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4W welche höchste richterliche Würde er unter dem sogenannten „Ministerium aller Talente" (1806—1807) bekleidete. Seine Kollegen waren Fox, Grenville, Sheridan, Grep, Lord Henry Petty (der jetzige Marquis von Lansdowne) und andere Häupter der Whigpartei; aber ihrer glänzenden Fähigkeiten ungeachtet führte die Weigerung Gcorg'S Ul., der von ihnen vorgcschlagenen katholischen Emancipation beizutreten, die Auflösung des Kabinets herbei. „Ich habe von Leuten gehört", sagte bei dieser Gelegenheit der witzige Sheridan, „die sich den Kopf gegen die Mauer zerstießen; aber wir find die ersten und einzigen gewesen, die eine Mauer eigens zu diesem Zweck erbaut Haden." Ein ganz anderer Charakter war Sir Samuel Shepherd (P 1841». Ohne die Genialität Lord ErSkine'S zu besitzen, war er das Muster eines arbeitsamen, bescheidenen, verständigen und wohlwollenden Rechtsgelehrten. „Während der ersten zwei oder drei Jahre", heißt es in seiner Biographie, „machte er nur geringe Fortschritte, bis ein glückliches Ungefähr, in Verbindung mit seinem unverdrossenen Fleiß«, ihn aus der Dunkelheit zog. Seine beiden ersten Prozesse von einiger Bedeutung, über welche er sich mit reichhaltigen schriftlichen Notizen versehen hatte, kamen an demselben Tage vor. Bei der Vertheidigung des ersten zeigte er sich in hohem Grade verlegen; zu Anfang des zweiten ließ er aber glücklicherweise seine Papiere fallen, die hierdurch in Unordnung geriethen und unbrauchbar wurden. Dieses zwang ihn, sich ganz auf sein Gcdächtniß zu verlasse», welches ihn auch aufs trefflichste unterstützte - statt sein Plaidoyer vom Blatt herzulesen, was der besten Rede nicht selten ihre Wirkung benimmt, trug er eS aus dem Stegreis mit der ihm eigene» edlen und nachdrücklichen Betonung vor und erwarb so allgemeinen Beifall, daß ihm Lord Mansfield am Schluffe der Sitzung dazu Glück wünschte. Die Jury nahm das Urtheil zurück, das sic im Begriff war, über seinen Klienten zu fällen, und das sie erst später nach reiflicher Ueberlegung aussprach. Von diesem Tage an erlangte Shepherd eine ausgebreitete Praxis, und sein Name wird in den juristischen Verhandlungen jener Periode immer häufiger genannt." Sir Samuel Romilly (1787 — 1818) ward hauptsächlich durch den Umstand veranlaßt, sich der Jurisprudenz zu widmen, daß es ihm auf solche Art möglich wurde, sein kleines Erbtheil in den Händen seines Vaters zu lassen, statt sich damit eine Clerk. Stelle zu kaufen. „In späteren Zeiten", schreibt er, „als mein Erfolg die ausschweifendsten Träume meiner Phantasie übertroffen hatte und ich durch meine Praxis eines jährlichen Einkommens von 8000 bis 9000 Pfd. (80,000 bis 60,000 Thaler) genoß, fiel es mir öfters ein, daß ich mein ganzes Glück den pekuniären Verlegenheiten und beschränkten Umständen meines Vaters verdanke." Lord Tenterden's (Charles Abbot, geb. 1762, 1- I8Z2) LebenSplan wurde durch das Fehlschlägen eines sehr bescheidenen Wunsches geändert. Als er einst mit Sir Richard Richards die Asfisen bereiste, gingen sie zusammen nach der Kathedrale von Canterbury. Richards lobte die Stimme eines Chor. sängerS. „Ja!" sagte Lord Tcnterden, „das ist der einzige Mann, den ich je beneidet habe. Als ich hier in die Schule ging, bewarben wir uns Beide um eine Choristenstelle, und er erhielt sie. Wir wollen unsere Revüe britischer Juristen mit dem verstorbenen Lord Eldon schließen, über den vor einiger Zeit eine sehr detaillirte Lebensbe schreibung (von Horace Twist) erschienen ist. John Scott, Graf von Eldon, wurde im Jahr 1751 zu Newcastle geboren, wo sein Vater mit Steinkohlen handelte. Nachdem er im dortigen Gymnasium die gewöhnliche Schul-Erzie hung empfange», sollte er in das väterliche Geschäft eintreten, als sein älterer Bruder William, der sich schon auf der Oxforder Universität ausgezeichnet hatte, ihn zu sich berief. So wurde er also