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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrSmmurmio»«-Preis 22Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, m allen Theilen der Preußischen Monarchie, Magazin für- die Pränumerationen »reichen von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bel« u. Comp., Jägerstrasle Nr, 28), so »nie von allen Königl. Post-Aemmn, angenommen. Literatur des Auslandes. § .W -M, - MWE—MW ' ' — l ' „ -7- 73. Berlin, Donnerstag den IS. Juni L84L. Persien. Der schwarze Falke. Seitdeni Morier in seinem „Usjji Ruds ok Ispaüsn" ein so anziehendes Gemälde persischer Sitten lieferte, ist dieses Land und das angränzende türkische Armenien von mehreren englischen Novellisten zum Schauplatz ihrer Dichtungen erwählt worden. Wir nennen nur „Apnscha" und „Zohrab", von Morier selbst, die auch dem deutschen Publikum nicht unbekannt find, und die „Memoiren einer babylonischen Prinzessin", die bei ihrer Erscheinung nicht geringes Interesse erregten und von Einigen für Noma», von Anderen für Line wahre Geschichte erklärt wurden. Einen ähnlichen halb romantischen, halb historischen Charakter hat das neueste Produkt dieser Art: „der schwarze Falke""), das bei einigen Schwächen mit einer Sachkenntnis und einem graphischen Darstellungstalent geschrieben ist, die eS zu einer eben so belehren den als anziehenden Lektüre machen. Es ist oft behauptet werden, daß die Waverley-Nomane mehr allgemeine historische Kenntnisse verbreitet hätten, als die eigentlichen Geschichtswerke, und obgleich wir nicht geneigt sind, ein solches Paradoxon ernstlich zu verfechten, so ist es doch gewiß, daß Dichtun gen wie die von Morier und Fraser uns einen helleren Blick in das eigen- thiimliche Leben und Treiben des Orients thun lassen, als wir aus den meisten Ncisebeschrcibungen, Geographieen und ethnographischen Abhandlungen schöpfen können. Der schwarz-e Falke spielt iu dem mittleren und nordöstlichen Theile Persiens und den benachbarten Provinzen Turkestans; die Zeit der Handlung ist das Ende des vorigen Jahrhunderts, wo das Land durch den Bürgerkrieg der Familien Zend und Kadschar zerrüttet wurde, bis endlich der Kadschare Aga-Mohammed sich des Throns bemächtigte, nachdem er alle seine Neben buhler (unter ihnen auch seine eigenen Brüder) auf den» Schlachtfeld! besiegt oder sie durch Meuchelmord hinweggeräumt hatte.' In dem Bruder dieses schlauen und einsichtsvollen, aber blutdürstigen Tyrannen, dem tapferen Giafar Kuli-Chan, konzentrirt sich das historische Interesse deS Werks; das roman tische spielt darin nur eine untergeordnete Nolle. Osman, genannt der schwarze Falke, ist Sklave bei den Turkmanen, die ihn auf einem Einfall iu Persien mit sich fortgcschleppt hatten. Von seinem Herrn, dem Häuptling des Stamms, mit Wohlwollen behandelt, knüpft er mit der Tochter desselben, Zuleika, ein LiebeSverständniß an, wird aber entdeckt und maß den Aul ver- lassen. Der Zufall macht ihn mit Giafar-Chan bekannt; er rettet ihm das Leben in einem Schnee-Orkan, der sie mitten im Gebirge überrascht, wird von nun an sein vertrauter Waffenträger und steht ihm in allen seinen Schlachten und Abenteuern zur Seite, bis der edle Giafar vcrrätherisch er mordet wird. Der grausame und staatskluge Aga-Mohammed ist zwar nicht der Held, aber doch die hervorragendste, am schärfsten gezeichnete Persönlichkeit des NomanS, und da letzterer, wie schon gesagt, fast noch mehr Geschichtliches als Erdichtetes enthält, so wollen wir die Schilderung mittheilcn, die der Ver fasser von jenem Musterbilde eines asiatischen Despoten entwirf«. „Zn einem kleinen und einfach, obwohl nach persischen Begriffen komfortabel möblirteu Zimmer saß beim lodernden Holzfetter ein Mensch, dessen Gestalt so mager und dessen bartloses Antlitz so winzig war, daß man ihn beim ersten Blick für einen Knaben halten konnte. Eine aufmerksamere Untersuchung seiner Physiog nomie hätte jedoch den Beobachter überzeugt, daß die hohe, breite, mit tiefen Linien gefurchte Stirn und die duschigten Augenbrauen, die ein unruhig flammendes und von eingewurzeltem Argwohn sprechendes Augenpaar be schatteten, einem reiferen Alter gehören mußten. Der allgemeine Ausdruck seiner Züge war ernst und sorgenvoll, aber von Zeit zu Zeit durch ein wilderes Feuer erleuchtet; ihre Form war edel und besonders die Nase zwar etwas zu lang, aber gerade und wohlgebildet. Das Geschlecht dieses seltsamen Wesens schien nicht minder zweifelhaft als fein Alter — ans der dünnen Oberlippe fehlte der Schnurrbart und aus den hohlen Wange» und dem langen, ovalen Kinn, unter welchem die Haut in Runzeln über den dürren Hals hing, war keine Spur von Bart zu entdecken; diesem weiblichen Ansehen zum Trotz zeigte sich indeß aus der bleichen Stirn ein Charakter von unerschütterlicher Festigkeit, in den Umrissen des Mundes eine Kraft und Entschlossenheit, die man nur selten beim weiblichen Geschlechte