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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prömumraiionö-Preis 22, Siibergr. (z THIr.) vierteljöhrlich, 3 Thir. sür daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin hei Veil u. Eomp., Jägerffraße Nr. 28). so wie von allen König!. Pos-Kemrein. angenommen. Literatur des Auslandes. 67 Berlin, Donnerstag den L Juni 1845 Afghanistan. Neber die geschichtlichen Ergebnisse aus den neueren Entdeckungen in Afghanistan. Das Interesse, welches die englisch-ostindischen Angelegenheiten in uns erregen, konzentrirt sich schon seit einer Reihe von Jahren um die Länder am oberen Indus und seinen Nebenflüssen, auf indischer Seite das sogenannte Pendsch-äp oder Fünfstromland, politisch das heutige Reich der SikS, mit der Hauptstadt Lahore; auf iranischer oder persischer Seite Afghanistan, oder die Staaten von Kabul, Herat, Sedschestan, Kandahar und Pischauer. Ge schichtlich sind mit diesen noch die Länder am oberen OruS und seinen Quell, flüffen, das alte Baktrien, jederzeit eng verbunden gewesen, wiewohl sie geogra phisch schon zum turanischeu Tieflande gehören. Diese Länder, von denen eine nähere Kunde erst durch die Eroberung Alexanders des Großen nach Europa gelangte, waren, nach historischen Nachrichten und Andeutungen zu schließen, Sitze und Ausgangspunkte uralter Bildung und Gesittung. Vom alten Baktrien ging jedenfalls die Lichtreligion Zoroasters aus und verbreitete sich erst von hier über das westliche Persien und Medien, und das jenseits des Indus gelegene Thal Kaschmir hält man mit den triftigsten Gründen für das wicder- gefundene Paradies, oder wenigstens für die Wiege deck indoeuropäischen Völkerstamms. Seit Alexander haben diese Gegenden ihre Beherrscher viel fach gewechselt und stets die Basis abgegeben für deren weitere Unternehmun gen gegen das eigentliche Hindustan. In neuester Zeit drangen die Engländer auf dieser alten Völkerstraße, dem Thale des Kabulflusses, in einer den bis herigen Eroberungen entgegengesetzten Richtung vor, ihre Erfolge waren so rasch, aber auch so vorübergehend wie die der Franzosen in Aegppten; wie diese haben sie vor der Hand nur historische Resultate geliefert, vielleicht aber, daß diese herrlichen Länder dadurch der europäischen Gesittung für die Zukunft geöffnet worden sind. Bei der völkergeschichtlichen Bedeutung dieser Länder und der nicht mehr zu bezweifelnden Thatsache, daß um den Anfang unserer Zeitrechnung hier schon Jahrhunderte lang hellenische Bildung und Gesittung herrschend waren, glauben wir nichts Ueberflüssiges zu thun, wenn wir unseren Lesern über die neueren Entdeckungen und die daraus folgenden geschichtlichen Resultate Bericht abstatten. Alexander der Große beschränkte seine Eroberung des persischen Reiches keinesweges auf das eigentliche persisch-iranische Hochland, sondern dehnte sie noch über das nordwestliche Indien, das heutige Pendschap, und einen großen Theil des turanischen Tieflandes aus, wo er das alt« Margiana, Sogdiana und Baktriana eroberte und durch Anlegung zahlreicher Militair-Kolonieen zu sichern suchte. Nach seinem Tode traten die Statthalter der verschiedenen Provinzen selbstständig und bald feindselig gegen einander auf, und von den aus ihrem Veruichtungskampfe hervorgeheuden unabhängigen Reichen erstreckte sich das syrisch.persische des SelcuknS Nikator auch über jene östlichen Länder ani OruS und