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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration-- Preis 22^ Silbergr. (j Tblr.) vicrieijahrliL, 3 Th>r. für LaS ganze Jadr, ohne Erhöhung, in aUen Tb"Un der Preußische» Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie oon allen König!. Post<Acmtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 184S. Berlin, Sonnabend den 18. Jannar England. Todesstrafen und Peitschenhiebe in der britischen Armee. (Nach der Londoner ^leüiosl Oarette.j Bekannt ist die Strenge und Grausamkeit der englischen Militairstrafeu. Ein kürzlich in London erschienenes Werk, betitelt: lilistcar^ punislunenr«, giebt darüber Details, die zu den ernstesten Betrachtungen auffordern. Man wird bei den darin erzählten Fällen grausamer Bestrafung leicht wahrnehmcn, daß die Bestraften meist von gutem Charakter, ihre Vergehungen dagegen unbe deutend waren oder nur auf bloßen Verdacht hin ihnen zugeschricbcn oder durch tyrannische Behandlung von Seiten der Offiziere provozirt wurden. Wären Flanagan und Darby Star von einem Piraten gefangen und in Tunis als Sklaven verkauft worden, so hätten sic nicht barbarischer behandelt werden können; ja in gewisser Beziehung wäre ihr LooS besser gewesen, denn bei ihren energischen Charakteren würden sie höchst wahrscheinlich die Mittel gefunoc» haben, sich emporzuschwingen. Und dies ist die Lage, in welcher W,000 britische Nnterthanen ihr Leben zu verbringen vcrurtheilt sind. Dabei kann nian nicht einmal die Schuld auf die „strengen Gesetze" der Armee schieben. In so weit die Gemeinen betheiligt sind, giebt es kein anderes Gesetz als die DiScretion des kommandirenden Offiziers. Verzweiflung scheint die Quelle vieler Jnsubordinationshandlungen zu seyn, welche die Soldaten der Peitsche und der Todesstrafe auSsetzen, und diese Verzweiflung wird offenbar durch den strengen Zwang, dem sie unter worfen find, und durch die schmerzliche Ueberzeugung hervorgerufen, daß ihr Zustand unveränderlich sey, und daß ihre Leiden nur mit dem Leben enden können. Hierauf weist die Thatsache hin, daß in den Kavallerie-Regimentern unter zwanzig Todesfällen immer einer ein Selbstmord ist. „Während des amerikanischen Krieges von 1813 (heißt cS in dem Buche) waren — eben als Folge der strengen Disziplin — Desertionen von unserer Armee nach den Vereinigten Staaten häufig; und um dies zu verhindern, wurden diejenigen, die man bei dem Versuch, die Gränze zu überschreiten, er tappte, hingerichtet; sechs wurden an einem Tage erschossen, aber ohne daß diese Maßregel eine wohlthätige Wirkung hatte. Ilm zu zeigen, mit welcher Gleichgültigkeit Einzelne dem Tod entgegengingcn und wie wenig diese Strafe von dem Verbrechen abschrcckte, führen wir die besonderen Umstände an, welche die Hinrichtung eines Mannes begleiteten. „Ein Gemeiner", sagt Oberst Campbell, der damals Brigade-Major in de Menron's Regiment war, „sollte hingerichtct werde». Die Truppcu bildeten drei Seiten eines Vierecks; an der vierten, nach dem Walde zu, war daö Grab geöffnet, und der Sarg, auf den der Verbrecher knieen sollte, stand, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, neben demselben. Der Prvsoß mit dem Trupp, der Feuer geben sollte, eskortirte den Gefangenen und betrat unter Vortrab der Negiments- muffk, die den Todtenmarsch spielte, das Viereck, als