Volltext Seite (XML)
Die Hauptstadt Buchara wird von ihren Einwohnern als ein Weltwunder betrachtet; wie sie versichern, giebt es auf der ganzen Erde nicht ihres glei chen , und selbst diejenigen unter den bucharischcn Kaufleuten, die in Peters, bürg und Moskau gewesen sind, fragen nachher ihre russischen Gäste mit selbst zufriedener Miene: „Nun? Was sagt Ihr zu unserem Buchara?" — Der Ort hat in der That ein freundliches Ansehen, welches er aber vornehmlich den schönen Gärten verdankt, die ihn von allen Seiten umgeben. In ihrer Ein richtung haben diese Gärten eine nicht geringe Aehnlichkeit mit denen der alten Acgpptcr, wie man aus folgender Schilderung beurtheilen kann. „Wenn der Buchare im Stande ist, seinen Garten zu vergrößern, so unterläßt er cs nie; er thut sich daraus etwas zu gute, und da er außer der Silberpappel keinen einzigen Baum darin wachsen läßt, der nicht Früchte trägt, so vermehrt sich mit jedem Stück Landes sein Gewinn. Die Pappeln werden in der Regel inwendig dicht an der Erdmauer gepflanzt, die den Garten von den anderen Besitzungen trennt, und da sie eine bedeutende Höhe erreichen und überaus buschig sind, so schützen sie die Obstbäume und Küchcngewächse vor dem schäd lichen Einfluß der kalten Winde. In der Mitte des Gartens wird ein vier eckiger Teich ausgcgraben, von dem sich Kanäle in allen Richtungen abzwei- gen, und von demselben Punkte laufen vier Hauptgänge in rechten Winkeln aus, die in der Kreuz und Quer von anderen Pfaden durchschnitten werden. In den Zwischenräumen befinden sich Obstbäume und Sträucher, als Wein reben, Pomeranzen, Feigen, Aprikosen, Aepsel, Birnen, Kirschen und der Sind- schiv- oder Dschegdabaum." Wie unser Verfasser behauptet, ist der Handel Buchara's nur von gerin ger Wichtigkeit; man findet dort zwar eine große Anzahl Läden, die aber mei stens leer sind. Es gehen jährlich drei Karavanen nach den großen russischen Jahrmärkten von Nishnp-Novgorod u. a., aber die enormen Kosten, die der Waaren-Transport über eine so weite Strecke verursacht, wo es bei dem ohne hin schwierigen Terrain noch ganz an Landstraßen fehlt, erschweren die kom merziellen Verbindungen auf eine fühlbare Weise, wozu noch die Erpressungen der Chane und die Anfälle der räuberischen Kirgisen- und Turkmcnenhorden kommen. Chanpkcv giebt bei dieser Gelegenheit einen Wink, den die englischen Manufakturisten gewiß nicht unbenutzt lassen werden. „Den Fabrikanten", bemerkt er, „die für die Märkte Central-Asiens arbeiten, ist vor Allem zu empfehlen, den cigenthümlichen Geschmack ihrer Kunden mit Sorgfalt zu stadi- rcn. So werden z. B. Turbane von Musselin mit goldenem Rande, wie man sie bei uns verfertigt, den aus anderen Ländern cingeführtcn Musselinen vor- gezogcn; dagegen kann der Glasgower Musselin, der mit Abbildungen von Vögeln geziert ist, von den Muselmännern nicht gebraucht werden, da er die Figur eines lebenden Wesens enthält. Es war eine glückliche Idee von Seiten unserer Moskauer Fabrikanten, karirtc Turbane hinzuschicken, die nicht nur den Tadschiks und den Usbeken, sondern auch den Afghanen gefielen und durch ihren schnellen Absatz bewiesen, daß es vor Allem darauf ankommt, sich den Bedürf nissen und selbst den Launen seiner Kunden zu fügen." Die bürgerliche und religiöse Verwaltung Buchara's ist auf den Koran begründet; der Stadt selbst wird eine besondere Heiligkeit zugeschriebcn, und ihre Bewohner gehören zu den eifrigsten Anhängern des Islam. Die unter ihnen herrschende Bigotterie wird durch ihre Hochschule oder Universität ge nährt, deren Zöglinge nur den Koran mit seinen Kommentarien studircn dür fen und alle Neuerungen und Verbesserungen mit einem Abscheu betrachten, der ihnen die Spmpathie einer gewissen Partei unseres eigenen aufgeklärten Wclttheils sichern muß. Die Derwische und Kalender, die bei den Muhame- danern die Stelle der Bettclmönche vertreten, sind ihrerseits bedacht, den Aber glauben des Volks zu unterhalten und es in seinem fanatischen Haß gegen alles Ausländische zu bestärken. Der gegenwärtige Emir oder Herrscher von Buchara, Nesser-Ulla, wird