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608 nur Ler Hälfte jener Eröffnungen Glauben schenken, erstaunen muß über die bodenlose moralische Verderbtheit des Hauptes und über die beispiellose Ver blendung seiner Anhänger Unter dem Deckmantel der Religion, im Namen Gottes und des Heilands beging dieser Hohepriester Scheuslichkeiten im Ge heimen, welche mit Pranger und Zuchthaus zu gelind bestraft werden wür den. Eine Sekte, welcher AehnlicheS auch nur nachgesagt würde, könnte in keinem anderen Lande und sollte billig in keinem christlichen Lande geduldet werden, allein in den Vereinigten Staaten würde jedes Einschreiten als ein Eingriff in die allgemeine durch die Constitution gesicherte Religionsfrei heit betrachtet werden. Diese Religionsfreiheit wird in so hohem Maße anerkannt, daß in der Stadt New-Jork eine Gesellschaft Atheisten sogar öffentliche Versammlungen ungestört halten darf. Allsonntäglich kommen sie dort in einem in der soge nannten Pannus») -Hall, dem Haupt-Quartier der demokratischen Partei in New-Aork, für ihre Zusammenkunft gemietheten Saale zusammen. Von einem Rednerstühl, dessen Vorderseite mit der Inschrift verziert ist: k>ee regenersres G« rvarlü („Freie Diskussion regenerirt die Welt"), halten regel, mäßig die Leiter dieser Genossenschaft Reden an dieselbe, in welchen sie Gott, Christum, die Bibel angreisen, dagegen die philosophischen Systeme der alte» Griechen anrühmen und eine Art Naturreligion predigen. Mich selbst führte eines Sonntags Wißbegierde oderNeugierde in diese Versammlung, welche ich zu meiner Befriedigung sehr wenig zahlreich, in ihr zu meinem Erstaunen aber einige Frauenzimmer mit halberwachsenen Kindern fand. Zur Ehre der New- Iorker sey es übrigens bemerkt, daß diese Versammlungen dem einmal aner kannten Prinzip gemäß nur geduldet werden, aber nichts weniger als Anklang finden. Der berüchtigt« Gottesleugner Payne, vor einiger Zeit in New-Jork in tiefster Armuth und Verachtung gestorben, der seinen nicht unbedeutenden ihm von der Natur verliehenen Talenten eine so falsche Richtung zu nehmengestattete, war und ist der Schutzheilige dieser unheiligen Verbrüderung, und seine ge fährlichen, sinnverwirrenden Schriften werden von derselben in großer Achtung gehalten. Leider finden dieselben auch in einem größeren Kreise begierige Leser, und ich habe einzelne derselben in den Händen von Landleuten angetroffen, deren Geisteskräfte und geistige Kultur sie keineSweges befähigte, die in glän zende Rede gehüllte, dem beschränkten Verstände nur zu plausibel erscheinende Sophistik derselben gehörig zu würdigen. Kein Volk in der Welt liest über haupt so viel, liest mit so weniger Auswahl und läßt sich von neuen, glänzen den Erscheinungen in dem Gebiete der Wissenschaft so leicht blenden als das amerikanische. Die neuesten Erscheinungen der literarischen Welt werden zu unglaublich wohlfeilen Preisen den Leuten buchstäblich in das Haus gebracht, und wie in ganz Europa nicht so viele Zeitschriften erscheinen, als in den Vereinigten Staaten, so find unter Anderem nirgends mehr religiöse Journale dem Publikum zugänglich, als daselbst. Presbyterianer, Universalisten, Metho. disten haben in jedem Staate ihre mehr oder weniger gut revigirteu, ihren verschiedenen Lehren und deren Verbreitung gewidmeten halbwöchentlichen, wöchentlichen, monatlichen oder Ouartalblätter." Mannigfaltiges. — Deutscher Hülfsverein in Paris. Mit Anerkennung haben wir auch in diesen Blättern des deutschen Hülfsvereins zu gedenken, der sich in Paris gebildet zur Unterstützung der vielen dort befindlichen Nothleidenden aus Deutschland, die man namentlich auch mit den Mitteln zur Rückkehr in ihr Vaterland versehen will. Nicht bloß aus den französischen Provinzen, sondern auch aus allen deutschen Gauen strömen alljährlich Tausende nach Paris in der meistens trügerischen Hoffnung, dort nicht bloß Erwerb, sondern auch Vermögen und Ehren zu finden. Ein französischer Schriftsteller hat das Täuschende dieser