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Man ist überrascht, in der Bibel die Gebirge in zwei Klassen unterschieden zu finden, wie die Wissenschaft sie in primäre und sekundäre eintheilt. Im 104 Psalm giebt uns der Dichter eine Idee von der Bildung der Erde. Er stellt sie dar noch bedeckt von den Wassern des Abgrundes wie von einem Kleide. Die Wasser überflutheten alle Berge, aber mehrere dieser Höhen stiegen auf und erhoben sich über den Wasserspiegel. Die Wasser zogen sich zurück, und neue Berge erhoben sich wiederum, und an ihrem Fuße bildeten sich die Thäler und die Ebenen, die niedrigsten Punkte der Erdoberfläche. Es giebt also nach dem heiligen Sänger zwei Hauptepochen seit dem Aufstcigen der Urgebirge, und diese entsprechen durchaus der von der späteren Wissenschaft dargethancn Pri mär- und Sekundärformation. Auch in den Sprüchen SalomoniS (8, 25) werden die Hügel, oder die Gebirge zweiten Ranges, als zu besonderer Zeit entstanden dargestellt. Und wenn der S7ste Psalm sagt, „Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem Herrn", was ist das anders als die Entstehung der Basalte? Hätte ein dichtender Geolog sich besser ausdrücken können? Selbst die Kraft bezeichnet die Bibel, welche diese Berge erhoben hat. Zn ihrer Bildersprache vergleicht sie (Psalm 114, S) die Erhebung der früheren mit den Sprüngen der Widder, die der späteren mit dem Hüpfen der Lämmer. Die Erde selbst nennt sie zur Zeit dieser großen Ereignisse weich wie Thon. Sie sagt uns, daß dieselbe darauf eine neue Form angenommen, gleichsam ein neues Kleid angezogcn habe (Hiob 38, 14), indem sie den letzten Niederschlag des aufge schwemmten Landes andeutet. Das elektrische Fluidum läßt sie die ganze Atmosphäre durchdringen und in Blitzen bis an die Enden der Erde zucken. Erst der neuern Zeit war es Vorbehalten, die hier angedeutete Gewalt der Elektricität zu erkennen. Nach Becquerel ist die Elektricität schneller als das Licht ; sie durchläuft in der Se kunde neunzigtauscnd Lieues, während das Licht in derselben Zeit nur achtzig tausend zurücklegt. Aber auch in den Körpern selbst ist dieses Fluidum in er staunlich mächtigen Massen von Moleculen vorhanden. Wenn die Elektricität, welche in einem einzigen Gramme Wasser eingeschloffen ist, innerhalb eines Gebäudes plötzlich frei würde, so würde das ganze Haus augenblicklich in die Luft fliegen. Nach der Mosaischen Darstellung gingen die Pflanzen den Thieren voran. Die Chemie bestätigt diese Rangfolge, die Geologie scheint ihr zu widersprechen. Deswegen haben auch einige neuere Naturforscher den Mose des JrrthumS be- züchtigt. Aber es finden sich in den Uebcrgangsgebirgen dennoch mehr Pflan zen- als Thierreste, und die Pflanzen mußten natürlich den Thieren vorangehen, weil diese sonst Hungers gestorben wären. Wie die Pflanzenfresser auf die Pflanzen, so folgten die Allfreffer oder Omnivoren auf beide, und der Mensch, als Hauptallesser, bildete den Schluß, ganz wie Mose cS dargestellt hat- Die Pflanzen wuchsen nach der Genesis ursprünglich ohne Sonnenlicht; hier ist die Lösung des Räthsels, welches die Botanik der Fossilien so ost ver geblich versucht hat. Daher kommt die wunderbare Verbreitung der Pflanzcn- reste unter allen Breitengraden. Der Mensch kam zuletzt; er gehört der jüngsten Epoche an, doch steigt sein Ursprung über SSOV Zahre hinauf. Aber auch er erfuhr eine Verjüngung wie die Pflanzen- und Thiergeschlechter. Die Genesis lehrt, daß durch die Sinfluth das alte Geschlecht vertilgt wurde, und die geologischen Entdeckungen, so wie die historischen Forschungen und die Dcnkmälerkunde, bestätigen die Nachricht. Die Bibel behauptet die Einheit des Menschengeschlechts. Man hat diese Wahrheit lange bestritten, bis sie in unseren Tagen durch die tüchtigsten Physiologen und Anatomen anerkannt