Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»-Prei« 22j Silbcrgr. (j THIr.) vierteljährlich, Z THO. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Dell ». Eomp., Iägerslraßc Nr. 28), so wie von allen Konigl. Post-Aemtein, angenommen. Literatur des Auslandes. ^4/ 39. Berlin, Sonnabend den 17. Mai 1843. Frankreich. Die Finanzen der Stadt Paris. I. Die Einnahmen. Ein Hauptfehler der früheren Verwaltung der Stadt Paris war ihre Unregelmäßigkeit. Die verschiedenen Stadtämtcr, die nach und nach entstanden, geriethen oft in Konflikt mit einander und schadeten dem Gemeinwohl, anstatt nach einem Plane an dessen Gedeihen zu arbeiten. Fünf Behörden, die geist. liche ungerechnet, theilten sich in die Sorge für die Munizipal-Angelegenheilen. Das Parlament entschied in Sachen der höheren Polizei, das Finanz-Bürcau hatte die Straßen.Aufsicht, die Bauten.Kammer die Sorge für die öffent lichen und Privatgedäuve. Der General-Polizeilieute.iant, ein Beamter der Krone, besaß sehr ausgebrcitete, unbeschränkte Vollmachten in Bezug auf vie Sicherung des Eigcnthums und vie Gesundheits-Polizei. Endlich ward den wirklichen Repräsentanten der Stadt, nämlich dem Schultheiß, den vier Schöffen, dem königlichen Prokurator, dem Stadtschreiber und dem Ein nehmer, vie Eintreibung der Kommunal-Einkünfte, die Brod- und Wein. Polizei und die Sorge für gemeinnützige Anstalten übertragen. Die Ein nahmen der Stadt waren durchaus nicht festgestcllt, sondern hingen von will kürlichen Zugeständnissen d« Könige ab. Mit Ludwig XI V. ging auch der letzte Rest von städtischer Selbstänvtgkeit zu Grunde; die Stellvertreter der Bürger wurden vom Hofe gewählt und die Angelegenheit der Pariser Bevölke rung verschiedenen Ministerien anvcrtraut, die nicht selten cinanver cntgcgen- arbeiten. Die konstituirenve Versammlung führte 1790 wieder die Wählbar keit der städtischen Beamten ein, setzte die Zahl derselben aus hunvcrtsechS- undvierzig fest und vertheilte sie auf fünf Bureaus, von denen jedes einen VerwaltungSzwcig übernahm. Zn der SchrcckenSzeit wurde diese Einrichtung durch die Konstituirung der berüchtigten commune üe p-u-ix aufgehoben. Das Direktorium setzte acht Bürger-ComiteS ein und theilte die Stadt in zwölf Bezirke, eine Eintheilung, die noch heute eristirt. Unter dem Konsulat unv der Kaiserherrschaft war die städtische Verwaltung zwar regelmäßig, aber völlig den Händen der Bürger entwunden. Seit der Juli-Revolution gicbt eS wieder einen Bürgerrath, der von den politischen Wählern unv gewissen Klassen von Bürgern gewählt wird. Seit der Organisation dieser Behörde ist unendlich viel für vie Verschönerung und die öffentliche Wohlfahrt der Stadt geschehen. Auch die Einnahmen sind in stetem Steigen begriffen und haben in dem letzten Jahre 40,017,214 Fr. betragen. Die Einkünfte der Stadt Paris find verschiedener Natur. Die einen, wie die cenrime« communaux und der ocrroi, find wirkliche Abgaben, die vom Eigenthum, der Consumtion und dem Geschäft erhoben werden, andere find die Bezahlung eines von der Stadt geleisteten Dienstes, noch andere fließen aus dem Verkauf oder der Vermiethung von Gemeinde-Grunvstückcn. Auch gehören die Anleihen und andere außergewöhnliche