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WSchenilick erscheinen drei Nummern. PrünumerationS-Prei« 22^ Silbrrgr. (^ Th>r.) vierteljährlich, 3 THIr. für ins gunze Jahr, ahne Erhöhung, in allen Theilm der Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von leder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Comp., Jägerslraslt Nr. 28), so wie von allen Königl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 37. Berlin, Dienstag den 13. Mai 1843. Süd - Amerika. Eine Fahrt auf dem Orinoko. Aus dem Tagebuche eines britischen Offiziers. Die schönen Tage Westindiens sind längst vorüber. Die gerühmte Gast freiheit, die den Aufenthalt in einem verpesteten und todbringenden Klima zu erheitern pflegte, gehört jetzt nur noch zu den Erinnerungen des vcrschwun- denen goldenen Zeitalters. Der Langsree fließt nicht mehr in vollen Strömen, und die pepper-pots füllen sich nicht länger von selbst, wie das Oelkrüglein der Witwe von Sarepta.') Der alte Wahlspruch dieser Inseln: «dort lite Slick s nierr^ o»e! (Lin kurzes Leben, aber ein vergnügtes!) hat seine Kraft verloren. Hypothek-Schulden und Verwalter haben das Werk vollendet, das die Philanthropie begonnen hatte, und die alte Pflanzer-Race stirbt all- mälig aus. Die kleine, in den Mortalitäts-Tabellen berüchtigte Insel Tabago war seit Monaten mein elender Wohnsitz gewesen. Ich hatte ihre runzelige Ober fläche in allen Richtungen durchstreift, ihre sämmtlichen Merkwürdigkeiten in Augenschein genommen; ich hatte die Windseite oder den äußersten westlichen Punkt des 20 engl. Meilen langen und v Meilen breiten EilandS besucht, dessen Bewohner sich keccsrie« oder wilde Schweine nennen; ich hatte einen Ausflug nach dem hufeisenförmigen Korallenriff gemacht und war mit meinem Boote umgeschlagen. Die Papageien hatten sich in die Gebüsche zurückgezogen, die blauen Tauben waren vorübergestrichen, und die Saison für den Kibitzfang hatte ein Ende genommen, wo die würdigen Plantagen-Ver- Walter auf Stühlen unter den Bäumen sitzen, schießen und Punsch trinken, Punsch trinken und schießen, bis ihnen die Vogelschaaren vor den Augen flimmern. Einige wilde Ochsen waren noch in dein Walde zu hören, aber sie verlohnten nicht der Mühe, ihnen zu Fuße unter den Strahlen einer vertikalen Sonne nach ihrem Lager zu folgen. Die spinnbeinigen Häuser der guten Stadt Scarborough, mit ihrer Bevölkerung von schwarzen Gentlemen und weißen Männern und ihrer kleinstädtischen Aristokratie, hatte ausgehört mich zu intcressiren. Zn den Reizen der braunen Schönheiten glaubte ich plötzlich etwas Affenartiges zu bemerken, und ihre Liebenswürdigkeit konnte mich nicht länger fesseln. Selbst die Aerzte beklagten sich über die herrschende Langeweile. Der gelbe Hans") war in seiner sumpfigen Behausung eingeschlafen, und die schwarzen Landkradben, denen menschliche Leichen zur Nahrung dienen, be lauerten seinen Schlummer mit ihren schielenden Glotzaugen und harrten auf sein Erwache». Das Land war von einer Dürre heimgesucht, und Pflanzer und Bullfrösche quakten im Chor ihre Klagen über die Trockenheit des Erdbodens. Aus diesem peinlichen Zustande wurde ich durch die Verwirklichung eines längst gehegten PlanS, die Imres kenne oder daS feste Land von Süd-Amerika zu besuchen, erlöst. ES waren einige Jahre verflossen, seitdem England, nach dem Ausdruck eines bekannten Staatsmanns, eine neue Welt