worden ist. Man hat eingesehen, daß die Racen-Unterschiede durchaus nicht zur Annahme eines im ersten Anfänge verschiedenen Ursprunges zwingen, und selbst die vergleichende Grammatik ge winnt immer mehr die Ueberzeugung von der Verwandtschaft aller Sprachen unter einander. Herr Marcel de Serres zählt noch eine lange Reihe von Uebereinstimmun gen zwischen der Bibel und der Wissenschaft auf. Wer aus seine Interpret«. tions-Methode Acht gegeben hat, kann das Register auch leicht selbst fortseßen. Mannigfaltiges. — Humboldt'S Kosmos. Bald endlich wird dieses seit Jahren vor- bereitete, seit Jahren erwartete große Werk Alexander von Humboldt'S in den Händen deS Publikums seyn. In Paris wird unter den Augen des Verfassers selbst eine französische Ausgabe veranstaltet, während die I. G. Cotta'sche Berlagshandlung ankündigt, daß das deutsche Buch, an welchem seit längerer Zeit schon gedruckt wird, nunmehr die Presse verläßt und allen Buchhandlungen nächstens zugehen werde. Wer sich noch der herrlichen Vorträge über physische Weltbeschreibung erinnert, die Humboldt vor etwa zwanzig Jahren in Berlin im Saale der Singakademie vor einer Zuhörerschaft von Männern und Frauen und fast gleichzeitig im suflitorium msximum der Universität hielt, dem ist auch der mächtige Eindruck unvergessen, den das gesprochene Wort damals auf ältere wie auf jüngere Leute gemacht. Diese Vorträge nun, er weitert und zu einem Werke verarbeitet, das die Resultate der reichsten Be obachtung auf den Gebieten der Himmels- und der Erdkunde umfaßt, bilden den Inhalt des „Kosmos", dem Alex. v. Humboldt den zweiten Titel: „Ent wurf einer physischen Erdbeschreibung" gegeben. In der Vorrede zum ersten Bande sagt der Verfasser: „Ich übergebe am späten Abend eines vielbewcgten Lebens dem deutschen Publikum ein Werk, dessen Bild in unbestimmten Umrissen mir fast ein halbes Jahrhundert lang vor der Seele schwebte. In manchen Stimmungen habe ich dieses Werk für unausführbar gehalten, und bin, wenn ich cS aufgegeben, vielleicht unvorsichtig, zu demselben zurückgckehrt. Ich widme es meinen Zeitgenossen mit der Schüchternheit, die ein gerechtes Mißtrauen in das Maß meiner Kräfte mir einflößen muß. Ich suche zu vergessen, daß lange erwartete Schriften gewöhnlich sich minderer Nachsicht zu erfreue» haben." Demnächst wird mit Bezug auf die obengedachten Vorlesungen, denen ähnliche Vorträge in Paris vorangegangen waren, Folgendes bemerkt: „Bei freier Rede habe ich in Frankreich und Deutschland nichts über meine Vorträge schriftlich ausgezeichnet- Auch die Hefte, welche durch den Fleiß aufmerksamer Zuhörer entstanden siüd, blieben mir unbekannt und wurden daher bei dem jetzt erscheinenden Buche auf keine Weise benutzt. Wenige Seiten des ersten Bandes abgerechnet, ist Mes von mir in den Jahren 1843 und 1844 zum ersten Male niedergeschrieben. Wo der jetzige Zustand des Beobachteten und der Meinungen (die zunehmende Fülle des er steren ruft unwiederbringlich Veränderungen in den letzteren hervor) geschildert werden soll, gewinnt, glaube ich, diese Schilderung an Einheit, an Frische und innerem Leben, wenn sie an eine bestimmte Epoche geknüpft ist. Die Vor lesungen und der Kosmos haben also nichts mit einander gemein, als etwa die Reihefolge der Gegenstände, die sie behandelt. „Der erste Band meines Werkes enthält: Einleitende Betrachtun gen über die Verschiedenartigkeit des Naturgenusses und die Ergründung der Weltgesetze; Begränzung und wissenschaftliche Behandlung der physischen Weltbeschreibung; ein allgemeines Raturgemälde als Uebersicht der Erscheinungen im Kosmos. Indem das allgemeine Naturgemälde von den fernsten Nebelflecken und krei senden Doppelsternen des Weltraunis zu den tellurischcn Erscheinungen der Geographie der Organismen (Pflanzen-, Thiere- und Menschen-Racen) her