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unbekannte Ursachen gewesen sepn, durch welche die Cencischm Güter in den Besitz der Familie Aldobrandini gekommen sind. Aber der Spruch des Papstes selbst? war er nicht zu hart, nicht zu über, eilt? Was das Letztere anbctrifft, so würde die deutsche Kriminal-Justiz unserer Zeit, die nicht mehr so begierig hängt und köpft, als die Hals gerichts-Ordnung Karl s V., unstreitig hier langsamer und umsichtiger ver fahren sepn, denn ein deutscher Richter gedenkt der weise» Worte Ulpian's: SSÜU8 e8l relingui tHiw8 nocentin gusm miwcemem üsmimre. Anders geht es in Frankreich zu. Die Kunst des JnquirirenS ist nicht die glänzende Seite einer französischen Kriminal-Prozedur, wie aus dem früheren Verfahren gegen Jean Calas und aus den neueren Prozessen der Marie La farge noch in frischem Andenken ist und jeden Deutschen mit wahrer Furcht vor den Schranken einer französischen Jury erfüllen muß, selbst nachdem sich große Verbrecher der Wohlthat der mildernden Umstände erfreuen können, deren Anwendung ganz dem Gutbcfinden der Geschworenen überlassen ist. Daher hat man auch tm Bagno zu Brest vierzehn Vatermörder der Nachsicht würdig erachtet, und Frauen, die ihre Männer vergiftet, und Männer, die ihre Frauen ermordet, genießen dieselbe Wohlthat, vcrmuthlich, weil die Sache eine bloße Familien-Angelegenheit gewesen und weil der Mord fast immer durch einen romantischen Ehebruch motivirt wird. Anders stellt sich die Antwort auf die zweite Frage. Wir wollen hier nicht von der grausamen, unmenschlichen Tortur, die ein noch nicht zwanzig, jähriges Mädchen auszustehen hatte, sprechen, denn ein solches Bedenken würde eben sowohl das ganze gerichtliche Verfahren jener Zeit, ferner die peinliche Halsgerichts-Ordnung, die Heren-Prozesse und die Anwendung der Folter überhaupt treffen. Aber man kann dagegen fragen, ob die moralische Marter, welche Beatrice jahrelang bei Lebzeiten ihres Vaters erdulden mußte, und welche sie endlich mit Gewalt zu der grausenhaften That trieb, nicht das Mitleid des obersten, geistlichen Richters in Anspruch nehmen mußte? ob ihre Jugend, ihre Hülflosigkeit nicht der Berücksichtigung Werth war? ob cs nicht für die Angeklagte einen mildernden Grund hätte abgeben können, daß sie, frei von allem Eigennutze, die schreckliche That an einem Manne verübte, den ganz Rom als einen seiner lasterhaftesten Einwohner kannte? Wir fragen, ob nicht das Gesetz, welches die Selbsthülfe den persönlich Angegriffenen gestattet, für die Angeklagte eben so gut ein Schutz sepn konnte, als für den strengen Papst das bekannte: fisc iuztiriu et pereut munüu« ein Beweggrund zu ihrer Verurtheilung war? Die Gesetzgebungen aller Länder und Völker haben den Vatermord ver dammt. Die strengen Römer warfen den Aeltcrn- und Perwandtenmörder in einem Sacke, in welchem sich ein Hund, eine Schlange, ein Affe und ein Hahn befanden, in das Meer; in unseren deutschen Landrechten finden wir die Bernähung in einen Sack als dieselbe altgermanische Strafe, die noch durch die Miteinsperrung jener Thiere verschärft wurde; in Frankreich wird der Vatermörder schwarz verhüllt auf den Richtplatz geführt und ihm zuerst die rechte Hand, alsdann der Kopf abgeschlagen; unsere neueren deutschen Gesetze verordnen, daß der Todtschlag an Aeltcrn mit öffentlicher Geißelung, Schleifung auf den Richtplatz und Tödtung durch das Rad oder durch das Schwert gebüßt werden soll. Und so konnten auch die römischen Richter nicht anders als auf den Tod erkennen, der Papst nicht anders als ihr Urtheil bestätigen. Sagt doch selbst Farinaccio, Bcatrice's beredter und kühner An walt, in einer dem späteren Abdrucke seiner Rede beigefügtcn Anmerkung: „Ihr Verbrechen war so entsetzlich, daß man wohl sagen kann, nur durch die größte