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was die Königin aufs höchste beglückt haben würde; aber er verlangie für seine Freigebigkeit zweierlei: erstlich die Wiederabtretung Louisianas an Frank» reich, zweitens eine ernstliche Drohung am portugiefiswcn Hofe, um ihn zum Frieden mit der Republik und zum Bruche mit England zu bewegen. Der erste Konsul stellte diese Bedingungen aus folgenden Gründen. Seit Kleber'ü Tode begann er um die Erhaltung Aegyptens besorgt zu werden, und er thcilte mit allen Leuten seiner Zeit die Sucht nach entfernten Besitzungen. Die Eifersucht Frankreichs und Englands, welche um nichts Anderes als Ost- und Westindien seit einem Jahrhunderte kämpften, hatte die Leidenschaft, Kolo» nieen zu besitzen, bis auf den höchsten Punkt gesteigert. Sollte uns Aegypten entrissen werden, so wollte der erste Konsul doch etwas für die koloniale Größe Frankreichs gethan haben. Er überschaute die Landkarte und sah eine prächtige, zwischen Mcjiko und den Vereinigten Staaten gelegene Provinz, welche früher Frankreich gehört hatte, aber in einer Zeit der Muthlosigkeit durch Ludwig X V. an Karl III. abgetreten worden war und in den machtlosen Händen der Spa» vier von den Engländern und Amerikanern stark bedroht wurde ; welche für die Spanier, die eine Hälfte des amerikanischen Festlandes besaßen, geringen Werth hatte, einen sehr großen dagegen für die Franzosen, die in jener Gegend von Amerika nichts besaßen; welche sehr fruchlbringend werden konnte, wenn die Thätigkeit der Franzosen sich speziell auf ihr Gebiet beschränkte: diese Provinz war Louisiana. Wenn Aegypten verloren ging und uns mithin keine Ent schädigung für St. Domingo mehr gewährte, so hoffte der erste Konsul, diese in Louisiana zu finden. Er verlangte es also förmlich von Spanien als Preis für ein Gebiet in Italien. Er forderte ferner, daß man ihm einen Theil der auf der Rhede von Brest blokirtcn spanischen Schiffe überlasse. In Beziehung auf Portugal wünschte er die geographische Lage Spaniens und die Bcrwandlschaft der beiden regierenden Häuser der Halbinsel zu benutzen, um cS der Verbindung mit England abwendig zu machen. Der Gouverneur von Portugal, der Prinz von Brasilien, war in der That Schwiegersohn des Königs und der Königin von Spanien. Man hatte also in Madrid außer der Gewalt der Nachbarschaft noch den Familieneinfluß und konnte dies doppelte Mittel wohl benutzen, um die Engländer von diesem Theile deck Kontinentes zu vertreiben. Da auch die Küsten Preußens, Dänemarks, Rußlands und Schwedens im Begriff standen, sich ihnen zu verschließen, da auch Neapel von Frankreich genöthigt werden konnte, ihnen sei-nc Häfen zu verbieten, so mußten sich die Engländer, wenn der gegen Portugal beabsichtigte Plan gelang, bald vom ganzen Kontinente abgeschnitten sehen. Dies waren die Bedingungen, welche Bcrthicr in Madrid vorlcgen sollte. Er wurde von dem Könige, der Königin, dem Friedensfürsten und von allen Granden Spaniens, welche neugierig waren, den Mann zu sehen, dessen Name in der Geschichte der gleichzeitigen Kriege stets neben dem Bonaparte s glänzte, vortrefflich ausgenommen. Die Bedingungen Frankreichs schienen zwar hart, doch konnten sie keinen ernsten Widerstand finden. Nur der Minister Urquijo schien auö Furcht vor den Eindrücke», den diese Zugeständ nisse auf die Spanier hcrvorbringen könnten, sich etwas stärker zu widersetzen als der Hof. Man machte, um ihn zu beschwichtigen, Gründe geltend, die ohne Zweifel gut waren. Man sagte ihm, daß große Landstriche an den noch unbewohnten Ufern des Mississippi erforderlich seyen, um ein Aequivalent für die kleinsten Besitzungen in Italien zu bieten; daß die Spanier im Mejika- nischcn Meerbusen gegen die Engländer und die Amerikaner solche Verbündete brauchten, wie die Franzosen; daß, wenn Louisiana für Frankreich nach dem Verluste aller seiner Koloniecn einen großen Werth habe, es doch für Spanien bei seinen so ausgedehnten Besitzungen in der neuen Welt unbedeutend sep; daß eine Vergrößerung des Einflusses in Italien für Spanien weit wichtiger sey, als ein entferntes Gebiet, das noch dazu in einer Gegend liege, wo man es