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106 wissen, woher und wer er wär'; — denn ich sah ihn niemals eh'r bisher. — Doch als er ansah, — die standen da, — und aus mich wies er, — sprechend: „Für mich bürgt dieser!" — obschon ich nicht guthieß sein Erheischen, — meine Großmuth nicht zulicß, sein Hoffen zu täuschen, — indem i» dem Gewähren dem Begehren nichtsSchlechles; — aus daß man nicht glaubt, der Tugend beraubt scp das Herz des Menschengeschlechtes! — Drauf sprachen die Brüder: O, Emir el Mumenin! — Wir haben diesem Jüng ling das Blut unscrs Vaters verziehn, — da er umbildet seine Unbildc in Milde; — auf daß man nicht glaubt, der Billigkeit berankt sey der Mensch, der wilde! — Und hoch erfreut der Imam — des Jünglings Vergebung vernahm, — der Gerechtigkeit und Treue Lohn, — und pries Ebu Dsarr's Großmuth der ganzen Session, — und billigte der Jünglinge Billig keit — und erhob ihr Lob, und rezitirte folgendes Veit: Wer Gutes übt, wird seines Lohnes nie entbehren: Vergeltung wird bei Gott und Menschen nie aushörcn! Darauf gab der Emir el Mumenin ein Zeichen, — den Brüdern aus dem Schatz den Ersatz für den Vater zu reichen. — Sie aber sprachen: O, Emir el Mumenin! — wir haben ihm verziehn, — um Allah s, des Freigebigen, Gnade zu erlangen; — und für Wohlthatcn aus solchem Verlangen — pflegt man nicht Gab' und Entgelt zu empfangen! Dies, bemerkt der Er- zählcr, zählt' ich zu dem Wunderbarsten — und verzeichnet' eS im Divan des Rarsten. England. Lord Brougham über Verfassungen und RegierungSformen. Noch der KUiudurgb Kvvivv. (Fortsetzung.) Lord Brougham erblickt in dem Prinzip der monarchischen Erbfolge eine Ver minderung der Möglichkeit des Bürgerkriegs. Dies wäre vollkommen zuzugcben, wenn Europa ein allgemeines und unveränderliches SuccessionSgcsetz besäße und die Thatsachen, bei denen dieses Gesetz in Anwendung käme, immer sicher und notorisch wären, so daß beim Tode eines Königs über seine legitimen Nach folger kein Zweifel entstehen könnte. Aber ein solches Gesetz eristirt nicht und kann nicht eristircn. In einigen absoluten Mvnarchicen schließt das Succesfionsgesetz die Frauen, in anderen Ausländer, in allen Bastarde aus, und überall kann cs von dem regierenden Monarchen verändert werden. Wenn das Salische Gesetz herrschend ist und der Monarch nur Töchter Hai, so hebt er es auf, wie Ferdinand VIl. von Spanien. Wenn das Erbsolgc- gesetz die Frauen zuläßt und der regierende Monarch sie auszuschließen wünscht, so hebt er cs auf und führt das Salische Gesetz ein, wie Philipp V- von Spanien. In jedem dieser Fälle entsteht leicht ein Bürgerkrieg. Wenn er keine Leibeserben hat, so adoptirt er Fremde; wenn seine Leibeserben illegitim sind, legitimirt er sie. Selbst wenn sie legitim sind, so kann ihre Legitimität bestritten werden, und der Frieden des Königreichs kann von einer gemischten Rechts- und faktischen Frage abhängcn, in welcher jedes Element der Entschei dung zweifelhaft scpn kann. Die Kinder von Königen schließen gewöhnlich königliche Ehen, und das Mitglied der königlichen Familie, das einen fremden Thron besteigt oder aller Wahrscheinlichkeit nach besteigen wird, wird gewöhn lich verpflichtet, ehe eS sein eigenes Land verläßt, allen Ansprüchen auf die Thronfolge in demselben zu entsagen. Ist eine solche Verzichtlcistung für das entsagende Individuum bindend? Ist sie für seine Nachkommen bindend? Diejenigen, welche Ansprüche erheben könnten, wenn keine Entsagung statt- gesunden hätte, behaupten immer, daß sie nicht bindend scp, diejenigen, die dagegen reklamiren, daß sie es sey, und die Folge ist, wie bei der spanischen Successionsfragc nach dem Tode Karl'S III-, eine Verwickelung von aus wärtigen und inneren Kriegen. Ferner sind die meisten Monarchicen auS verschiedenen Theilen zusammengesetzt, welche