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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22^ Tilbergr. (j Thir.) vierteljährlich, 3 Lhlr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen M°nar»ie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bert u. Com»., Jägerstraße Nr. 25), sv wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. L84S. Berlin, Dienstag den 28. Januar Aegypten. Die Engländerin in Aegypten. *) Die bekannte Ladp Mary Wortlev Montagu ist, wenn wir nicht irren, die erste Europäerin, von der wir die Beschreibung einer Reise im Orient haben, und man muß gestehen, daß sic ihre männliche» Vorgänger in jeder Beziehung weit hinter sich zurück läßt. In der That haben ihre Briefe, ob wohl vor 120-13V Jahre» geschrieben, eine Irische und Originalität, die sie noch immer zu einer anziehenden Lektüre macht. Seit ihrer Zeit haben sich mehrere weibliche Federn an diesem Gegenstände versucht und noch ganz neulich hat uns die Gräfin Hahn-Hahn mit dem Tagebuch ihrer Wanderungen im Osten beschenkt. Zu den interessanteren Werken dieser Art gehören die vor kurzem in London erschienenen Briefe der MrS. Poole, einer englischen Dame, die sich eine Zeit lang mit ihrer Familie in Kahira aufhiclt und daher Gele genheit hatte, die Sitten und Gebräuche der Orientalen genauer zu beobachten, als es für bloße Touristen möglich ist, die von jenen Regionen, wo Alles dem Auge des Europäers so fremd erscheint, nur die Haupt-Umriffe auffaffen können und die weniger hervorstechenden Züge — das häusliche, alltägliche Leben, aus dem man den Volks-Charakter gerade am besten kennen lernt — bei Seite lassen. Schon bei ihrer Landung in Alexandrien fühlte die Verfasserin, daß sie eine neue Welt um sich habe; die malerische Tracht der Einwohner, die kleinen, kastenartigcn Läden, der feierliche Auf dcS Muezzin zum Abendgebet brachten eine eigene Wirkung hervor. Von Alexandrien aus fand die Reise zuerst auf dem Mahmudieh-Kanal in einem eisernen Boote statt, das von vier Pferden gezogen wurde. Bei Tage war dieser Transport nicht unan genehm, des Nachts aber vereinigten sich die unzähligen Insekten — die Flöhe und schwarzen Käfer — zu einer wahrhaft ägyptischen Plage, die, nächst den Pyramiden, allein noch an die Pharaoncnzcit erinnert. An der Mündung des Kanals in den Nil hatte man auch noch zwei Tage und eben so viele Nächte auf das Fahrzeug zu warten, das die Reisenden nach Kahira bringen sollte. Die Nilfahrt dauerte drei Tage, die aber nicht ganz ohne Interesse waren. Fuwih, durch seine schönen Frauen und herrlichen Pomeranzen be rühmt, SaiS, von wo aus man einen Blick in das Sandmeer der großen Wüste erhält, Kafr.ez-Zeijat und das büffelreiche Nadir wurden nach ein ander erreicht, ehe sich die Pyramiden zeigten und die Gesellschaft in Bulak, dem Hafen von Kahira, ankam. Hier mußten die Damen ihre europäische Kleidung ablegcn und sich in das faltige Kostüm des Orients hüllen, worauf man ihnen Esel vorsührte, um in die Stadt einzureiten. Die Staubwolken, die unterwegcs aufstiegen, machten diesen Ritt äußerst beschwerlich; desto größer war die Freude, als man endlich Kahira erblickte. Die erste Sorge der MrS. Poole und ihrer Familie war natürlich, sich nach einer bequemen Wohnung umzusehcn, und cS gelang ihnen auch, «in neues und geräumiges Haus zu finden, wofür