JnbuS. Jedoch schon unter ihm, den seine Unternehmungen in Vorderasien genugsam beschäftigten, war cö dem indischen Fürsten Sandra- kottus, indisch TschandraguptaS, gelungen, die Griechen aus dem Pendschap zu vertreiben und sich unabhängig zu machen. Unter dem Enkel des SeleukuS, AntiochuS ll., sielen dagegen nicht nur die fernen baktrischen Provinzen, son dern auch die im Süden des kaspischen Meeres gelegenen von der syrischen Herrschaft ab, dort erklärte 286 vor Ehr. sich der griechische Statthalter Theodotns zum Könige, hier gründete auf dem alten Medien und Hprkanicn 280 vor Ehr. ArsaceS daS parthische Reich der Arsaciven. Das baktrische Reich des TheovotuS wurde unter seinen griechischen Nachfolgern bald über die Gränzen Baktrienö hinaus auch über die östlichen Eroberungen Alexanders ausgebreilet. Sein Sohn TheovotuS II , aus Justin durch einen Friedens schluß mit ArsaceS l. von Parthien bekannt, wurde von EuthydemuS von Magnesia verdrängt, der sich 2lw auf den Thron von Baktrien setzte, die an- gränzendcn Länder dazu eroberte und der erste barirische König ist, von dem Münzen auf uns gekommen sind. Dessen Sohn Demetrins erscheint später nicht als König von Baktrien, sondern als rex Inüuxmu, und hatte wahr scheinlich in seiner Abwesenheit, vielleicht auf einem Eroberungszuge gegen Indien, um I8N vor Ehr-, Baktrien an EukratidcS verloren, der ihn zuletzt sogar gänzlich besiegte und sich auch des indischen Reiches bemächtigte. Aber auch dieser genoß sein Glück nicht lange; schon aus dem Rückmärsche wurde er von seinem eigenen Sohne getödtet. Aus Justin ersehen wir sodann, daß die Griechen in Baktrien, durch die Kriege mit den umliegenden Völkern ge schwächt, den Parthern erlagen, und wahrscheinlich stürzte Mithridates I. von Parthien um 136 vor Ehr. das baktrische Reich. Das ist Alles, was wir aus den alten Schriftstellern über das griechisch- baktrische Reich erfahren, wie eS schon Bayer in seiner 1738 erschienenen kstisloxia rsxni vsetr. zusammengestellt hatte. Seit dieser Zeit aber sind eine große Anzahl Inschriften und in Gräbern aufgefnndener Alterthümer, so wie eine noch bedeutendere Menge von Medaillen und Münzen entdeckt worden, die uns mit langen Reihen von Königen und griechischen Dynastieen bekannt machen, welche in den genannten Ländern Central-Asiens geherrscht haben müssen. Vorzüglich in den letzten zehn Jahren haben die Reisen von Alexander BnrneS nach Kabul und Bokhara, die Untersuchungen der französischen Offiziere im Dienste des Königs von Lahore (Ventura, Allard und Court), und die der Herren Masson und Honigberger über den Sitz des griechischen Reichs in Asien eine sehr bedeutende Menge von Dokumenten und Materialien zu- sammengebracht, die ungeachtet der Arbeiten von James Prinsep, Jaquet, Lassen und Wilson noch lange nicht hinreichend erforscht sind. Unter diesen aufgesundtnen Alterthümern sind, wie schon erwähnt, die numismatischen am beträchtlichste». Diese Münzen tragen oft eine doppelte Aufschrift, eine griechische und eine zweite in einer unbekannten Sprache, welche ohne Zweifel die der eingebornen Bevölkerung war. Die bedeutendste Sammlung solcher Münzen hat der verstorbene James Prinsep, Secretair der asiatischen Gesellschaft in Kalkutta, zusammengebracht und auch eine große Anzahl davon entziffert und bekannt gemacht; an der Fortsetzung und Vollendung seiner Arbeite» hinderte ihn ein frühzeitiger Tod. Sein