in Zeiner ganzen Ausdehnung weder ausbeuten noch verthcidigcn könne; daß eS endlich eine alte französische, durch die Schwäche Ludwig's XV. aufgegebene Besitzung sep, welche selbst Karl III. in seiner weltbekannten Loyalität anfangs ausgeschlagen habe, so wohl habe er eingcsehen, wie wenig cS ihm zukomme. Diese Gründe waren vortrefflich, und gewiß gab Spanien unter diesen Verhältnissen nicht mehr, als eS empfing. Noch mehr aber als die besten Argumente wirkte auf Urquijo die Furcht, Frankreich zu beleidigen und einen Plan scheitern zu machen, an dem sei» Hof mit einer Art von Leidenschaft hing. Man einigte sich also zu einem vorläufigen Vertrage, nach welchem der erste Konsul versprach, dem Herzog von Parma einen Zuwachs von ungefähr l,200,ovo Seelen in Italien zu bewirken und ihm überdies den Königstitel und die Anerkennung desselben beim allgemeinen Frieden von Seiten aller europäischen Souveraine zu verschaffen. Spanien dagegen sollte, sobald ein Theil dieser Bedingungen erfüllt seyn würde, Louisiana an Frankreich zurück- gcben, mit den Gränzen, die eS hatte, als cS von Ludwig XV. an Karl III. abgetreten wurde, und überdies sechs vollständig ausgerüstete und bewaffnete Linienschiffe überliefern. Dieser von Berthicr zu Madrid unterzeichnete Vcr» trag erfüllte die Königin mit der lebhaftesten Freude und steigerte den Enthu siasmus des spanischen Hofes für den ersten Konsul bis zum Gipfel. Die letzte Bedingung, Portugal zum Bruche mit England zu treiben, war leicht, denn sie entsprach den Absichten Spaniens eben so sehr als denen Frankreichs. Spanien mußte in der That eben so sehr als Frankreich den Wunsch hegen, England seiner Verbündeten zu berauben und es vom Konti nente auszuschließen. Der erste Konsul that hier weiter nichts, als daß er eS aus seiner unverzeihlichen Schläfrigkeit ausrüttelte und cS drängte, sich eines Einflusses zu bedienen, von dem eS schon längst hätte Gebrauch machen solle». Er dehnte in Beziehung hierauf seine Pläne noch etwas weiter aus; er schlug nämlich Karl IV. vor, wenn der Hof von Lissabon der an ihn gerichteten Er mahnung nicht sogleich Folge leiste, ein Heer über die portugiesische Gränze gehen zu lassen, sich einer oder mehrerer Provinzen zu bemächtigen und sie als Pfand zu behalten, damit England später, um die Staaten seines Ver- kündeten zu retten, genöthigt werde, die eroberten spanischen Kolonieen wieder herauszugcbcn. Für den Fall, daß Karl IV. sich zu dieser Unternehmung nicht stark genug glaube, bot er ihm eine französische Division zur Unterstützung an. Der gute König verlangte nicht so viel. Der Prinz von Brasilien war sein Schwiegersohn; er wollte ihm also keine Provinzen entreißen, wäre eS auch nur, uni als Pfand für die Rückgabe spanischer Provinzen zu dienen. Aber er richtete die dringendsten Ermahnungen an ihn und drohte selbst mit Krieg, wenn sein Rath ungehört bliebe. Der Hof von Lissabon versprach so gleich, einen Bevollmächtigten nach Madrid zu schicken, um mit dem fran zösische» Gesandten zu unterhandeln. Berthier kehrte vom spanischen Hofe mit Ehrenbczeflgungen überhäuft nach Paris zurück und konnte dem ersten Konsul versichern, daß er am Hofe von Madrid auf vollkommen ergebene Herzen zählen dürfe. Die prächtigen von Karl I V. geschenkten Pferde kamen ungefähr um dieselbe Zeit an und wurden dem ersten Konsul auf dem Carouffelplatze bei einer der großen Revüen vor- gestellt, in denen er den Parisern und den Fremden die Soldaten zu zeigen liebte, welche Europa besiegt hatten. Eine zahllose Menge von Neugierigen lief, diese schönen Pferde und die geputzten Reitknechte anzuschen, welche an die alten königlichen Auszüge erinnerten und die Achtung und die zuvorkom mende Aufmerksamkeit der ältesten Höfe Europa s gegen das neue Oberhaupt der französischen Republik bewiesen. Am 's. Februar 180t unterzeichneten Joseph Bonaparte und Cobenzl den Frieden zu Lüneville, durch welchen der Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich beendigt und die Verhältnisse Obcritaliens geregelt wurden. Der Erbprinz von Parma erhielt in diesem Frieden das Großherzogthum Toskana als Königreich Hetrurie»; der