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S72 peinlich, weil ich Geld und Zeit auf unnütze Dinge verschwendet habe und besser für mich und die Meinigen hätte sorgen können." Seine Befürchtungen waren nur zu sehr gegründet. Kaum hatte er die Augen geschloffen, als sich die Krone seiner ganzen Hinterlassenschaft bemächtigte. Der Verkauf seiner Bücher und Möbel brachte ihr 2500 Pfund ein, während die unglückliche Familie nichts behielt, wovon sie ihr Leben fristen konnte. Es eröffneten jedoch zu Gunsten derselben einige von Hook'S alten Freunden eine Subscriptiou und zeigten sich überaus freigebig. Aber nur wenige von den großen Herren und Staatsmännern, die am meisten von Hook'S Talent profitirt hatten, erinnerten sich seiner, als er nicht mehr war. Nur der König von Hannover unter- zeichnete «00 Pfund. So endete ein in vieler Hinsicht merkwürdiger Man», der, wenn er besser wäre erzogen worden, vielleicht glücklich und berühmt zu gleicher Zeit geworden wäre. Er war sanft, gemüthvoll und edel und hat nie durch seine Schuld einen Freund verloren. Seine Scherze verwundeten nie und haben ihm nicht Einen Feind gemacht. La Brupöre sagt zwar, wer die Leute zum Lachen bringe, werde nicht geliebt, aber Hook zu sehen und nicht zu lieben, war un möglich. Selbst in die Politik nahm er diese Sanftmuth hinüber. Obgleich seine Berurtheilung, deren Ungerechtigkeit er bis ans Ende behauptete, bis zu einem gewissen Punkte einer politischen Jntrigne zuzuschreiben war, so ver- sicherte Hook dennoch mehrere Male in seinem Journale alle diejenigen seiner Verzeihung, die er seine Verfolger zu nennen pflegte. Auch muß man zu seinem Ruhme sagen, daß er in den Angriffen auf die Whigs nie von einem persönlichen Haffe geleitet wurde und wirklich von den Grundsätzen seiner Partei durchdrungen war. Seine Untcrhaltungsgabe war ohne gleichen. Sie war, wie bei manchen Menschen, ausgezeichneter als sein schriftstellerisches Talent. Sein improvifirter Humor, seine freimüthige Fröhlichkeit machten, daß er die Anderen nur zu seinem Vergnügen zu amüsiren schien. Niemand erzählte, wie er; mit einem Worte malte er eine» Charakter, mit einer Geste eine Situation, kurz, er hätte nur zu wollen brauchen, so wäre er der größte Schauspieler seiner Zeit gewesen. Hook hatte von den Eigenschaften eines Schriftstellers Phantasie, Humor, eine kräftige Sprache, Beobachtungsgabe und Geschmack, aber einige seiner Werke verrathcn die Hast, mit der sie geschrieben sind, und treiben die Komik bis zur Karikatur. Jedoch in der Schilderung der Sitten seiner Zeit hat Hook mehr geleistet, als jeder Andere. Eben so nimmt er als Journalist den ersten Rang ein. Der John Bull hatte freilich alle Vorurtheile des alten TorpiSmuS, aber er war ein Muster eines polemischen Blattes. Sein Einfluß war außer ordentlich, und wenn man Hook in die aristokratischen Zirkel zog, so that man dies mehr dem Journalisten als dem Nomanschreibei. Die Konservativen suchen nach einem Ersatzmann für Hook-, aber weder in der periodischen Presse noch tm Romane ist bis jetzt sein Platz auSgsfüllt worden. °) Polen. Ludwig Kropinski. Dieser ehemalige polnische General, welcher Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften und einer der ersten Vertreter der älteren polnischen Literatur war, beschloß im Juli d. I. sein Leden auf seinem Stammsitze Woronczpn in Wolhynien. Durch den Tod seiner Frau und Kinder verwaist, verlebte der ehrwürdige Greis seine letzten Tage in trüber Einsamkeit auf seinem sonst so heiteren und gastlichen Woronczpn. Gerade in seinem Sterbejahr ließ er durch Milikowski in Lemberg eine Gelammt-Ausgabe seiner schönen, einst die Landsleute entzückenden Schriften veranstalten, und sie waren vielleicht der einzige Trost des Greises, der, wenngleich