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darauf aber wurde cs von Adolph von Burgund mit Mauern umgeben und hob sich von da an allmälig, besonders seit es in die Hände der Staaten ge« langt war, so daß es jetzt einer der wichtigsten Plätze ist, die fie besitzen. Denn es ist einer der Schlüssel ihres Landes, weshalb eS auch die Königin von England (Elisabeth) nebst Brielle und Vere als Sicherheit für einiges vorgeschofsenes Geld verlangte. Aus Furcht aber, daß aus dem Pfände ein wirkliches Besitz werden möchte, zahlen die Niederländer jetzt die Schuld inner halb sieben Jahren, und die Königin muß mit dem Ablauf dieser Frist die drei Plätze wieder herausgeben." Danach erscheint also die durch Jakob l. er folgte und diesem oft vorgeworfene Zurückgabe vollkommen gerechtfertigt. Bekanntlich wurde dieselbe Festung auch in neuester Zeit, im Jahre 1809, von den Engländern eingenommen, aber wegen ihrer äußerst ungesunden Luft freiwillig wieder aufgegeben. Zn England machen dem Herzog zuerst die Trojaner, als angebliche Anhnherren des Volkes, zu schaffen. Er schlägt sie aber mit Hülfe des bekann ten Historikers Camden glücklich aus dem Felde. Nachdem er auch die Celtcn und die Cimbern, Cäsar, Agricola, Konstantin, die Pikte» und die Skoten, und endlich die Angeln und Sachsen überwunden hat, wozu er ein Schlacht feld von zehn Seiten braucht, landet er in Harwich, denn der Sturm hinderte ihn, wie er beabsichtigt hatte, bei Margate in die Themse einzulaufen. Von dort eilte er über Ipswich und Colchester nach London. „Wer sich die Lage der Stadt London betrachtet, der muß sic nothwcndig außerordentlich schön finden; denn die Stadt ist in einer sehr fruchtbaren Ge gend längs der Themse gebaut, zwar 43 bis SO Meilen vom Meere entfernt, aber ohne allen Nachtheil für den Handel, da der Fluß Fahrzeuge von SOO bis 600 Tonnen trägt. Daher kommt es auch, daß die Stadt so alt ist, daß man ihren Ursprung nicht kennt. AmmianuS Marcellinus nennt sie schon zu seiner Zeit, und das ist fast 1200 Jahre her, alt und handeltreibend. Konstantin der Große soll fie auf Bitten seiner Mutter mit einer Mauer umgeben haben. Ob zwar übrigens das Land seine Bewohner oft gewechselt hat, so haben doch die Städte nicht sonderlichen Nachtheil davongetragcn; denn cS giebt im ganzen Königreiche wenig feste Plätze, und daher entscheiden sich alle Kriege in kurzer Zeit und durch Schlachten, und die Städte entgehen mithin der Gefahr auS- gcplündert, verbrannt und von Grund aus zerstört zu werden ..." Darauf handelt der Herzog von den vorzüglichsten Gebäuden der Hauptstadt und er zählt unter Anderem: „Die Börse ist sehr prächtig, sie wurde im Jahre 1S67 von den Kaufleuten gebaut. Außerdem giebt es 120 Kirchen, unter denen die Paulskirche, welche zugleich die Hauptkirche ist, an Größe und Pracht wenig anderen nachstcht. Sie wurde zuerst von Egelbert, König von Kent, was gegenwärtig nur eine Grafschaft ist, erbaut und später, im Jahre 1086, sehr verschönert. Ihre Länge beträgt 6S0 Fuß, die Breite ISO und die Höhe des GlockenthurmeS 270 Fuß. Früher stand auf diesem Thurme noch eine Spitze von 274 Fuß, fie wurde aber zweimal vom Blitze getroffen, einmal im Jahre 1087 und dann IS61, und da ist man's endlich müde geworden, fie wieder aufzubauen." Ehe Rohan London verläßt, erzählt er uns den wahren Beweggrund seiner Reise nach England; es war ihm nämlich hauptsächlich darum zu thun, die beiden Höfe, den englischen und den schottischen, aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Leider aber hat er uns sowohl über den Hof Elisabeths, als über die Königin selbst, nicht das geringste Detail mitgctheilt. Aus einem schlechten Witze über den Ritter Robert Cecil ersieht man