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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Prel« 22^ Silbergr. (5 Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werben von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Dell u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. -IL 48. Berlin, Dienstag den 22. April 184L. Afrika. Eine Jagd auf entlaufene Neger, auf Isle de Bourbon. Die Sonne verschwand hinter den Hügeln, und die Neger, welche unser Gepäck trugen, warfen ihre Last von sich, als wollten sie Halt machen. Wir waren an den Punkt gekommen, wo sich zwei Flüßchen zu dem Marsuinen- fluffe vereinigen, einem der klarsten und breitesten der Insel Bourbon. Vor uns erhob sich eine Mauer von vulkanischen Bergen, aus deren Mitte die Rauchsäule Les Piton de Fournaise emporstieg, hinter uns glänzte zwischen üppig bewaldeten Hügeln das Meer wie ein schöner See hervor. „Wenn Sie zufrieden sind, meine Herren", sagte der Doktor, „so gehen wir heute nicht weiter und bleiben, ehe wir uns in die kalten Gegenden der Insel wagen, diese Nacht noch im Thalc. ES fragt sich nur, ob wir hier herum ein paffendes Lager finden." „Das lassen Sie meine Sorge seyn", antwortete unser Führer; „ich weiß hier in der Nähe eine famose Grotte, die ich schon lange gesucht habe. Wenn ich mich recht besinne, fuhrt dieser Weg dahin." Bei diesen Worten verschwand er im Gebüsch mit seinem Hunde. Der Doktor nahm mit Hast eine Botanifirbüchse vom Rücken eines Schwarzen, öffnete sie und beschaute mit Entzücken die reiche Beute, die er auf seiner Wanderung gemacht hatte. Eben fing er an, sich in einer sentimentalen Rede über die höchst wahrscheinlich durch die Vulkane verloren gegangenen Pflanzen- SpezieS zu ergehen, — als ein Flintenschuß uns aufschrccktc. Wir stürzten Alle nach der Gegend zu, in der wir den Knall gehört hatten, drangen durch das Gehölz und befanden uns plötzlich am Rande eines jähen Abgrundes. Gegenüber sahen wir unseren Führer, der seine Flinte abwischte und seinem Hunde pfiff. „Sepd Ihr angegriffen worden, Maurice?" schrie ihm der Doktor zu. „Hat nichts zu bedeuten", antwortete der Kreole. „Ehe ich in die Grotte ging, wollte ich mich versichern, daß sie nicht besetzt sep. Mein Hund witterte etwas und bellte. Ich lud meine Flinte und drückte los. In demselben Augenblicke ließ sich ein entlaufener Neger an den Lianen dort in die Schlucht hinunter. Kommen Sie nur, meine Herren ; jetzt stört uns Niemand mehr. So weit mein Schuß gehört worden ist, wissen nun die Landstreicher, daß Weiße hier find, und sie werden sich nicht blicken lassen." Der Eingang der Höhle war durch Schlingpflanzen völlig verdeckt, so daß man glauben mußte, eine mit Grün bewachsene Felsenwand vor sich zu haben. Wir machten es uns bequem aus dem weichesten und, wie der Doktor sagte, dem interessantesten Moose, daS wir je gesehen hatten, nur fürchtete ich, der Kreole hätte den flüchtigen Neger verwundet oder vielleicht gar getödtct. „Ich habe blind geschossen", beruhigte mich Maurice; „denn ich wollte ihn und seines Gleichen nur aus der Nähe haben. Sie finden, glaubt mir, eine andere Stätte, als diese hier, die ihnen vielleicht nicht so lieb, aber für Neger gut genug ist." „Ein prächtiges Lager!" sagte der Doktor vergnügt; „durch welchen glücklichen Zufall, Maurice, habt Ihr diese Grotte entdeckt?" „O", antwortete dieser, „welcher Kreole aus Sainte-Rose und Saint- Benoit hätte sie auf seinen Treibjagden nicht gesehen, welcher Pflanzer auf der Insel nicht von der Mulgachen-Grotte reden hören! Aber doch giebt's nur Wenige, welche wissen, warum ffe so heißt. Das ist eine alte Geschichte." „Ihr könnt sie uns doch erzählen, Maurice?" Die Führer werden, so großsprecherisch und durchdrungen von ihrer Wich tigkeit sie auf dem Marsche sind, an den Rastorten schweigsam und bescheiden, und eS bedurfte einer Manilla-Zigarre und mancher begütigenden Worte, um Maurice zum Reden zu bringen. l. „Ich bin nie gereist, meine Herren", begann Maurice und setzte seinen Strohhut auf den Lauf seiner Flinte, „weiß also nicht, ob sich in anderen Ländern die Dinge mit jedem Tage ändern; aber so viel kann ich versichern, daß, seitdem ich auf der Welt bin, unsere Insel viel Neues erlebt hat. Man macht so viel urbar, daß wir bald kein Wasser mehr in unseren Flüssen haben werden, und wir, nämlich wir gewöhnlichen Kreolen, deren größter Reich thum ein Garten und ein MaiSfeld ist, müssen wöchentlich dreimal auf den Fischfang. An den übrigen Tagen jagen wir wilde Ziegen und Amseln — und auch diese werden seltener — oder davongelaufene Neger, wenn welche da sind. Denken Sie sich, ganze Wälder hat