antrifft. Auch waren dies keine trügerischen Zeichen, denn die Gestalt, welche wir unseren Lesern zu vergegenwärtigen suchen, war keine andere als die des berühmten Eunuchen Aga-Mohammed- Chan, unstreitig eines der merkwürdigsten Charaktere seines Landes und seiner Zeit, der sich damals in seinem vierundvierzigstcn Jahre befand und nur dir nördlichen Provinzen Jran'S beherrschte, aber sich später zum alleinigen Re genten der persischen Monarchie aufschwang. Er war mit einem losen Tschopa oder Mantel von braunem Tuch bekleidet, der mit Pelzwerk gefüttert und ziemlich abgetragen war; dieser hüllte ihn von den Schulter» bis zu den Füßen ein und verbarg den übrigen Theil seines Anzugs — wenn er aber die Hand auSstrcckte, so kam ein eben so schäbiger Aerniel und eine Weste von dunkel farbigem Kattun zum Vorschein. Sein Haupt war mit einer schwarzsamm- tenen Kappe bedeckt, deren goldene Stickerei ziemlich stark von Rost angelaufen war. Vor ihm auf der dicken Filzdecke, die ihm zum Sitz diente, stand sein Kullemdahn oder Schrcibepult, auf welchem nian eine Rolle Papier und mehrere beschriebene Zettel wahrnahm; neben demselben, auf einem viereckigen seidenen Polster, lag eine altmodische Uhr in einen« chagrinledernen Gehäuse, und weiter entfernt, aber innerhalb seines Bereichs, sah man seinen gold gefaßten Säbel, dessen krumme Scheide die anderen, noch mächtigeren In- strnmente zu bewachen schien - eine Anordnung, die man, obwohl möglicher- weise nur zufällig, für ein Symbol des Geistes halten konnte, der den Schach Larakterisirte. In der That verließ sich Aga-Mohammed mehr auf StaatS- kunst und Klugheit als auf Gewalt, mehr auf seinen Kops und seine Feder als auf seine Hand und sein Schwert; Letztere waren den Ersteren stets unter geordnet und wurden nur dann gebraucht, wenn diele fruchtlos blieben — aber dann auch mit schonungsloser Strenge." Nach dieser Schilderung seines Aeußeren wollen wir den Kadscharen- Fürsten auch als handelnde Person auftrcten lassen. Während er die Belage rung von Schiras betreibt, rückt ihm sein Mitbewerber nm die persische Krone, das Haupt der Familie Zend, mit seiner ganzen, durch neue Bundesgenossen verstärkten Macht entgegen, er wird aber noch zur rechten Zeit durch den „schwarzen Falken" von der Gefahr benachrichtigt. „So unvollständig diese Kunde war, genügte sie doch, uni den Kadscharen vor einem Ueberfall zu retten, der ihm verderblich geworden wäre ; aber die Stärke deS Feindes war ihm noch ei» Geheimniß, und es erforderte alle Kraft seines eisernen MutheS und seiner unbeugsamen Energie, um diese Unwissenheit gutzumachcn. Er sah bald ein, daß er nicht den Angriff eines bloßen DetaschemcntS, sondern einer zahlreichen, regelmäßigen Armee auszuhaltcn habe und eine allgemeine Schlacht liefern müsse, statt ein StrciscorpS zurückzuwerfen oder ein gewöhnliches Scharmützel zu bestehen; er verhehlte es sich nicht, daß er eS mit wohlbiSziplt- nirten Truppen zu thun habe, die selbst die Standhaftigkeit seiner eigenen kampfgeübte» Veteranen auf die Probe stellen dürften. Aber sein Muth stieg mit der Gefahr und in dem blitzenden Auge des Kadscharen-Fürste» spiegelten sich die Bewegungen seiner kräftigen Seele, als er mit der Umsicht eines erfahrenen Feldherrn seine Maßregeln für die bevorstehende Schlacht er griff. Seine kleine, fast unedle Gestalt schien sich auszudehnen und einen heroischen Charakter anzunehmen, als er seinen Blick ans die kriegerische Scene warf, die sich vor ihn, öffnete, und er empfand das stolze Dewußtsepn, daß er allein den Sturm zu regieren und zu beschwichtigen vermöge, den er selbst erregt hatte. Das zunehmende Tageslicht brachte ihm endlich die Gewißheit, daß ihm die ganze Armee des Zend gcgenüberstehe, und während eine Reiter- schaar nach der anderen hervorspreugte, um seine eigenen Truppen zu über flügeln, mußte er gestehen, daß ihre Manöver mit eben so vieler Kühnheit als Geschicklichkeit anSgeführt wurde». Die Befehle, die er seinen Untergebenen ertheiltc, wurden immer ernster und nachdrücklicher; zuweilen gab er sie mit lauter Stimme und gebieterischem Ton — dann flüsterte er einein vertrauten Offizier die Anordnungen zu, die mit vorsichtiger Stille und Verschwiegenheit ins Werk zu letzen waren. Der Angriff des CentrumS, der mit steigender Heftig- keit und Erbitterung fortdauerte, beschäftigte Alle, sogar den Schach, in solchem Grade, daß ihre Aufmerksamkeit von der Nachhut und den; übrigen Theil des Lagers fast gänzlich abgezogen wurde, bis ein plötzliches Getümmel auf der äußersten Linken sie ahnen ließ, daß etwas Wichtiges dort vorgefallcn sey, und athemlose Boten langten bald mit der Nachricht an, daß sich eine feindliche Partei in der Dämmerung herbeigeschlichen und jenen fast unvertheidigten Punkt überrascht habe. ') Sark kalav», a Pal, od »7 älr. I8äL. 4 Bände. — Herr Trajer ist Berf. drS „Kur»Utm«b" und anderer mit Beifall aufgenammener Werke. (Schluß folgt.)