in seinem I8ten Jahre im korpu«- vkri.iti. Kollegium immatrikulirt und promovirte 1770 zum Bakkalaureus. „Ein Oxforder Eramen", pflegte er selbst zu erzählen, „war damals ein bloßes Pvffenspiel. Ich wurde im Hebräischen und in der Geschichte eraminirt. „Wie heißt auf Hebräisch eine Schädelstätte?" fragte man zuerst. „Golgatha", war meine Antwort. „Wer gründete die Universität Orford?" „König Alfred", erwiedcrte ich, obwohl dies oft bezweifelt wird. „Recht gut!" sagte der Examinator, „ich finde Sie gehörig qualifizirt." — Nach dem Beispiele seines Bruders widmete er sich jetzt der Jurisprudenz, und da er sich ganz auf seine eigenen HülfSquellen verlassen mußte, studirte er mit solcher An strengung, daß seine Gesundheit darunter zu leiden begann. „Es geht nicht anders", sagte er zu einem seiner Freunde, einem Arzte, der ihm hierüber Vorstellungen machte; „ich muß entweder arbeiten oder verhungern." Im Februar 1776 wurde er, nach dem technischen Ausdruck, „an das Barreau gerufen:" (eslleä to tks bar), aber während der ersten fünf Jahre war seine Praxis nur sehr beschränkt. „Das erste Jahr", schreibt er, „traf ich mit meiner Frau") die Abrede, die Einkünfte der ersten eilf Monate für mich zu behalten und ihr die des zwölften zu überlassen. War ich nicht ein rechter Filz, eine solche Uebereinkunft abzuschließen? Aber das Resultat war ein ganz anderes, als ich eS erwartet hatte. Im zwölften Monat nahm ich eine halbe Guinee ein; achtzehn Pence wurden für Sporteln abgezogen, und den Rest erhielt meine Frau — während der ersten eilf Monate aber empfing ich nicht einen Shilling!" Im Laufe des folgenden Jahres ernannte ihn der Herzog von Northumber land, der einst mit seinem Regiment in Newcastle gelegen und dort die Bc- -) Er hatie sich schon 1771 mit einer Mik Tarten« auS Newcastle vermählt, mit der er sechzig Jahre in glücklicher Eh« lebte. Diese« Ehepaar zeichnete sich durch eine Spar- limkeit aus, die an Geiz gränzt«, und worüber zu ihrer Zeit manche wunderliche Anekdoten im Umlauf waren. kanntschaft seines Schwiegervaters gemacht hatte, zu einem seiner Advokaten in einem Prozesse, den er vor der Pairs-Kammer führte. „Ich betrachte diesen Auftrag", schreibt Scott, „nur als eine feine Art, mir zwanzig Guineen täglich für die Mühe zu geben, nach dem Oberhause hinauf zu spazieren." Er hatte auch ein Mandat von der städtischen Corporation in Newcastle, und auf seinen Rundreisen wurde ihm gelegentlich die Führung eines Prozesses anvertraut; aber bei dem allen blieben seine Verhältnisse sehr drückend, und von Sorgen und Krankheit niedergebeugt, hätte er last den Mnth verloren. Da bewirkte sein guter Genius eine plötzliche Veränderung in seinem Schicksal. Er glaubte wahrzunehmen, daß der Oberlichter der Kmg's Deneb, Lord Mansfield, sich gegen ihn parteiisch bezeige, und dieses veranlaßte ihn, zum Kanzleigericht (kourt ok Olmneerz) überzugehen, wo er schon zu Anfang des dritten Jahres mit einem wichtigen Prozesse l Ackroyd contra Smithson) beauftragt wurde, der seinen Beruf begründete. Als er nach Beendigung seiner Rede die Westminster-Halle verließ, klopfte ihm ein geachteter Anwalt, RamenS Foster, auf die Schulter und sagte: „Junger Mann! Ihr Brodt ist Ihnen auf Lebenszeit gesichert." Balv daraus erhielt er ein Mandat, um vor einem Wahl-Ausschüsse des Unterhauses Vie Sache des Fleckens Clitheron zu plaidircn. „Meine Klienten", sagt er, „fanden mich arm genug, aber ich fing an reich zu werden, ehe der Prozeß zu Ende war. Gleich im Anfang ließen sie mir fünfzig Guineen zurück; dann bekam ich täglich zehn Guineen und noch fünf alle Abend für eine Consultation — mehr Geld als ich zählen konnte. Und was noch besser war, die Länge des Prozesses gab mir Zeit und Ge. legenheit, mich vollständig mit den Gesetzen bekannt zu machen." Acht Jahre, nachdem er seine juristische Laufbahn angetretcn, befand sich Scott schon auf dem Wege