, und wenn eS ihnen gelang, einen heiligen Onpr oder ein anderes Amulet der chaldäischen Priester zu finden, so verließen sie zufrieden die Orte, wo der Meder Cparares den Thron Sanherib's zertrümmert und Belsazar bei seinen gottlosen Gelagen geschwelgt hatte. Wer diese Einöden sah, die noch mehr durch den göttlichen Zorn als durch den Glanz ihrer Könige berühmt geworden sind, der mußte sich sagen: die Prophezeiung ist in Erfüllung gegangen! Den Historikern war eS nicht ge lungen, auch nur eine sichere Thatsache aus dem Gewirre sich widersprechen der Traditionen zu gewinnen, aber der Archäolog durfte nicht die großen Werke des Nimrod und Ninus, der Semiramis und Nitokris auf ewig ver loren geben. Die Pagoden und Idole Indiens hatten sich erhalten, die Bild werke der Perser und Acgppter waren bekannt, unv zwischen den Persern und Aegpptern wohnten ehemals zahlreiche, mächtige und gebildete Völker, von denen die Sage ging, daß sie ihre Siege durch Skulpturen und Monumente verherrlicht hätten. Eine affprische Bildhauerei war also vorhanden gewesen und wieder verschwunden, und die ehrenvolle Ausgabe der AlterthumSforscher wurde es, nicht zu ruhen, bis diese Lücke in der Geschichte der Kunst würde au-gefüllt sepn. An den Ufern des Tigris, in der Nähe von Mofful, enthüllte sich endlich da- tausendjährige Gehcimniß. Mofful liegt auf dem rechten Ufer des FluffeS, auf dem linken erheben sich zwei Anhöhen, an welche sich auf jeder Seite ein großer Bogen von Hügeln anschlicßt, die augenscheinlich die Ueberreste einer starken und hohen Ringmauer sind. Von den beiden Anhöhen ist die eine künstlich, denn sie trägt überall Spuren von gebrannten Steinen und hat außerdem eine ziemlich regelmäßige Gestalt. Die andere ist natürlich, obgleich sich an ihr ebenfalls noch schwache Andeutungen einer Mauerarbeit verfolgen lassen. An diese lehnt sich ein arabisches Dorf, das noch heute den Namen Nemiveh führt oder auch Nebi-Unus (das Grab des Jonas) genannt wird, weil man daselbst in einer kleinen Moschee den vorgeblichen Grabstein jenes Propheten aufbewahrt. Der Stein wird von den Arabern so heilig gehalten, daß sie ihn von keinem Fremden besehen lassen, und also nicht ausgemacht werden kann, ob er wirklich affprische Schriftzeichcn trägt. Innerhalb dieser Mauer-Ucberreste kann man nun seine Forschungen anstelle«, leider aber bietet der Boden durchaus keinen hervorstechenden Punkt dar, der vorzugsweise zu Nachgrabungen aufforderte. Nur der erwähnte künstliche Hügel, der breite, mit Erdharz verkittete Zitgelreihen zeigt, scheint auf eine Spur führen zu können. Er ist auch aus mehreren Seiten von verschiedenen Reisenden näher untersucht worden, hat aber keine Ausbeute geliefert. So standen die Sachen, als Herr Botta, ein verdienstvoller AlterthumSforscher, zum französischen Konsul in Mofful ernannt wurde. Er ließ bald nach seiner Ankunst die Aus grabungen wieder aufnehmen und begann dieselben an jener Anhöhe, an deren Zu Anßmgc dieses Jahrganges sNr. Illj erwähnten wir in einer kurzen Notiz, daß et dem franzögschcn Konsul Botta in Mogul gelungen seh, Ueberreste des alten Ninio« zu entdecken. Die nachfolgende ausführlichere Schilderung dieser drinehalb Jahrtausende alten Ruinen verdanken wir der kevu« Sc« Seu« lUouSe,, in welcher der Architekt Flandin, der von der französischen Regierung beauftragt worden war, die aufgefundenen Denkmäler an Ort und Stelle zu untersuchen, einen Theil von den Ergebnissen seiner Reise bekannt gemacht hat. Fuße, wie wir oben sagten, da-Dorf Nemiveh liegt. Er fand außer den eigentlichen Bausteinen noch Stücke einer grauen, gppSartigen Masse, welche Andeutungen früherer Skulpturen zeigte, die, so viel man sah, geschickt ge- meißelt waren und einen eigenthümlichen antiken Charakter hatten. Leider aber waren dies nur einzelne unzusammenhängende Stücke, und eS gelang nicht, daraus irgend einen Schluß zu ziehen. ES scheint, daß dort, wie an vielen anderen Orten, aus den Steinen der Ruinen spätere Bauten aufgeführt worden sind, von denen das untersuchte Stück der Anhöhe ein Ueberbleibsel war. So weiß man z. B., daß das arabische Städtchen Hellah ganz aus Trümmern der Stadt Babylon erbaut ist, wie aus seiner Lage und den Keil- Inschriften auf den Steinen hervorgeht. Die