Milde des heiligen Vaters sey Bernardo Cenci, als minderjährig, vom Tode gerettet worden. Uebrigens hoffte man zuversichtlich, dies würde auch bei Beatrice der Fall sepn, wäre es ihr gelungen, ihre Vertheidigungsgründe geltend zu machen, was sie in der That nicht durchführte." So sprach der Anwalt; der Papst hatte noch höhere Pflichten. Es hätte allerdings in seiner Macht gestanden, die schöne Angeklagte zu begnadigen; er hätte sie auf ewige Zeit in ein Kloster verweisen, ihr geistliche Büßungen auflcgen, ihr den Trost der Kirche spenden können und, wie Goethe'S Orest es sich von der taurischen Göttin erbittet, gnädig trvcknrn Di« Quelle, die ihr ans des Daters Wunden Enlgegensprudetnd, ewig sie befleckt. Aber Clemens VIII. hat in voller, selbstbewußter Bedachtsamkeit nicht Gnade für Recht ergehen lassen. DaS Verbrechen war zu groß, die öffentliche Sicher heit zu sehr gefährdet, er hätte mit gutem Gewissen in seinem Pontifikate kein Todesurthcil mehr aussprechen können, sobald er Beatrice am Leben ließ. War er ihr persönlich geneigt, so verdient es noch mehr Lob, daß ihm sein Amt als Oberhaupt der Kirche Christi und als weltlicher Fürst weit höher stand, wie cs denn auch mit seiner Frömmigkeit und mit seinem Eifer in Er füllung aller geistlichen Pflichten ganz gut übereinstimmt, daß er die durch den Spruch des irdischen Richters verurtheilte Jungfrau nicht ohne die letzte Ab solution des obersten Priesters wollte sterben lassen. Für den Augenblick hatte die Jugend, die Schönheit, das große Unglück des Mädchens viele Herzen ge wonnen, ihre Begnadigung würde mit Jubel ausgenommen sepn. Aber in Jahresfrist hätte die leicht bewegte Menge auch dies vergessen gehabt, man würde den Papst alsdann weichherzig, schwach, ja wohl ungerecht gescholten haben. Wenn er aus diese Weise das zu thun geglaubt hat, was die Gegenwart von Gott und Rechts wegen verlangte, so kann auf der anderen Seite nicht in Abrede gestellt werden, daß Beatrice's Benehmen in ihren letzten Stunden sie in den Augen der Zuschauer und Römer als eine gerechtfertigte Büßerin darzustellen ganz geeignet war. Sie erschien gefaßt, demüthig, fromm und „büßte sterbend als ein ergebenes Opfer am Mare" die Verirrung ihrer Jugend. Nach einem „knechtisch durchbrachten Leben", wie Goethe'S Elektra das ihrige nennt, hat sich Beatrice Cenci wenigstens die innige Theilnahme der Nachwelt durch ihren frühen Tod erworben. I. Süd-Amerika. Wissenschaftliche Entdeckungs-Expedition der Vereinigten Staaten. II. Die Bewohner Chili'ö. — Der Johannistag in Peru. — Die Ruinen von Pachacamac. Wir entnehmen noch dem in Nr. 2t des Magazins erwähnten Werke über die wissenschaftliche Entdcckungs-Expedition der Vereinigten Staaten einige Stelle», welche sich mit de» weniger bekannten Theilen Süd-Amerika'S, Chili und Peru, beschäftigen. Die Zustände in Chili werden als sehr günstig dar gestellt. „Der vorherrschende Zug der Chilesen, verglichen mit anderen Süd- Amerikanern, ist ihre Liebe zur Heimat. Dieses Gefühl ist allen Klaffen ge- mein. Auch herrscht unher ihnen ein bedeutendes Unabhängigkeits- und Gleich heitsgefühl. Die öffentliche Meinung übt vielen Einfluß auf die Leitung der StaatS-Angelegenheiten. Das Volk liebt laiidwirthschaftliche Beschäftigungen, und die niederen Stände sind gegen Fremde viel besser gestimmt als anderswo. Auch find Schul-Anstalten verschiedener Art errichtet worden, und die Re- gierung bemüht fich augenscheinlich, die Wohlthaten dcö Unterrichts unter der Bevölkerung zu verbreiten. „Die Chilesen find sehr eingenommen für den Tanz, welcher «amseuec» heißt und der als ihr Nationaltanz angesehen werden kann. Er wird gewöhn lich in; «Iimguno ausgeführt, welches eine Art Amphitheater ist, umgeben von Zimmern, wo Erfrischungen mit starken Getränken verkauft