Großherzog sollte in Deutschland entschädigt werden. Der spanische Hof war über diese Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches höchst erfreut und zeigte sich dem ersten Konsul und seinen Plänen täglich mehr ergeben. Ein vorhcrgcsehencs Ercigniß, der Fall Urquijo'S, statt das Einverständniß zu schwächen, knüpfte cs nur um so fester. Man hatte das anfangs nicht glauben wollen, denn Urquijo war in Spanien eine Art von Revolutionär, so daß Frankreich von ihm ein weit bereitwilligeres Entgegen kommen hoffen durste, als von jedem Anderen. Der Erfolg bewies aber, daß die Voraussetzung falsch gewesen war. Urquijo hatte nur kurze Zeit regiert. In der Absicht, gewisse Mißbräuche zu verbessern, hatte er Karl IV. einen eigenhändigen Brief, der eine Reihe von Vorschlägen zur Reform der spani schen Geistlichkeit enthielt, an den Papst schreiben lassen. Der Papst aber hatte sich in seinem Schreck, daß der reformatorische Geist selbst in Spanien cindringc» wollte, an den alten Herzog von Parma, den Bruder der Königin, gewendet, sich über Urquijo beklagt und ihn als schlechten Katholiken abgemalt. ES bedurfte nichts weiter, um Urquijo in den Augen des Königs zu vernichten. Der Friedcnsfürst, Urquijo'S erklärter Feind, benutzte die Gelegenheit, um während einer Reise des HofcS den letzten Streich zu führen. In Folge dieser vereinten Bemühungen wurde Urquijo mit einer unerhörten Rohheit abgeseht. Man verhaftete ihn in seiner Wohnung und schaffte ihn wie einen Staatsver brecher aus Madrid. Herr von EcvallvS, ein Verwandter und eine Kreatur des Friedensfürsten, wurde zu seinem Nachfolger ernannt. Seit diesem Augen blick war der Friedenüfürst wieder der wirkliche erste Minister des spanischen Hofes. Da er zuweilen eine gewisse Opposition gegen die enge Verbindung mit Frankreich gezeigt hatte, wahrscheinlich um eine Gelegenheit zum Tadel über das spanische Ministerium zu haben, so fürchtete man, daß dieser Minister wechsel den Plänen des ersten Konsuls schädlich werden könne. Aber Lucian Bonaparte, der kurz zuvor in Madrid angekommen war und die Lage der Dinge richtig beurtheilte, vernachlässigte den Herrn von Cevallos und setzte sich geradezu mit dem Friedensfürsten in Beziehung. Er machte ihm bemerklich, daß man in Paris eigentlich ihn als den wirklichen Minister Karl'S IV. ansehe, daß man sich wegen aller Schwierigkeiten, auf welche die französische Politik in Spanien stoßen werde, an ihn halten wolle, daß man in Beziehung auf ihn Freund oder Feind seyn werde, je nach seinem Benehmen. Da sich der Friedens- fürst vielfachen Haß und namentlich de» des wahrscheinlichen Thronerben zu- gezogen hatte, welcher wegen des Druckes, unter dem er leben mußte, aufs heftigste erbittert war, da er sich ferner verloren sah, wenn der König und die Königin sterben sollten, so betrachtete er die Freundschaft Bonaparte'S als sehr kostbar und beeilte sich, sie zu gewinnen. Von diesem Tage ab wurden die Geschäfte geradezu zwischen dem Friedensfürsten und Lucian verhandelt. Urquijo hatte sich zu schwach gefühlt, um die portugiesische Frage zu lösen, und eine runde Erklärung über dieselbe immer hinauSgcschobcn. Er hatte tausend Versprechungen gegeben, ohne jemals zu handeln. Der Friedcnsfürst gestand in seinen Unterhandlungen mit Lucian, daß man bisher nichts habe thun wollen, und daß Urquijo absichtlich mit schönen Worten gespielt habe, er versicherte aber, daß er für seine Person bereit sey, sich mit dem ersten Konsul über eine durchgreifende Maßregel gegen Portugal zu verständigen, voraus gesetzt, daß man sich zuvor über gewisse Punkte einige. Er verlangte zuerst ein französisches Hülfsheer von fünfundzwanzigtausend Mann, denn Spanien sey außer Stande, mehr als zwanzigtauscnd aufzubringen; so sehr war dies schöne Land gesunken. Die Gegenwart einer französischen Macht könne den König und die Königin besorgt machen; sie müsse mithin, um Beide zu beruhi gen, unter den Befehl eines spanischen Generals gestellt werden. Dieser Ge neral wolle er, der Friedcnsfürst, selbst scyn. Endlich sollten die zu erobernden portugiesischen Provinzen bis jum allgemeinen Frieden als Pfand in den Hän-