verschiedenen SucccssionSgesctzcn unterworfen sind. Die Frauen succediren in Jütland und sind in Holstein ausgeschlossen. Wenn der Kronprinz von Dänemark, wie eS wahrscheinlich der Fall sepn wird, ohne männliche Nachkommen sterben sollte, wird dann das Königreich Dänemark zerstückelt werde», und sind nicht dann auf jeden Fall große Verwickelungen zu befürchten, die zum Theil schon jetzt das Land viel fach aufrcgcn? Wenn wir die ausländischen und einheimischen SucccssionS- kricgc, welche, von der normannischen Eroberung bis zur französischen Re volution, Europa verwüstet haben, zusammcnstellcn, so werden wir finden, daß sic alle anderen Kriege an Zahl und noch mehr an Dauer übertreffen. Was andererseits die Wahlmonarchie betrifft, so spricht das Beispiel des untcrgcgangcnen Polens nicht sonderlich zu ihren Gunsten. Inzwischen gab eS auch noch andere, obwohl nicht minder schwache Wahlmonarchiecn, und zwar im Gebiete der katholischen Kirche. Von diesen Monarchieen, die bis ans Ende des verigen Jahrhunderts so zahlreich waren, ist nur noch das Papstthum übrig. Es ist die einzige, von der Lord Brougham spricht, und doch verdienen die anderen, schon wegen ihrer Anzahl und ihrer Dauer, erwähnt zu werden. In Deutschland allein gab cs deren siebzig. Viele von ihnen waren sehr be deutend, drei waren Kurfürstenthümer. In vielen von ihnen dauerte die Saccession von Erzbischöfen oder Bischöfen, Aebten oder Aebtissinnen, mehr a!Z tausend Jahre, ununterbrochen durch fremde Gewalt oder Revolution. U id doch giebt es vom rationellen Standpunkt nichts Verkehrteres, als ein solches Wahlsystem. Der Gewählte qualifizirte sich zur Ausübung der höchsten legislativen und exekutiven Functionen dadurch, daß er der Welt entsagt hatte, durch Studien, die mit den Angelegenheiten derselben in keiner Verbindung stehen, durch Unbekanntschaft mit Menschen und Dingen. Die Wahlkörpcr- schaft bestand im Allgemeinen aus ähnlich erzogenen Personen, und eben so alle Exekutivbeamten, so daß Untauglichkeit hier die beste Qualification zum Amte zu seyn schien. Gleichwohl waren diese seltsamen Negierungen nicht un populär. Man hielt eS für einen Vortheil, unter dem Krummstab zu leben. Sic wurden von denen, welche sie kennen gelernt hatten, zurück gewünscht. Der gewählte Souverain mußte im Allgemeinen ein Mann von einiger Aus zeichnung gewesen seyn. Er war nicht durch den frühen Besitz oder die frühe Aussicht dcs Besitzes der Gewalt verdorben worden, und er war oft bemüht, durch einige bleibend nützliche Maßregeln eine Dynastie zu verherrlichen, Vie mit ihm begann und endete. u Aristokratie und Demokratie. Aristokratie ist nach Lord Brougham die Ncgicrungsform, „in welcher die höchste Gewalt in den Hänbcn eines Theils der Nation sich befindet und dieser Theil so konstituirt ist, daß der Rest dcs Volks keinen oder nur mit Be willigung der herrschenden Körperschaft Zutritt zu derselben gewinnen kann." Sollte nicht diese Definition zu eng seyn, da sie nur eine bestimmte Art der Aristokratie, nämlich die der Geburt, umfaßt und manche andere Arten der Aristokratie, namentlich die des Geldes, die man zusammen als Aristokratie der Person bezeichnen könnte, unberücksichtigt läßt? Montesquieu s Definition ist viel umfassender; nach ihr ist Aristokratie diejenige Negicrungsform, in welcher nur ein Theil der Nation, der natürlich auch aus mehreren Klaffen bestehen kann, die höchste Gewalt in Händen hat. Hiernach wäre freilich auch die gegenwärtige Verfassung Frankreichs eine aristokratische zu nennen, insofern sie nur einer sehr kleinen Minorität dcs Volks Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten verleiht, da bekanntlich die Zahl der Bürger, die ihr Stcucr- quantum zur Theilnahme an der Wahl der Deputirten berechtigt, nur log,(XM beträgt, welches weniger als der dreihundertfie