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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22^ Silbergr. (1 THIr.) vierteliährlich, 3 THIr. für da- ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen Königs. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. . -1/ 24. Berlin, Dienstag den 23. Februar 184S. Frankreich. Holland, England und Schottland im Jahre 1600. Hollandl Boden nnd Bewohner; Friesland: Gröningen; Provinz Holland: Amsterdam, Harlem, Haag, Leiden, Deist, Rotterdam, DortteSU; Zeeland: Middel burg, Vlissingen. — England: London. — Schottland: König Jakob, Edinburg. — Heimkehr: Rochester, Amiens. — Berzlcilbung der Deutschen mit den Jialiancrn. — Rohan-- Mutter, Katharine de Parthcnah. In Nr. I und 2 des Magazins halten wir den Herzog vonNohan auf seiner Reise durch Deutschland begleitet; wir nehmen den Jaden wieder auf und folgen ihm jetzt durch Holland, England und Schottland, bis zu seiner Rückkunft in die Heimat. Geographisch genommen, machte unser junger Reisender bei seinem Ueber- gange von deutschem Boden auf das Gebiet der vereinigten Niederlande nur einen Schritt; der moralische Abstand aber, welcher in diesem Schritte be griffen lag, war sehr beträchtlich: Alles verändert sich um ihn, und seine Darstellung läßt uns die Veränderung fühlen. Kein altes Denkmal, keine alte Erinnerung fesselt die Aufmerksamkeit des Wanderers. Das Volk allein ist hier AlleS; das Land ist erbärmlich, aber das Volk ist groß und hat durch bewundernswürdige Anstrengungen das Land gezwungen, seiner spröße zu dienen ; aus den grundlosen Morästen erheben sich zur Verwunderung Europa s reinliche und blühende Städte, den Ocean bedeckt ein reicher Wald seiner sieg reichen Masten. Ein solches Schauspiel konnte Rohan nicht gleichgültig lassen; er bewundert gern die unerschrockenen Kaufleute, überdies sind sie seine Nesi.' gionSgenossen und die natürlichen Freunde Frankreichs; wenn diese beiden Länder der Politik Philipp'S II. entgangen sind, so schulden sie sich wechsel seitig Erkenntlichkeit für gegenseitige Dienste. — Rohan fragt sich nach der Ursache der wundersamen Blüthe dieses von Natur so undankbaren Landes und findet sie im Handel, welcher ihm die feste Gewähr der Bildung scheint- Die erste Provinz der vereinigten Niederlande, welche er durchstreift, ist Friesland. Seine Bewohner waren vor Zeiten den Römern, dann den Fran zosen unterworfen, schüttelten aber das fränkische Joch ab und gaben sich eigene Herzöge: später kamen sie an Holland, und darauf an die Häuser Burgund nnd Oesterreich, bis sie durch Philipp'S II. Tyrannei wieder zur Erringung der Unabhängigkeit gedrängt wurden. Das Land ist klein und un- fruchtbar, eS erzeugt nur wenig Getraide, keinen Wein, kein Holz, sein ganzer Neichthum besteht in Weideland und Torf; Alles, was zum Lebens unterhalt gehört, muß von auswärts eingeführt werten, und doch hat «S 12 feste Städte und 490 Dörfer. Die erste dieser Städte ist Gröningen. Nach den Bischöfen von Utrecht besaßen sie die Herzöge von Geldern, darauf Karl V., „endlich hat sie der Graf Moritz durch eine der schönsten Belagerungen, die zu unserer Zeit ge schehen und eines so tapferen Heerführers gewiß sehr würdig ist, dem Könige Philipp II. von Spanien abgenommen (1894). Obgleich sie an keinem be- deutenden Flusse liegt, hat sic sich durch mehrere Kanäle ins innere Land und nach dem Meere bequeme Handelswege verschafft, wodurch sie sehr wohnlich und reich geworden ist. Aber die Citadelle, welche die Staaten gebaut haben, gefällt den Einwohner» nicht, denn alle Bölter Haffen einen solchen Zaum ihrer Freiheit, und gerade die Friesen haben einen besonderen Unab hängigkeitssinn." Ueber Leuwarden, Franeker und Harlingen gelangt der Herzog nach Holland. „Dieses kleine Land", sagt er, „ist so nierkwürtig wie irgend etwas, was ich gesehen habe, wenn ich bedenke, daß cs bei einem Umfange von mir 60 Meilen 29 schöne Städte, von denen die sechs vornehmsten, Dortrecht, Harlem, Delft, Leiden, Rotterdam und Amsterdam, an Reichthum, Be- völkerung und Gebäuden sich mit den schönsten Städten, die es überhaupt giebt, vergleichen können, und 400 Dörfer besitzt." Die traurige, flache, unfruchtbare und morastige Gegend will ihm aber doch nicht behagen. „Nächst Venedig", fährt er fort, „habe ich keine merkwürdigere Stadt gesehen, als Amsterdam, welches überhaupt mit jenem viel Aehnlichcs hat. Zwar liegt es nicht ganz im Meer, wird aber doch zum großen Theil von demselben umgeben, und die andere Seite ist ein fortlaufender Morast; eine Anzahl breiter Kanäle in und um die Stadt vollenden die Achnlichkeit. Beide Städte sind auf Pfählen gebaut. Venedig ist sehr alt, Amsterdam ziemlich jung. Aber an Reichthum und Schönheit kommen ihnen wenige Städte der Christenheit gleich. Beide haben als Republiken prächtige öffentliche Gebäude; beide sind reich an guten Handwerkern und Künstlern, besonders