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Wichemliid erschein«, drei Nummern. Pränumeration«. Prei« 22z Stlbergr. (t Thir.) vierteljährtich, 3 Thir. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in aUen Theilen her Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden »an leder Buchhandlung (in Berlin del Brit u. Comp., Jägerstraß« Nr. 25), so wie von asten Königs. Pog-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. Berlin, Dienstag den 29. Juli 184S. Rußland. Die Jesuiten in Rußland. Schon im I6ten Jahrhunderte suchten sich die Jesuiten in Rußland festzu. setzen; namentlich geschah dies zwischen den Jahren IS60 und IS80. Als aber ihre Bestrebungen scheiterten, beschlossen sie, auf einem Umwege, von Polen aus, in das Land einzudringen. Zu diesem Zwecke benutzten sie die Unruhen, welche im Beginn des l7tcn Jahrhunderts Rußland zerrütteten, und unter- stützten namentlich die Prätendenten, die sich damals den Lzarenthron streitig machten, wie den falschen Demetrius und den polnischen Prinzen Wladislaus. Jndeß gelang eS den Russen, sich von der Einmischung der Polen frei zu machen, und mit ihnen mußten auch die Jesuiten das Land verlassen. Un- geachtet der Gesetze aber, welche ihnen seitdem den Aufenthalt in Rußland untersagten, wußten sie doch immer wieder unter verschiedenen Vorwänden sich daselbst einzubürgern. Ja sie gründeten sogar im Jahre I70S ein Kolle, gium in Moskau. Peter der Große ließ es jedoch, als er von seinen Reisen zurückkehrte, im Jahre I7IS schließen und verbannte den Orden durch einen UkaS, in welchem eS heißt: „Nachdem er (Peter) selbst sich mit eigenen Augen überzeugt, von welcher Art das Treiben der Jesuiten in fremden Ländern sep, und dabei sich gewundert, daß die anderen Souvcraine Europa'S sie ferner duldeten, habe er sich entschlossen, sie auS seinen Staaten auszuweisen." Aber unvorhergesehene Ereignisse sollten ein halbes Jahrhundert später dir Wiederaufnahme der Jesuiten in das Reich herbeiführen, ohne daß sie riner förmlichen Erlaubniß der Regierung zu ihrer Rückkehr bedurfte». Im Beginn deS siebzehnten Jahrhunderts hatten sich die Jesuiten in den russischen Provinzen festgesetzt, welche damals durch den Friedens-Vertrag von 1618 polnisch wurden, nämlich Weißrußland, Kleinrußland und Litthauen. Weiß rußland kehrte im Jahre 1772 unter daö russische Scepter zurück, und mit ihm auch die Jesuiten. Um dieselbe Zeit wurde der Orden von Clemens XIV. aufgehoben. Da sah man die Jesuiten die weltliche Gewalt in Anspruch nehmen, um sie gegen ihr geistliches Oberhaupt zu schützen. Herr Thiers sagte bei der jüngsten Interpellation über die Jesuiten, daß, als der Papst st» aufgab, ein einziger Fürst, der große Friedrich, der, nachdem er -alb Europa im Felde geschlagen, sich darin gefiel, sich über dasselbe lustig zu machen, ihnen ein Asyl in seinen Staaten gewährte. Diese Behauptung ist nicht gegründet; eine andere Freundin Voltaire's, Katharina II-, that dasselbe. Man weiß nicht genau, welches die Zahl der Jesuiten zu dieser Zeit war . doch auS statistischen Tabellen über die Diözese Mohilew, die um einige Jahre jünger find, geht hervor, daß die Gesellschaft damals in Rußland 178 Mit. glieder zählte, wovon 08 Priester, 32 Schüler und 48 Laienbrüder waren. Die Kaiserin ließ den Jesuiten nicht nur alle Güter, die sie in Weißrußland besaßen, sondern sie befreite sie auch von jeder Auflage und eröffnete in dieser Provinz ein wahres Asyl für alle auswärtigen Jesuiten. Jndeß wurde ihnen zugleich erklärt, daß sie diesen Schutz verlieren würden, wenn sie die Bedin- gungcn desselben verletzten. Zu dieser Erklärung aus dem Jahre 1774 kam 1782 ein Dekret, wonach die Reglements der Gesellschaft nur in so weit, als sie mit den Institutionen deS Staates in Einklang ständen, fernere Geltung haben sollten. Auch wurden sic keineSwcgeö als selbständige Gesellschaft an- rrkannt, sondern ihnen wicderholcnilich eingeschärst, daß sie dem Erzbischof von Mohilew als ihrem rechtmäßigen Oberen Gehorsam schuldig seyen. Sic selbst jedoch fügten sich keineSwegeS in diese Abhängigkeit, sondern betrachteten noch immer ihren General als ihr wahres Oberhaupt. In der ersten Zeit nun schien man von Seiten der Regierung ziemlich nachsichtig mit ihnen umzugehcn, und diese Toleranz benutzten sie, um ihren Einfluß allmälig über die Gränzcn Weißrußlands auSzudehnen. Im Jahre 1800 erhielten sie die Erlaubniß, den Gottesdienst der katholischen Pfarrkirche In Petersburg zu versehen. Da es nach einem alten Reglement von 1760 gestattet war, mit dieser Kirche ein ausschlicßlich für Kinder katholischer Kon. fession bestimmtes Erziehungs-Institut zu verbinden, so benutzte dies der General zur Gründung eines Kollegiums; auch vermehrte er, unter dem Bor. wände, für die Bedürfnisse des Unterrichtes besser sorgen zu können, die Zahl der Mitglieder'deS Ordens. Die Negierung, welche von vorn herein sich der Jesuiten zur Erziehung der katholischen Jugend ihrer Staaten zu bedienen gedachte,'-hätte