zu den höchsten Ehrenstcllen; 1788 ward er Generalfiskal, 1799 Oberrichter und Pair und 1801 Lord-Kanzler, welchen Posten er mit Aus nahme eines kurzen Zwischenraums (1806 — 1807) sechsundzwanzig Jahre lang bekleidete. Wir sehen also aus obigen und anderen Beispielen, daß Männer von sehr ungleichen Fähigkeiten dasselbe Ziel auf den verschiedenartigsten Wegen erreicht haben. Der englische Jurist unterscheidet sich hauptsächlich darin von dem deutschen, daß er, statt ins schweigsame Dunkel des BeamtcnthumS gehüllt einer langsamen, methodischen Beförderung entgegenzusehen, nur die Gelegenheit erwartet, um vor die Augen des Publikums zu treten, und dann, wenn ihn der Zufall begünstigt ober seine Kräfte es erlauben, eine glänzende Carriere zu machen. Bis er jedoch diese Gelegenheit antrifft, sind ihm oft schwere Prüfungen beschieden. Manche läßt der Deus ex msckin« ganz im Stich; Anderen erscheint er in einem Augenblick, wo sie es am wenigsten erwarten. Das Glück suchte Thurlow im Kaffeehause und Wedderburn im Theater auf; der Sohn eines Richters (Camden) schmachtete zwölf Jahre in der Verborgenheit, während dem Sohne eines ärtorne^ (Hardwicke) nach fünfen das GeneralfiSkal-Amt aufgedrungen wurde; Romilly war dcr Koryphäus der liberalen, Eldon der konservativen Partei; Dunning hatte sein Empor, kommen einem ostindischen Direktor, Erskine einem alten Seemanne zu ver danken, und so widersprechende Erscheinungen zeigen am besten, daß auch in England, wie überall, das Talent sich den Umständen fügen muß, und daß es unmöglich ist, ihm eine bestimmte Bahn anzuweisen. Mannigfaltiges. — Die Einfuhr Frankreichs während der ersten Hälfte des Jahres 1848. Gegen dieselben sechs Monate des Jahres 1844 hat die Ein- fuhr beträchtlich zugenommen in Zucker, Kaffee, Wolle, Baumwolle, Stein- kohlen und Oelfrüchten ; ebenfalls zugenomme», doch nicht so bedeutend, in Kupfer, Talg, Oel, Färbestoffen u. s. w. Diese Ergebnisse finden ihre Er- klärung in dem allgemeinen Steigen der Consumtion und in der Thätig. kcit der Fabriken. Besonders bemcrkenSwerth ist die Baumwollen-Einfuhr: 38 Millionen Kilogramme gegen 27 des entsprechenden Halbjahres von 1844. Die Einfuhr der Steinkohlen ist auf 987,000 Tonnen gestiegen, troß der stets wachsenden Ausbeutung der eigenen Gruben, welche gegenwärtig fast 4 Mill. Tonnen giebt, sich also binnen zehn Jahren verdoppelt hat. Die gesteigerte Einfuhr der Oelfrüchte, des Sesam, hängt mit den bekannten Verhandlungen in den Kammern zusammen; weil man einen erhöhten Zollsatz befürchtete, hat man sich während der ersten Monate reichlich versehen, und die Zunahme der Einfuhr ist mithin zum größten Theile als vorübergehend zu betrachten. — Auf derselben Stufe haben sich erhalten Seide und Leinwand; abgenommen hat die Einfuhr von Garn, Zink, Zinn, Blei und Getraide. Eine stärkere Einfuhr von Seide wurde durch die Zunahme der eigenen Production über- flüssig, welche gegenwärtig auf 2- Millionen Kilogramme geschätzt wird. Das Sinken der Garne und das Stehenblciben der Leinwand findet seinen Grund in den erhöhten Zöllen, welche die Einfuhr aus Belgien und England beschränken. Die Einfuhr der Metalle hatte im verflossenen Jahre das Bc- dürfniß überschritten. Die Getraide. Zufuhr ist einem beständigen Schwanken unterworfen, obgleich die Consumtion ziemlich dieselbe bleibt. Frankreich kauft aber wenig fremdes Getraide zum eigenen Gebrauch; bei weitem das meiste davon wird vermahlen und dann über Marseille wieder ausgeführt. — Im Ganzen hat der Einfuhrhandel zugenommen, und die Zoll-Listen, welche in demselben Halbjahre des Jahres 1844 ein wenig mehr als 71 Mill. Fr. (19 Mill. Thaler) auSwiesen, geben die Einnahme von den ersten sechs Mo- naten des laufenden Jahres auf 76 Mill. Fr. (20,200,000 Thlr.) an. HcrauSgegeden und redigirt von I. Lehmann. Im Verlage von Veit Lt Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.