Erwartungen und die häufigen sehr beklagenSwerthen Kata strophen, die in Folge solches unvorsichtigen SpckulircnS auf die große Stadt eintreten, in einer aus dem Leben gegriffenen Darstellung unter dem Titel „Filoni faire fortune ä?aria!" geschildert.') Aber wie traurig auch das Loos vieler französischen Fremden in Paris seyn mag — noch unendlich trauriger ist doch im Durchschnitt das der deutschen, die in vielen Fällen nicht einmal ihrer Umgebung verständlich zu machen wissen, was ihnen fehlt, und denen man nur allzu ost mit dem Tone des Vorwurfs sagt: Warum bleibt ihr nicht in eurem Vaterland«, wir haben hier genug für unsere eigenen Armen zu sorgen! Am meisten können noch die, die ein tüchtiges Handwerk oder eine Kunst gelernt, ihr Fortkommen dort finden, denn deutsche Arbeiter find wegen ihres Fleißes überall im Auslande gesucht; wer aber glaubt, daß er etwa durch Ertheilung von deutschem Sprachunterricht in Paris sein Brod erwerben werde, der gewahrt nur zu bald, daß für das Bedürsniß dieses Unterrichtes mehr als zehnfach schon gesorgt sey, und daß er mindestens einige Jahre schon daselbst gelebt haben müsse, um den Wenigen, die einen solchen Unterricht verlangen, bekannt und empfohlen zu seyn. Aller traurigen Er fahrungen ungeachtet wird dort indessen das Zuströmen deutscher jungen und älteren Leute mit jedem Jahre größer, und find erst di» Eisenbahnen bis dahin fertig, so möchte wohl Paris, wo jetzt schon deutsche „Fremde" zahlreicher als in irgend einer deutschen Hauptstadt find, überhaupt diejenige Stadt werden, in der sich die meisten Deutschen befinden. Nichts ist also auch natür- licher, als daß von den vielen WohlthätigkeitS-Anstalten der französischen Hauptstadt cme ganz besonder« den deutschen Armen gewidmet sey, und -j Lgl. Rr. Ivu de« Magazin« von d. I. wir fänden es ganz in der Ordnung, wenn diese auch von Deutschland aus reichlich unterstützt würde. Der kürzlich statlgcfundcnen General-Versammlung des seit dem April d. I. bestehenden deutschen Hülfsvereins wurde unter Anderem mitgethcilt, daß dis zum 7. November 25Z Mitglieder mit einem jährlichen Beitrage von 7220 Fr. beigetretcn seyen. Bis dahin waren in sieben Monaten Z700 Fr. an Unterstützungen verausgabt, doch hat sich seitdem durch die ungewöhnlich früh eingetretene strenge Kälte das Bcdürfniß sehr vermehrt, so daß die Herzogin von Orleans — bekanntlich eine deutsche Fürstin — sich veranlaßt sah, einen Beitrag von 500 Fr. zu übersenden. BemerkenSwerth ist, daß ein sehr großer Theil der bisher an den Verein gelangten Unterstützungs-Gesuche von Ange hörigen des GroßherzogthumS Hessen, und zwar hauptsächlich aus der Gegend von Gießen, herrührte, von wo auch die meisten der bekannten hessischen Besenhändlerinnen stammen, die sich in London herumzutreiben pflegen. Eine neue Einnahme-Quelle eröffnet sich übrigens jener Kaffe durch den seit kurzem unter der Leitung des Herrn Stern aus Berlin zusammengetretenen deutschen Musikverei», der am lS. Dezember zum Besten der ersteren ein von vielen deutschen Künstlern unterstütztes Konzert veranstaltete. Zu leitenden Directions- Mitglievern wurden in der letzten General-Versammlung des Hülfsvereins die zweien deutschen Gesandlschaftsposten angehörenden Diplomaten, Herren Weyland und Wendland i als Präsidenten), die Herren vr. Cohn, Kühn, von Gasparini und Thurneysen (als Vicepräsidenten) und die Herren l)D. Wertheim, Haller und KarpeleS ials Ausschuß-Mitglieder) erwählt. In dem der Direction zur Seite stehende» größeren Ausschuß befinden sich auch zwei deutsche Handwerksmeister, nämlich die Herren Schuhmacher Wehrle und Bäcker Zang. Zur Kontrolc find drei Censorcn bestellt und zu diesen Functionen Vic beiden deutschen Gelehrten Depping und Mohl und der protestantische Pre- diger Cuvier aus Metz — dessen Frau eine geborene Berlinerin ist — erwählt. — Die Noth der arbeitenden Klassen in-PariS. Ein Theil der Pariser Zeitungen, und zwar hauptsächlich der radikalere, an dessen Spitze die lietvrms und