nur, daß er für den Grafen Essex Partei genommen hatte. (Schluß folgt.) Italien. Beatrice Cenci. Eine römische Geschichte. (Schluß.) Mittlerweile waren auf dem Platze vor der Engelsbrückc die nothwen digen Vorkehrungen getroffen und ein großes Gerüst mit Block und Beil errichtet worden. Um die Mittagsstunde setzte sich der Zug aus dem Gefängnisse in Be- wegung, unter üblicher Begleitung der geistlichenBrüdcrschaften undVortragnng des Kruzifixes. Beatrice und Lucretia gingen zu Fuße, eine hinter der anderen, die erstere in einem langen Gewände von blauem Taffent mit einem großen Schleier von derselben Farbe, Lucretia war schwarz gekleidet. Hinter ihr fuhr auf einem Karren Jakob Cenci in einem Kapuzenmantel, zuletzt sein Bruder Bernardo, dem die Augen verbunden waren. Eine unübersehbare Menschenmenge bedeckte die Straßen und Plätze; man konnte sich nicht satt sehen an Beatrice's anmuthiger Erscheinung, an ihrer gefaßten Weise, wäh rend ihre Stiefmutter fortwährend weinte, und an ihrer Frömmigkeit; denn vor jeder Kirche kniete sie nieder und sagte mit fester Stimme ein Gebet her. Ihr Bruder Jacob wurde, dem UrtheilSspruche gemäß, aus seinem Karren mit glühenden Zangen gezwickt und ertrug diese Marter mit großer Stand haftigkeit. Bernardo, dem so eben die Nachricht gegeben war, daß ihm der Papst das Leben geschenkt habe, beschloß den Zug. Als sie alle am Fuße des Gerüstes angelangt waren, sollte sich Bernardo dem Richtbeil gcgenübersetzen. Aber der arme Knabe, im Glauben, er solle trotz der Begnadigung sterben, sank ohnmächtig zu Boden. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, erschien Lucretia auf dem Platze, die Hände auf den Rücken gebunden, Hals und Schultern entblößt, den Kopf mit einem schwarzseidenen Tuche bedeckt. Als fie sich so bloßgestellt sah, schämte fie sich erst, blickte aber dann auf das Volk und rief mit lauter Stimme: „O, meine Brüder, bittet für meine Seele." Mit Mühe setzte fie sich auf die Bank nieder; die Stellung, welche sie einzunehmcn angewiesen wurde, schien ihr unanständig, und fie verwundete sich dabei an der Brust. Darauf schlug ihr der Henker das Haupt ab und zeigte cS der versammelten Menge. Als Beatrice vernahm, daß ihre Mutter gut geendet hatte, warf fie sich vor dem Kruzifix zur Erde und betete mit heißer Inbrunst für die Seele dcr Gerichteten. Dann sprach fie Psalmen und Gebete. Jetzt trat der Henker mit einem Strick vor fie hin, um ihr die Hände zu binden. „Binde denn", rief sie ihm entgegen, „diesen Körper, dcr Züchtigung verdient, und erlöse diese Seele, welche cingehen soll zur Unsterblichkeit und zur ewigen Glorie." Betend trat sic nun auf den Platz und bestieg behend das Gerüst, wo fie sich sogleich rittlings auf das Brett niedersetzte und den Nacken schnell unter das Beil legte, um jede Berührung durch den Henker zu vermeiden und die Menge nicht ihre entblößten Schultern gewahr werden zu lassen, ähnlich jener troja nischen Polprcna, von der Euripides sagt °), sie war selbst im Tode der edien Vorsicht voll, nicht unverhüllt zu fallen, verbergend, was nicht zienit dcr Männer Äug' zu schaun. Aber der tödtliche Streich fiel nicht sogleich. Ein Zeitgenosse berichtet, diese Verzögerung sep daher entstanden, weil Papst Clemens selbst der Unglücklichen die letzte Absolution (in srtieulo mortis) habe ertheilen wollen. Da man nun von der Engelsburg das Schaffst bequem sehen konnte, so sollte ein Kanonen schuß den Papst, der sich auf Monte Cavallo aushielt, benachrichtigen, wann Beatrice ihr Haupt auf den Block gelegt hätte. Darauf habe er ihr sofort aus der Entfernung die Absolution ertheilt. Genug, die Hinrichtung ver zögerte sich einige Augenblicke, während welcher Zeit man vernahm, wie die