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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeranons-PreiS 22^ Silbergr. Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in aüen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumtranoncn wcrden von jeder Buchhandlung (in Berlin dei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 23), so >vie von allen König!. Post-Aemlern, angenommen. Literatur des Auslandes. .1/ I Berlin, Donnerstag den 2. Januar I84S. Die Literatur des Auslandes. 1843. Wer die Journalistik unserer Tage mit der aus jener Zeit vergleicht, in der diese Blätter begründet wurden, wird die Umwandlung leicht bemerken, die seit zehn bis fünfzehn Jahren die äußere Form, noch mehr aber der Ge danke und der Inhalt der gelesenercn deutschen Journale erfahren hat. Nicht mehr wie sonst bringen sie uns bloß Lektüre zum Zeitvertreib, nicht mehr jene formlosen Berichte über sämmtliche Theater in den großen und kleinen Haupt städten unseres Vaterlandes, und nicht mehr endlich jene von Woche zu Woche stch hinziehenden, wahrhaft „unbändigen" Romanfortsetzungen — eine Ge schmacklosigkeit, auf die merkwürdig genug die Franzosen erst nach den Deut schen gekommen sind. Vielmehr finden wir in denjenigen Zeitschriften, die nicht bloß durch die Zahl ihrer Abonnenten, sondern auch durch ihren Einfluß als Organe des deutschen Geisteslebens zu betrachten find, ernste Erörterungen über Fragen der Gegenwart, historische Rückblicke auf die großen Thaten und Unterlassungssünden der Vergangenheit, Hinweisungen aus die hohen Zukunsts- Ziele, die Deutschland treu im Auge zu behalten und zu erreichen hat, um mit den anderen, an der Spitze der Civilisation stehenden Völkern auf völlig gleiche Linie gestellt zu werden, und redlich gemeinte Bestrebungen zu größerer und immer allgemeinerer Verbreitung von Wissenschaft und Kunst. Daß diese veränderte Gestalt der Journalistik nicht bloß mit der gewachsenen Einsicht der Redactioncn, sondern auch mit der des Publikums zusammenhängt, geht dar aus hervor, daß dasselbe vorzugsweise solchen Blättern seine dauernde Thcil- napme schenkt, die jene Aufgaben sich gestellt, und daß da, wo etwa örtliche Einflüsse die Journalistik auf ihrem untergeordneten früheren Standpunkte zurückhalten, diese sich von den Blättern anderer deutschen Gegenden verdrängt fleht, denen eine günstigere Constellation vergönnt ist. Wir find weit davon entfernt, die Wirksamkeit und den Einfluß unseres „Magazins" mit denen der besseren deutschen Zeitschriften, die die Wissenschaft und den Gedankenstoff des Vaterlandes selbst verarbeiten, auf gleiche Linie zu stellen, aber daS Zeugniß dürfen wir uns geben, daß wir eS im Streben nach einem höheren Ziele den besten gleichzuthun suchen, und daß wir,stets von dem Bewußtsepn erfüllt waren, im Dienste einer sittlicheren Idee zu stehen, als der einer bloßen Speculation auf Abonnenten, welche Letzteren freilich die nothwendige Unterlage jeder Zeitschrift sind, aber nicht ihr eigent liches Ziel seyn dürfen. Weil einem großen Theil unserer Journale jenes Bewußtsepn mangelt, darum finken sie so häufig zu einer ungeachteten Stellung in der Gesellschaft hinab, während ihnen doch die schöne Aufgabe zu Theil ward, Bildner der Bildungsfähigen, Führer der Strebenden und Herolde des Fortschrittes der Menschheit zu sepn. Ja, wenn in Büchern die Resultate der Wissenschaft und der For- schungen des Menschengeistes niedergelcgt werden, so sind die Journale dazu ha, daS Material zusammcnzutragen, aus welchem sich dieser seine Tempel erbaut. Besonders aber in einer Zeit wie die unsrige, die sich durch mancher lei Merkmale als Uebergangs-Periode einer geschichtlichen Epoche zu einer anderen zu erkennen giebt, ist es der Beruf der Journalistik, Licht nach allen Seiten hin zu vcrtheilen, um denen, die die Wahrheit in den verschiedensten Richtungen suchen, zu zeigen, wo der Weg vorwärts führt und wo dagegen die Humanität, diese edelste Frucht des AlterthumS, der christlichen Welt anschauung und der neueren Bildung, gefährdet ist. Denn wir wollen uns nicht verhehlen, daß, so viele Ideen auch die Zeit auf politischem wie auf religiösem und socialem Gebiete bewegen, doch nichts weniger als Klarheit und Ordnung darin herrschen. Man hat zwar das Ziel dieser Ideen und Bewegungen bald in neuen Staatsformen, bald in einer Veränderung der bestehenden kirchlichen Einrichtungen und bald endlich in der Organisation der Arbeit, wie in einer Reorganisation der Gesellschaft überhaupt, erblickt, aber wie bunt durchkreuzen sich noch die Ansichten über jedes dieser Momente; Theoriecn wcrden auf Theoriecn gehäuft, und das, waS hier und da zur Aus führung kömmt, wird als ein bloßer Versuch betrachtet, an dessen Zukunft die Betheiligten selbst nicht glauben. Uebcrall wird vielmehr bcS RäthselS Wort, das dem die Zeit bewegenden