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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22^ Silbcrgr. (! THIr.) vierteljährlich, Z THIr. für das ganjeJakr, ohne Erhöhung, in allen Theile» der Preuilischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerstrahe Nr. 25), so wie von allen König!. Post Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. - 36. Berlin, Dienstag den 25. März 184S England. Der Hof von St. Zames zur Zeit der Königin Anna. Historischer Roman von Ainsworth. ') Das Fach des historischen Romans, das seit Walter Scott's Meisterwerken einen so bedeutenden Raum in der englischen Literatur einnimmt, findet jetzt au William Harrison Ainsworth einen seiner fleißigsten Bearbeiter. Ains worth gehört zu jenen unermüdlichen Schriftstellern, die dem Publikum alle Vierteljahr mit einem neuen Werke aufwarten und deren Produkte zuletzt eine solche Familicn-Aehnlichkeit haben, daß fie fast nur an den Namen der handeln den Personen zu erkennen find. Auch den Talentvollsten aus dieser Klaffe wird die Eile verderblich, mit der fie ihre unreifen Schöpfungen zu Tage fördern; selbst Cooper, dessen Naturschildcrungcn wohl unübertroffen sind, und der den Bortheil hat, sich auf einem neuen, noch wenig ausgebeuteten Terrain zu be- wegen, wird in seinen letzten Werken immer schwächer, indem er sich immer mehr und mehr wiederholt und nur noch von Reminiscenzen zu leben scheint, niid James, den man anfangs gar dem Verfasser des Waverley zur Seite stellen wollte, hat durch die Monotonie seiner Schreibart und eine gewisse, eher moralisirende als moralische Tendenz den Kreis seiner Leser bedeutend geschmä lert. Seine letzten Romane: ^rsbolla 8nm>-r, ^rra>> weil, korest vaz-s, Psi« f,Ise Ueir n. s. w., die in rascher Folge unmittelbar nach einander erschienen, find daher eben so schnell vergessen worden ; ihre Helden und Heldinnen gleichen fich Alle auf rin Haar — entweder „perkecc monsters, suofi ss tl>e wvriü never san", oder eingefleischte Teufel, Bösewichter ohne die geringste Bei mischung menschlichen Gefühls. — Ainsworth wurde gleichfalls bei seinem ersten Erscheinen mit vielem Beifall ausgenommen, den er durch seinen „ttonte- wouü" und „Oiclnon" verdiente, in welchen man einige spannende Situatio nen findet und die eine nicht gewöhnliche Erfindungsgabe verrathen; aber in seinen späteren Erzeugnissen gab fich eine Rohheit der Auffassung und Mager- keit der Ausführung kund, die ihnen allen poetischen Werth benimmt. Sein „ä-ek 8I>«pparü" war ein Schauergemälde aus der Londoner Gaunerwclt, welches vielleicht die Idee zu den ülMÖros <!«- Paris geliefert haben mag, denen es übrigens in jeder Hinficht nachsteht; feine meisten Romane haben indessen die englische Geschichte zum Thema, wobei er eine gewissenhafte Treue zeigt, die manchen Historiker beschämen könnte — er giebt nämlich die geschicht lich bekannten Thatsachcn stets in ihrer ganzen nackten Prosa wieder, indem er nur einige unbedeutende fingirte Details hinzusügt, eine komische Neben-In« trigue mit unterlaufen läßt und das Ganze in einen ziemlich färb- und charak terlosen Dialog bringt. Aus diese Art ist er in seinem Power ok Monsun, St. Paul'S und anderen Werken verfahren, und auch in seinem neuesten Produkt, dessen Titel wir oben angegeben haben, hat er dieselbe bequeme Methode be folgt. „8l. hat dasselbe Ercigniß — den Sturz der Herzogin von Marlborough durch eine von ihr selbst eingesührte Nebenbuhlerin - zum Ge genstand, welches Seribe in seinem „GlaS Wasser" behandelt, und wenn man auch von dem Witz und der Grazie des Franzosen hier keine Spur findet, so muß inan doch andererseits einräumen, daß historische Personen und That- sachen mit Sachkenntniß geschildert und nicht auf die abenteuerliche Weise ent stellt werden, die wir schon einmal in diesen Blättern gerügt haben. So wer den die beiden hervorragendsten Charaktere jener Zeit, der Herzog und die Her zogin von Marlborough, ungefähr mit nachstehenden Worten beschrieben: „Ein herrliches Weib war Sarah von Marlborough; die Zeit hatte fie nur leise berührt, ihre Gestalt war hoch und imponirend, und ihre Züge trugen den Stempel einer großen Seele. ES gab keinen Affekt, den diese Züge nicht abspiegeln konnten, aber ihr gewöhnlichster Ausdruck war der des Stol zes. Und doch waren fie sanft und weiblich, und nicht ohne eine gewisse wol- lustige Nüance, die fich in den vollen Lippen und dem schmelzenden, aber feu rigen Blicke kundgab. Die Pracht ihres Kostüms entsprach den Reizen ihrer Person — es funkelte von Diamanten und kostbaren Steinen. Die Herzogin von Marlborough war dazu geschaffen, eine tiefe Leidenschaft einzuflößen und zu unterhalten, weder dir Zeit noch ihr hochfahrender Charakter vermochten es, die gränzenlose Anhänglichkeit ihres Gemahls zu erschüttern, der fie nach einer so vieljährigen Ehe noch eben so heiß und vielleicht noch heißer liebte, als da er die schöne Sarah Jennings zum Altar führte. *) 8t. or tke <?onrt ot Hueen 8^ Usrr!