Volltext Seite (XML)
180 den die Gefangenen in Ketten aus dem Verließe nach dem Registan gebracht, wo der Emir Gericht hält und einige zum Tode verurtheilt, andere in Freiheit setzen läßt. Denjenigen, die unbeachtet bleiben, werden die Kopfe geschoren, worauf man sie nach ihren früheren Zellen zurückführt. Sie gehen fast immer barfuß, und um einen Begriff von den Leiden dieser Unglücklichen zu haben, muß man sie bei einer Kälte von 13 Grad Reaumur mit nackten Füßen im Schnee stehen und stundenlang auf die Erscheinung des Beherrschers der Gläubigen harren sehen. Die Nachrichten, die das Ehanpkovsche Werk über die Militair- und Civil- Verfafsung Buchara's mittheilt, sind höchst merkwürdig; auch in seinen Re formen und Eroberungen ähnelt Nefscr-Ulla, wie in anderen Punkten, seinem Glaubensgenossen Mehmed-Ali. Von der Genialität des Letzteren zeigt er indeß keine Spur; seine Politik besteht nur in grober List und roher Gewalt. Obgleich er seine vier Brüder ermorden ließ, um sich den Weg zum Throne zu bahnen, ist er seiner strengen Religiosität halber bei dem Volke und beson ders bei den Mullas sehr beliebt. Nach den letzten Berichten hat er auch den größten Theil des alten TranSoriana's oder Mauer-en-.-ahar's seiner Herrschaft unterworfen und bemüht sich jetzt, die wilden und bisher unabhängigen Völker schaften der Steppe zum Gehorsam zu bringen. Nord-Amerika. Deutsche Lutheraner und Reformirte in den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1626 wurde die erste deutsche Kolonie in Amerika gegründet; sie erhielt einen bedeutenden Zuwachs durch neue Einwanderer, die Deutsch land verließen, als die Heere Ludwig's XIV. die Pfalz verwüsteten. Seitdem ist die Zahl der Deutschen in steter Zunahme begriffen. Sie bildeten bei ihrer Ankunft zwei Gemeinden, eine lutherische und eine reformirte; zur ersteren gehören auch die Abkömmlinge einer kleinen schwedischen Kolonie, die auf Veranlassung des Königs Gustav Adolph am Delaware gegründet wurde. Die einzelnen lutherischen Gemeinden, welche jetzt über die Union verbreitet sind, hängen politisch nicht zusammen und verwalten, unabhängig von ein ander, ihre speziellen Interessen durch Distrikts-Synoden. Es giebt zwar auch eine allgemeine lutherische Synode; indeß giebt dieselbe nur Gutachten ab und kann keine bindenden Beschlüsse fassen. Die Lutheraner besitzen eine theologische Fakultät in GettySburg in Pennsylvanien und drei Gymnasien. In einigen Kirchen bedient man sich noch der deutschen Sprache, in den meisten aber ist die englische eingeführt. Im Ganzen giebt es in den Vereinigten Staaten 146,500 Lutheraner mit 423 Geistlichen. Im Jahre 1610 entdeckten die Holländer die Gegenden am Hudson und Connecticut und gründeten auf der Insel Manhattan eine Kolonie, aus wel cher nachher die Stadt New-Jork hcrvorgegangen ist, die anfangs Neu- Amsterdam hieß. Sie behielten ihre vaterländische Sprache und Religion bei. Die erstere wurde seit 1764 von der englischen verdrängt, während die resor- mirte holländische Kirche noch heute besteht. Dieselbe war bis 1746 der Amsterdamer Synode unterworfen, ist aber seitdem unabhängig und steht unter Leitung einer National-Synode, die drei Unter-Synoden, eine in New-Jork und zwei in New-Jersey, hat. Sie zählt 129,300 Bekenner in 267 Ge meinden. Zu ihr gehörten bis zum Jahre 1792 auch die deutschen Reformir- ten, die jetzt in Presbyterien organisirt find und eine einzige General-Synode haben. ES sind ihrer 100,000 mit 18 Geistlichen. Als deutsche Sekten find noch zu nennen die baptistischen „Weinbren- nianer" und die methodistischen „einigen Brüder in Christo" und „Millerianer". Die Letzteren nennen sich auch