Gedanken zum Durchbruch verhelfen soll, von der Zeit und deren Bewegungen selbst noch erwartet. Mit einem Hinblick auf die Bewegungen unserer Zeit werden wir Deut schen von lebhafteren und beweglicheren Nationen freilich oft als der „Jsaschar" unter den Stämmen Europa's bezeichnet, welcher in der Schrift mit einem Thiere von starken Knochen verglichen wird, dem, zwischen Hürden gelagert, die Geduld nie auSgche, obwohl eS schwere Lasten zu tragen habe; aber der Spott ist ungerecht, denn wenn irgend eine Nation ihre Zeit mit Bewußtsepn durchlebt, so ist eS gerade die deutsche, und waS die Ideen betrifft, aus denen jene Bewegungen hervorgegangcn, so fehlt eS an deren allseitiger Entwickelung in Deutschland weder auf politischem noch auf religiösem und socialem Gebiete. Ja, Deutschland ist gerade vermöge seiner staatlichen nnd kirchlichen Getheilt- heit das Land schärferer Beobachtung und Kritik, und wenn hier auch jene Manifestationen der Ungeduld nicht vorkommen, die in anderen Ländern zrr freilich ost übereilten, eben so häufig scheiternden als gelingenden, aber darum stets belehrenden und die politische Gesinnung kräftigenden Experimenten führen, so hat doch seit einem halben Jahrhundert die Erfahrung gezeigt, daß auch uns solche Lehren nicht verloren gehen, daß wir die Resultate jener Erpcri- mentirungen uns aneignen, ohne die blutigen Kämpfe zu bestehen, die mit politischen Konvulsionen stets verbunden find, und daß selbst unsere Nationali tät durch die bloße Macht des Gedankens gestählt wird, der es immer all gemeiner zum Bewußtsepn der deutschen Fürsten wie der deutschen Volksstämme bringt, daß wir, um hinter anderen großen Nationen nicht zurückzustehcn, nothwendig auch zu eiper Nationaleinhcit, zu einer Vereinigung der materiellen wie der sittlichen Interessen, uns erheben müssen. Geben wir aber zu, daß Alles, was in dieser bewegten Zeit in den viel rrperimcniirenden, so wie in den minder beweglichen Ländern, von denen wir umgeben sind, geschieht, unsere Aufmerksamkeit und unser Studium erheischt, so ist auch der Zweck dieser Zeitschrift im Allgemeinen und die besondere Art, in der wir bemüht sind, diesen Zweck zu erfüllen, vollkommen gerechtfertigt. Aufmerksamen Lesern ist gewiß nicht entgangen, daß wir niemals hinter den Interessen des Tages zurückgeblieben, daß sich durch die Masse von Stoffen, die wir im Laufe eines Jahres verarbeiten, die zeitbewegcnden Ideen wie ein rother Faden ziehen, und daß unsere Gemälde, wenn auch in ausländische Rahmen gefaßt, doch meistens die Luft und die Farbe der Heimat wicder- spiegeln. Und so mögen denn unsere Bestrebungen auch fernerhin wohlwollenden Lesern empfohlen sepn. I. L. Frankreich. Deutschland im Jahre 1600. Straßburg und seine Dcrsassung. — München und seine Kuriogünen. — Wien und die Lürken. — Ungarn und Schlesien. — Prag und Religionsfreiheit. — Dresden'« Alt- und Neustadt. — Wittenberg und die Rciormmorcn. — Magdeburg und seine Belagerungen. — Braunschweig und die herzogliche Gewalt. — Lüneburg und die Haide. — Labest und die Vandalen. — Hamburg und Jupiter. — Bremen und Emden. — Der Kaiser und das Reich. Der Herzog Heinrich von Rohan, eines der tapfersten Mitglieder des französischen Adels zu Anfang des 17. Jahrhunderts und einer der ein flußreichsten Gegner Richelieu s, als dieser Kardinal-Minister es unternahm, den Adel unter seine und des jugendlichen Ludwig s XIII. Gewalt zu beugen, machte zu seiner Ausbildung eine Reise durch Europa und führte darüber ein Tagebuch, das nachmals auch in Amsterdam (I«D6) unter dem Titel ilu Duc üe Kuban ksiet en l'sn IsiOÜ, vn Irnüo, Xllom-nxiw, ka)8-jja3 uni, Xnglererre er Lüeoüüe" gedruckt worden. Der Herzog, der im Jahre 1579 geboren war, hatte diese Reise im Mai dcs J. IVM angetrcten, sah also Deutschland noch vor den Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges, die freilich von den alten Sehenswürdigkeiten so viel vernichteten, daß lange nachher kein vornehmer Reisender cs der Mühe wcrth hielt, das Land zu sehen und zu beschreiben. Für uns haben des Her zogs Schilderungen ein um so größeres Interesse, als er ein für seine Zeit wahrhaft gebildeter Mann war. Heinrich IV. hatte seine früheste Erziehung geleitet, da der Herzog schon als Kind seinen Vater verloren hatte. „Der König", sagt ein Zeitgenosse, „berief den Herzog von Rohan schon im Alter von neun Jahren in den Staatsrath, damit das, was er hier hörte, dem jungen Herrn eine Anleitung sep, der, wie Heinrich wohl vorhersah, zu großen Dingen bestimmt war." Bei der berühmten Belagerung von Amiens im I. 1597 findet man den Herzog bereits mit einem wichtigen Kommando bekleidet; er war damals achtzehn Jahr alt und that Wunder der Tapferkeit. Nach dem im folgenden Jahre abgeschlossenen Frieden von Vervins faßte er den Entschluß, nach dem Morgenlande zu reisen, und zwar, wie er sagt,