«oll „Der Herzog von Marlborough war seiner Gattin würdig; eben so sehr durch seine geistigen, als durch seine persönlichen Eigenschaften ausgezeichnet, war er ein vollendeter Hofmann, im besten Sinne des Wortes, und vereinigte mit diesem Charakter den des ersten Feldherrn seiner Zeit. Man konnte fich nichts AbgeschliffcnereS, nichts Graziöseres, nichts Leutseligeres denken als seine Manieren, die zugleich würdevoll und herablassend waren. Seine Gestalt war hoch und wohlproportionirt, und der Glanz seines Ruhms, sein majestätischer Anstand und die Schönheit seiner Form und seiner Züge fesselten die unwill kürliche Bewunderung eines Jeden, lieber die erste Jugend war er freilich hinaus; er hatte körperliche und geistige Anstrengungen aller Art ertragen und jahrelang nur kurze Zwischenräume der Ruhe gekannt — dessenungeachtet mach ten seine äußeren Vorzüge fich noch in hohem Grade geltend, und obgleich nicht mehr der holde Jüngling, der in Karl'S >1. üppiger Zeit die Herzogin von Cleveland fesselte"), war er noch immer ein Muster männlicher Schönheit. Er war in Generals-Uniform gekleidet und mit Orden bedeckt; unter anderen trug er den Stern des Hosenband-Ordens in einem mit Diamanten von unschätz- barem Werth eingefaßten Sardoupr-Stein. Er schien bei weitem nicht so heiter gestimmt, als die Herzogin, der er langsam und gedankenvoll nach dem Sopha folgte. „Was ist Ihnen?" ries die Herzogin, indem fie Platz nahm. „Wenn ir gend etwas Sie erheitern könnte, so müßte cS das Freudengeschrei sepn, mit dem daS Volk Sie auf Ihrem Wege vom Schlosse her begleitete. Die betäu benden Ausrufungen: Es lebe die Königin und der Herzog von Marlborough! müssen, denk' ich, beinah bis zu den eigenen Ohren Anna'S gedrungen scyn. Der Beifallsjubel des Volks ist mir die süßeste Musik — für Sie scheint er aber seine Reize verloren zu haben. Die Gewohnheit hat Sie dagegen abge- stumpft — wie gegen mich." — „Der Zuruf des Pöbels kann mich in der That gleichgültig lassen", crwiederte der Herzog zärtlich, aber die Zeit ist weit entfernt, Liebchen! wo ich es gegen Dich sepn werde. Ich bin rin wenig durch den Tumult überwältigt und wünsche, ich wäre in der Stille aus dem Schlosse zurückgekchrt." — „ES ist besser so", versetzte seine Gemahlin, „Sie können fich nicht zu viel zeige». Ist Ihnen aber im Audienzzimmer vielleicht etwas Unangenehmes zugestoßen ? Sie schienen mir dort etwas ernst zu sepn." — „Nun, ich muß gestehen, daß mich einige Worte beunruhigt haben, die der Prinz fallen ließ. Ich bemerkte gegen ihn, daß die Königin unwohl aussähe, worauf er mir zur Antwort gab, daß es vom späten Ausfitzen herrühre." — „Sagte er denn, mit wem fie so spät auffitzt?" fragte die Herzogin. — „Rein", erwiederte Marlborough. „Wie ein schlechter Schachspieler, wollte er seine Unbesonnenheit wieder gut machen und kompromittirte fich dadurch noch mehr. Ich konnte aber nicht erfahren, wer außer dem Prinzen der Köni- gin Gesellschaft leistet." — „So will ich eS Ihnen sagen", versetzte die Her zogin; „eS ist unsere Base, Abigail Hill." „Wie! die Kammerfrau der Königin?" rief Marlborough. „In diesem Fall hat es nichts zu bedeuten." — „Die Sache ist nicht so unbedeutend wie Sie glauben", erwiederte die Herzogin, „und hätte ich Abigail damals so gut gekannt, wie ich fie jetzt kenne, so würde ich fie nie in die Umgebung der Köni gin gebracht und in den Stand gesetzt haben, uns zu schaden. Wer hätte in- deß auch ahnen können, daß ein allem Anschein nach so unschuldiges Geschöpf eines so feinen Spieles fähig sey. Aber die listige kleine Here hat die schwachen Seiten der Königin entdeckt und gefunden, daß fie die Sklavin Aller ist, die fie zu lieben vorgeben, fich einzuschmeicheln wissen und fie in ihren Ansprüchen auf Witz und Verstand — ihren Witz und Verstand, fürwahr! — bestärken ; so hat fie denn zu diesen niedrigen Künsten gegriffen, um das Vertrauen ihrer Herrin zu erwerben." — „Wenn sie eS erworben hat, so kann man fie nicht tadeln", entgegnete der Herzog, „und es würde vielleicht besser sepn, wenn auch Sie, Madame, sich mehr in den Charakter und die Launen der Königin fügen würden." Abigail Hill ist bekanntlich auch die Heldin des „GlaS Wasser", und die Jntrigue de» Romans ist der des Scribeschen Lustspiels nicht unähnlich. Die Königin Anna, die den Ränken und Parteiungen ihres HoseS zum Spiel ball diente und deren Charakterschwäche einen so großen Einfluß auf das Schicksal Europa's äußerte, wird uns nebst ihrem Gemahl, dem Prinzen Georg von Dänemark, folgendermaßen vorgesührt. (Schluß folgt.) -) Barbara Villiers, Gräfin ran Casllrmaine und Herzoqin von Cleveland, eine der viele» Maitreffen Kart'« II. Wie die cl>rnul<i»e »vaixlale»,« melde«, Katte der jmiqc John Llmrchill l Marlbervugk j sein erste« Glück dem T suche dieser Frau zu verdanken.