Unglückliche mit hörbarer Stimme die Namen Jesus und Maria auSrief. Dann trennte ein Streich das Haupt vom Körper. Hierbei sank Bernardo von neuem leblos nieder und blieb eine halbe Stunde lang in tiefer Ohn macht liegen. Zuletzt betrat Jacob Cenci das Schaffst. Er wiederholte noch einmal mit lauter Stimme den Widerruf seiner früheren Aussage, als habe sein Bruder Bernardo um die Verschwörung gegen ihren Vater gewußt. Daraus kniete er nieder, die Augen wurden ihm verbunden, und dcr Henker versetzte ihm mehrere Keulschläge, worauf er ihn viertheilte. Aber der Unglückliche hatte sein Leben gleich bei dem ersten Schlage, den er empfing, geendigt. Noch an demselben Abende wurde Beatrice's Leichnam in ihren gewöhn lichen Kleidern und mit Blumen reich bekränzt, unter glänzender Beleuchtung und mit einem großen Gefolge, nach St. Pietro in Montorio getragen. Sie war von entzückender Schönheit, und man hätte glauben sollen, fie schliefe nur. Auch die Leichname dcr Uebrigen erhielten ein anständiges Begräbniß. Bernardo lag einige Tage krank im Gefängnisse, dann befreite'ihn die Brüder schaft von San Marcello an einem Festtage, gemäß eines ihr zustehcnden Pri vilegiums, aus dem Gefängnisse. Jedoch mußte er, der nach Urtel und Recht durchaus Unschuldige, geloben, binnen einem Jahre 23,000 Scudi au die geistliche Brüderschaft von San Trinita am Ponte Sisto zu zahlen. Man kann sagen, daß ganz Rom diese Tragödie anschaute. Denn trotz der glühenden Sonnenhitze, in welcher Viele ohnmächtig hinsanken, standen Pferde, Wagen und Fußgänger im Umkreis einer römischen Meile. Daher war auch das Gedränge sehr groß, als die Menge nach beendigter Hinrichtung aufbrach, und mehrere Personen wurden erdrückt oder niedergetreten. DaS ist die Geschichte der schönen Beatrice Cenci, wie fie nach den glaub haftesten Berichten gegeben werden konnte. In diesen ist jedoch nirgends eines Verdachts erwähnt, von dem auch schon Muratori nichts sagt,, daß sich näm lich das Eilfertige und Schonungslose des Kriminalverfahrens aus der Hab sucht des Papstes und seines Nepoten, Pietro Aldobrandini, nach den reichen Bcsitzthümern des alten Cenci erklären lasse. Allerdings wirft es ein übles Licht auf den Papst, daß bei der Einziehung der Cencischen Güter ein großer Theil derselben an die Aldobrandini's, des Papstes Verwandte, kam, daß ferner der unschuldige Bernardo eine so bedeutende Summe für seine Los- lassung entrichten mußte, und daß endlich die rechtlichen, durch nichts ver wirkten Ansprüche der älteren an Gabrielli verheirateten Tochter Cenci'S der Berücksichtigung durchaus nicht werth gehalten worden sind. Wir haben hier auf Folgendes zu entgegnen: Wie arg auch immer, trotz aller Rechtlichkeit des Papstes, Habsucht und Dreistigkeit unter den Fürsten der römischen Kirche waren, so läßt sich doch im gegenwärtigen Falle kein begründeter Verdacht erheben- Clemens hat nach den bestimmtesten Zeugnissen °°) in seiner ganzen Regierung den Charakter eines weisen, guten und frommen Mannes be hauptet; er hatte eine persönliche Neigung zur Alleinherrschaft, allein er suchte sic nicht durch unrechte Mittel. Sein allerdings sehr begünstigter Neffe hat nach einem ausdrücklichen Zeugniß °°°) — und das ist gerade für den gegen wärtigen Fall von Wichtigkeit — die Strenge des Papstes öfters gemildert und ihn zur Gnade vermocht, wo er strenge Gerechtigkeit geübt wissen wollte. Zn den letzten Regierungsjahren stieg sein Einfluß noch weit höher, aber nir gends findet sich eine Spur von Habsucht: cS müssen also wohl andere, uns -) H-kuba V. «72. L72. ") Ranke a. a. O. AS. A«. Ranke ans einer gleichzeitigen Relation S. 211. Sove il tuo-xri-eo, LISv- brauMm «Mxa: ävve eowauüa xiart!r!a, iuterveäe per «rstra.