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96 Xsmbos und den Schwarzen — ein großes Fest statt. Dasselbe wird in dem Thal von AmancaeS, drei Meilen nördlich von der Stadt, gefeiert. Am Tage vorher wird eine Anzahl von Zelten und Buden im Thale errichtet, welches etwa eine halbe Meile lang und eine Drittel Meile breit ist. Diese Zelte find mit Fahnen und Bannern behängt und für Erfrischungen, Tanz und Spiel u. s. w. eingerichtet. Auf der Straße, die zu diesem Platz führt, find Kapellen des Heiligen errichtet, wo Alle, die vorübergehen, ihre Gabe dar bringen. An diesem Tage ist jedes Pferd und jeder Wagen in Lima vcr- miethet, und zwar zu ungeheuren Preisen. Die ganze Straße nach dem Thal ist vom frühen Morgen an bevölkert. Die höheren Klaffen besuchen es ge wöhnlich früh und kehren bald zurück, während die mittleren und niederen Klaffen bis zu einer sehr späten Stunde bleiben. Zeder ist mit der Blume des ksoerstiuin bedeckt, welches in großer Menge im Thal wächst, und mit diesem Schmuck werden eben so wohl Pferde und Maulesel, als die Buden und Wagen, versehen. Tanzen ist das LieblingSvergnügen dieses Festes, und zwar ist auch hier, wie in Chili, die samscuec» vorzüglich an der Tages ordnung, aber in einer noch viel gemeineren und obscöneren Form. Die Musik, zu der sie tanzen, besteht aus einer kleinen Guitarre, die mit der Stimme und Taktschlagen begleitet wird. Auf der Mitte des Schauplatzes bewegt sich Alles bunt durch einander; man singt, bettelt, schlägt sich, schwört und lacht. An den abgelcgeneren Stellen sieht man Gruppen der besseren Klaffen bei ihren PicknikS sitzen. Der aktive Präsident und Gouverneur von Lima, Lafuente mit seinem Stab, beehrten den Platz mit ihrer Gegenwart, um dem Volk zu ge fallen. Doch schien er keine Ehrenbezeugungen irgend einer Art zu empfangen, auch wurde seine Ankunft nicht mit Zeichen des Beifalls oder Enthusiasmus begrüßt. Gegen Abend, wenn die berauschte Menge zurückkehrt, findet der größte Spaß des Tages statt. Die Cholo-Frauen find merkwürdig gute Rei terinnen und äußerst geschickt i» der Lenkung ihrer Pferde. Ihre Kleidung ist eigenthümlich: ein großer breitrandiger Hut, mit wallenden Bändern von schimmernden Farben, ein kurzer seidener Spencer, seidene Strümpfe und Atlasschuhe, und über das Ganze wird zuweilen ein weißer Poncho getragen. Große hölzerne, mit Silber geschmückte Sporen, zahlreiche Kiffen, eine Sattel decke und reich geschmückter Zügel, Alles mit AmancaeS bedeckt, bilden die Aus stattung der Rosse. Nichts geht über die Verwirrung bei der Rückkehr dieser großen Menge, die schreiend und jagend über eine staubige Straße sich bewegt. Die Cholo-Frauen find immer an der Spitze und mit der Sorge für ihre betrunkenen Genossen beschäftigt, welche oft hinter ihnen auf dem Pferde fitzen, die Gesichter geröthet von den Wirkungen des Pisco, was einen selt samen Kontrast zu den schönen gelben Blumen bildet, die ihre Hüte schmücken. Die große Heldenthat der Frauen, die allein reiten, besteht darin, ihre Ge fährten aus dem Sattel zu heben, was ihnen oft, zur großen Belustigung der Fußgänger, gelingt. Oft sieht man sie mitten im vollen Gallop plötzlich an- halten, zwei« oder dreimal sich umdrehen und wieder in voller Eile davon jagen, sich und die Umstehenden mit Staub bedeckend. Unmittelbar vor der Stadt ist die Straße mit Wagen besetzt, in welchen Damen in vollem Kostüm fitzen. Die Alameda und die dahin führenden Straßen find bei dieser Gele genheit mit der ganzen vornehmen Welt der Stadt besetzt. Obgleich die Menge glauben läßt, daß die ganze Bevölkerung auf der Straße sep, so find doch die Fenster und Thüren mit Köpfen gefüllt, die mehr oder weniger mit AmancaeS geschmückt find. Dies ist ein Fest, das an Trunkenheit und Lärm seinesgleichen sucht." Von diesem lebendigen Bilde der Gegenwart wenden wir unS zu