man ihnen nur den ungemein niedrigen Miethspreis von 80 Thalern jährlich abforderle. „ES bestand aus einem Hofplatz, der ringsum von Gemächern eingeschloffen war, die sich galerieweise über einander erhoben. Auf ebener Erde waren fünf Zimmer: ein sogenanntes..MandLLLb^ für den Empfang männlicher Gäste bestimmt und mit einem Springbrunnen in der Mitte versehen, eine Winterstube, ein kleines Schlafgemach, gleichfalls für männliche Gäste, eine Küche und ein Kaffeezimmer für die Dienerschaft. Rechter Hand von der HauSthür befand sich der Eingang des Harem'S oder der Treppe, die zu den Damengemächern führte, welche den ganzen oberen Theil des Gebäudes einnahmen. Das erste Stockwerk enthielt eine mit Marmor getäfelte Kammer, die nach Norden offen war und eine erfrischende Kühle verbreitete; außerdem waren hier noch fünf Zimmer gelegen. In den beiden Hauptgcmächcrn war der größere Theil deS Fußbodens etwa fünf bis sechs Zoll über das äußere Ende erhaben, das mit Marmor gepflastert war; der Grund dieser Einrichtung ist, daß man die äußeren Pantoffeln auf dem niedrigeren Theile des Fußbodens zurück läßt, da man den höheren, mit Matten bedeckten, durch nichts Unreines entweihen darf. Die Füße sind jedoch, außer den Strümpfen, mit einer Art innerer Pantoffeln versehen, deren Sohlen und Oberleder aus gelbem Maroquin ver fertigt werden; man nennt diese Mezz und die äußeren Pantoffeln (die ohne Hacken sind) Ba duschen. — Die Wände waren im ganzen Hause weiß an- gestrichen und die Plafonds aus phantastisch geschnittenem Holzwerk zusammen, gesetzt, das an manchen Stellen höchst geschmackvolle Zierrathcn bildete. Außer l'K« !u I vol«. , 1844. den bereits erwähnten Zimmern gab cs in diesem Stockwerk noch drei kleine, mit Marmor gepflasterte Räume, die als Vorzimmer, Ruhekammer und Bade- stube benutzt wurden. Oben befanden sich vier Gemächer, von welchen das eine nach einer herrlichen Terrasse hinausführte, die alle umliegende Häuser übersah und wo wir uns unter freiem Himmel zum Frühstück und Abendbrod zu versammeln pflegten." So angenehm diese Wohnung beim ersten Blick scheinen mochte, fanden unsere Reisenden doch bald, daß sie darin außer Käfern, Spinnen und Skor pionen noch ganz andere Feinde zu bekämpfen hätten. „Nach einigen Tagen", schreibt MrS. Poole, „vernahmen wir zu unserem nicht geringen Erstaunen, daß unsere Diener jede Nacht in ihrer Ruhe gestört würden; sie hörten ein beständiges Klopfen und erblickten eine Gestalt, die sie für überirdisch hielten. Sie gaben dieser Erscheinung den Namen Afrit, womit man einen bösen Dämon oder überhaupt ein Gespenst bczeichM7^H«»-Art, wie sie sich gegen uns über diesen unheimlichen Gast beklagten, war charakteristisch. Eines Morgens wurde mein Bruder durch einen Streit unter seinen Fenstern be lästigt und rief einen der Bedienten, um sich nach der Ursache zu erkundigen. „ES ist nichts, o Effendi!" erwiederte dieser, „aber was uns beunruhigt, ist die Gewißheit, daß ein Teufel in der Badestube haust." — Mein Bruder, der ihre abergläubischen Vorurtheile kennt, entgegnete: „Nach Euren eigenen Ueber- lieserungen gicbt es ja kein Bad in der Welt, das nicht von bösen Geistern heimgesucht würdet" — „Das ist wahr, o Herr!" antwortete der Diener, „eS verhält sich aber so: Dieser Teufel hat sich schon längst hier im Hause festgesetzt