Hr. LedruRollin stehen, hat bekanntlich das Verlangen gestellt, daß die Regierung eine genaue Untersuchung des Zustandes der arbeitenden Klaffen veranlasse. Die Uevu« So bemerkt in dieser Beziehung: „Wir find dem Prinzipe nach einer solchen Untersuchung keinesweges entgegen; allein zu wel chem Resultat wird sie in diesem Augenblick führen? Allerdings zur Konstati- rung des uns bekannten Nothstandes, den wir beklagen und den zu mildern und zu beseitigen wir von ganzem Herzen wünschen. Aber cs kömmt weniger darauf an, Leiden, die nur zu sichtbar schon sind, noch inehr an das Licht zu stellen, als wirksame Heilmittel zu entdecken und anzuwenden. Bereits sind bekanntlich durch die Sparkassen außerordentliche Wohlthaten über die wenig bemittelten Volksklassen verbreitet worden; «S ist dies eine der größten und edelmüthigsten Institutionen unserer Zeit. Außerdem aber können sie uns als AuSgangSpun kt dienen. Nichtminderhaben sich auch schon Vereine gebildet, um entlassenen jungen Sträflingen, so wie schutzlosen Kindern überhaupt, ein Patronat zu verschaffen. Endlich ist nicht zu übersehen, daß seit einigen Jah ren Graf Mole seine Zurückgezogenheit von den Staatsgeschäften dazu be nutzt hat, in Gemeinschaft mit einigen Freunden den Grund zu einer neuen Institution zu legen, welche dazu bestimmt ist, die Wohlthaten der Sparkassen zu vervollständigen. Wir meinen die Versorgungskaffen, deren Wirksamkeit sich vielleicht mit der der Gesellschaften zu gegenseitiger Unterstützung wird verbinden lassen. Es sind dies Gegenstände des Studiums und des Nachden kens von Männern der Politik und des Staates, während in diesem Augen blicke zu befürchten steht, daß eine unvorsichtig geleitete Untersuchung die Massen in eine eben so erkünstelte als gefährliche Aufregung versetze." — Neue Nachtpolizci in der französischen Hauptstadt. Die SicherheitS-Polizei in Paris, obwohl bereits auf eine viel bessere Weise orga- nisirt als in anderen Hauptstädten, wird doch noch bedeutend vermehrt, zu wel chem Behuf« der Kammer ein Gesetz. Entwurf zur Bewilligung der nöthigen Gelder vorgelegt werden soll. Demnach würde man eine besondere Nacht polizei ins Leben rufen, für welche nicht weniger als zweihundert Wacht- Häuser in den verschiedenen Stadttheilen errichtet werden sollen, die unter ein ander leicht in Verbindung treten können. Jedes dieser Wachthäuser soll von zwölf Polizeibienern unter der Anführung eines Sergeanten besetzt werden und nächtlich eine gewisse Zahl von Runden versenden, die, vier Mann stark, «nun- terbrochen durch di« zu ihrer Jnspicirung gehörenden Straßen ziehen. Diese Leute, in bürgerlicher Kleidung, tragen einen weiten Uederrock und unter dem selben einen sogenannten Dolch-Säbel und zwei Pistolen, so wie einen mit Blei gefütterten Stock in der Hand, wie ihn bereits die Aufseher in den öffentlichen Gärten von Paris tragen. Vermittelst der gedachten Runden stehen alle Wacht- Häuser von einem bis zum anderen Ende der Hauptstadt i» Verbindung mit einander, dergestalt, daß einzelne Personen, die in einer vorgerückten Nacht- stunde vermöge der jetzt herrschenden Unsicherheit allein zu gehen kaum wagen dürfen, sich diesen Patrouillen immer anschließcn können, um sich von ihnen bis in ihre Wohnung, möge diese auch noch so entlegen seyn, geleiten zu lassen. Der Dienst der bereits bestehenden Munizipalgarde soll übrigens eben so wie der der Linientruppen und der Nationalgarden durch die neue Einrichtung kei- nerlei Abänderung erleiden. Die Wirksamkeit der Nachtpolizei beginnt erst um 'S Uhr Abends und dauert dis nach Tages-Anbruch. Einen Theil der sehr be deutenden Kosten der dafür auch um so nützlicheren und allen redlichen Einwoh- nern zu Statten kommenden Einrichtung wird die Stadt Paris selbst und einen anderen soll die Regierung übernehmen, deren Kassen und Gebäude ja eben- falls bei der allgemeinen Sicherheit wesentlich betheiligt sind. Herausgegeben und redigirt von I. Lehmann. Im Berlage von Veit Vk ComP. Gedruckt bei A. W. Hayn.