als ein schlauer, blutgieriger Tyrann geschildert. Bei der Ausrottung der Sipahis oder alten LehnSsolvaten des Chanats zeigte er eben so wenig Mensch, lichkeit, wie Mehmed-Ali gegen die ägyptischen BcyS an den Tag legte. „Er handelte lange insgeheim, bis er sich endlich im Jahr 1837 öffentlich aussprach. Der Kutsch-Begi") wurde zuerst nach Karschi und dann nach Nur-Ata ver bannt, von wo man ihn nach Buchara zurückrief und in das Palast-Gefängniß warf. Sein Schwiegervater, der Toptschi-Baschi Ajaz, war als Lohn der dem Emir bei seiner Thronbesteigung geleistete» Dienste zum Gouverneur von Sa markand ernannt und mit Reichthümcrn überhäuft worden; sobald er den Sturz des Kutsch-Begi erfuhr, ahnte auch er sei» Schicksal, mußte indessen der Aufforderung des Monarchen Folge leisten und sich nach Buchara verfügen. Der schlaue Emir hütete sich aber wohl, ihm hier ein Leid zu thun, da er sonst befürchten mußte, eines Theils seiner Schätze verlustig zu gehen, die der Alte beim geringsten Argwohn verheimlicht oder seinem Sohne übergeben hätte; er empfing ihn also dem Anschein nach sehr gnädig und schenkte ihm am Vorabend seiner Rückkehr nach Samarkand ein Chalat oder Ehrenkleid von Gold-Brokat, mit einem Turban von demselben Stoff. Ein schöner, mit goldenem Geschirr behangener Argamak"") wurde ihm vorgeführt, und der Emir half ihm selbst in den Sattel. Ueber eine solche Herablassung bestürzt, sprang Ajaz vom Pferde, beugte das Haupt vor dem Monarchen und bekannte seine Schuld, indem er sich zugleich bereit erklärte, seine Strafe zu erdulden. Nesser-Ulla umarmte ihn, dankte ihm für seine früheren Dienste und wußte durch seine schlangen, gleichen Liebkosungen den Verdacht des Greises zu beschwichtigen ; Ajaz kehrte 's lieber die Laufbahn und den Charakter dieses Ministers ist ein in Nr. 3». des Magazin« v. vor. I. niitgetheiUer, nach dem Russischen bcarbcitekter Artikel Der Wesir von Buchara, nachzulcsen. ") Argamaken nenn« man «ine besondere Race Pferde, die in der Kabarda zu Hause sind. nach Samarkand zurück, und nachdem er noch auf seine Berichte an den Emir zu wiederholten Malen eine gnädige Antwort erhalten hatte, begann er sich mit der Hoffnung zu schmeicheln, daß der Sturm vorüber scp und der Monarch nicht beabsichtige, ihn in den Sturz des Kutsch-Begi z» verwickeln. Aber bald verschwand seine Täuschung; er ward von neuem nach Hose geladen und in demselben Gefängniß eingekerkert, wo sich der Kutsch-Begi befand. Hier wur den sie Beide im Frühjahr 184» umgebracht. Von dieser Zeit an verfolgte der Emir die Sipahis mit schonungsloser Erbitterung. Die Verwandten des Kutsch-Begi waren die ersten Opser; er zog ihre Güter ein, verbannte mehrere von ihnen nach dem Lande jenseits des Amu-Darja und ließ viele hinrichten " sobald er cs aber nicht mehr nöthig hielt, die Bestrafung des WefirS und seiner Partei zum Vorwande zu nehmen, tödtete oder crilirte er Alle, die ihm miß fiele», ohne irgend Einem darüber Rechenschaft zu geben." Die Stadt Buchara ist, wie gesagt, sowohl durch ihre Gelehrsamkeit als ihre Frömmigkeit berühmt, weshalb man ihr den Namen: El-Scherifah (die Heilige), die Schatzkammer der Weisheit und andere Ehrentitel beilegt. Cha- nykov macht sechzig Lehranstalten oder Kollegien namhaft und versichert, daß fast doppelt so viele in den Staatsrcgistern verzeichnet sind. Inzwischen iss die Volksbildung darum nicht weiter vorgeschritten; es giebt nur Wenige, die lesen und schreiben können — desto eifriger beschäftigt man sich mit der Magie und Astrologie, wobei die Mullas mit gutem Beispiel vorangehcn. Der krasseste Aberglaube ist hier zu Hause; für besonders verdienstlich werden gewisse ascetische Uebungen und Kasteiungen gehalten, die man allerdings mehr oder minder bei den meisten Völkern antrifft. Die fünf Anschauungs stufen, die zu einem vollendeten Scheik oder Isch an gehören, sind folgende: Erstens muß man das Auge innerlich nach dem Herzen kehren und mit letzterem den Namen Allah! aussprechen; dieses heißt Makami-Kalb. Zweitens schließt man die Augen, richtet sie auf die Herzgrube und spricht