ihm nicht mehr vergönnt war, sein Gcistesprodukt anzuschaucn, es wenigstens mit der Hand berühren konnte. Jedoch die Blüthe, welche vor Jahren in Polen noch durch alle Gegenden geduftet hätte, zeigte sich zu spät und welk. — Kann man Kropinski auch kein Genie nennen, so besaß er doch unbestritten ein seltenes Talent und vor Allem ein edles Gefühl. Seine Ludgarde ist der treueste Abdruck des älteren französischen Drama'S und steht ihren Vorbildern nur um ein Geringes nach. Julia und Adolph sind zwar das Erzeugniß falscher Begriffe, aber ihre verkehrte Sentimentalität war der Geist oder vielmehr die Mode ihrer Zeit und der des Dichters, dessen gefühlvolles Herz jenem Drange nicht zu wider stehen vermochte. ES wird deshalb dieses Werk, das einst so viel Unwillen und Theilnahme erregte, als TppuS jener sentimentalen Epoche immer seine Wichtigkeit behalten. Bei dem heutigen Fortschritt der Literatur lassen sich allerdings KropinSki'S Werke nicht auf eine hohe Stufe stellen; cS ist jedoch zu bedenken, daß der nicht niedrig steht, welcher sich auf den höchsten Gipfel seiner Epoche geschwungen. Glätte der Verse und Reinheit der Sprache find die wesentlichsten Empfehlungen des Dichters, neben welchen sein feines Gefühl und das Geschick, dem Terte sinnige Bilder einzuweben, mit in An schlag kommen müssen. Ehemals hat man KropinSki'S Verse vielfach memo- rirt, und dieselben find tief ins Volk eingedrungeii, namentlich diejenigen, bei welchen der Dichter die fremde Form verlassen und den eigenen gemüth- lichen Ton angeschlagen hat. Kropinski fühlte sehr wohl den Umschwung der Ideen in der neuesten Literatur, aber er selbst konnte sich nicht mehr auf diese ') ES ist diese Skizze nach französischen Quellen bearbeitet. Stufe erheben, und gerade dieser Umstand mochte Vieles dazu beitragen, die letzten Tage des Helden und Dichters noch trauriger zu machen. Mauritius. Mannigfaltiges. — Deutsche und italiä nische Musik in London. Die Hoffnungen auf eine nationale Musikschule, die unser englischer Korrespondent (Nr. 124 des Magazins) ausgesprochen, scheinen sich noch »ich, verwirklichen zu wollen: denn wir gewahren wohl fortdauernde Reibungen zwischen deutschem und ita- liänischem Geschmack, aber noch keine Spur von einem Durchbruche nationaler Eigenthümlichkeit. Ein Artikel im Londoner.4tl>sniw»m tvom I«. Nov.) giebt sogar zu der Aesorgniß Raum, daß die deutsche Musik in London aus einem Hcilizthum verdrängt werde, in welchem ihr bisher ausschließlich gehuldigt wurde. Die genannte Zeilschrist enthält nämlich sehr blttcre Bemerkungen darüber, daß — wie eS heißt — die Direktoren der ?lnlnrmonie Lociok^, eines bisher durch die Aufführung deutscher Spmphoniecn und Vokalmusiken sich auSzeichnendcn Vereins, zum Leiter ihrer diesjährigen Konzerte den Jta- liäner Herrn Costa gewählt haben sollen — „bloß um das Dilemma los zu sepn, ob und wie vielleicht der erste jetzt lebende Instrumental-Komponist, Or. Felir Mendelssohn, für diese Konzerte zu gewinnen sepn möchte." — „Als Komponist", fügt das ^Gen-wum hinzu, „hat Signor Costa keinen Ruf der Art, um eine Abweichung von den Gewohnheiten der Gesellschaft zu recht fertigen; er steht als Theoretiker ungefähr auf gleicher Höhe mit den Merca- dante'S des modernen Italiens und, was europäische Berühmtheit betrifft, weit hinter diesen. Welches Geschrei würde man jedoch bei dem bloßen Ge danken erheben, Mercadante auch nur ein einziges unserer philharmonischen Konzerte dirigiren zu lassen, wenn er sich etwa als „Stern" au unserem Himmel befände? Als Dirigent von Spmphonieeu und Konzerten, die über dies nichts weniger als einen entschieden deutschen Charakter haben, hat Herr Costa nicht bloß überhaupt noch seinen Ruf zu bewähren, sondern sogar un angenehme