Einnahmen hierher, welche die Lücken in der Kaffe ausfüllen, ohne die Steuerpflichtigen zu belasten. — Die Tantieme vom Grundeigenthum der Bürger °) heißt cenrime^ commu. naux und bringt der Stadt jährlich mehr als eine Million Francs ein; inveß find die Reclamationen gegen diese Auflage so zahlreich, daß fic wohl nächstens reduzirt werden wird. Weit weniger gehässig find die indirekten Steuern. Sie find auch die Hauptquellen für die Einnahme der Stadt. Die Acise auf die Einfuhr von Lebensmitteln und gewöhnlichen Eßwaaren datirt aus dem I2ten Jahrhundert. Vor 1780 wurden die Staats- und Stadt-Abgaben in einer Steuer erhoben und brachten ZK Mill. Fr. ein. Da aber der Staats schatz fich seinen Antheil zuerst nahm, so mag der Stadt wenig übrig geblieben seyn. Die konstituirenve Versammlung beseitigte die Zoll-Barrieren, und sieben Jahre lang wurden alle Lebensmittel ohne Steuer eingeführt. Diese Erleichterung nun kam wohl dem Einzelnen zu Gute, war aber dem Gemein wohl sehr schädlich, und die Stadt ward durch die Unzulänglichkeit ihrer HülfSquellen bald gezwungen, wieder eine ConsumtionS-Steuer zu erheben. Die Ringmauer, die zur Sicherung der Accise im Jahre 1784 begonnen worden war, wurde 1789 unvollendet liegen gelassen und während ter SchreckcnSjahre theilweise zerstört. Dieil Mauer stellte man wieder her, natür lich mit großen Kosten, da sie eine Ausdehnung von sechs Meilen und an 20 Fuß Höhe hat und außerhalb derselben eine Baum-Allee, innerhalb rin ') Als» da», was man bei un» die Käufer- und Mieths-Steuer nennt. gepflasterter Weg angelegt wurde. Sie ist von fünfundfunfzig Barricren durchbrochen, die sämmtlich mit den nöthigen Gebäuden versehen sinv. Die Opfer, welche diese Anlage kostete, vrrintcresfirten sich glänzend. Die Accise- Einnahmen vermehrten sich von Jahr zu Jahr. AuS 10 Millionen Fr., die sic anfangs lieferten, wurden während der Kaiserzeit 20, bis 1840 28; ja sie erhoben sich im Jahre 1843 auf 32,SI2,7K3 Fr. Diese enorme Steigerung rührte davon her, daß man damals in Paris, weil eine Mißärnvte drohte, große Weinvorräthc aufhäufte. Die eingeführten Getränke bringen jährlich einen Zoll von IZ Mill., die Lebensmittel V, die Brennmaterialien 5, Futter und Baumaterialien das Uebrige. Dieses stete Steigen der Pariser Accise-Einnahmen ist von vielen Seiten für vaS Zeichen einer zunehmenvcn Wohlfahrt angesehen worden. Die Wider- legung dieser gutmüthigen Meinung ist aber nicht schwer: das Steigen näm lich ist die einfache Folge von der Erhöhung der Zoll-Ansätze. Seit dem Jahre VIII der Republik ist die Steuer auf Wein in Fässern um KO, auf Wein in Flaschen um 200, auf Ochsen um 3Z, auf Kühe um 100, auf Kälber um KK und auf Hammel um ISO Prozent gewachsen. — Bei Vieser Unter suchung stellt sich noch ein anveres betrübendes Faktum heraus, daß nämlich die Consumtion der gesundesten Nahrungsmittel seit dem Anfänge dieses Jahr hunderts abgenommcn hat. Vergleichen wir die Angaben aus dem Jähre VIII mit denen aus der Periode von 18ZO — 4O. Bon jener Zeit bis zu dieser hat die Bevölkerung um KK pEt. zugenommcn; es müßten fich also vie eingcführ- tcn Lebensmittel in demselben Maße vermehrt haben. Aber Wein ist »m 74 unv