und wird keinem Anderen erlauben, seine Wohnung hier auszuschla gen; seit langer Zeit hat Niemand über einen Monat innerhalb dieser Mauern zugebracht, mit Ausnahme des letzten Micthers, der, obwohl er Soldaten und Sklaven um sich hatte, nicht länger als neun Monat hier aushielt, weil der Teufel seine Familie die ganze Nacht beunruhigte." — Ich muß hier einschal ten, daß während unseres kurzen Aufenthalts schon zwei Mägde uns ohne vor läufige Anzeige verlassen hatten; ihr plötzliches Verschwinden war uns unbe greiflich gewesen, bis es auf diese Weise erklärt wurde. Auch wir waren zu verschiedenen Malen in unserer Ruhe gestört worden ; da aber unser Nachbar gerade Hochzeit machte, so schrieben wir eS den lärmenden Freudenbezcugun- gen zu, die hierzulande bei einer solchen Gelegenheit üblich find." Dem Volksglauben gemäß, rührte der Spuk von einem Morde her, der einst in jenem Hause begangen wurde. Der frühere Eigenthümer desselben hatte einen reisenden Handelsmann und zwei Sklaven umgebracht, und zwar den Ersteren in der Badestube. Als Sühne hatte er das Gebäude zu religiösen Zwecken bestimmt, mit Vorbehalt des lebenslänglichen Besitzrechts für die jetzige Wirthin. „Wir können nur bedauern", sagt Mrs. Poole, „daß uns diese Umstände nicht vorher bekannt waren, da wir recht gut eingesehcn hätten, daß die unüberwindlichen Vorurtheile der unteren Klaffen gegen eine solche Stätte uns den Aufenthalt darin verleiden würden. Das plötzliche Verschwin den der Mägde wurde durch den Thürsteher mit folgenden naiven Worten er klärt: „Warum haben Euch Aminch und Zayneb verlassen? In Wahrheit, o Herr! weil sic für ihre Sicherheit fürchteten. Als Amineh den Dämon er blickte, bemerkte sie sogleich, daß sie aus dem Hause fliehen müsse — denn, sagte sie, wenn er mich berührte, könnte ich von Wahnsinn ergriffen und zum Dienst untauglich werden. Uud wahrlich, sie hatte Recht. Was uns betrifft, wir find Männer und fürchten nichts; aber wir fürchten für das Harem. Sicherlich wirst Du dieses bedenken und das Haus verlassen." — „Versuche eS noch einige Nächte", erwiederte mein Bruder, „und rufe mich, sobald der Afrit heute Abend erscheint. Wir hätten ihn schon gestern Nacht fangen können, als er, wie Du sagst, Dir so nahe war, und nachdem wir ihm eine tüchtige Tracht Schläge gegeben, hätte er uns gewiß nicht weiter in unserer Ruhe ge- stört." Diese Worte schienen die Achtung der beiden Diener für ihren Herrn nicht wenig zu erschüttern. „O Effendi!" rief einer von ihnen, „dies ist ein Afrit und kein Sohn Adam's, wie Du zu glauben scheinst. Er nahm in der letzten Nacht alle mögliche Gestalten an, und als ich ihn ergreifen wollte, ver wandelte er sich in einen Knäul oder einen anderen kaum bemerkbaren Ge genstand." Während des Ramadhan-Festes ließ der nächtliche Dämon die Engländer in Ruhe; sobald aber diese heilige Zeit vorüber war, begann er seine Vcr- folgungen von neuem. „Es ist unmöglich", versichert die Verfasserin, „die Töne und das Geräusch zu beschreiben, durch die wir auf so geheimnißvolle Art beunruhigt wurden. Wenn wir spät Abends in unseren Zimmern saßen, vernahmen wir plötzlich ein heftiges Pochen an die Thür; zu anderen Zeiten schien ein schwerer Körper auf das Pflaster unter unseren Fenstern niedcrzu- fallen. Wir glaubten zuerst, daß Jemand einen Stein oder sonst etwas hin-