ich zu meinem Erstaunen den Gefangenen stolz einhcrschrciten sah, kaltblütig eine Zigarre rauchend. Da ich die schlechten Wirkungen erkannte, die aus einer so augenscheinlichen Verachtung des TodeS entspringen müßten, rief ich, obwohl nur mit Wider streben, den Profoß und befahl ihm, dem Gefangenen die Zigarre wcgzunchmcn. Als er dem Grabe nahe kam, schritt der Gefangene ruhig, aber fest vorwärts, sah hinein, und indem er sich ZU mir wandte, sagte er auf französisch: „ES wird sich machen." Dann maß er mit seinem mittleren ginger und Daumen die Länge des Sarges und sagte wieder zu mir auf französisch, das sein CorpS im Allgemeinen sprach: „Auch das wird gehen." Er gab nicht zu, daß man ihm die Augen verbinde, stieß den Profoß weg und rief auf französisch: „Ich bin ein braver Soldat, habe dem Tod oft ins Antlitz geschaut und werbe auch jetzt nicht davor zurückbeben." Der Profoß gab ihm ein Zeichen, auf den Sarg zu knieen, aber er erwicderte: „Ich ziehe eS vor, zu stehen, und werde nicht wanken." Der Trupp feuerte, und in einem Augenblick hatte er zu leben aufgehört." Zur Beleuchtung der Strenge militairischer Gesetze und Gebräuche, im Vergleich mit den Gesetzen des bürgerlichen Lebens, lassen wir die Schilderung der Hinrichtung eines sehr merkwürdigen Mannes folgen: „Der Gemeine Flanagan war ein hübscher Soldat von sechs Fuß ein Zoll (engl.) Höhe. Er besaß treffliche Anlagen und hatte eine erträglich gute Er ziehung bekommen. Er besaß einige Kenntnisse im Lateinischen und konnte französisch sprechen. Als das Regiment nach Indien ging, war er bald im Stande, sich mit den Eingcbornen in mehreren Sprachen des Landes zu ver ständigen. Obgleich Flanagan ein tüchtiger Soldat war, so war er doch ge neigt, sich kleine Verletzungen der militairischcn Disziplin zu Schulden kommen zu lassen, und sein Name wurde daher zuweilen in die Sündcnbüchcr einge- tragen. Da er ein Mann von stolzem Geist und heftigem Temperament war, so konnte er die Vorwürfe des Adjutanten, der ihn öfter wegen seiner Unregel mäßigkeiten zur Rede stellte, nicht ertragen. Bei einer Gelegenheit ward er von dem Verweis, den er erhielt, so erbittert, daß er ungeduldig den Adjutan ten mit dem Ellbogen von sich stieß. Flanagan ward sofort deshalb vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode vcrurtheilt. Als man ihm die Sentenz mitthcilte, bemerkte er einfach, er glaube, der Ausspruch dcS Gerichtshofes sey streng. An dem Tage der Hinrichtung bewahrte er die merkwürdigste Festig keit und benahm sich mit der größten Würde. Nachdem das Viereck gebildet worden, redete er, nach erhaltener Erlaubniß, die Compagnie, zu der er gehörte, an. Nachdem er den vcrhängnißvollcn Fleck erreicht, begann der Adjutant, das Verfahren des Kriegsgerichts abzulesen; aber da er, feine Sclbstbehcrr. schung verlierend, zu stammeln anfing, so redete ihn Flanagan, dies bemerkend, an: „Ich sehe, Herr, daß Sie erschüttert sind; bitte, lassen Sie mich an Ihrer Stelle die Prozedur lelen." Bon diesem Anerbieten ward natürlich keine Notiz genommen. Er bat dann, daß man ihm nicht die Augen zubinde, und daß man ihm erlauben möchte, das Kommando zum Feuer zu geben, welches Beides gewährt wurde. Er gab endlich das Kommando mit so fester Stimme, wie ein Sergeant-Major bei einem Manöver. Flanagan'S vorzeitiges Ende fand im Juni 1828 statt, in