Eindrücke zu verwischen. ES stand bei den Direktoren, sich des Herrn MoscheleS zu versichern, der während verletzten philharmonischen Kon zerte mitgewirkt; sic konnten Herrn Benedict gewinnen, der ein Schüler Weber s ist, oder Herrn W. S. Bennett, der unter Or. Mendclssohn'S Lei tung studirt hat und von dem guten musikalischen Geschmacke Leipzigs, so wie von der Liebe Leipzigs zu alten großen deutschen Komponisten, erfüllt ist — aber sie nahmen lieber ihre Zuflucht zu einem Manne, den sie vor einigen Jahren sogar bei der Ballotlirung zum Mitgliede hatten durchfallen lassen. Die einzige Erklärung, die wir für ein Verfahren, das gleich unangenehm für Deutsche wie für Engländer ist, zu geben vermöge», bestände darin, daß man die philharmonischen Konzerte zu einer Dependenz des Opernhauses machen will, nm sich dadurch die Mitwirkung der italiänischcn Sänger zu sichern. Das würde aber, selbst wenn eS musikalische» Erfolg hätte, eben so thörichtcrweise inkonsequent, als unnöthigerweise verletzend sepn." — Ein ShakspeareschcS Manuskript. Kürzlich ist eine aus der Zeit Shakspearc's herrührende Handschrift eines seiner Dramen aufgefunden worden. Man kann sich denke», mit welchem Jubel dieser Fund in England begrüßt wird, wenn wir hinzufügen, daß alle Bemühungen, eine Handschrift dieser Art zu entdecken, bisher vergeblich waren. Die beiden Abtheilungen Heinrichs' IV., zu einem Stücke zusammengezogen, sind eS, die in jener Hand schrift enthalten sind, welche in dem Urkunden-Archiv einer alten Familie in Kent aufgefundcn worden und einigt in den abgedruckten Dramen weggelassene Scencn so wie zahlreiche abweichende Lesarten enthalten soll. Daß das Manu skript nicht untergeschoben sep, dafür bürgt der Umstand, daß die Shakspeare- Gesellschaft es durch den bekannten gelehrten Kritiker Herrn Halliwell zur Herausgabe und zum Abdruck vorbereiten läßt. Auch ist cs bereits von dem mit den Editionen Shakspeare'S so vertranten Herrn Collier durchgesehen worden. — Das Verschwinden cincS Stromes in Asien. In der letzten Sitzung der geographischen Gesellschaft in London (l l. Nov.) ward ein Schrei ben des Herrn A. v. Chanikov verlesen, das über den seit einigen Jahren von der Erde verschwundenen Tanghi-Darja, einen Arm des Sir-Darja jdes JararteS der Alten), Aufschluß giebt. Drei Arme besaß sonst der Sir-Darja, dieser große Strom von Turkestan, der sich durch jene Arme in den Aralsee ergoß. Die erste Nachricht von der Austrocknung des Tanghi-Darja kam durch Baron von Mependorff und Professor EverSmann nach Europa; diese suchten daS Phänomen durch Verdunstung des Wassers zu erklären. Herr Chanikov beweist nicht bloß, daß dies unmöglich sep, sondern löst das Problem zugleich durch Mittheilung folgender einfachen Thatsache; Im Jahre I8IS hatten die Bewohner von Chokand erfahren, daß es die Absicht der Chiwaner sep, an den Ufern des Tanghi-Darja Kolonieen zu errichten, und da ihnen eine so unruhige Nachbarschaft nicht angenehm war, so erbauten sie einen mächtigen Deich an der Stelle, wo sich dieser Fluß vom Sir-Darja abzweigte. Dadurch ward daS Wasser zurückgehalten, und nachdem daS in dem alten Bette enthaltene in de» Aralsee abgelaufen war, ward dasselbe um daS Jahr l820 mit Bäumen bepflanzt, die jetzt einen dichten Wald bilden. Herr Chanikov hat von dem in Buchara umgekommenen Cap. Conolly gehört, daß er selbst jenen Deich gesehen und ihn in allen seinen Details untersucht habe. Der letzte europäische Reisende, der den Tanghi-Darja noch als einen breiten Strom sah, war der Dolmetscher der russischen Gränz-Kommission von Orenburg, der den Fluß im 1.18W und dann wieder im I. 1810 passirt hatte. Herausgegeben und redigirt von 2- Lehmann. Im Verlage von Beit Lr Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.