werden, und vo» beiden Geschlechtern sehr besucht. Der Tanz wird auf einer Art Bühne unter einem offenen Schuppen dargestelli. Die Musik ist halb spanisch, halb indianisch, und wird nur von Frauenzimmern aus einer alterthümlich geform ten, langen und schmalen Harfe ausgcführt, von der das eine Ende auf dem Schoß der spielenden Person, das andere auf der Bühne zehn Fuß weit ent fernt liegt. Ein zweites Mädchen schlägt lustig den Takt auf dem tönenden Brett des Instruments. Außerdem kratzt noch ein Mädchen auf den Draht saiten einer Guitarre. Dazu singen sic ei» National-Liebeslied auf Spanisch, mit ihrer höchsten Stimme; das Ganze bildete eine sehr seltsame Combination von Tönen. Der Tanz wird von einem jungen Mann und einem Mädchen ausgcführt; der Erstere ist in eine Helle Scharlachjacke gekleidet, die mit gol denen Schnüren besetzt ist, ferner trägt er weiße PantalonS, rothc Schärpe und Tanzschuhe, mit einer kleinen rothen Kappe; seine Mittänzcrin trägt ein buntes Musseliuklcid, das sehr kurz und steif gestärkt ist, dazu kommt ein reich gefärbter französischer Shawl und seidene Strümpfe. Diese letzteren find in der That ein charakteristisches Merkmal der chilesischen Frauen aller Klassen, und sie suchen nicht sic zu verbergen; man sieht sic sogar nicht selten bei Waschfrauen, während sie bei ihren Wannen beschäftigt find. Die Kleidung ini Allgemeinen bietet einen netten Anblick, und die Natur wird nicht durch enges Schnüren oder durch das Tragen von Schnürleibcrn verzerrt. Auf dem Kopfe wird nichts getragen, und das Haar, das von der Stirn bis zum Nacken gleichmäßig abgethcilt ist, hängt in zwei langen Flechten auf jeder Schulter bis zur Taille herab. Der Stpl des Tanzes hat einige Aehnlichkeit mit dem Fandango. Das Paar beginnt, indem cs sich gegcnübcrstellt und einander Tücher über den Kopf wirft; dann nähern sie sich einander und ziehen fich langsam wieder zurück, schießen dann rasch nach einer Seite hin, gehen dann mit großer Gewandtheit einander unter den Armen durch, ohne fich zu berühren, und klappern und schlagen Takt mit Castagncttcn. Ihre Bewe gungen find sehr anmuthig, namentlich die ihrer Füße, und dabei sehr ver liebt; die Geberden können nicht bloß von den Eingcbornen, sondern auch von Fremden leicht verstanden werden. Von der sittlichen Tendenz läßt sich nicht viel Gutes sagen." Von dem Wissenschaftlichen Corps der Expedition war eine Exkursion »ach den Cordilleken zu erwarten; doch scheint eS, daß sie nicht mit den erforder liche» Instrumenten zur Konstatiriing der Höhen versehen waren. Sic er stiegen einen Gipfel, der zu de»; Hauptstamm der Cordilleren gehört, und erreichten in einer Höhe von zehntausend Fuß die Spitze. „Hier hatten sie einen ausgedehnten Ueberblick über die ganze Linie der Schneegipfel. Der des Tugongati trat am meisten hervor, obgleich cr achtzig (engl.) Meilen entfernt war. Der Führer versicherte, cr könne den Rauch aus den; Vulkan desselben in einem schwachen Streifen cmporsteigen sehen. Der Gipfel selbst erschien von diesem Punkte aus sehr scharf zugcspitzt. Die Scene rings umher bot den Anblick der Großartigkeit und Einöde dar; man sah nichts als Berg an Berg, getrennt durch ungeheure Spalten, die Tausende von Fußen tief sind, und die Abhänge in den phantastischsten Formen zerklüftet." Bei der Bearbeitung der Mine» in der Nähe von Chili scheint man mit wenig Geschick zu Werke zu gehen; so fand man bei einer Gelegenheit nach mehrwöchentlicher Arbeit bei Erweiterung eines Schachtes nicht ein Partikclchcn Erz, das die Mühe belohnte. Die Art, wie mall in Peru den Johannistag feiert, wird auf eine ergötz liche Weise beschrieben: „Am Johannistage (den 24. Juni), dem Tage der Schutzheiligen von Lima, findet unter den niederen Klaffen — den ckolo«, den Eingcbornen, den