einer von jenen Ruinen der Vorzeit, welche in diesen Theilen Amerika s dem Rei senden so häufig entgegentreten und ihm von einer untergegangenen Kultur erzählen, die einst an diesen Stellen geblüht hat. Es find dies die Ruinen von Pachacamac in Peru, unmittelbar an der Küste, nicht weit von Callao de Lima. „Der Tempel oder das Schloß von Pachacamac, wie es von den In- dianern genannt wird, liegt auf dem Gipfel eines Hügels mit drei Terrassen; der Anblick desselben von Norden hat einige Ähnlichkeit mit dem der Pyramide von Cholula, die von Humboldt beschrieben wird, außer daß die Seiten per pendikulär waren. Die ganze Höhe des Hügels ist 250 Fuß, die des Mauer werks achtzig. Die Form ist die eines RectangulnmS, indem die Seiten der BafiS fünfhundert und vierhundert Fuß betragen. Am südöstlichen Ende sind die drei verschiedenen Terrassen nicht so deutlich zu erkennen, und der Abfall ist sanfter. Die Mauern, die sehr stark seyn mußten, um die Erde zu tragen, waren aus unbehauenen Quaderblöcken gebaut; diese waren von an der Sonne getrockneten Backsteinen umgeben, welche mit einem Ueberzug von Lehm oder Mörtel bedeckt waren. Eine Reihe von viereckigen Backsteinpfeilern ragte aus der obersten Mauer hervor und gab der Ruine das Ansehen eines ägyptischen Baues. Bei keinen anderen peruanischen Alterthümern sind von uns Pfeiler gesehen worden. Auf einer der nördlichen Terrassen waren auch Reste von Gemächern. „Die Uebcrreste der Stadt nehmen einen wellenförmigen Boden von ge ringerer Höhe, eine Viertelmeile nach Norden hin, ein. Auch diese bildet ein Rectangulum, dessen Seiten ein Fünftel und ein Drittel einer Meile betragen: mitten hindurch läuft der Länge nach eine gerade Straße, die zwanzig Fuß breit ist. Die Mauern von einigen der Ruinen sind dreißig Fuß hoch und schneiden einander in rechten Winkeln. Die Gebäude waren offenbar mit ein- ander verbunden, außer wo die Straßen dazwischen traten. Spuren von Thüren oder Fenstern nach der Straße zu, konnten nirgends entdeckt werden. Die Mauern waren ausschließlich von Backsteinen, die an der Sonne getrocknet worden, und ihre Richtung, nach Nordosten und Südwesten, dieselbe, wie die des Tempels, der dem Meere gegenüberlag. Einige Gräber wurden im Süden des Tempels bemerkt, aber der Hauptbegräbnißplatz lag zwischen dem Tempel und der Stadt. Die Schädel, die man fand, waren von verschiedenem Charakter; die Mehrheit derselben zeigte die vertikale Erhebung oder den hohen Hinter kopf, der ein gewöhnliches Merkmal der alten Peruaner ist, während bei anderen die Stirn und die Spitze des Kopfes deprimirt war. Acht von diesen wurden erworben und werden jetzt in Washington aufbewahrt. Die Körper fand man in Stoffe von verschiedener Qualität gehüllt, und die Verschieden heit der Farben war noch zu erkennen. Verschiedene Utensilien und andere Artikel wurden gefunden, welche die Beschäftigung des Individuums anzudeu ten schienen: hölzerne Nadeln und Webe-Untenfilien, Netzwerk, eine Schleuder, Tauwerk von verschiedener Art, eine Art roher Korb, Stücke von Töpfer- waaren und plattirte Sporen. Man fand auch verschiedene vegetabilische Substanzen: Hülsen von indianischem Korn, Baumwollensaamen, kleine Büschel Wolle, Kürbisschalen mit einem ausgeschnittenen, viereckigen Loch, ganz wie eS noch jetzt üblich ist. Diese Gegenstände gaben ein Zeugniß von dem Styl der vor der Ankunft der Spanier fabrizirten Waarcn und von den vegetabi- lischen Produkten, die damals angebaut wurden; fügen wir zu diesen die ein- heimischen knorrigen Wurzeln (unter ihnen die Kartoffel), die in den Bergen gezogen wurden, und die Thiere, die man eingebürgert fand, nämlich das Lama, den Hund, das Meerschwein, und die Kenntniß wenigstens Eines Metalls, so können wir schließen, welche Fortschritte seitdem gemacht worden find." Mannigfaltiges. — Historische Arbeiten in