Theil der ganzen Be völkerung ist. Wenn man nun mit Recht Bedenken trägt, Verfassungen wie die des ge genwärtigen Frankreich unter die aristokratischen zu rechnen, so würde man vielleicht der eingeführten Nomenklatur dadurch am besten zu Hülfe kommen, wenn man eine Zwischentheilung einführte und die Regierungen nicht bloß in monarchische, aristokratische und demokratische eintheiltc, sondern auch in exklusive und nicht-exklusive, je nachdem gewisse Klassen zum Genuß der Macht zugelassen oder davon ausgeschlossen werden. Reine Monarchieen sind in einer Beziehung am exklusivste», da alle Gewalt in; Fürsten konzen- trirt ist. In anderer Beziehung sind sie es am wenigsten, da der Fürst seine Gewalt übertragen kann, wem er will. Alle andcrcn Formen sind mehr oder weniger exklusiv. Wo Sklaverei besteht, wie in Amerika, da sind die Sklaven ausgeschlossen. Mit sehr wenigen Ausnahmen, von denen eine in einem anglo amerikanischen Staat vorkommt, find Frauen überall ausgeschlossen. Von den meisten Regierungen sind Personen, die durch einen ausländischen Eid der Treue gebunden sind, ausgeschlossen, obgleich man letzt in Europa ein Beispiel hat von einer Person, die in einem Lande König und im anderen Pair ist, die in dem einen Lande die höchste legislative und exekutive Gewalt ausübt und in dem anderen nur ein Votum hat I» viele» Ländern sind Alle, die sich nicht zu einer bestimmten Religionsform bekennen, in vielen Alle, die nicht zu einer bestimmten Nace gehören, in den meisten Alle, die nicht ein bestimmtes Maß dcs EigenthumS oder Einkommens besitzen, ausgeschlossen. Die reprä sentativen Institutionen Frankreichs find demokratisch, aber höchst exklusiv. Sic sind demokratisch, weil sie einer sehr großen Zahl von Personen politische Macht verleihen; sie sind exklusiv, weil sie einer viel größeren Zahl diese Macht versagen. Die gehler, die Lord Brougham der rein aristokratischen Negierungsform zuschreibt, sind, daß sie die höchste Gewalt in die Hände von Personen legt, die I) unverantwortlich sind, 2) unberührt von der öffentlichen Meinung, Z) von Interessen geleitet, die von denen der Mehrzahl dcs Volks durchaus ver schieden find, und 4) durch ihre Erziehung zur Ausübung der hohen Functionen ihres Ranges besonders ungeeignet. Lord Brougham gehört selbst der Klasse a», die er als Aristokratie be schreibt ; er malt sie mit etwas grellen Farben. Doch alle seine Rügen treffen nicht eigentlich die aristokratische RegicrungSform, sondern einen privilegirtcn Stand — eine Institution, die unter jeder Regierungsform, außer in der reinen Demokratie existiren kann, und die nicht legislative oder auch nur exekutive Gewalt zu besitzen braucht. De» vielen Unvollkommenheiten stellt der Verfasser aber auch einige gute Eigenschaften der Aristokratie gegenüber. „ES ist kein Zweifel", sagt er, „daß Festigkeit und Konsequenz in Verfolgung der Zwecke die Aristokratie auszcichncn. Gerade die Fehler, die wir betrachtet haben, führen naturgemäß zu dieser Tugend, welche ein großer Vorzug in jedem Rcgierungssystcm ist- Ei» Verwaltungssystem, ein ginanzplan, eine legislative Maßregel, die de» Handel oder die Agrikultur betrifft, können sich als verfehlt erweisen; aber die patrizische Körperschaft macht noch länger die Probe damit. Sie hat die Maßregel nach reifer Ueberlegung und nicht in der Eile deö Augenblicks angenommen und läßt sich daher auch nicht so leicht bestimmen, sie aufzugebcn. Diesem Verdienst verwandt ist die Langsamkeit, mit welcher eine solche Negierung dahin gebracht werden kann, eine große Vcr- änderung durchzuführen. Widerstand gegen Veränderung ist in der That der Hauptzug einer Aristokratie. Diese Tendenz erzeugt zwar auch Widerstand gegen Verbesserungen, aber sie giebt der politischen Maschine Festigkeit und Gleichgewicht." ' (Schluß folgt.)