Häuser in der Stadt Mofful selbst zeigen auf den Ziegeln dieselbe gppSartige Masse, die von Botta bei Nemiveh gefunden wurde. Noch heute ist die Umgegend dieses Dorfes eine unerschöpfliche Fundgrube an Baumaterial für die Uferbewohner des Tigris. Hieraus läßt es sich erklären, daß Ninive und Babplon allmälig der Erde gleichgcmacht wurden und so wenige und unvollkommene Spuren ihrer Bau- werke sich erhalten haben. Botta hatte bereits einen Monat lang seine Nach grabungen bei Nemiveh ohne Erfolg fortgesetzt, als ihm ein Bauer die Kunde von einer weit ergiebigeren Stelle brachte und ihn vermochte, seine Arbeiter nach dem Dorfe Chorsabad, vier Stunden von Mofful, zu schicken. Er ging mit geringen Hoffnungen hin, wagte indeß den Versuch, da er zu der Ein sicht gekommen war, daß sich hier systematische Forschungen nicht anstellen ließen und nur ein glücklicher Zufall zu einer Entdeckung verhelfen konnte. Chorsabad wird von Kurden bewohnt und liegt auf einer Anhöhe in der Mitte der Ebene. Diese Anhöhe ist unregelmäßig geformt; da sich jedoch immer noch einige Winkel an ihr erkennen lassen und sie völlig isolirt steht, so war nichtsdestoweniger anzunehmen, daß sie Menschenhänden ihren Ursprung ver- dankt. Auf dem wellenförmigen Plateau, das den Gipfel der Anhöhe bildete, fand Botta an fünfzig Häuser von ziemlich ärmlichem Aussehen. Sein Führer war stolz aus das Vertrauen, das er einflößte, vorzüglich aber darauf, daß er Dinge zeigen konnte, auf welche die Europäer so viel Werth lege», er, der so gleichgültig über diesen Schätzen geschlafen und seine Pfeife geraucht hatte. Ja, er erbot sich, die Untersuchungen alsbald in seinem eigenen Hause anstcllen und, wenn eS »öthig wäre, dasselbe niederreißen zu lassen, voraus- gesetzt, daß man ihm eine anständige Entschädigung gäbe. Man überzeugte sich nach einer oberflächlichen Besichtigung de- Boden-, daß die ärmliche Hütte ohne Rettung fallen muffe, denn eS war wirklich drin gender Verdacht vorhanden, daß sie über einem alten assyrischen Palastr stehe. Für ein paar Piaster war der klassische Boden gekauft, die Hütte stürzte und unter den Schlägen der Hacken zersprang die Erdkruste, die fünfundzwanzig Jahrhunderte treu die Schätze der Tiefe geschützt hatte. Erst zeigten sich glän. zende Steine, dann kamen größere Stücke, endlich konnte da- Eisen nicht weiter dringen. Man mußte die langen Blöcke umgraben, um sie locker zu machen, und ze schwieriger dies war, je mehr Widerstand sich zeigte, desto höher spannten sich die Hoffnungen. Ein Stück brach los, eS war ein präch. tiger Kopf von antikem Styl mit einem unbekannten Haarputz und einem langen gekräuselten Bart. Er gehörte einer bis dahin nicht gesehenen Rich tung der Bildhauerei an und konnte höchstens mit den Köpfen der Statuen von PersepoliS verglichen werden. Dies war mehr als ein Anzeichen, es war eine wirkliche Entdeckung, denn der Stein, auf dem sich dieses Relief befand, war groß und mußte mehrere Figuren enthalten; ja eS schien, als würde man solche Steinplatten an verschiedenen Stellen des Hügels finden. Diese Hoffnungen wurden glänzend erfüllt. Der Punkt, von dem man auSging, war überaus günstig gewählt. Indem man in einer Richtung fortgrub, fand sich eine ganze Folge von Steinplatten mit Reliefs, und bald war es klar, daß man sich über einer Mauer befand. Eine Strecke weiter wendete sich die Mauer in einem rechten Winkel seitwärts, dann setzte sie sich wieder in der ersten Richtung fort, kurz, man war in einem Saale. In der einen Wand entdeckte man sogar den Anfang einer Thür und jenseits derselben eine fünfte Wand mit Skulpturen. Diese Entdeckungen wurden natürlich nicht im Laufe einiger Tage gemacht. ES dauerte einige Zeit, ehe man crrieth, nach welchem Plane gegraben werden mußte, die Arbeiter waren ungeübt, das Erd- reich hart, und eS erforderte einen Monat, ehe zu Tage kam, was wir eben erwähnt haben. Botta ließ in dieser Weise ei» halbes Jahr weiter graben und hatte zu Ende desselben gegen ZOO Fuß an Reliefs ans Licht gefördert. Sie waren freilich ein wenig beschädigt, aber dessenungeachtet, wenn man die Zeit bedenkt, aus der sie stammen, überraschend gut erhalten. Die Skulpturen waren einander an Inhalt und Ausführung gleich und von zahlreichen Keil-