Trinthchinopoly. Inwieweit es rathsam war, die Todesstrafe in diesem Falle in Ausführung zu bringen, wolle» wir hier nicht untersuchen. Das Verbrechen scheint ein Resultat momentaner Leidenschaft oder Erbitterung, nicht eines Plans ge wesen zu seyn, und vielleicht war Flanagan der Disziplins-Verletzung, die er begangen, sich kaum bewußt. Ein anderes Beispiel, welches kürzlich in einer ausländischen Garnison vorkam, mag ebenfalls dazu dienen, von der Strenge und PrariS des Mili- tairgesetzcS einen Begriff zu geben. Der Gemeine H ward vor den Capitain seiner Compagnie gebracht, weil er betrunken gewesen, und deshalb zur unbedeutenden Strafe von zwei- oder dreitägigem Exerzieren verurthcilt, als er leise auf die Schulter dcS Offiziers klopfte und zugleich rief: „Jetzt steht mir der Tod bevor." Der Mann war von sehr respektabler Herkunft und ein Graduirter von einer der englischen Universitäten. Er entwarf sich eine Art Verthcidigung, wurde aber von dem Aussprechen der Meinungen und Eröff nungen, welche dieselbe enthielt, durch einige wohlwollende Personen abge- haltcn, welche glaubten, daß dieselben ihm schaden könnten. Der Inhalt seiner Verthcidigung war, er habe im Verdacht gestanden, einen Bries über den Zu stand dcS Regiments vor zwei oder drei Jahren in eine Zeitung geschrieben zu haben; seitdem habe er fortwährend Verfolgungen zu ertragen gehabt, die das Leben unerträglich machten, und er habe daher durch die Begehung dieses Verbrechens den Tod als das Ende seiner Leiden herbeizuführcn gesucht. Er nannte Niemanden als seinen Verfolger, sondern hatte nur die Absicht, das Kriegsgericht darauf aufmerksam zu machen, daß vernünftige Wesen nicht ohne irgend einen Grund so zu handeln pflegten, wie er und Andere gethan. Er wurde zu achtjährigem Gesängniß mit schwerer Arbeit und cinmonatlichcr einsamer Einsperrung alle vier Monate vcrurtheilt. Hätte H einen Selbstmord begangen, statt zum Schein seinen Capi- tain zu schlagen, um zum Tode vcrurtheilt zu werden, so würde der Ausspruch des Coroner auf temporären Wahnsinn gelautet haben. ES ist notorisch, daß dieser Mann den Tod als eine Erlösung von seinen Leiden suchte. Der Geist wird durch geistige Angst zerrüttet, und mögen wir nun diesen Zustand Wahn sinn nennen oder nicht, jedenfalls werden die Handlungen oft nicht von ver nünftigen Motiven geleitet. Die Existenz moralischen Wahnsinns, ohne daß dabei eine ausfallende geistige Zerrüttung hervortritt, kann kaum bezweifelt werde». Wie viele Mordthatcn sind in Indien aus scheinbar sehr unbedeu tenden Gründen vorgckommen, z- B. i» Folge des Mißbehagens der Solda ten, wenn sie länger als sie für recht oder nothwendig hielten, zuin Exerzieren angehaltcn wurden oder unter einer tropischen Sonne Wache stehen mußten. Bei dem Dienst auf einem Wachtposten ist eS Sitte in der Armee, die Schlüssel aus dem Kochhause in das Wachtzimmcr zu tragen; zu diesem Zweck treten die Ordonannzen, wie sie genannt werden, in Reihe und Glied und mar« schiren unter dem Kommando eines Unteroffiziers ins KochhauS, einige Minuten, ehe das Horn zum Essen bläst. Bei einem Dragoner-Regiment in Indien kam cs einst vor, daß bei einer solchen Gelegenheit, als die Ordonnanzen in Reihe und Glied traten, ein gemeiner Dragoner, Namens Kennedy, als abwesend an- gegeben wurde! einen Augenblick darauf erschien er und erklärte, er sep im