dies Alles geschehen lasse», wenn das neue Kollegium, statt sich auf die Ausnahme katholischer Kinder zu beschränken, nicht auch bald Kinder anderer Konfessionen, namentlich solche, die der griechischen Kirche angehörten, ausgenommen und sich bemüht hätte, dieselben durch alle mög. licht» Mittel zum römischen Glauben hinüberzuziehen. Der Kaiser ließ den Jesuiten hierüber ernstliche Verwarnungen zukommen, auf die sie Rücksicht zu nehmen genöthigt waren. Nachdem sie 28 Jahre lang bloS geduldet worden, hielten die russischen Jesuiten den Augenblick für günstig, von PiuS VII. ihre offene Anerkennung zu verlangen. Dieser erlaubte in der That durch ein Breve vom 7. Mai 1801 dem Franz Karen, den anderen Priestern im russischen Reiche, die zum Orden gehört hatten, und Allen, welche von auswärts sich dahin begeben wollten, sich in eine Congregation unter dem Namen der Gesellschaft Jesu, aber bloß innerhalb der Gränzen des russischen Reichs, zu vereinigen. ES war dies allerdings nur eine theilweise Wiederherstellung, aber jedenfalls war das Breve Clemens' XIV., welches „die Gesellschaft für aufgehoben, die Autorität ihres Generals und ihrer anderen Oberen sowohl in geistlicher als in welt licher Hinsicht auf ewige Zeiten für abgeschafft und den Namen der Gesellschaft für absolut erloschen" erklärt hatte, hierdurch annullirt. Im Jahre 1786 hatte der Orden in Rußland 178 Mitglieder gezählt; im Jahre 1804 zählte er deren schon 247, die in 21 Häuser vertheilt waren, und gegen Ende dieses Jahres 264. Um jene Zeit war Thaddäus Brzozowski General der Jesuiten, «in Mann, der sich seines schwierigen Postens vollkommen würdig zeigte. Er erkannte, wie sehr das Streben der russische» Regierung, die Civilisation ihres Volkes zu heben, ihm sür seine Zwecke förderlich werden könne, und sobald er den kühnen Gedanken gefaßt, die Erziehung dieses großen DolkeS seiner Gesellschaft übertragen zu lassen, verfolgte er dieses Ziel mit seltenem Scharfsinn. Vor Allem suchte er vom Minister des öffentlichen Unterrichts die Erhebung des Seminars der Jesuiten zu Polozk zur Universität zu er- langen, welche dieselben Rechte und Privilegien wie die Universität Wilna genießen und über alle Schulen des Ordens im Reiche die Kontrole haben sollte. Seit mehreren Jahren hatte sich das Seminar von Polozk mit der Uni versität Wilna in einen Streit verwickelt, indem das Seminar sich von jeder Abhängigkeit in Bezug aus die Universität frei zu machen suchte, während dir Universität ihre Aussichts-Rechte über das Seminar geltend machte. Die Wilnacr Akademie verlangte von den Jesuiten die Annahme einer neuen Un- terrichtS-Methode: die Jesuiten aber wollten ihre alte Methode nicht auf- geben, welche, wie sic behaupteten, „die großen Geister der letzten Jahr- Hunderte hervorgebracht und die Wissenschaften auf den Standpunkt erhoben hätte, den sic jctzt einnehmen." Dies ist nur eine sehr schwache Probe von den Lobsprüchcn, die sie sich und ihrer Methode zollten. Diese Zuversicht, mit der sie überall und zu jeder Zeit von ihren eigenen Verdiensten gesprochen, war vielleicht keines ihrer unbedeutendsten HülfSmittel, um auch andere davon zu überzeugen Hören wir nun, wie sie eS anfingen, um ihre Gegner in jenem Kampfe, die Universität, der Regierung gegenüber in ein schlechtes Licht zu stellen. In einer Noie an den Minister des Volks. UnterrichlS, Grasen Rasu. moffskp, vom 24. August 1810 sagte der Pater Brzozowski: „ES ist gewiß sehr wichtig, daß die Jugend des StaalS in Gesinnungen des Pa- triotiSniuS, in Gefühlen der Unterwürfigkeit und der Hingebung für die Person des SouverainS erzogen werde. Aber welche Sicherheit hat man, daß diese Gefühle ihr aus der Universität eingeprägt werden, deren Professoren oft nur durch das Gehalt, das sie beziehen, an den Staat geknüpft sind, welche von denen des Staates ganz verschiedene Interessen haben und eben dadurch eher geeignet scheinen, den Patriotismus im Herzen der Jugend zu ertödtcn als zu wecken." Dieselbe Stelle wird fast wörtlich in einer Note vom 16. September 1811 wiederholt, aber mit einer sehr bedeutsamen Variante. Hier ist nicht mehr, wir in dem Schreiben von 1810, von der Erweckung des Patriotismus im Herzen der Jugend die Rede: das Wort Patriotismus ist sogar ganz ver schwunden; der Pater General spricht nur von den Gefühlen für den Souve- rain, „von denen", wie er sagt, „die Jugend erfüllt sepn muß." Vielleicht hatte er begriffen, daß er seiner Sache schade, indem er den russischen Pa triotismus in etwas Anderem als der Unterwerfung und Anhänglichkeit an den Kaiser bestehen lasse. WaS sich aber in allen Noten wiederfindet, das ist die Mühe, die sich der General giebt, der Regierung ein tiefes Mißtrauen gegen die Universitäten einzuflößen und ihr zu verstehen zu geben, daß die Jesuiten viel geeigneter sind, ihren Interessen zu dienen. Welches höhere Ziel fle aber eigentlich vor Augen haben, indem eS ihnen scheinbar nur darum zu thun ist, das Seminar von Polozk von der Univer-