Bruder L. T. Prinsep, der Erbe seiner zahlreichen gesammelten Materialien, seiner Bemerkungen und über diesen dunkeln Gegenstand hinterlassenen Papiere, hat der Welt einen Dienst zu leisten geglaubt, wenn er die historischen Resultate, zu denen die Orienta listen bis jetzt gelangt sind, in einer populären Form bekannt machte, in einem zu London 1844 erschienenen Werke: „Ueber die geschichtlichen Ergebnisse aus den neueren Entdeckungen in Afghanistan", aus dem unsere Bemerkungen entnommen find. Was zuvörderst die im westlichen Persien von 280 vor bis 222 nach Chr. herrschende» Arsaciven betrifft, so muß unter ihnen hellenische Sprache und Bildung, nach vielen Thatsachen zu schließen, weit verbreitet gewesen seyn, denn sie bedienten sich auf ihren Münzen und bei allen Staatsakten nur der griechischen Sprache. Die arsacidisch-parthischen Münzen haben auf der einen Seite den Kopf eines Fürsten ohne Umschrift, ans der anderen eine sitzende Figur mit einer griechischen Inschrift, welche ein Viereck bildet. Diese ent hält VloS den Namen des Monarchen mit dem Titel „König der Könige" und einigen Beiwörtern, wie: groß, gerecht, berühmt, tapfer, siegreich, Hellenen, freund u. s. w-, und zwar in reinem Griechisch. In Afghanistan find einige Münzen mit dem Namen ArsaceS in zwei Sprachen gesunden worden, allein sie unterscheiden sich in der Ausführung sehr von den wahren arsacidischen und scheinen von unabhängigen Statthaltern oder sür das Bedürfniß besonderer Gegenden geschlagen wvrven zu seyn. Von solchen befindet sich im Palaste der indischen Compagnie eine große Sammlung, aber eS ist schwer, von ihnen bc- stimmte Daten abzunchmcn. Die Dynastie der Arsaciven umfaßt 27 Fürsten, von Venen einige auch Spuren in der alten Geschichte zurückgelaffen, alle aber reingriechische Münzen geschlagen haben, wie sich deren in der Sammlung der indischen Compagnie befinden. Auf Vie Arsacidcn folgte von 222 — 681 nach Chr. vaS sogenannte neupersische Reich der Sassaniben, welche die Magier. Religion wieder erhoben, die Schriften Zoroasters aus der Zendsprachc in das damals herrschende Pehlewi übersetzen ließen und überhaupt die altpersische Nationalität herrschend zu machen suchten. Die in Kabulistan ausgesundenen Münzen, von denen die meisten die Namen bis jetzt unbekannter Fürsten führen, hat Prof. Lassen in Boun in ver- schieden« Kategoricen gctheilt. Die einen, von gutem Gepräge, zeige» schöne griechische Köpfe auf der Vorderseite, und auf der Rückseite ein mythologische« Bild mit einer griechischen Inschrift. Diese müssen den ältesten Regenten an- gehören. Ans sie folgen andere Fürsten, welche, neben rein griechischen, eben so Münzen mit doppelten Inschriften geprägt haben, deren eine Sprache ein nicht immer zu entzifferndes Arisch ist. Diesen Ausdruck, mit dem die Lin. guisten die ganze persisch.iranische Sprachfamilie bezeichnen, gebrauche» wir am besten für jene noch unbekannte Mundart. Zu den Regenten der ersten Klasse gehörten die oben erwähnten: TheovotuS, EuthyvcmuS und EukratideS; von Letzterem find die Münzen sehr zahlreich und mannigfaltig nach Gepräge und Inschriften. Die einen sind rein griechisch, bald mit dem Titel König, bald Großkönig, die anderen haben außer der griechischen Inschrift noch eine arische Legende, und EukratideS scheint so zuerst die einheimische Sprache auf den Münzen eingeführt zu haben. Und nach der Menge der Münzen zu schließen,