so schnell als möglich dasselbe Wort anS: dieses nennt man Makami-Ssir. Drittens vertieft man sich in der inneren Contemplation der Leber, bei Wiederholung des auf der selben eingeprägtcn Worts: Allah! — was man Makami-Sikr nennt. Vier tens beschaut man mit geschloffenen Augen den oberen Theil des Gehirns, indem man dasselbe Wort wo möglich noch öfter wiederholt; dieses heißt Makami-Nuh. Die fünfte und schwierigste Stufe besteht darin, daß man mit sämmtlichen obengenannten Theilen des Körpers die Worte: La Allah il Allah! wiederholt, wobei man mit dem Herzen anfängt, das die erste Silbe: La, aus spricht, während das Gehirn den Spruch mit: Allah! beschließt. Je schneller der Betende diese geistige Reise bewerkstelligen und die geheiligten Worte aussprcche» kann, um so vollkommener ist sein Verdienst. Herr Chanykov hatte während seines ncunmonatlichcn Aufenthalts in Buchara das Glück, einen solchen Virtuosen kennen zu lernen, der eines auSgebrciteten Rufes genoß. Seine Augen.konnte er leicht zuhalten, da er blind war, aber sein größtes Kunststück bestand darin, daß er dreitausend Mal hinter einander, ohne Athen« zu schöpfen, mit den« Herzen, der Herzgrube, der LHer und dein Ge hirn die magischen Worte: La Allah il Allah! wiederholen konnte. Wie ein Mulla den« Verfasser ganz ernsthaft versicherte, wurde sein Athein durch diese Anstrengung so erhitzt, daß er eine Feder, die man gegen seine Nüstern hielt, sogleich versengte! Der heilige Mann wird mit der größten Ehrfurcht be handelt, und sogar der Emir, der sich nur selten um die Meinungen Anderer kümmert, verschmäht es nicht, ihn zu Rathe zu ziehen. DaSSchicksal der beidenEngländerStoddart und Conolly, die bekannt lich vor einiger Zeit auf Befehl des Emirs Nesser-Ulla ermordet wurden, wird von Chanykov mit keiner Silbe erwähnt"); aber seine Beschreibung der StaatS- gcfängniffe von Buchara läßt uns ahnen, was diese Unglücklichen während ihrer langwierigen Hast gelitten haben mögen. „Der Palast des Emirs", heißt cs, „ist auf einem natürlichen oder künstlichen Erdhügel von S bis 6 Sashen Höhe und I r Werst im Umfang erbaut, wo sich noch außerdem die Häuser des Wesirs, des Schik-Awal, des Toptschi-Baschi, des Mirsai-Defterdar (Schatzmeisters) und die Wohnungen der zahlreichen Dienerschaft des Monarchen und der ge nannten Würdenträger, nebst drei Moscheen, befinden. Hier ist auch der Ab - Kanch, mit einigen dunklen Gemächern, in denen man während der heißen Jahreszeit das Trinkwaffer für den Emir aufbcwahrt, die aber vorzugsweise als StaatSgefängniffe für solche Personen benutzt werden, die dem Zorn des Herrschers unterliegen — wic z. B. der Kutsch-Begi und Ajaz-Bcp. Zur Rechten deS Eingangs führt ein Korridor nach einem anderen, weit schreck licheren Kerker, dem sogenannten Kana-Chaneh — einem Ort, woSchwärmc von Eidechsen Hausen, die eigens dazu bestimmt sind, die unglücklichen Gefangenen zu quälen, und der auch hiervon seinen Namen hat. Ist cr zufällig leer, so werden einige Pfund Fleisch hinuntcrgeworfcn, um die Eidechsen am Leben zu erhalten. Dieses ist mir wenigstens versichert worden, und eine so raffinirte Grausamkeit hat wahrscheinlich Veranlassung zu der Fabel von der Skorpionen- grube gegeben, die man sich in Orenburg zu erzählen pflegt. Das Verließ (Sindan), welches im Osten des Palastes liegt, hat zwei Abtheilungen: das obere (Smdan-i-bala) und das untere (Sindan-j-poin). Ersteres besteht aus mehreren Höfen, mit Zellen für die Gefangenen; Letzteres ist eine etwa drei Faden tiefe Grube, wohin man die Verbrecher ai« Stricken hinuntcrläßt. Auf dieselbe Weise werden ihnen auch die Speisen gereicht. Die grabähnliche Feuch tigkeit dieses Behältnisses, sowohl im Winter als im Sommer, soll, den Be richten von Augenzeugen zufolge, unerträglich scy». Zweimal monatlich wer- -) Interessante Nachrichten über Stoddart und einen Versuch zu seiner Befreiung enthält dagegen ein schon öfter von un« citirte« russische« Werk: Ktraustvvoratel i maram. S. Nr. zz. de« Magazin« v. vor. Jahr und die Uebersicht der russi schen Literatur in Nr. 4. de« die«jährigen.