ins Daseyn gerufen hatte, und ich wollte mich überzeugen, ob seine glänzenden Visionen erfüllt seycn. Die Republik Venezuela, die den nordöstlichen Winkel des Kon tinents bildet und aus mehreren großen und fruchtbaren Provinzen besteht, erregte zuerst meine Aufmerksamkeit; ich hatte das Glück, einen gleichgesinnten Freund anzutrcffen, und der Ausflug ward beschlossen. Der Morgen des 28. Dezember sah uns schon auf dem Verdeck des Schiffes „Pubertad" mit zwei Felleisen per Mann, einem spanischen Wörterbuch und den nöthigftcn Reisebedürsniffen versehen. ES wehte ein leiser Wind, und Tabago nahm sich nie besser aus, als da wir unS allmälig von ihm entfernten. Unsere Fadrt wurde durch die Strömungen verzögert, die sich mit ungleicher Schnelligkeit längs der amerikanischen Küste hinaufziehen, ihre Kraft dann unter die Ge wässer des Meerbusens von Paria und diejenigen theilen, die die Inseln unter dem Winde umgeben, und endlich um die Meerbusen von Florida und Me)iko kreisen. Im Laufe des folgenden Morgens zerriß der Wind unser großes Segel, was den Gang des Fahrzeugs noch mehr aufhielt; in der Nacht ver fehlten wir noch dazu die 8ocs cke kisvios oder Haupt-Mündung des Orinoko- Flusses und gelangten daher erst am 3t). Dezember um vier Uhr Nachmittags zum Kap Barima, dem südlichsten Punkt der ttocs. Das Wasser war in dieser Gegend schlammig und halb frisch, die Küste niedrig und mit Mangle- ') (spr. ffänggerih) nennt man in Westindien und dem südlichen Theil der Der. Staaten ein Getränk, das aus Eiswasser »üt Wein und Zucker besteht. ?exp«r-p«t ist ein a»S mehreren scharfen Gewürzen zusammengesetztes Gericht. ") Mit diesem Namen — äseU»>v Saab — bezeichnet man in Westindien daS gelbe Neber. bäumen überwachsen. Ein armirter Schooner, der die Hälfte der venezuela nischen Marine in seiner eigenen Person darstellt, versah uns hier mit einem alten, grämlichblickenden Lootsen, dessen Ankunft unseren Capitain von seinen Dienstsorgen befreite, so daß er mit erneuerter Energie sich der Aufgabe widmete, die Honneurs seines Fahrzeuges zu machen und seine unglücklichen Schiffsjungen zu tprannisiren. In einem dieser Letzteren, einem kleinen, melancholischen Jndianerknaben, halte er ein ausgezeichnetes Talent für das Zerbrechen von Glas und Porzellan entdeckt; der andere, der von sehr ge mischter Abkunft schien, zeigte ein seltsames Genie im Beschmutzen der Teller und im Ueberreichen der Messer und Gabeln mit den Spitzen nach außen. Diese Eigenschaften, die sich bei jeder Mahlzeit in ihrem vollen Glanze entwickelten, gaben unserem Capitain Anlaß, sich auf Englisch, Spanisch und Französisch in Verwünschungen zu ergießen und unsere Sympathie für die Plagen anzusprc- chen, die er mit so unverbesserlichen Subjekten auszustehen habe. Es regnete heftig. Zum Glück befanden sich unsere Kojen, oder Hundc- löcher, wie wir sie nannten, auf dem Verdeck, und wir hatten daher nicht nöthig, uns in der Kajüte einzupferchen, was in diesem Klima so unerträglich ist. Unsere Hundelöchcr öffneten sich nach innen und waren groß genug, um darin aufrecht sitzen und einige Bücher und Kleidungsstücke aufbewahrcn zu können. DaS Vordertheil war mit einem Stück Segeltuch bedeckt, welches, sobald der Regen nachließ, zusammengerollt und ausgespannt wurde, wenn die Sonne ihre glänzenden Strahlen auf unö schoß. Auf diese Art vertrat eS die Stelle einer