an Malern. Venedig aber ist das Haupt der blühendsten Republik Europa's, Amsterdam dagegen von der seinigen nur ein kleiner Theil Seit Amsterdam nicht mehr unter spanischer Herrschaft steht, haben seine Größe, seine Schönheit, sein Rcichthum und seine Befestigungen bedeutend zugenommen; cS richtet den Handel Antwerpens ganz zu Grunde. Wer es nicht mit eigenen Augen sieht, glaubt cS kaum, daß sich in dieser einzigen Stadt zuweilen drei- bis vier- tausend Schiffe befinden, und daß jährlich zweimal giottcn von vier- bis fünshundcrten ankomme», die einen aus Danzig mit Getraide, die anderen aus Frankreich und Spanien mit Wein und Salz, und außerdem geht eine große Anzahl nach Indien und nach kürzlich entdeckten Ländern. An schönen öffentlichen Gebäuden besitzt Amsterdam das Rathhaus, gute und wohl unter haltene Hospitäler, verschiedene Häuser für Waisen, für verwahrloste Kinder, für arme Knabe» und Mädchen, die auf Kosten der Stadt Handwerke lernen, für Wahnsinnige (welche in diesen; Lande ziemlich häufig sind), und ein schönes, ganz von Kanälen umgebenes Hospital für Pestkranke." In Harlem plagt sich der Herzog wiederum, wie er bei allen bedeuten- deren Städten zu thun pflegt, mit der etymologischen Erklärung des Namens, ganz in der unnützen und unverständigen Art, welche die damals erwachende historische Forschung so sehr liebte. UnS ist natürlich heutzutage mit den; Ritter und Niesen „Heer Lem", vo» dem die alten holländischen Chroniken ein Langes und Breites schwatzen, nichts mehr gedient. Dann erzählt er die bekannte Geschichte von Lorenz Koster, dem angeblichen Erfinder der Buch druckerkunst, und ein Beispiel von der Treulosigkeit und Grausamkeit der Spanier, welche die Stadt nach einer langen Belagerung endlich einnadmen und die in die Hauptkirchc geflüchteten Einwohner, ungeachtet der Capitulation, niedermetzelten. Der Haag war damals noch ein Dorf und zeichnete sich durch seine Größe, seine Schönheit und seinen Reichthum nicht allein nnter den Lör'ern Hollands ans. Graf Wilhelm I>. (der deutsche König) verlegte den Hoshalt von Gravesand hierher und baute (1249) „ein Schloß, in welchen; jetzt der Graf Moritz wohnt" (es ist der gegenwärtige Binnenhof, dessen Gebäude nun zu den Versammlungen der Generalstaaten, für das Landes-Archiv und einige Ministerien benutzt werden; der schöne, vom Grafen Wilhelm in der Mitte des HoseS erbaute Tanzsaal ist zum Lotleriesaal herabgewürdigt worden). Leiden scheint dem Herzoge eine sehr alte Stadt; er beruft sich auf Ptolo- mäus und auf einen künstlichen Erdhügel innerhalb der Mauern, in welchem er eine römische Citadelle erblickt. Die Bemerkung, daß der Rhein sich zu Leiden in einen Arm der Maas verliert (?) und seinen Namen aufgiebt, ver anlaßt den Verfasser zu einer Betrachtung über die Hinfälligkeit menschlicher Größe. „Wenn es erlaubt ist", sagt er, „den Menschen mit etwas Anderem zu vergleichen als eben mit dem Menschen selbst, so mögen sich die Mächtigen daraus ein Beispiel nehmen, daß sie nicht die Ehre Anderer verbergen, indem sie dieselbe sich selbst zueignen, noch den minder Mächtigen ihre Habe entreißen, sondern sie sollen bedenken, daß ihnen selbst von Anderen ein Gleiches wider fahren könne." Bei Delft vergißt der Herzog nicht, die Ermordung Wilhelm'S I. (12. Juli 1884) zu erwähnen. „Der Tod des Prinzen von Oranien, welcher in dieser Stadt erfolgte, läßt mich die Niederträchtigkeit des Königs von Spanien be merken, der, noch nicht gesättigt von den Gräueln, welche der Herzog von Alba in seinem Namen in diesem Lande verübt hatte, den Prinzen meuchlerisch umbringcn ließ." Als Gegenstück zu dieser Schandthat wird die Verehrung hervorgehobcn, welche die Bürger von Rotterdam ihren; Desiderius Erasmus durch eine bron zene Statue und eine Inschrift an seinen; Hause bewiesen haben. „Dortrechl ist als Handelsstadt zwar nicht so wichtig als Rotterdam, aber dennoch nicht unbedeutend, besonders als Stapelplatz der Rheinweine. Durch eine große Ucberschwemmung im Jahre 1421, welche 72 Dörfer vernichtete und über 10,000 Menschen mit all ihrer Habe begrub, ist Dortrccht eine Insel geworden, die sich zwar durch Dämme mühselig gegen die Finthen schützen muß, aber eben dieser Lage auch eine bequeme Handelsverbindnng und große Sicherheit gegen feindliche Angriffe verdankt." In Zeeland hat der Herzog nur zwei Städte besucht, Middelburg und Vlissingen. „Middelburg hat seit kurzer Zeit an Größe, Reichthun; und Be festigungswerken außerordentlich zugenommcn nnd verdankt dies vorzüglich seiner Lage. ES ist der Stapelplatz der französischen und spanischen Weine und vieler englischen KausSmannSgüter. Zwar liegt es nicht unmittelbar am Meere, aber die größten Schiffe können durch die Kanäle bis in die Stadt gelangen, und man sieht deren gewöhnlich 1200 —1800 zu gleicher Zeit da selbst." — „Vlissingen war im Jahre 1400 noch ein schlechtes Dorf; kurz