Spanien. Im Ganzen ist die Aus beute auf wissenschaftlichem Felde noch immer sehr gering in Spanien. Bis vor zehn Jahren ließ der Geist der Inquisition und Verdummung Nichts auf kommen in dem Lande, wo schon vor sechs Jahrhunderten die Wissenschaft und noch vor zwei Jahrhunderten Poesie und Literatur geblüht, und seit zehn Jahren hat der Geist der Revolution und der Pronunciamientos die Gemüther nicht die nöthige Ruhe finden lassen, um sich zur Schaffung wie zum Genüsse wissenschaftlicher Werke vorzubereitcn. Hoffen wir, daß die jetzt, wie es scheint, eingetretene Periode der Versöhnung und des ruhigen Fortschritts auch den alten Universitäten der Halbinsel neuen Glanz und einen weiten Wirkungs kreis wieder verschaffen werde. Indessen werden die wenigen literarischen Namen, die Spanien besitzt, von der Tagespolitik noch in Anspruch genom men: Martinez de la Rosa theilt die Mühen und die zweideutigen Ehren des Narvaez'schen Ministeriums, und Antonio Alcala Galiano ist so eben wieder in den „Kongress" der Cortes eingetreten. Beide aber würden vielleicht ihrem Lande mehr nützen, wenn sie, anstatt politische Reden zu halten, ihrem Vaterlande erst diejenigen Männer wollten heranbildcn Helse», die diese Reden zu würdigen und zu erwiedern vermögen. Von Alcala Galiano's „Geschichte Spaniens von den ersten Zeiten bis zur Großjährigkeit der Königin Isa bella ll." ') ist kürzlich die sechste Lieferung des zweiten Bandes auSgegeben worden. Es ist dies ein Werk, das sich durch eine eben so gründliche als freisinnige Behandlung des Gegenstandes auszeichnet, und wir würden in der That nicht begreifen, wie die Spanier daneben auch noch für nöthig halten können, ein französisches Werk, die „Geschichte Spaniens von Philipp II. bis zur Zeit der Bourbonen", von Weiß, zu übersetzen"), wenn wir nicht wüßten, wie groß und wie traurig die jetzige Abhängigkeit der spanischen Sprache und Literatur von der Sprache und Literatur der Franzosen ist. In diesem Werke wird alles Unglück, das über Spanien gekommen, dem nieder- drückenden Alp beigemessen, der sich mit der Herrschaft des Hauses Oesterreich über die pyrenäische Halbinsel gelagert habe; aber daß ihrerseits auch die französischen Bourbonen nichts gethan, um den Alp zu beseitigen, daß viel mehr zur alten JnquisitionS- nur auch noch die neue Favoriten - Herr schaft gekommen, das wird freilich in dem nur bis zur Thronbesteigung Philipp'S V. reichenden Werke nicht gesagt. Von des alten Mariana Uistoris <Io Lspuns erscheint übrigens gleichzeitig eine ausgezeichnet schöne und dabei wohlfeile Ausgabe bei Froffart und Comp. in Madriv. Ferner ist zu erwähnen, daß die karlistischen Kämpfe des vorigen JahrzehendS ebenfalls schon ihre Historiker gefunden, unter denen besonders Madrazo durch seine militairische Darstellung der Feldzüge Zumalacarregui's, die mit vielen Plänen und Kupferstichen geschmückt ist, einen rühmlichen Namen sich erworben. °°°) Bemerken wir nun auch noch, daß kürzlich die ersten Lieferungen einer „Ge schichte der reformirenden Cortes nebst Bildnissen einiger Deputirten" er schienen -f), so dürfen wir wohl den Schluß ziehen, daß ein vielseitiger Drang zur Kenntniß der Landesgeschichte in Spanien sich kundgebe, und dies ist jedenfalls als ein Symptom wachsenden VolkSbewußtseynS und wachsender Bildung zu betrachten. «lvna lsabel II, por I). ^ntouio Alcala Oaliauo. **) L.a Lspana «leslie el reinado üe l^elipe II basta el »üvenimieuto «le los Kor- bouss, por I>lr. VVei««. *") lli-tvria militar ) politiea lle ^»malaearrexul, «le Io« «ueeeso« «le la xuerr» «le la« provioela« «lel ^orte, eulara6v« » «» epoea a «u voulbre, pvr V. ^rauciseo -j-) Ulstorla «le la« körte« relorma<lora«, 7 «emblaura« 6e alzuno« «lirnitaäo». Herausgegeben und redigirt von I. Lehmann. Im Verlage von Veit Lk Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.