Markise. Die besten Erfindungen der menschlichen Weis- heit tragen aber leider den Stempel der Unvollkommenheit; ich muß bekennen, daß die Hundelöcher etwas Sonne und sehr viel Nässe einlicßen. Wir ankerten für die Nacht einigen indianischen Hütte» gegenüber, von denen ein schwaches Licht durch den Regen und Nebel schimmerte. Diese Hütten befinden sich auf der Krabbeninsel, die auch wirklich mehr zum Wohnsitz solcher Thiere als zu einer menschlichen Behausung paßt; aber die Indianer des Orinoko sind eine wilde Race. Den folgenden Morgen regnete es wieder, und wir sahen uns dadurch verhindert, mit dem Boote nach dem Ufer abzu- fahren, um dort Brennholz zu suchen. Ein kleines Kanot schoß aus einer ent- sernten Bucht hervor, ruderte auf uns zu und legte sich dem Schiffe zur Seite. Seine Mannschaft bestand aus drei wild aussehenben Guaraunen (wie man die Indianer der Orinoko-Mündungen nennt), die miS einige Kalebassen mit Fischfett brachten, wofür sie Rum verlangten. Von ihrem Kanot, welches aus einem Baumstamm gehöhlt und von geringer Größe war, wollten sie sich nicht trennen und schlugen vier Piaster aus, die ihnen der Capitain dafür anbot. Es waren schmutzige dickbäuchige Wilde, völlig nackt, mit Ausnahme eines Lap- pens, der den stark gekürzten Schößen einer Husarenjacke glich, und ihrer zer zausten Haare, die ungeschnitten und ungekämmt über ihre Schultern fielen und nur von der Stirn wegrasirt waren, um GesichtSzüge zu enthüllen, wie sic ein Knabe bei seinem ersten Bildhauer-Versuch aus einem Holzblock schnitzen würde. Am Morgen fuhren wir mit der Flnth den Orinoko hinauf, und da der Wind uns nicht begünstigt», so mußten wir Anker werfen, sobald die Ebbe ein trat. Nach kurzem erhob sich jedoch eine Brise mit starken Regenschauern, die unS etwas forthalf. Die Wälder begannen allmälig einen stattlicheren An blick zu gewähren, obgleich sie noch immer von Manglebäumen besetzt waren ; blaue und gelbe Maccano-Papageien umschwärmten uns, und in der Entfer nung zeigten sich wilde Truthähne auf den verdorrten Aestcn der ältesten Bäume. Bei Einbruch der Nacht ankerten wir in einem breiten Kanal, wo verdächtige Schlammbänke uns mit einem feindlichen Anfall der Moskitos zu bedrohen schienen, und der Capitain ricth, uns darauf gefaßt zu machen. Ent weder aber lag etwas Günstiges in der Atmosphäre, oder jene stacheligen Myriaden behandelten uns mit ungewohnter Nachsicht, denn obgleich wir bis spät in die Nacht auf dem Verdecke saßen, die Schönheit der sternenklaren Nacht genossen und das neue Jahr begrüßten, wurden wir kaum durch den Trompetenklang dieser Quälgeister in unserer Ruhe gestört. Schon lange vor TageS-Anbruch durch das Quaken, Schreien, Heulen, Rufen, Wiehern, Krähen und Kreischen der Wald-Thiere und Vögel erweckt, die mit betäubendem Lärm die Reveille bliesen, erstiegen wir das Verdeck, und da wir den Seewind nicht vor zehn Uhr zu erwarten hatten, so beschlossen wir, die Flinte in der Hand, eine Exkursion mit dem Schiffsboot vorzunehmen. ES war ein herrlicher Morgen, und als die Sonne sich über den Horizont erhob, glänzten Himmel und Wasser in purpurrothem und goldenem Licht. Wir glit ten längs den waldigen Ufern hin; die Vögel taumelten noch um ihre Nester und ermunterten sich durch das Geschrei, das uns selbst von unseren Kiffen aufgescheucht hatte. Die feuchte Atmosphäre des Flusses war nicht ohne Ein-