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Die Spanier galten im ganzen Zeitraum der neueren Ge schichte für dasjenige europäische Volk, das dem Klerus und dem römischen Hofe am eifrigsten ergeben war; sollte nun diese so lange und so allgemein verbreitete Meinung falsch gewesen sepn und Spanien, das mit so leichter Mühe jedes drückende Joch abzuschütteln versteht, die Mönche und die In. quisition ertragen haben, obgleich es sie verabscheute? Oder sollten die Spanier, die um das Mönchthum durch so viele Jahrhunderte Menschlich keit und Vernunft verleugnet haben, plötzlich gleichgültig und sogar feindselig gegen den Glauben ihrer Väter geworden sepn? Auf diese Fragen dürfen wir antworten, daß Spanien, trotz einiger Ausnahmen, noch heute das katho lischste Land ist, wie dasselbe es ehemals war. Die Aufhebung der Mönchs- Orden hatte ihren Grund vorzüglich in politischen und finanziellen Verhält nissen; der Haß gegen die katholische Religion und den Klerus, der sich wohl bei einigen Ministern zeigte, der aber nie ins Volk übergegangen ist, hatte nur einen geringen Antheil an dieser Maßregel. Seit die Geldverlegenheiten der Regierung besorglich überhand nahmen, warf man ein gieriges Auge auf die Neichthümer der Geistlichkeit, und von dieser Zeit an war die Unter drückung der Klöster für jeden unbefangenen Beobachter der politischen Ereig nisse ein naher und unvermeidlicher Staatsstreich. In allen revolutionatren Zeiten waren die reichen und keines ernstlichen Widerstandes fähigen Körper- schäften der Habgier der Negierenden und aller derer, die einen Antheil an der Beute zu hoffen hatten, preisgegcben. In Spanien datirt sich der Ver- kauf der Klostergüter von der Regierung Ferdinand s VII. Dieser Fürst, der lange zwischen seiner Frömmigkeit und seinen zeitlichen Aengsten schwankte, entschied sich endlich dafür, den letzteren nachzugeben. In den Jahren >820 und >823 erklärte er die Bcsitzthümer der Geistlichkeit für National-Eigen thum und autorisirte den Verkauf derselben. Mehrere Klöster wurden sogar in Folge dieser Maßregel geschloffen, die den Mönchen jedes Subsistenzmittel nahm. Jndeß war die Regierung in dieser Zeit noch so zaghaft und von ihrer Kühnheit so betroffen, daß sie den Privatpersonen das Terrain wieder ab nahm, das sie ihnen am Tage vorher verkauft hatte, so daß eS aussah, als hätte der König seine Kräfte nur prüfen wollen, bevor er einen Kampf mit dem einst allmächtigen Klerus kinging. Nach dem Tode Ferdinand's VIl., der im Jahre >833 erfolgte, verfloß eine geraume Zeit, ehe man die Verkäufe zu wiederholen wagte, die man übrigens heuchlerischer Weise kirchliche Reformen nannte. Indessen erhoben die ersten Käufer der Kirchengüter, denen inan dieselben wieder weggenommen hatte, laute Klage über diese Gewaltthätigkcit und zwangen auf diesem Wege die Regierung, irgend einen Vorwand zu einem entscheidenden Streich gegen die Mönche zu suchen. Ein solcher Vorwand war auch bald gefunden. Man entdeckte einen Paragraphen in den Beschlüssen des Tridentiner Konzils, der dem Könige von Spanien erlaubte, jedes Kloster aufzuheben, das weniger als zwölf Mönche habe, und von achtzehnhundert Klöstern, die im Lande eristirten, gehörten neunhundert in diese Kategorie. Diese wurden im Jahre >838 durch eine einfache Ordonnanz geschloffen. °) Später hob man die Inquisition auf und zog sämmtliche Pfründen ein, die von derselben abgehangen hatten. Eben so wurden alle übrige Güter, die der Jnquisiton gehörten, konfiSzirt und zur Tilgung der Staatsschuld be nutzt. Im Jahre >836 gab man den Grund und Boden, den Ferdinand VII. den Käufern wieder abgenommen hatte, an die rechtmäßigen Besitzer zurück, schloß auch alle noch übrige Klöster, mit Ausnahme einiger, die von den Königen gegründet worden waren, wie Eskurial, Guadalupe und Pöblet, und verbot, die Kutte zu tragen. Der Aushebung der Klöster waren strenge Maßregeln gegen die ordinirte Geistlichkeit vorausgegangen. Eine, wenn auch nur temporäre, Abwesenheit einiger Mönche genügte, die Schließung ihres Klosters zu veranlassen. Dasselbe geschah, wenn sich ein Mönch entfernte, ohne innerhalb der ersten -) Man hat die Zahl dir spanischen Geistlichen verschiedentlich sehr falsch anstegeben. Nach Jovellanos stab e« im Jahr, I787 180,060, von denen 76,660 auf den Säkular. Klerus kamen. Jetzt sind sie auf 86,606 reduzirt, von denen zwei Dritthcile der Welt- geistlichkeit angehoren. vierundzwanzig Stunden den Behörden davon Anzeige gemacht zu haben, oder wenn ein Kloster Karlisten oder Kriegsmunition beherbergt oder karlistische Versammlungen begünstigt hatte. Die Pfründen wurden dann zum