Schlachtvieh um SS pEt. weniger konsumirt worden. Ist cS ein Traum? ist eS möglich, daß in einer Zeit, die ganz aufgeht in die Sorge um das materielle Wohl, die Pariser weniger Wein trinken und weniger Fleisch essen als ihre Väter, und zwar, gelind gerechnet, um ein Drittel weniger? Die höheren Klaffen trifft in der That dieser Borwurf nicht; die Mahlzeiten der Reichen waren nie vollständiger als jetzt. Aber die Leute aus dem Volke haben den Geschmack an einer einfachen und nährenden Kost verloren und fich an die Ueberreizung durch verfälschte Nahrungsmittel gewöhnt. Dem nahrhaften Rind- unv Hammelfleische ziehen sie das Schweine fleisch vor. Es werden jährlich KOOO Ctr. Speck und Wurst eingeführt und außerdem 86,l>00 Schweine in Paris selbst geschlachtet. Aus Mangel an Wein betrinkt man sich in Fusel. Im Jahre VIII wurden 3000 Hectolitres Spiritus eingeführt, jetzt 49,000 Hectol. Das Schlimmste vabei ist, daß die Pariser Schenkwirthc meistens selbst ihren Bevarf an Branntwein bereiten und ihr elendes Gemisch ungestraft verkaufen. Viele schreiben diese Uebelstände der hohen Steuer zu; wir behalten uns aber vor, dies weiter unten zu wider, legen. Die Kasse von Pvissp und die städtischen Schlachthöfe, deren Bedeutung wir sogleich auseinandersetzen werden, sind nach der Meinung Mancher nur eingerichtet, um auf versteckte Weise die Accise zu erhöhen. Wenn die aus wärtigen Viehhändler auf den Pariser Märkten nicht für baareS Geld ver kaufen könnten und deshalb Aufkäufern in die Hände fielen, so könnte dadurch leicht in einer Stadt, wie Paris, eine künstliche Theuerung erzeugt werden. Um dieser Gefahr vorzubeugcn, bildete sich unter dem Schutze des Staates eine Gesellschaft zur Erleichterung der Ankäufe und Bezahlungen. Ein solches Institut bestand bereits im Mittelalter, wurde aber seitdem zu öfteren Malen aufgehoben und wieder hergcstcllt. Im Jahre 1747 errichtete die Regierung auf dem Hauptviehmarkt, in Poissy, eine Kaffe, aus welcher den Pariser Schlächtern Vorschüsse gemacht wurvcn. Natürlich war dieselbe so eingerichtet, daß sie dem Staatsschätze eine bedeutende Summe einbrachte. 1778 wurde der Kontrakt erneuert und 7S0,000 Livres Kapital eingelegt. Turgot hob ihn auf und erhöhte nur die Einfuhr um ein Geringes. Da fich aber heraus stellte , daß dadurch der Preis des Fleisches in Paris nicht vermindert worden war, stellte er die Kaffe wieder her, die von der gesetzgebenden Versammlung neuerdings aufgehoben und von Napoleon abermals eingesetzt wurde. Seit 1811 ist sie also wieder im Gange und besitzt jetzt ein Kapital von I,S03,000 Fr., für welches SOI Pariser Schlächter cinstehcn. Sic erhält von den mit ihrem Gelbe gemachten Geschäften für einen Ochsen 10 Fr., für eine Kuh 6, für ein Kalb Ir, für einen Hammel '. Die Bücher der Kaffe von Poiffp sind ein Beleg für die traurige Thatsachc, daß die Consumtion der gesunderen Fleisch arten in Paris abgenommcn hat. Das Minus beträgt im Vergleich zur Kaiserzeit S9 Prozent! Die Idee der Errichtung öffentlicher Schlachthöse war des administrativen Talents Napoleons würdig. Bis zum Jahre 1818 schlachtete und präparirtc jeder Fleischer das Vieh, das er verkaufen wollte, in seinem Hause. Der