die evangelische Asso ciation und sind von einem gewissen Georg Miller gestiftet. °) Die New- Iorker Zeitungen erzählten vor kurzem folgende Anekdote von ihnen: Zur Zeit der Erwählung Polk'S zum Präsidenten erwarteten die Millerianer, daß in der Nacht vom 24. zum 25. Oktober die Welt untergehen werde. Nur Miller und seine Anhänger sollten vermöge eines Luftballons gerettet werden, der sich aus den Ruinen der zusammenstürzenden Erde erheben und sic in den Mond bringen würde, wo sie ein neues Leben beginnen sollten. In der Nacht des 24sten war der Prophet mit einer bedeutenden Menge, die besonders aus Weibern und Mädchen bestand, auf einen Berg gestiegen und wartete auf die Posaune des jüngsten Gerichts. Da sie nicht erschallte und er überdies in Verlegenheit war, wie er alle Versammelten in seinem Ballon unterbrächte, kündigte er an, daß das Ende der Welt bis nach der Präsidentenwahl ver schoben worden sep. Wir beschließen diese, der kevue Inüepenüsnte entlehnten und einen Fran zosen, Herrn Charles Cassou, zum Verfasser habenden Artikel °°) mit einigen Bemerkungen über sonstige, mit der Kirche in Verbindung stehende Institute Nord-Amerika'S. Hierher gehört zunächst die Bibelgesellschaft. Sie wird von sämmtlichen evangelischen Bekenntnissen unterhalten, da ihre Ausgabe ist, die gemeinschaftliche Basis aller, die Bibel, zu propagiren. Auch darf sie keine Sekte zu ihren speziellen Zwecken benutzen, und darum wird der bloße ') Ihrem Stifter nach, ist diese Sekte keineswsgcS deutschen Ursprungs. ") Nr. 7, 17, i», LS, W, zu, W und »s des Magazins. Tert, ohne Kommentar und Auslassungen, von der Gesellschaft gegeben. Sie wurde 1816 in New-Jork gegründet, beschäftigt siebzehn Dampspreffen und druckt täglich gegen tausend Bibeln in dreiunddreißig verschiedenen Spra chen. — Die Sonntagsschulen, die zuerst von Robert Raikes aus Gloucester in England angeregt worden sind, wurden 1790 in Nord-Amerika eingcführt. Sic stehen unter der Leitung einer Central-Gesellschaft, die ihren Sitz in Philadelphia hat und auch Elementarbücher zum Gebrauch der Kinder herauS- giebt. In den Städten und volkreichen Dörfern wird zweimal des Sonntags Schule gehalten. Der Unterricht beginnt und schließt mit Gesang und wird Jedem anvcrtraut, von dessen Bildung und Moralität man überzeugt ist. Advokaten, Kaufleute, selbst Studenten suchen in der Belehrung der armen Kinder eine Zerstreuung von ihren Arbeiten. Der General Harrison, rin Soldat von barschen Sitten und geringer Religiosität, stand der Mädchen schule seines Dorfes vor und erhielt, ein neuer Cincinnatus, in der Mitte seiner Zöglinge die Nachricht von seiner Erwählung zum Präsidenten der Re publik. Im Jahre 1837 zählte man in den Vereinigten Staaten sechzehn tausend Sonntagsschulen mit einer Million Schüler. — Die Missions-Gesell schaft (Xiuericsn bosrü ok commi-sräoner« sor koreign mi^ionz) wurde 1816 in Boston gegründet. Sie wirkt für mehrere Sekten, vorzüglich für die Presbyterianer und Congrcgationalisten, und schickt mit den Predigern oft auch Aerzte, Gelehrte, Mechaniker und Landbauer in die fernen Gegenden, in die sie das Christenthum verpflanzt. Außerdem hat jede Sekte noch in ländische Gesellschaften zur Verbreitung des Glaubens unter den Indianern. Mannigfaltiges. — Felicien David. Dieser junge französische Komponist hat bekannt lich durch seine sogenannte Symphonie-Ode „die Wüste" großes Aufsehen in Paris gemacht, von wo sich diese Composition mit nicht minder entschiedenem Glück als in der Hauptstadt auch schon über das übrige Frankreich zu verbrei ten angefangen. Man hat nicht Anstand genommen, ihn einem Haydn, Mozart und Beethoven an die Seite zu