man niedergeschlagen, weite Strecken des besten Jagdreviers verkauft, auf allen Hochebenen Dörfer ge. baut! Es ist unmöglich, daß wir länger so fortleben, wie früher. Am Ende, glaub' ich, werden wir noch den Boden umgraben sollen — aber, wir find Weiße, eben so gut, als die größten Pflanzer, und die Schaufel gebührt nur den Schwarzen. So war's von jeher. „Dazu kommt nun noch, daß die Arme zu fehlen anfangen; denn der Sklavenhandel ist fast zu Grunde gerichtet. Schon weigerte sich der mächtigste König von Madagaskar, Radama, Malgachen ausführen zu lassen, und der englische Gouverneur von Isle de France mußte ihm vierzigtausend Piaster jährlich zusagen, wenn er seine Völker wieder flott machte. Damals kamen noch Jolofen, Jambanen, MakondehS, schöne Ackerneger, nur ein wenig schwer zu zäumen, Kaffern, die lieber Kühe weiden, als das Land bebauen, und den Branntwein gründlich kennen, Mozambiquen, gutes Lastvieh, tüchtige Ruderer mit Affengcsichtern. Da jeder dieser Stämme seine eigene Geschick lichkeit hatte, so konnte man sich, wenn man verständig wählte, für alle Be dürfnisse versorgen. „Am heimischsten konnten sich bei uns noch die Malgachen fühlen, die hier die Heerdcn ihrer Ebenen und die Bäume ihrer Wälder wiedcrfanden. Daher hatten wir auch keine große Mühe, sie zu zähmen; aber sehen Sic, meine Herren, der Neger ist von Natur faul, und der Mensch, der einmal die Arbeit scheut... ." „Wird sich eher alle Entbehrungen gefallen lassen, als seine Neigung zur Trägheit überwinden", sagte ich und fixirte den Kreolen. „Ja, mein Herr, mein Vater hat mir das oft gesagt, wenn wir an den Mündungen angelten. Sehen Sie hier diese Kalebasse von seiner Arbeit; eine schönere finden Sie auf der ganzen Insel nicht. Einen vollen Monat brauchte er dazu, um sie so künstlich zu verzieren. Als er sie^daS erste Mal gebrauchte (es ist schon lange her, aber ich erinnere mich dessen noch, als wäre es gestern gewesen), waren wir auf der Ziegenjagd an der Salazenküste. Wie wir nun vom Gebirge herabstiegen, sahen wir in weiter Ferne auf der hohen See einen weißen Punkt. „Ich wette", sagte mein Vater, ihn genau und lange betrachtend, das ist die „Diana". Keine andere Goelette kann im Süden landen, und wenn die Brise sie nicht hindert, so liegt sie heute Abend in der Bucht von Piton vor Anker." „Währenddcß war ein kleines Kriegsschiff, das hinter einem Vorgebirge zu unserer Linken lag, ausgelaufen. ES lief ungefähr zwanzig Minuten in der Richtung der Goelette, dann aber — mochte es dieselbe nun aus dem Gesichte verloren haben oder sich nur so stellen — wandte eS sich um und ver schwand. Alsbald rückte auch der weiße Punkt näher, und wir konnten deut- lich die „Diana" unterscheiden, die auf Piton zusegelte. Als der Abend kam, hatten die bei der Landung der Goelette interessirten Pflanzer auf einem Felsen der Bai ein Feuer angezündet, das zum Lcuchtthurm dienen sollte. „Die Ankunft eines Sklavenschiffes war immer ein Ereigniß für die ganze Insel, und Alles lief an die Küste, um die neuen Neger zu sehen. Mein Vater war nicht reich, und gewöhnlich kümmerte er sich um die angekommenen Sklaven wenig. Damals aber hatte er eine kleine Erbschaft gemacht und kam auf die Idee, sich einen Schwarzen zu kaufen, dem er das ZimmcrmannS- handwerk lehren wollte, das er selbst von Zeit zu Zeit übte. Wie alle unsere Kreolen, konnte er ein Holzhaus bauen und einen Stamm zu einem Kahne auShöhlen. Die ersten Kolonisten, die sich hier nicderließen, mußten das wohl lernen. Sie waren anfangs Soldaten in den Garnisonen von Mada gaskar gewesen, dann Flibustier geworden, und hatten sich endlich, als ihr Geschäft zur See gefährlich wurde, auf Isle de Bourbon festgesetzt- Später, nachdem sie eine Regierung gebildet und die Besitzungen feste Gränzen bekom men hatten, verkaufte man Land an diejenigen, welche Geld hatten. Diese kauften sich Sklaven, machten große Strecken urbar und verdrängten unsere alten Familien, die die wahren Herren der Insel waren. Zu ihnen gehörte auch mein Vater. „Maurice", sagte er zu mir, als die „Diana" in der Bai die Anker geworfen hatte, „komm' mit, wenn du nicht zu müde von der Jagd bist. Es muß eine gute Auswahl von Schwarzen angekommen sepn; ein Neger, der noch nicht abgearbeitet ist, von mittlerer Stärke kann nicht mehr kosten, als ein Maulesel aus Frankreich; ich lehre ihm mein Handwerk, er wird ein guter Zimmermann, wir vcrmicthen ihn in die großen Werkstätten in St. Denis zu einem, zwei Piaster täglich ; dann kauft er sich loS; ich gebe dir die Summe zu deiner Einrichtung, und wenn du sparsam bist, so wirst du einst ein Pflanzer, wie irgend einer auf Isle de Bourbon."