absteigt, enthält es schon das, was ich als das Wichtigste und Wesentlichste meines ganzen Unternehmens betrachte: die innere Verkettung des Allgemeinen mit dem Besondere», den Geist der Behandlung in Auswahl der Erfahrungs sätze, in Form und Styl der Compofition. Die beiden nachfolgenden Bände sollen die Anregungsmittel zum Naturstudium (durch Belebung von Naturschilderungcn, durch Landschaftmalerei und durch Gruppirung erotischer Pflanzengestalten in Treibhäusern); die Geschichte der Weltanschauung, d. h. der allmäligen Auffassung des Begriffs von dem Zusammenwirken der Kräfte in einem Naturganzen; und das Spezielle der einzelnen Dis- ziplinen enthalten, deren gegenseitige Verbindung in dem Naturgemälde des erste» Bandes angedeutet worden ist. Ueberall sind die bibliographischen Quellen, gleichsam die Zeugnisse von der Wirklichkeit und dem Werthe der Beobachtungen, da wo es mir nöthig schien, sie in Erinnerung zu bringen, von dem Texte getrennt und mit Angabe der Seitenzahl in Anmerkungen an das Ende eines jeden Abschnitts verwiesen. „Man hat es oft eine nicht erfreuliche Betrachtung genannt, daß, indem rein literarische Geistesprodukte gewurzelt sind in den Tiefen der Gefühle und der schöpferischen Einbildungskraft, Alles, was mit der Empirie, mif Ergrün dung von Naturerscheinungen und physischer Gesetze zusammenhängt, in wenigen Jahrzehenden, bei zunehmender Schärfe der Instrumente und allmäliger Er weiterung des Horizonts der Beobachtung, eine andere Gestaltung annimmt; ja daß, wie man sich auözudrücken pflegt, veraltete naturwissenschaftliche Schriften als unlesbar der Vergessenheit übergeben sind. Wer von einer echten Liebe zum Naturstudinm und von der erhabenen Würde desselben beseelt ist, kann durch nichts entmuthigt werden, was eine Vervollkommnung des menschlichen Wissens hervorzubringen verheißt. Viele und wichtige Theile dieses Wissens, in den Erscheinungen der Himmclsräume wie der tellurischcn Verhältnisse, haben bereits eine feste, schwer zu erschütterüde Grundlage erlangt. In anderen Theilen werden allgemeine Gesetze an die Stelle der partikulären treten, neue Kräfte ergründet, für einfach gehaltene Stoffe vermehrt oder zergliedert wer den. Ein Versuch, die Natur lebendig und in ihrer erhabenen Größe zu schildern, in dem wellenartig wiedcrkehrenden Wechsel physischer Veränderlich keit das Beharrliche aufzuspüren, wird daher auch in späteren Zeiten nicht ganz unbeachtet bleiben." — Arnaldo von BreScia. I» der Schlesingersche» Buchhandlung in Berlin ist nunmehr die kürzlich von uns bereits angekündigtc deutsche Ueber- setzung von Niccolini's Arnaldo von BreScia, von Herrn B. von Lepcl, er schienen. Da in derselben Buchhandlung vor kurzem auch ein Abdruck des Originals auSgegeben worden, so haben nun deutsche Freunde der neueren italiänischen Literatur, mit Hülfe jener llebersetzung, Gelegenheit, sich mit dem sonst nicht leicht verständlichen italiänischen Drama recht vertraut zu machen. Dem Uebersetzer ist es meistens gelungen, diese Schwierigkeiten zu überwinde», obwohl sein Vers zuweilen den Fluß und den Wohllaut des Originals ver- missen läßt. Herr von Lcpel hat sowohl das Leben Arnaldo s nach Guadagnini als die Noten Niccolini's im Auszuge mitgetheilt, was zur Erläuterung des Ganzen, so wie einzelner historischen Anspielungen, ungemein förderlich ist. Vielleicht wäre es auch gut gewesen, für deutsche Leser das Schreiben Nicco lini's abzudruckcn, das wir kürzlich (Nr. 18 des Magazins) mitgetheilt, um denjenigen, die etwa vom nationalen Standpunkt aus an einzelnen Acuße- rungen einen Anstoß nehmen, die Gesinnungen dcö Dichters mit Bezug auf unser Vaterland in ihrem wahren Lichte zu zeigen. Herausgegeben und redigirt von I- Lehman». Im Verlage von Veit Kk Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.