stellen und sein Werk als das erste Erzeugniß eines wie vom Himmel heruntergefallenen großartigen Genrc'S zu bezeichnen. Herr David, hieß cs, habe jahrelang in der Wüste selbst die Musik der Araber studirt, und dies habe ihn auf gänzlich neue, wiewohl zugleich die höchsten künstlerischen Anforderungen befriedigende Ideen gebracht. Ein im neuesten Hefte der kevue lmlepenü-mte enthaltener Aufsatz über diese Composition prüft nun die ebengedachten Lobpreisungen und sucht darzuthun, daß das Ganze auf nichts weiter als einer momentanen Ueberraschung, ja gewissermaßen aus einer Blendung der Sinne beruhe, während ein genaueres Nachsehen und tiesercS Eingehen sehr bald die Ueberzcugung liefere, daß eben Alles nur eitel Blend werk sey und keine Kritik weder des besonnenen Kunstkenners noch der streng prüfenden Zeit auszuhalten vermöge. „Die vorherrschende Eigenschaft deü Werkes", sagt die genannte kevue, „ist die Originalität der Zusammensetzung (ksetui-e). Der Komponist hat die Wirkungen des Klanges, wie der Intensität und der Verschiedenheit der Instrumente, der Rhythmen und der Modulationen, gründlich studirt; mit Einem Worte, er kennt das Metier mehr als irgend Einer, und nichts ist treffender als jenes Wort eines berühmten Künstlers von der italiänischen Oper, der auf die Frage, was er von dem jungen Mann halte, crwiederte: „„Dieser junge Mann ist ein alter Praktikus, dem auch nicht die allerkleinsten Manöver unbekannt find."" — Zu diesen Manövcrn wird unter Anderem die häufige Anwendung der getragenen Noten und des lange anhaltenden Tremolo gezählt: eS werde dadurch allerdings ein unge heurer Effekt erreicht, aber nur bei erstmaligem Anhören; das zweitemal durchschaue man die Prozedur, und dann lasse sie kalt. So wird als Beispiel die Ausmalung eines Sonnenaufgangs angeführt, der mit dem Pianissimo einer einzelnen Violine beginnt, welchem sich nach einigen Takten das Tremolo einer zweiten, dann einer dritten, dann einer vierten anschließt, bis unter dieses kaum hörbare und fast verschwcbcnde Geräusch der schwache Ton einer Hoboe sich mischt, wonächst ein Klarinett sich anschließt, dem ein Fagott als Echo antwortet, worauf dann der Morgcnruf sich über das ganze Orchester verbreitet, alle Instrumente erwachen, alle dieselben Töne wiederholen, natür lich in harmonischer Aufeinanderfolge, bis zu den Posaunen, woraus dann dem beständigen Tremolo plötzlich durch einen furchtbaren Paukenschlag ein Ende gemacht wird, und dies ist dann der volle Tag! Wer eS nicht schon durch den Konzertzettcl weiß, der könnte cs eben so gut für eine Winds braut, oder für einen Gewitterausbruch, oder auch für eine Straßcn- Emeute halten. — Geschichtschreibung in Portugal. In Lissabon ist ein Verein von Schriftstellern zusammengetreten, der die besten in Frankreich, England und Deutschland erschienenen Geschichtswerke ins Portugiesische übersetzen will. Daß eine Sammlung solcher historischen Arbeiten, wenn sie ins Volk ein dringt, wesentlich dazu beitragen kann, den Geist des Landes zu modifiziren und ihm etwas von der Elastizität des französischen, von der gesunden Praktik des englischen und von der Gründlichkeit des deutschen Geistes zu verleihen, läßt sich wohl erwarten. Als erstes Werk dieser Sammlung ist die aus dem Französischen übersetzte Geschichte Spaniens von Charles Romey erschienen, die Herrn Pereira Ecunha zum Bearbeiter hat. Das Buch ist ziemlich populair gehalten, und da auch der Preis nicht zu hoch, so könnte allerdings auf eine ziemlich große Verbreitung desselben gerechnet werden. Herausgegrben und redigirt von I. Lehmann. Im Verlage von Neit K» Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.