Besten der Witwen und Waisen der in dem Bürgerkriege gefallenen Soldaten ver- kauft. Die Todesstrafe ist nach unserem Wissen nur ein einziges Mal an einem Priester vollzogen worden, und zwar an einem Kanonikus aus Bur gos, der im Anfänge des Bürgerkrieges die Waffen für Don Carlos er griffen hatte. Man muß hierbei wohl die religiösen von den politischen Beweggründen trennen. Diese strengen Maßregeln, die nicht immer gerecht waren, betrafen die Mönche nicht als Priester, sondern als Karlisten, die gegen die von der Königin Christine zugesichcrtc Verfassung zu Felde zogen. Die Partei des Don Carlos würde sich auch nicht sieben Jahre haben erhalten können, wenn sie nicht von der Geistlichkeit wäre unterstützt worden. Diese lud hierdurch den Haß des Volkes in solchem Grade auf sich, daß man beim Erscheinen der Cholera die Mönche beschuldigte, die Brunnen vergiftet zu haben, und die Polizei die Klöster besetzen mußte, um das Leben der Bewohner zu schützen. Da die Säkularisirung der Klostergüter ohne Aufruhr vor sich ging, so konnte man voraussetzcn, daß auch bei der Usurpation der großen Ländereien der Weltgeistlichen der Staat auf keine Opposition stoßen würde. In der That war diese Maßregel in Spanien schon weit früher betrieben worden, als man gar daran dachte, das Eigenthum der Mönche anzutastcn. Schon unter der Regierung Karl'S III. (1730 — 1788) hatten einflußreiche Personen, unter denen wir nur den berühmten Jovellanos nennen, der Regierung darüber Vorstellun gen gemacht, daß große Strecken Landes, die der besten Kultur fähig wären, in den Händen des Säkular-Klerus verkümmerten. In Folge dieser Vorstellun gen wurde der Rath von Castilien beauftragt, dahin zu wirken, daß diese Ländereien fortan vom Staate verwaltet und mit ihrem Ertrage die so depoffedirten Geistlichen erhalten würden. Der Plan wurde damals nicht ausgeführt und erst 1841 verkaufte der Staat die Pfründen der Säkular- Gcistlichkeit. Reiche Besitzthümer paffen auch nicht für Leute, welche christliche Demuth predigen. Der Klerus soll durch Tugenden, Kenntnisse und Weisheit mächtig sepn und muß der Herrschaft entsagen, wenn er nicht mit diesen Mitteln allein die Welt leiten kann. Die Priester tragen die Schuld, nicht die Religion, daß Spanien hinter anderen europäischen Völkern in seiner Ent wickelung zurückgeblieben ist. Die allmälige Anhäufung von Landbesitz in den Händen des Klerus, die in der Zeit Karl'S V. ihren Anfang nahm, und die schlechte Verwaltung desselben, haben mehr zum Ruin Spaniens bcigetragen, als die Entdeckung von Amerika. Dazu kam, daß die Mönche durch unweise Barmherzigkeit die Trägheit ermuthigten, der sich die Spanier ohnedies so gern hingeben. Wo sind jene Flecken und Dörfer, die Toledo zur Zeit Philipp'S II. umgaben, wo ist das arbeitsame Volk, das einst Andalusien be wohnte? Die blühenden Städtchen, die großen glänzenden Gärten, die einst die Ufer des Guadalquivir bekränzten, find verschwunden, nicht ein Name er innert mehr an fie. Man durchreise Estremadura, und man wird eine große Wüste finden; man gehe von Burgos nach Valladolid, von Valladolid nach Leon, und man wird auf dem fruchtbarsten Boden bloße Ruinen von Städten und Dörfern, die traurigen Ueberreste einer verschwundenen Blüthe, sehen .. . Dies Alles aber ist dem Klerus und der Inquisition zu danken. Im Jahre >833 erließ die Regierung einige Ordonnanzen, durch welche sie sich den Ertrag mehrerer Auflagen sicherte, die schon früher auf den Gütern des Klerus gelastet hatten oder demselben bezahlt wurden. Die bedeutendste unter ihnen hieß OeurmI» und wurde von denjenigen entrichtet, die sich vom Fasten oder von anderen Cercmonien wollten dispcnfiren lassen. Früher schickte inan dieses Geld nach Nom, jetzt ist eS dem Schatze zugewcndct und eine Quelle von ungefähr einer Million Thaler jährlicher Einnahme. Eine zweite Abgabe dieser Art sind die Li-polion. So nennt man das Erbtheil, das von dem Ver mögen eines gestorbenen Geistlichen der Kirche zusiel und jetzt ebenfalls in den Staatsschatz wandert. Die Depots dieser Einnahmen, wohin auch noch das von jedem Geistlichen bezahlte Subzjstjy gehörte, wurden während deS Krieges häufig geplündert. Im Jahre 1836 unterwarf man die Glieder des Klerus den gewöhn lichen Gerichten; der hierauf bezügliche Erlaß ist sehr gehässig abgcfaßt und empfiehlt den Priestern zum öfteren, die Vorschriften ihrer heiligen Bücher besser zu befolgen. Die Geräthe und andere bewegliche Gegenstände, wie Gemälde u. s. w. die den Klöstern gehört hatten, wurden, wenn fie nicht, als Kunstgegenstände, aufbewahrt zu werden verdienten, ebenfalls verkauft und mit dem Ertrage die